Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 11.09.2002, Az.: 203-VgK-17/2002
Rechtsfolge der Zuschlagserteilung vor Ablauf der Zweiwochenfrist nach Benachrichtigung; Verpflichtung zur Überprüfung und Dokumentation eines preislich ungewöhnlich niedrigen Angebots; Bestehen eines Ermessens hinsichtlich der Erforderlichkeit der Überprüfung; Bestehen einer Verpflichtung zur Dokumentaion der einzelnen Stufen des Verfahrens, der Maßnahmen, der Feststellung sowie der Begründung der einzelnen Entscheidungen in der Vergabeakte; Anforderungen an ein Missverhältnis zwischen Preis und Leistung; Vereinbarkeit der nicht dokumentierten negativen Entscheidung auf Grund bestehender schlechter Erfahrungen mit dem Bieter mit dem Transparenzgebot
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 11.09.2002
- Aktenzeichen
- 203-VgK-17/2002
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 28759
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 13 VgV
- § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A
- § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A
Verfahrensgegenstand
VOL-Vergabeverfahren A 06/02 - Reinigung/Desinfektion ZOP
In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Dipl.-Ing. Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ök. Brinkmann
auf die mündliche Verhandlung vom 09.09.2002
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der von der Auftraggeberin am 15.08.2002 vorzeitig an die Beigeladene erteilte Zuschlag ist gem. § 13 VgV nichtig. Die Auftraggeberin wird angewiesen, erneut in die Wertung der Angebote einzutreten, dabei die aus den Entscheidungsgründen ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten und insbesondere die Angemessenheit des Angebotes der Antragstellerin nach Maßgabe des § 25 Nr. 2 Abs. 2, 3 VOL/A zu überprüfen und Überprüfung und Wertung gem. § 30 VOL/A in der Vergabeakte zu dokumentieren.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Auftraggeberin.
- 3.
Die Kosten werden auf 2.783 Euro festgesetzt.
- 4.
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin war notwendig. Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, wenn sie dies beantragt.
Begründung
I.
Die Auftraggeberin hat mit Datum vom 21.05.2002 die Dienstleistung "Reinigung des gesamten ZOP/Not-OP sowie die Durchführung der gesamten Desinfektionsmaßnahmen (Scheuer-Wisch-Desinfektion, Raumvernebungen) im Haus nach Desinfektionsgesetz im offenen Verfahren für den Zeitraum 01.10.2002 bis 30.09.2005 ausgeschrieben. Die Gesamtfläche ZOP/Not-OP beträgt inklusive der Nebenflächen 7860 qm. Für die Zwischen-/Endreinigung der 28 OP-Säle, der 4 Not-OP-Säle sowie für die Desinfektionsmaßnahmen im gesamten Haus wird eine 24-stündige, tägliche Verfügbarkeit in unterschiedlicher Personalstärke vorausgesetzt. Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass die Bieter als wirtschaftliche und technische Mindestanforderungen folgende Mindestanforderungen erfüllen müssen:
"Firmenpräsentation; Erfahrung mit Projektenähnlicher Größenordnung und Komplexität sind im Angebot anzugeben . . ."
Andere Zuschlagskriterien für die Auftragserteilung als der niedrigste Preis sollten sein:
transparente Kalkulation; schlüssige Konzeption und Darlegung des Personaleinsatzes, der Schulungsmaßnahmen und der Reinigungsmethodik; Zertifizierung nach DIN ISO 9000 ff sowie die Berechtigung zum Führen des RAL-Gütezeichens haben entscheidenden Einfluss auf die Vergabeentscheidung; Wirtschaftlichkeit und Referenzliste.
Bei der Verhandlung zur Öffnung der Angebote nach § 22 VOL/A am 12.07.2002 ergab sich, dass die Antragstellerin den niedrigsten Angebotspreis abgegeben hatte und die Beigeladene an dritter Stelle lag. Allerdings war zum Angebot der Antragstellerin vermerkt, dass es rechnerisch nicht korrekt sei.
Bei der Prüfung der Angebote nach § 23 VOL/A am 17.07.2002 ergab sich bei der formalen Prüfung, dass die Antragstellerin kein Mitglied der Gütegemeinschaft sei. Ferner wurde vermerkt, dass keine Objektbesichtigung durchgeführt wurde, da OP bekannt. Bei der rechnerischen Prüfung wurde wiederum festgestellt, dass das Angebot nicht korrekt sei. Die Antragstellerin ist seit 18 Jahren für die Auftraggeberin tätig.
Die Prüfung des Angebots der Beigeladenen ergab laut ausgefülltem Vordruck, dass es formell korrekt war; zur rechnerischen Prüfung war vermerkt, "siehe Aufstellung im Vergabevermerk".
Bei der Wertung der Angebote nach § 25 VOL/A am 18.07.2002 wurde u.a. festgehalten, dass alle abgegebenen Angebote berücksichtigt wurden. Unter Berücksichtigung aller Umstände sei das Angebot der Firma ... das wirtschaftlichste. Auf die Begründung der Fachabteilung unter "Vergabevermerk" wurde verwiesen.
In einer Stellungnahme des Geschäftsbereichs 61 "Hauswirtschaftliche Dienste" an den Geschäftsbereich Materialwirtschaft vom 26.07.2002 wird begründet, warum man sich für die Firma ... entschieden habe.
"Die Firma ... mit dem günstigsten Angebot liegt im Preis ca. 34 % unter dem Mittel der Angebotspreise (ohne Berücksichtigung des teuersten und des billigsten Anbieters). Dieser Angebotspreis resultiert aus mehreren Rechenfehlern in einem ohnehin sehr unprofessionellen Angebot. Des Weiteren sind unsere Erfahrungswerte mit ... sehr schlecht (vollständig dokumentiert), so dass wir ohnehin von dieser Firma Abstand nehmen wollen. Bei der Betrachtung der Anbieter, die nicht auf Grund eines Kriteriums ausgeschlossen wurden, liegt ... preislich am günstigsten und das mit noch glaubwürdigen Leistungsvorgaben. Die zu erwartende Leistungsfähigkeit wurde uns in der näheren Vergangenheit in den Außenbereichen unter Beweis gestellt. Dieser Gesamteindruck spiegelt sich sowohl in den umfangreichen Unterlagen als auch in der Fachkunde des Betriebsbeauftragten, Herrn ..., wider. Unter Berücksichtigung aller Punkte stellt ... für uns die wirtschaftlichste Alternative dar, um den hohen Hygieneanforderungen im Klinikum gerecht zu werden."
Die angesprochene Dokumentation über die Erfahrungswerte mit der Antragstellerin ist in der Vergabeakte nicht enthalten, sondern wurde der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung vom 09.09.2002 in Form von "Begehungsprotokollen" vorgelegt.
Der Begründung für die Entscheidung zu Gunsten der Beigeladenen ist eine Auswertung der Preiszusammenstellung, der QM-Leistungsvorgaben mit Angabe, ob Vorgabe überschritten oder grenzwertig ist, beigefügt. Ferner war der Stellungnahme eine weitere Tabelle zur Vorgehensweise bei der Angebotsauswertung beigefügt.
Mit Schreiben vom 29.07.2002 informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin unter Hinweis auf § 13 Vergabeverordnung (VgV), dass beabsichtigt sei, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Mit Schreiben vom 07.08.2002, abgesandt per Fax am gleichen Tage, rügte die Antragstellerin gegenüber der Auftraggeberin die beabsichtigte Zuschlagserteilung und die Nichtberücksichtigung ihres Angebots. Zur Begründung führte sie aus, dass sie das preisgünstigste Angebot abgegeben und die Auftraggeberin 18 Jahre lang die wirtschaftliche und fachliche Kapazität nicht in Zweifel gezogen habe. Die Antragstellerin wies die Auftraggeberin in dem Schreiben ferner darauf hin, dass sie einen Nachprüfungsantrag stellen werde, sollte der Rüge nicht bis zum 08.08.2002, 14.00 Uhr, abgeholfen werden.
Mit Schriftsatz vom 15.08.2002, eingegangen per Fax am gleichen Tage, hat die Antragstellerin die Vergabekammer angerufen. Sie vertritt die Auffassung, dass die Auftraggeberin als wirtschaftlichste Lösung das Angebot der Antragstellerin als das kostengünstigste hätte annehmen müssen. Kostengünstigkeit und Wirtschaftlichkeit lägen ihrer Meinung hier nach auf einer Ebene. Sollte die Auftraggeberin Bedenken wegen des Personaleinsatzes haben, so können diese nach Ansicht der Antragstellerin leicht ausgeräumt werden. Die Geschäftsführerin und ihr Objektleiter selbst seienäußerst flexibel einsetzbar und können auf diese Weise Ausfälle jeweils kurzfristig kompensieren. Aus diesem Grund könne die Antragstellerin auch flexibler die Personalkosten kalkulieren als andere Bieter. Der von ihr angebotene Preis berücksichtige in jeder Hinsicht den Tarif für das Gebäudereinigerhandwerk, der allgemein verbindlich sei. Dies gelte auch für sämtliche Zuschläge.
Zur Begründung, warum sie erst am 07.08.2002 die beabsichtigte Vergabe gerügt und am 15.08.2002 den Nachprüfungsantrag gestellt habe, führt die Antragstellerin aus, dass sie das Informationsschreiben nach § 13 VgV erst am 01.08.2002 erhalten habe.
Die Antragstellerin beantragt,
ein Nachprüfungsverfahren bezüglich der Ausschreibung A 06/02 - Reinigung/ Desinfektion ZOP im Klinikum (offenes Verfahren) und die Erteilung des Zuschlages an Firma ... einzuleiten.
Die Auftraggeberin beantragt,
- 1.
den Antrag, ein Nachprüfungsverfahren bezüglich der Ausschreibung A 06/02 - Reinigung/Desinfektion ZOP im Klinikum (offenes Verfahren) und die Erteilung des Zuschlages an Firma ... einzuleiten, abzulehnen;
- 2.
möglichst umgehend einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.
Die Auftraggeberin hält den Nachprüfungsantrag für unzulässig bzw. unbegründet. Sie ist der Auffassung, dass der von der Antragstellerin gestellte Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens unzulässig sei, da sie den Zuschlag an die Beigeladene bereits am 15.08.2002, also 14 Kalendertage nach Information der nicht berücksichtigten Bieter, erteilt habe. Der Nachprüfungsantrag sei hingegen erst am 16.08.2002 bei ihr per Telefax eingegangen.
Im Übrigen sei aber auch der Vorwurf der Antragstellerin ihrer Meinung nach inhaltlich falsch. Zur Begründung ihrer Auffassung verweist sie auf ihren Vergabevermerk und den festgestellten Rechenfehler. Durch diesen Rechenfehler sei der Gesamtangebotspreis um ca. 10.000,00 EUR zu niedrig angesetzt worden. Multipliziere man die Monatsstunden des Aufwands mit dem angegebenen Stundenverrechnungssatz als ihrer Meinung nach korrekt, so ergäbe sich vielmehr ein Betrag von 62.601,29 EUR. Hinzu käme, dass auch der Stundenverrechnungssatz von 14,89 EUR in Frage zu stellen sei, da darin sowohl der übliche Risiko- und Gewinnzuschlag und der 10%ige OP-Zuschlag fehle. Außerdem sei kein Stundenverrechnungssatz für Sonntage angegeben worden.
Die Beigeladene unterstützt das Vorbringen der Auftraggeberin und beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 09.09.2002 Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag der Antragstellerin ist begründet. Der von der Auftraggeberin der Beigeladenen am 15.08.2002 erteilte Zuschlag ist gem. § 13 VgV nichtig, da die Zuschlagserteilung vor Ablauf der 14-Tages-Frist erfolgte. Die Antragstellerin ist durch die Behandlung ihres Angebotes in der Wertung im Sinne der § 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt, weil die Auftraggeberin von der Zuschlagserteilung auf das ungewöhnlich niedrige Angebot der Antragstellerin absah, ohne zuvor die nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A erforderliche Überprüfung dieses Angebotes vorzunehmen und zu dokumentieren. Stattdessen hat die Auftraggeberin tatsächliche und vermeintliche Rechen- und Kalkulationsfehler der Antragstellerin ohne Konsultation der Antragstellerin selbst korrigiert bzw. Zuschläge hinzugerechnet. Ferner hat sie sich bei ihrer Entscheidung von vermeintlichen schlechten Erfahrungswerten mit der Antragstellerin in den letzten 1 1/2 Jahren der insgesamt 18-jährigen Zusammenarbeit leiten lassen, ohne diese Erfahrungswerte in der Vergabeakte in irgendeiner Weise zu dokumentieren. Insgesamt genügt der Vergabevermerk nicht den Anforderungen des § 30 VOL/A, sodass die Auftraggeberin gegen ihre Dokumentationspflicht und damit gegen den Transparenzgrundsatz gem. § 97 Abs. 1 GWB verstoßen hat.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine der Aufsicht des Landes Niedersachsen unterliegende ... und damit um eineöffentlichen Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Reinigungs-, Unterhaltsreinigungs- und Desinfektionsleistungen und damit um einen Dienstleistungsauftrag gem. § 99 Abs. 1 und Abs. 4 GWB, für den gem. § 2 Nr. 3 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 200.000 Euro gilt. Der Wert des ausgeschriebenen Auftrags überschreitet nach dem Ergebnis des Vergabeverfahrens deutlich den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert. Bereits der streitbefangene, von der Antragstellerin angebotene Preis beträgt 53.261,56 Euro netto per Monat, sodass angesichts des ausgeschriebenen 3-jährigen Vertragszeitraums der Schwellenwert von 200.000 Euro deutlich überschritten wird (Wert über die gesamte Vertragslaufzeit auf Basis des niedrigsten Angebotes der Antragstellerin = 1.917.416,16 Euro)
Das streitbefangene Vergabeverfahren hat sich auch nicht vor Eingang des Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer am 15.08.2002 und vor Zustellung des Nachprüfungsantrags an die Auftraggeberin mit Verfügung der Vergabekammer vom 16.08.2002 erledigt. Der mit Schreiben der Auftraggeberin vom 15.08.2002 erfolgte Zuschlag an die Beigeladene ist gem. § 13 Satz 4 VgV nichtig, da er vor Ablauf der 14-Tages-Frist nach Information der im Verfahren beteiligten Bieter gem. § 13 VgV erfolgt ist. Zwar datiert das Informationsschreiben der Auftraggeberin an die erfolglosen Bieter bereits auf den 29.07.2002. Die 14-tägige Frist wird jedoch regelmäßig erst durch den Zugang der Information beim Bieter in Gang gesetzt (vgl. Kammergericht (KG) Berlin, Beschluss v. 04.04.2002, Az.: KartVerg 5/02). Es ist weder seitens der Auftraggeberin noch seitens der Antragstellerin belegt, wann das Informationsschreiben der Antragstellerin zugegangen ist, da es weder per Telefax noch per eingeschriebenen Brief, sondern auf normalem Postwege versandt wurde. Die Antragstellerin hat erklärt, dass sie das Schreiben erst am 01.08.2002 erhalten hat. Die Auftraggeberin macht geltend, dass sie das Schreiben vom 29.07.2002 noch am gleichen Tage abgesandt hat und weist darauf hin, dass es sich im Falle der Antragstellerin lediglich um eine Postbeförderung innerhalb ... handelt. Mangels entsprechender Belege muss die Vergabekammer von der Zugangsfiktion entsprechend § 41 Abs. 2 VwVfG ausgehen. Danach gilt ein durch die Post im Inland übermittelter schriftlicher Verwaltungsakt mit dem 3. Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Unterstellt, das Informationsschreiben vom 29.07.2002 wurde am gleichen Tage zur Post aufgegeben, ist daher von einem Zugang des Informationsschreibens bei der Antragstellerin am 01.08.2002 auszugehen. Die 14-Tages-Frist begann somit gem. § 187 Abs. 1 BGB erst am 02.08.2002 zu laufen und endete gem. § 188 Abs. 1 BGB am 15.08.2002, 24.00 Uhr. Gemäß § 13 VgV durfte die Auftraggeberin den Zuschlag daher nicht vor dem 16.08.2002 erteilten. Das streitbefangene Vergabeverfahren ist damit nicht rechtswirksam beendet und damit einer Nachprüfung durch die Vergabekammer weiterhin zugänglich.
Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, die Auftraggeberin beabsichtige, zu ihren Lasten den Zuschlag nicht auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist weiterhin, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, 1. Auflage, § 107, Rdn. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt, da sie zumindest nach ihrem Angebot den niedrigsten Nettopreis angeboten hat. Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten der Auftraggeberin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Die Antragstellerin hat erst mit dem am 01.08.2002 ihr zugegangenen Informationsschreiben der Auftraggeberin davon erfahren, dass die Auftraggeberin sich aus wirtschaftlichen Gründen für die Beigeladene entschieden hat. Die Antragstellerin hat darauf mit Anwaltsschriftsatz vom 07.08.2002, der Auftraggeberin zugegangen per Telefax am gleichen Tage, reagiert und gerügt, dass die für den Zuschlag vorgesehene Beigeladene nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben haben könne, da sie, die Antragstellerin, nach den ihr vorliegenden Informationen das preisgünstigste Angebot abgegeben habe. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass zwischen dem Zugang des Informationsschreibens gem. § 13 VgV bei der Antragstellerin am 01.08.2002 und dem Rügeschreiben vom 07.08.2002 ein Wochenende und die Konsultation eines Rechtsanwaltes lag, erfolgte diese Rüge unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Antragstellerin ist in mehrfacher Hinsicht im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt, weil die Auftraggeberin ihr ungewöhnlich niedriges Angebot für die Zuschlagserteilung nicht berücksichtigte, ohne zuvor die nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A erforderliche Überprüfung vorzunehmen und zu dokumentieren. Ferner hat sie gegen ihre Dokumentationspflicht und damit gegen den Transparenzgrundsatz gem. § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, weil die Vergabeakte nicht die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellung sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen hinreichend wiedergibt. Der Vergabevermerk der Auftraggeberin genügt nicht den Anforderungen des § 30 VOL/A. Dies gilt auch für die Tatsache, dass sich die Auftraggeberin bei ihrer Entscheidung von vermeintlich schlechten Erfahrungswerten mit der Antragstellerin in den letzten 1 1/2 Jahren der insgesamt 18-jährigen Zusammenarbeit hat leiten lassen, ohne die besagten Erfahrungswerte in der Vergabeakte zu dokumentieren. Diesen Erfahrungswerten widersprechen zudem rundum positive Referenzschreiben des für die Betriebseinheit Krankenhaushygiene und Infektionskontrolle zuständigen Arztes Dr. ... des ...klinikums ... und mithin der Auftraggeberin selbst. Die letzte positive Stellungnahme stammt vom 05.09.2002.
a)
In der Vergabeakte ist ein Vergabevermerk in Form eines Schreibens des Geschäftsbereichs 61 - Hauswirtschaftliche Dienste - an den Geschäftsbereich Materialwirtschaft vom 26.07.2002, unterschrieben vom Geschäftsbereichsleiter 61, Herrn ..., enthalten. In der dortigen Anlage 4 - Vorgehensweise Angebotswertung ZOP/NOT-OP/ Desinfektionsmaßnahmen 2002 - heißt es unter der Rubrik Gesamtpreis:
"Der Angebotspreis wurde unter dem Gesichtspunkt der maximalen Wirtschaftlichkeit betrachtet, sollte den aktuellen Preis von 69.000,00 EUR allerdings nicht wesentlich überschreiten. Dazu gehört auch das Erreichen der maximalen Qualität.Das Angebot von ... (Antragstellerin) wird nicht berücksichtigt, weil es 34 % vom Durchschnitt der restlichen Anbieter (ohne die beiden Extreme) abweicht. Dies ist in mehreren Rechenfehlern begründet."
Die Auftraggeberin war nicht befugt, das Angebot der Antragstellerin wegen des auffallend niedrigen Preises gem. § 25 Nr. 2 Abs. 2 bei der Bewertung ohne Konsultation der Antragstellerin nicht zu berücksichtigen. Nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A darf auf Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, der Zuschlag nicht erteilt werden. Von einem solchen Missverhältnis zwischen Preis und Leistung ist aber nur dann auszugehen, wenn der Preis von den Erfahrungswerten wettbewerblicher Preisbildung so grob abweicht, dass dies sofort ins Auge fällt. Ein beträchtlicher Preisabstand zwischen dem niedrigsten und den nachfolgenden Angeboten allein ist für sich genommen noch kein hinreichendes Merkmal dafür, dass der niedrige Preis auch im Verhältnis zur zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig ist. Hinzu kommen müssen vielmehr Anhaltspunkte dafür, dass der Niedrigpreis wettbewerblich nicht begründet ist (vgl. Kulartz, VOL/A, 5. Auflage, § 25 Rdn. 40 ff., m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bieter mangels verbindlicher Kalkulationsregeln grundsätzlich in seiner Preisgestaltung frei bleibt. Deshalb ist für die Prüfung der Auskömmlichkeit des Angebotes nicht auf einzelne Positionen des Leistungsverzeichnisses, sondern auf den Gesamtpreis, die Endsumme des Angebotes abzustellen (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 08.11.2001, Az.: 13 Verg 12/01).
Nach diesen Grundsätzen durfte die Auftraggeberin das Angebot der Antragstellerin nicht allein auf Grund der Tatsache, dass es im Preis ca. 34 % unter dem Mittel der Angebotspreise (ohne Berücksichtigung des teuersten und des billigsten Anbieters) lag, unberücksichtigt lassen und als Dumpingangebot einstufen. Die Auftraggeberin hätte vielmehr, wie es § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A ausdrücklich vorschreibt, die Einzelposten dieser Angebote nicht nur prüfen müssen, sondern zu diesem Zweck von der Antragstellerin die erforderlichen Belege verlangen müssen. Der öffentliche Auftraggeber hat keine Entscheidungsfreiheit, ob eine Überprüfung sinnvoll ist. Selbst in den Fällen, in denen ein Angebot nach Auffassung des Auftraggeber unrealistisch ist, ist der Bieter dennoch zur Stellungnahme aufzufordern (vgl. Kulartz, a.a.O., § 25 Rdn. 39, m.w.N.). Zu diesem Zweck muss der Auftraggeber vom Bieter die erforderlichen Belege verlangen und ihm ggf. mitteilen, welche Unterlagen oder Positionen für unannehmbar erachtet werden. Dem Bieter ist dabei eine angemessene Frist für zusätzliche Angaben einzuräumen. Dieser ist dann zwar nicht verpflichtet, die entsprechenden Auskünfte über sein Angebot zu erteilen und seine Kalkulation offen zu legen. Er wird dieser Aufforderung in der Regel aber nachkommen, um einen sonst erfolgenden Ausschluss nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 zu vermeiden (vgl. VK Düsseldorf, Beschluss v. 17.12.1999, Az.: VK-17/99-L). Die Auftraggeberin durfte daher nicht, wie geschehen, jegliche Konsultation der Antragstellerin unterlassen und stattdessen ihre Entscheidung lediglich auf die von ihr bei der Prüfung festgestellten tatsächlichen und vermeintlichen Rechenfehler im Angebot der Antragstellerin stützen. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass die in ihrem Angebot im Einzelnen aufgeschlüsselten Monatskosten nicht mit den Spalten Stundenvorgabe pro Tag, Jahresstunden und Monatsstunden korrespondieren. Die Fehler bei der Eintragung in diesen Spalten habe sie bei der Angebotsabgabe nicht bemerkt und auch nichtüberprüft. Richtig sei dagegen der von ihr durchweg eingetragene Stundenverrechnungssatz von 14,89 EUR. Dieser beinhalte die tarifliche Entlohnung ihrer Mitarbeiter und insbesondere auch einen 10%igen OP-Zuschlag, wo dieser im Einzelnen anfalle. In der ihrem Angebot beigefügten Kalkulation der Stundenverrechnungssätze sei dieser OP-Zuschlag nicht enthalten, da er durch die Verdingungsunterlagen nicht vorgegeben worden sei. Daraus ergebe sich, dass die Gesamtsumme aller Positionen nicht 100 %, sondern lediglich 92,01 % ergebe, was nach Prüfung der Vergabekammer zutrifft. Die Auftraggeberin hat darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin den pauschalen Stundensatz von 14,89 EUR auch für die Bereiche "Desinfizierende Kreißsaalreinigung" und "Desinfizierende Zimmerreinigung" eingetragen habe, obwohl dort ausdrücklich auf die erforderlichen End- und Nachtzuschläge hingewiesen worden sei. Die Antragstellerin hat erläutert, dass der Durchschnittsstundensatz von 14,89 EUR gewählt worden sei, weil bei anderen Positionen, wo ebenfalls der gleiche Satz von ihr eingetragen wurde, tatsächlich ein geringerer Stundensatz zu zahlen wäre. Durch die Wahl des Durchschnittssatzes sei gewährleistet, dass die jeweiligen Zuschläge und die tariflichen Entlohnungen für die Mitarbeiterinnen gewährleistet werden.
Die Auftraggeberin war daher angesichts dieser Fragen, die das Angebot der Antragstellerin für sie aufwerfen musste, verpflichtet zu prüfen, ob das Angebot der Antragstellerin in offenbarem Missverhältnis zur Leistung steht und deshalb auszuschließen ist. Sie durfte bei dieser Prüfung aber nicht darauf verzichten, von der Antragstellerin die erforderlichen Belege zu verlangen.
Sie war daher gemäß Tenor zu 1 dieses Beschlusses zu verpflichten, diese Prüfung ordnungsgemäß nachzuholen und in der Vergabeakte in einem den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Vergabevermerk transparent zu dokumentieren. Dabei ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass ein offenbares Missverhältnis von Preisen zur Leistung noch nicht dann vorliegt, wenn einzelne Positionen oder Bereiche unterpreisig erscheinen. Auch ist ein öffentlicher Auftraggeber nicht verpflichtet, nur "auskömmliche" Angebote zu berücksichtigen (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 08.11.2001, Az.: 13 Verg 12/01, m.w.N.). Bei einem grundsätzlich leistungsfähigen Bieter kann es verschiedenste Gründe geben, im Einzelfall ein auch nicht auskömmliches oder jedenfalls sehr knapp kalkuliertes Angebot abzugeben. Derartige Angebote sind im Sinne des Wettbewerbs erwünscht, solange an der ordnungsgemäßen Durchführung der Arbeiten keine Zweifel bestehen. Dies aber hat die Auftraggeberin unter Berücksichtigung einer Stellungnahme der Antragstellerin in der gebotenen Weise zu überprüfen. Lediglich wenn diese eingehende Plausibilitätsprüfung ein offenbares Missverhältnis des Preises zur Leistung ergibt, darf die Auftraggeberin der Antragstellerin den Zuschlag nicht erteilen.
b)
Die Auftraggeberin hat ferner gegen den Transparenzgrundsatz des § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem sie sich offensichtlich bei ihrer Entscheidung von vermeintlich schlechten Erfahrungswerten mit der Antragstellerin in den letzten 1 1/2 Jahren der insgesamt 18-jährigen Zusammenarbeit hat leiten lassen, ohne diese Erwägungen und Begründungen in einem den Anforderungen des § 30 Nr. 1 VOL/A genügenden Vergabevermerk in der Vergabeakte hinreichend zu dokumentieren. In der Vergabeakte ist ein Schreiben des Geschäftsbereichs 61 - Hauswirtschaftliche Dienste - an den Geschäftsbereich Materialwirtschaft der Auftraggeberin vom 26.07.2002 enthalten, in der erklärt und begründet wird, dass und warum man sich für die Beigeladene entschieden habe. Dort heißt es:
... "Des Weiteren sind unsere Erfahrungswerte mit ... (Antragstellerin) sehr schlecht (vollständig dokumentiert), sodass wir ohnehin von dieser Firma Abstand nehmen wollen."
Die angesprochene Dokumentation dieser vermeintlich schlechten Erfahrungswerte enthält die Vergabeakte jedoch nicht. Erst im Zuge des Nachprüfungsverfahrens, in der mündlichen Verhandlung hat die Auftraggeberin der Vergabekammer einen Ordner zugänglich gemacht, der insbesondere sog. Begehungsprotokolle enthält. Der Leiter des Bereichs Hauswirtschaftliche Dienste der Auftraggeberin, Herr ..., hat diese Protokolle dahingehend erläutert, dass er bei keiner Begehung habe feststellen können, dass der vertraglich vorgegebene Personenstand, insbesondere der Personaleinsatz wie auch der Mehreinsatz bei Bedarf von der Antragstellerin eingehalten wurde. Vielmehr habe es dort stets Defizite gegeben. Die Antragstellerin hat eingeräumt, dass es hin und wieder zu Defiziten hinsichtlich der Anzahl des einzusetzenden Personals bei den Begehungen gekommen sei, dies sei aber nicht häufig gewesen. Sie könne dies insbesondere, wozu sie gemäß Zertifizierung auch verpflichtet sei, anhand von Dokumentationen nachweisen, dass sie alle in dieser Branche notwendigen und vertraglich vorgegebenen Vorgaben eingehalten habe. Sie habe bereits dafür Sorge getragen, dass dies in Zukunft nicht mehr vorkomme.
Abgesehen davon, dass die Auftraggeberin hier ein Eignungskriterium, nämlich die Frage der Zuverlässigkeit der Antragstellerin, VOL-widrig, quasi als Hilfsargument erst in der letzten Wertungsphase, die der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes dient, herangezogen hat, ist die Beurteilung der Eignung und insbesondere der Zuverlässigkeit der Antragstellerin durch die Auftraggeberin jedenfalls äußerst widersprüchlich und nicht geeignet, die Antragstellerin mit ihrem Angebot vom Vergabeverfahren auszuschließen.
Systematisch vollzieht sich die Wertung gem. § 25 VOL/A in 4 Wertungsphasen:
- In der 1. Phase sind die auszuschließenden bzw. ausschließbaren Angebote zu ermitteln, ohne dass eine inhaltliche Wertung dieser Angebote vorzunehmen ist (§ 25 Nr. 1 VOL/A).
- In der 2. Phase ist die Eignung der verbliebenen Bieter im Hinblick auf die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit undZuverlässigkeit für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung zuüberprüfen (Nr. 2 Abs. 1).
- Die 3. Wertungsphase hingegen befasst sich mit der Überprüfung ungewöhnlich niedriger Angebote im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung (Nr. 2 Abs. 2 und 3).
- Die 4. und letzte Wertungsphase schließlich betrifft nur noch die Angebote, welche in die engere Wahl gekommen sind. Unter diesen ist das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln (Nr. 3).
Zur Vermeidung schwer wiegender Vergabefehler empfiehlt sich in aller Regel die genaue Einhaltung der Wertungsphasen 1 bis 4 (vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Auflage, § 25, Rdn. 8, m.w.N.). Schon der das Vergabeverfahren beherrschende Transparenzgrundsatz gem. § 97 Abs. 1 GWB verbietet grundsätzlich eine Vermengung der Wertungsphasen, insbesondere wenn - wie im vorliegenden Fall - vermeintliche Defizite im Eignungsbereich nur hilfsweise im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung herangezogen werden.
Die Darstellung der Auftraggeberin zur vermeintlichen Unzuverlässigkeit der Antragstellerin ist aber auch in sich nicht schlüssig. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin seit nunmehr 18 Jahren für die Auftraggeberin tätig ist. Der Leiter des Bereichs Hauswirtschaftliche Dienste der Auftraggeberin, Herr ..., hat eingeräumt, dass die von ihm für seine Beurteilung angeführten und dokumentierten Vorfälle sich auf den Zeitraum der letzten 1 1/2 Jahre beschränken, der damit deckungsgleich ist mit der Zeit, in der er bei der Auftraggeberin in leitender Stellung tätig ist. Auch erst seit seinem Dienstantritt habe es Abmahnungen gegenüber der Antragstellerin gegeben. Sein Vorgänger habe solche Vorfälle, wenn sie vorgefallen seien, jedenfalls nicht dokumentiert. Diesem sich auf die jüngste Zeit der 18-jährigen Zusammenarbeit beschränkenden, negativen Eindruck über die Zuverlässigkeit der Antragstellerin stehen jedoch mehrere positive Referenzen der Auftraggeberin selbst gegenüber. So heißt es in einem Schreiben des Präsidenten der Auftraggeberin vom 16.08.2000, mit dem der Antragstellerin seinerzeit der aktuell noch laufende Reinigungsauftrag erteilt wurde:
"Ich bestätige Ihnen, dass Ihre fachliche Leistung und Einsatzbereitschaft, sowie die Ihrer Mitarbeiter im Bereich der medizinischen Einrichtungen positiv aufgenommen wurde und hoffe, dass diese auffallenden Merkmale weiterhin zum Wohl der Patienten von Nutzen sein werden."
In einem Schreiben der Auftraggeberin vom 18.05.1998 heißt es:
"Ich bestätige Ihnen, dass Ihre fachliche Leistung und Einsatzbereitschaft, sowie die Ihrer Mitarbeiter im Bereich der medizinischen Einrichtungen positiv aufgenommen wurde. Sollten detaillierte Referenzen gewünscht werden, bin ich gerne dazu bereit."
In einer Linie mit diesen positiven Referenzen und völlig gegensätzlich zur aktuellen Bewertung der Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Antragstellerin durch die Auftraggeberin im streitbefangenen Vergabeverfahren steht schließlich die Beurteilung des leitenden Arztes der Betriebseinheit Krankenhaushygiene und Infektionskontrolle - somit des hier maßgeblichen Bereiches Dr. med. ... - vom 05.09.2002. Dort drückt der bei der Auftraggeberin beschäftigte Arzt aus "krankenhaushygienischer und infektionsepidemiologischer Sicht" seine volle Zufriedenheit aus. Dort heißt es:
"Ganz besonders hervorheben möchte ich Ihren persönlichen, fachkundigen Einsatz und die Funktion Ihrer Objektleitung bei der optimalen Einarbeitung und Einweisung Ihres Personals zum Schutze unserer Patienten und unseres Personals nach den von der Krankenhaushygiene geforderten hygienischen Gesichtspunkten. Besonders erwähnenswert ist auch Ihreorganisatorische Personalstrukturierung während Urlaubszeiten und Krankheitsfällen für den reibungslosen Tätigkeitsablauf besonders in kritischen Bereichen, wie z.B. auf Intensivpflegeeinheiten, in Operationssälen etc. Ferner begrüße ich die enge Zusammenarbeit in Fragen der Hygiene und des Personalschutzes einschließlich der Personalschulungen über hygienerelevante Themen zwischen Ihnen und der Krankenhaushygiene. Weiterhin bin ich gerne bereit, auf persönliche externe Anfragen detaillierte Referenzen zu erteilen."
Diese positive Beurteilung deckt sich mit früheren Referenzen dieses leitenden Arztes vom 05.05.1998 und 18.09.1996. Angesichts dieser eindeutig positiven Referenzen aus dem eigenen Hause sind die von der Auftraggeberin nunmehr geltend gemachten Zweifel an der Zuverlässigkeit der Antragstellerin nicht nur in der Vergabeakte mangelhaft dokumentiert, sondern sind auch materiell in der Gesamtschau nicht geeignet, der Antragstellerin die erforderliche Zuverlässigkeit abzusprechen.
Gleiches gilt im Übrigen auch für den Vorwurf der Auftraggeberin, die Antragstellerin habe gegen die vertraglich vereinbarte Pflicht verstoßen, dass das gesamte eingesetzte Personal deutschsprachig sein müsse bzw. Deutschkenntnisse aufweisen müsse, was bei der großen Mehrzahl der von der Antragstellerin tatsächlich eingesetzten Mitarbeiter nicht der Fall sei. Die Antragstellerin hat demgegenüber erklärt, dass immerhin 50 - 60 % ihrer Mitarbeiter deutsche Staatsangehörige seien, wenngleich sie einräumt, dass einige Mitarbeiter nicht so gut deutsch sprächen. Sie hat ferner eingeräumt, dass die Frage der Deutschkenntnisse, die erstmals in dieser Ausschreibung so ausdrücklich abgefordert wurden, durchaus von Bedeutung ist. Die ihr jetzt zugemessene Bedeutung könnte die Deutschsprachigkeit jedoch ihrer Auffassung nach nur für die Zukunft, nicht jedoch für die Vergangenheit entfalten. In § 5 "Einsatz der Reinigungskräfte" des der Vergabekammer vorgelegten laufenden Vertrages zwischen der Auftraggeberin und der Antragstellerin heißt es unter Ziffer 2, Buchstabe e):
"Der Auftragnehmer verpflichtet sich, für die Reinigungsarbeiten in den Diensträumen des Auftraggebers in jedem Teilbereich Personal vorzuhalten, welches in der Lage ist, Fragen und Anforderungen, die in deutscher Sprache formuliert werden, zu verstehen und zu beantworten."
Die Auftraggeberin hat erläutert, dass die Frage der deutschen Sprachbeherrschung insbesondere wichtig sei im Desinfektionsbereich, da dies nicht nur für die Patienten, sondern auch für Mitarbeiter Auswirkungen haben könne. So wären die von der Antragstellerin bei der Desinfektion eingesetzten Mitarbeiter teilweise nicht in der Lage gewesen, gegenüber der Auftraggeberin etwa die Einwirkzeit und die eingesetzten Desinfektionsmittel in einer Liste schriftlich zu dokumentieren. Die Vergabekammer stellt die Bedeutung, die die Auftraggeberin den Sprachkenntnissen insbesondere im sensiblen Bereich Desinfektion zumisst, nicht in Frage. Festzustellen ist jedoch, dass der laufende Vertrag mit der Antragstellerin die Beherrschung der deutschen Sprache in Schriftform ausdrücklich nicht fordert. Die Auftraggeberin wirdkünftig derartige Vorgaben ausdrücklich mit in den Vertrag aufnehmen müssen. Aus der Formulierung des § 5 des aktuell laufenden Vertrages lässt sich jedenfalls nicht die Verpflichtung entnehmen, dass alle eingesetzten Mitarbeiter der Antragstellerin die deutsche Sprachebeherrschen müssen, schon gar nicht in Schriftform.
3.
Gemäß § 114 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern.
Wegen des unter II. 2.) festgestellten Verstoßes gegen vergaberechtliche Bestimmungen ist es geboten, die Auftraggeberin zu verpflichten, erneut in die Wertung einzutreten, diese unter Beachtung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer neu durchzuführen und Prüfung, Wertung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren. Eine Aufhebung des Vergabeverfahrens war im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hingegen nicht erforderlich.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw. in Ausnahmefällen 50.000 Euro beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.783,00 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 1.917.416,16 EUR (brutto). Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Angebot der Antragstellerin (= 53.261,56 EUR netto per Monat) über die gesamte ausgeschriebene Vertragslaufzeit von 36 Monaten (01.10.2002 bis 30.09.2005).
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999. Hiernach wird der Mindestgebühr von 5.000,00 DM (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 2 Mio. DM (Schwellenwert von 1 Mio. Euro; ca. 2 Mio. DM) zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000,00 DM (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 300 Mio. DM (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 1.917.416,16 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.783,48 EUR, abgerundet 2.783,00 EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die im Tenor verfügteKostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB unterlegen ist.
Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragstellerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war auf Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin im konkreten Verfahren erforderlich war.
Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdn. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdn. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.
Angesichts der oben erörterten Tatsache, dass die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.
Die Auftraggeberin wird aufgefordert, den Betrag von 2.783,00 EUR unter Angabe desKassenzeichens... auf folgendes Konto zu überweisen: ...
Schulte
Brinkmann