Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 26.04.2002, Az.: 203-VgK-6/02

Veräußerung von Gesellschafteranteilen zum Zwecke einer Public Private Partnership; Vergabe eines Dienstleistungsauftrags in Form der künftigen Betriebsführung; Anwendbarkeit der Vorschriften des europäischen Vergabrechts; Präklusion gemäß § 107 Abs. 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
26.04.2002
Aktenzeichen
203-VgK-6/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 28438
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Verkauf einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an der ...kliniken GmbH sowie Vergabe eines Dienstleistungsauftrages "Geschäftsbesorgung für die ...kliniken GmbH"

In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
durch
den Vorsitzenden ORR Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Lohmöller
auf die mündliche Verhandlung vom 23.04.2002
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für die Beigeladene war notwendig. Die Antragstellerin wird verpflichtet, der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, wenn die Beigeladene dies beantragt.

Begründung

1

I.

Der Antragsgegner (Landkreis ...) ist 100-prozentiger Träger der ...kliniken GmbH mit den Standorten ..., ... und .... Er beabsichtigt, einen Teil seiner Anteile an der ...kliniken GmbH im Wege einer Public Private Partnership zu privatisieren und künftig in Form einer (nicht gemeinnützigen) Gesellschaft unter dem Namen "...kliniken GmbH" zu führen. Dabei wird eine mögliche Beteiligung eines Dritten an der GmbH bis zur Höhe von 49 % angestrebt. Mit der Auswahl des künftigen privaten Mitgesellschafters, der Einholung und der Prüfung entsprechender Angebote von privaten Krankenhausträgern hat die Antragsgegnerin die ... und ... mbH, ... (...) ... beauftragt. Die ... stellte zur Ermittlung des geeignetsten Gesellschafters einen Kriterienkatalog auf, den sie mit Schreiben vom 21.11.2000 der Antragsgegnerin unterbreitete. Dieser Kriterienkatalog gliedert sich wie folgt:

  1. 1.

    Allgemeine Kriterien (Vollständigkeit der Unterlagen, Branchenerfahrung, Präsentation)

  2. 2.

    Beurteilung des medizinischen Entwicklungskonzeptes (Aussagefähigkeit und mögliche Rückschlüsse auf die Kompetenz des Anbieters)

  3. 3.

    Beteiligung, Geschäftsführung (Höhe der Beteiligung, Kaufpreis; Minderheitsbeteiligung an der GmbH wird gekoppelt an die Übernahme der Geschäftsführung

  4. 4.

    Personalfragen (insbesondere Übernahme des Personals, Zusatzversorgung VBL, Fortbestand des BAT oder anderer Tarife (Haustarif), Sicherung aller Rechte nach § 613 a BGB)

  5. 5.

    Immobilienangelegenheiten/Investitionen (konkrete Investitionsvorstellungen, Sicherung der Zweckbindung der Klinikgrundstücke durch Grunddienstbarkeiten)

  6. 6.

    Sonstige Fragestellungen des Landkreises

2

Auf Basis dieser Kriterien wurden in der Folge im Wege eines freihändigen Verhandlungsverfahrens (ohne vorherige Vergabebekanntmachung) sieben in Deutschland ansässige potenzielle Bewerber angeschrieben, darunter die Antragstellerin und ein mit der ...x GmbH verbundenes Unternehmen der ...-Gruppe, die ... GmbH. Die Beigeladene - ... GmbH -, die ebenfalls zur ...-Gruppe gehört, war zunächst direkt nicht angeschrieben worden, im Zuge der Vertragsverhandlungen dann aber von der ...-Gruppe als künftiger Mitgesellschafter präsentiert und von dem Auftraggeber akzeptiert worden. Die Bewertung der Angebote schloss mit dem Vorschlag der ... vom 21.11.2000, die Verhandlungen nur noch mit vier Bewerbern, darunter die Antragstellerin und die ... GmbH, fortzusetzen. Später führte die ... im Auftrag des Antragsgegners die Verhandlungen nur noch mit der Antragstellerin, der ... GmbH (...) und dem Bewerber ... fort. Nachdem die ... AG/... im Zuge der Verhandlungen ein modifiziertes Angebot unterbreitete, das nicht der politischen Vorgabe der Ausschreibung einer Minderheitsbeteiligung entsprach, wurden schließlich nur noch die Angebote der Antragstellerin und der ... AG berücksichtigt.

3

Im Juni 2001 präsentierten diese beiden Angebote nach ihren Eckpunkten ausweislich eines in der vom Antragsgegner vorgelegten Akte enthaltenen, nicht datierten Angebotsvergleichs der ... wie folgt:

  1. 1.

    Angebot der Antragstellerin:

    • Kaufpreis für eine Minderheitsbeteiligung von 49 % 30.000.000,-- DM
    • Abschluss eines Managementvertrages über die Dauer der Beteiligung in Höhe von 3 % des Jahresumsatzes (entspricht jährlich rund 3,6 Mio. DM - inklusive Umsatzsteuer, exklusive Vergütung des bei der Antragstellerin anzustellenden Geschäftsführers

  2. 2.

    Angebot der ... GmbH

    • Kaufpreis für eine Minderheitsbeteiligung von 49 % 32.000.000,-- DM
    • Abschluss eines Managementvertrages ca. 700.000,-- DM p. a. (inkl. Mehrwertsteuer, der Betrag beinhaltet bereits die Gestellung des Geschäftsführers).

4

Ferner machten beide Bewerber Angebote hinsichtlich der Übernahme weiterer Anteile. So äußerte die Antragstellerin den Wunsch, im Vertrag ein Ankaufsrecht für weitere Anteile der Gesellschaft zu vereinbaren. Vorgeschlagen wurde eine Regelung, zwischen dem 3. und 4. Geschäftsjahr weitere 51 % an der Gesellschaft zum Preis von 40 Mio. DM zu erwerben.

5

Der Bewerber ... bot die Vereinbarung eines Ankaufsrechtes für die restlichen 51 % der Anteile Stammkapital für ca. 50 Mio. DM an.

6

Gemäß Beschlussvorlage der Kreisverwaltung für die Sitzung des Kreisausschusses vom 11.06.2001 und des Kreistages vom 18.06.2001 empfahl die Kreisverwaltung ihren Gremien, mit der ... AG - Unternehmensbereich ... GmbH, ..., eine Beteiligungsvereinbarung an der ...kliniken GmbH in Höhe von 49 % abzuschließen. Begründet wurde die Präferenz zu Gunsten der ... AG insbesondere damit, dass der Kaufpreis für den 49-prozentigen Anteil bei ... um 2 Mio. DM höher liegt und die von der Antragstellerin geforderten Managementgebühren mit etwa 4 Mio. DM weit über den von ... (700.000,-- DM) geforderten Kosten liegen. Im Zuge des weiteren Verhandlungsverfahrens mit der Beigeladenenänderten sich die Konditionen. Der Auftraggeber beabsichtigt nun die Veräußerung einer Minderheitsbeteiligung von 49,99 % an die Beigeladene bei gleichzeitiger vertraglicher Einräumung von 50,01 % der Stimmrechte.

7

Mit Schreiben vom 25.03.2002, eingegangen am 26.03.2002, hat die Antragstellerin die Vergabekammer angerufen. Nach Aussage der Antragstellerin konnten die Verhandlungen mit dem vom Landkreis favorisiertenÜbernehmer der Geschäftsanteile noch nicht abgeschlossen werden. Sie seien jedoch so weit vorangekommen, dass in Kürze mit der Entscheidung des Kreistages über die Veräußerung der Geschäftsanteile zu rechnen sei. Über die Minderheitsbeteiligung hinaus solle parallel nunmehr über den Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages und damit über die Vergabe eines öffentlichen Leistungsauftrages entschieden werden. Einzelheiten seien der Antragstellerin nicht bekannt, lediglich einige Eckdaten, soweit sie öffentlich diskutiert würden. Die Antragstellerin trägt vor, es sollten nunmehr 49,99 % der Gesellschaftsanteile verkauft werden, wobei jedoch die Stimmrechte in der Gesellschaft zu 50,01 % auf den künftigen Minderheitsgesellschafterübertragen werden sollen. Nach Auffassung der Antragstellerin weiche dieses Ergebnis von den Bedingungen des vom Antragsgegner durchgeführten Wettbewerbs erheblich ab. Da nunmehr die Stimmrechte in den Händen des Minderheitsgesellschafters majorisiert würden, was als vergaberechtlicher Umgehungstatbestand zu werten sei. Nunmehr könne eine faktische Veräußerung der Beherrschung der Geschäftsanteile vorgenommen werden.

8

Die Antragstellerin räumt allerdings ein, dass sie gleichfalls den Wunsch - nicht die Bedingung - geäußert habe, im Vertrag ein Ankaufsrecht für weitere Anteile der Gesellschaft zu vereinbaren.

9

Ferner sei beabsichtigt, parallel zum Geschäftsanteilskaufvertrag einen Vertrag über die Geschäftsführung der ...kliniken GmbH abzuschließen. Diese Leistung sei jedoch überhaupt nicht ausgeschrieben worden.

10

Aus der der Vergabekammer vom Auftraggeber vorgelegten, die Suche nach dem privaten Mitgesellschafter dokumentierenden Akte ließ sich nicht entnehmen, dass die Antragstellerin das Auswahlverfahren des Antragsgegners im Zuge der Verhandlungen in irgendeiner Weise gerügt hätte. Die Antragstellerin hat aber in der mündlichen Verhandlung ein an den Auftraggeber gerichtetes Schreiben vom 23.01.2002 vorlegt. Aus dem Inhalt dieses Schreibens ergibt sich, dass die Antragstellerin die vermeintlich beabsichtigte Veräußerung einer Mehrheitsbeteiligung als wettbewerbswidrig rügt. Insbesondere liege eine Ungleichbehandlung vor, da sie, die Antragstellerin, stets auch gegenüber dem Auftraggeber den Wunsch geäußert habe, ein Ankaufsrecht für weitere Anteile zu erwerben. Gleichwohl sei sie mit ihrem Angebot nicht zum Zuge gekommen.

11

Die Antragstellerin hat beantragt,

den Vorgang einer detaillierten rechtlichen Nachprüfung zu unterziehen und das Vergabeverfahren aufzuheben.

12

Der Auftraggeber beantragt,

den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 25.03.2002 zurückzuweisen.

13

Der Antragsgegner hat ausführlich dargelegt, warum er den Nachprüfungsantrag für offensichtlich unzulässig und jedenfalls offensichtlich unbegründet hält. Der Antragstellerin fehle insbesondere die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB, da sie nicht dargelegt habe, dass sie in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt worden sei. Sie könne sich überhaupt nicht auf einen Vergaberechtsverstoß berufen. Veräußert würden hier lediglich Gesellschaftsanteile. Dieser Vorgang unterliege aber nicht dem Vergaberecht. Die Antragstellerin habe nicht dargelegt und könne auch nicht darlegen, dass eine Rechtsverletzung durch falsche Wahl des Vergabeverfahrens vorgelegen habe bzw. kein wettbewerbliches Verfahren stattgefunden habe. Vielmehr habe sich die Antragstellerin ja selbst um den Erwerb der Geschäftsanteile an den ...kliniken beworben. Ferner habe die Antragstellerin ihren Verpflichtungen aus § 107 Abs. 3 GWB nicht genügt, die von ihr behaupteten Vergaberechtsverstöße unverzüglich gegenüber dem Auftraggeber zu rügen. Eine Rüge sei von der Antragstellerin weder behauptet noch unter Beweisantritt dargelegt worden.

14

Die Vergabekammer hat gem. § 109 GWB auf Hinweis des Antragsgegners die ... GmbH, ..., die zur ...-Gruppe gehört und offenbar nunmehr den Zuschlag für die Minderheitsbeteiligung erhalten soll, beigeladen, weil ihre Interessen durch die Entscheidung der Vergabekammer schwer wiegend berührt werden.

15

Die Beigeladene hat mit Anwaltsschriftsatz vom 08.04.2002 beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 25.03.2002 zurückzuweisen,

  2. 2.

    auszusprechen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Beigeladene notwendig gewesen ist.

16

Die Beigeladene hat ihre Anträge ebenso wie der Antragsgegner damit begründet, dass sie den Nachprüfungsantrag bereits für unzulässig hält und dies umfangreich unter Zitierung von Rechtsprechung dargelegt. Die Beigeladene ist insbesondere der Auffassung, dass die Antragstellerin nicht antragsbefugt sei, da sie nicht substantiiert vorgetragen habe, geschweige denn unter Beweis gestellt habe, dass sie mit ihrem Angebot eine reelle Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Das Angebot der Antragstellerin habe vielmehr seinerzeit bereits hinsichtlich des Erwerbs des 49-prozentigen Minderheitsgesellschaftsanteils preisrechtlich rund 2 Mio. DM unter dem Angebot der Beigeladenen gelegen, so dass ein Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin schon aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht in Frage gekommen sei. Ferner habe die Antragstellerin versäumt, die von ihr nunmehr im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten vermeintlichen Vergaberechtsverletzungen im Vergabeverfahren gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich zu rügen.

17

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 23.04.2002 Bezug genommen.

18

II.

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Die Antragstellerin hat die von ihr im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten, vermeintlichen Vergaberechtsverstöße nicht unverzüglich gegenüber dem Auftraggeber gem. § 107 Abs. 3 GWB gerügt, obwohl sie diese erkannt hatte.

19

1.

Bei dem Auftraggeber handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Entgegen der Auffassung des Auftraggebers unterliegt der von ihr veranstaltete, streitbefangene Wettbewerb auch den Vorschriften des EU-Vergaberechts, dem 2. Abschnitt der VOL/A und ist damit einer Nachprüfung nach dem 4. Teil des GWB grundsätzlich zugänglich. Die vom Auftraggeber angestrebte Public Private Partnership beinhaltet nicht lediglich die Veräußerung eines Minderheitsgesellschafteranteils (nach derzeitigem Verhandlungsstand 49,99 %) der ihr derzeit zu 100 % gehörenden ...kliniken GmbH. Eine solche bloße Veräußerung von Gesellschaftsanteilen hätte per se keinen beschaffungswirtschaftlichen Bezug und unterliegt daher grundsätzlich nicht dem Vergaberecht (vgl. Frenz, Ausschreibungspflicht einer Übertragung von Gesellschaftsanteilen?, DÖV 3/2002, S. 186 ff., S. 187, S. 191, m.w.N.). Gegenstand des vom Auftraggeber im Wege eines freihändigen Vergabeverfahrens ohne vorherige Vergabebekanntmachung veranstalteten Wettbewerbs war vielmehr auch der Abschluss eines Managementvertrages und damit eines Dienstleistungsvertrages im Sinne des § 99 Abs. 1, Abs. 4 GWB und § 1 VOL/A. Wie sich aus der Vergabeakte ergibt, hat der Auftraggeber bereits in einem frühen Stadium des Verhandlungsverfahrens sowohl mit der Antragstellerin als auch mit der von ihr für den Zuschlag vorgesehenen Beigeladenen über den Abschluss eines solchen Managementvertrages verhandelt. Soweit der Auftraggeber in der mündlichen Verhandlung vom 23.04.2002 vorgetragen hat, der Anstoß hinsichtlich des Abschlusses eines Managementvertrages sei nicht vom Auftraggeber, sondern von den Bewerbern, insbesondere auch der Antragstellerin und der Beigeladenen erfolgt, ist dies unbeachtlich. Bereits im Schreiben der vom Auftraggeber mit der Durchführung des Wettbewerbs beauftragten ... vom 21.11.2000 wird darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin ihr Angebot zwingend mit der Betriebsführung/Geschäftsführung verknüpft. DieÜbernahme eines Managements solle sich nach den bei der Antragstellerin üblichen vertraglichen und finanziellen Konditionen richten. Weiter heißt es auf Seite 8 dieses Schreibens:

"Die Höhe der Vergütung bleibe offen; nach unserer Kenntnis liegen die jährlichen Kosten bei rund 1 % der Budgetsumme."

20

Auch hinsichtlich des Angebotes der Beigeladenen stand von Anfang an nicht nur der Erwerb von Anteilen an den ...kliniken GmbH, sondern auch der Abschluss eines damit verbundenen Managementvertrages im Raum. Auf Seite 12 des Schreibens der ... heißt es dazu:

"Die ... GmbH (gehört wie die Beigeladene zur ...-Gruppe und war von dieser ursprünglich für den Abschluss des Kooperationsvertrages mit dem Auftraggeber vorgesehen) bietet die Übernahme von 49 % des Stammkapitals der ...kliniken zum Preis von 20 Mio. DM an. Damit verbunden sind der Abschluss eines Managementvertrages ..."

21

Auch im weiteren Verlauf des Verhandlungsverfahrens hat der Auftraggeber keineswegs etwa die Bewerber darauf hingewiesen, dass es ihm nur um die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen gehe. Vielmehr hat der Abschluss eines Managementvertrages bis heute stets eine Rolle gespielt. Ausweislich eines in der Vergabeakte enthaltenen, nicht näher datierten Angebotsvergleichs der ... präsentierten sich im Juni 2001 die bis dahin im Verhandlungsverfahren verbliebenen Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen hinsichtlich ihrer Eckpunkte unter anderem wie folgt:

  1. 1.

    Angebot der Antragstellerin:

    • Kaufpreis für eine Minderheitsbeteiligung von 49 % 30.000.000,-- DM
    • Abschluss eines Managementvertrages über die Dauer der Beteiligung in Höhe von 3 % des Jahresumsatzes (entspricht jährlich rund 3,6 Mio. DM - inklusive Umsatzsteuer, exklusive Vergütung des bei der Antragstellerin anzustellenden Geschäftsführers)

  2. 2.

    Angebot der ... - ...x GmbH (Anmerkung: als Vorläufer der jetzigen Beigeladenen)

    • Kaufpreis für eine Minderheitsbeteiligung von 49 % 32.000.000,-- DM
    • Abschluss eines Managementvertrages ca. 700.000,-- DM p. a. (inklusive Mehrwertsteuer, der Betrag beinhaltet bereits die Gestellung des Geschäftsführers).

22

Die Vergabekammer vertritt nach wie vor die Auffassung (vgl. Beschluss v. 10.08.1999, Az.: 203-VgK-6/1999), dass die Suche einer kommunalen Körperschaft nach einem privaten Mitgesellschafter über die haushaltsrechtlichen Pflichten hinaus dem europäischen Vergaberecht und der VOL/A jedenfalls dann unterliegt, wenn der öffentliche Auftraggeber die Suche des Mitgesellschafters mit der Vergabe der künftigen Betriebsführung und damit einer Dienstleistung verbindet, sofern diese Betriebsführung - oder wie im vorliegenden Fall der angestrebte Managementvertrag - selbst bereits den Schwellenwert für den Anwendungsbereich des 4. Teils des GWB gem. § 100 Abs. 1 GWB überschreitet (vgl. Jaeger, Public Private Partnership und Vergaberecht, NZBau 1/2001, S. 6 ff. m.w.N.). Nach dem aus der Vergabeakte ersichtlichen Ergebnis des streitbefangenen Verhandlungsverfahrens betragen die Kosten des angestrebten Managementvertrages auch im Falle des günstigsten Angebots der Beigeladenen rund 700.000,-- DM p. a. (ca. 4 Mio. DM bei der Antragstellerin). Damit überschreitet bereits der Dienstleistungsauftrag auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oderüberschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Gemäß § 2 Nr. 3 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 gilt für Dienstleistungsaufträge ein Schwellenwert von 200.000,-- EUR. Vor In-Kraft-Treten der Vergabeverordnung galten die entsprechenden Schwellenwerte für eine europaweite Ausschreibung bereits auf Grund der richtlinienkonformen Auslegung des § 100 GWB, weshalb die Schwellenwerte unmittelbar durch die EG-Richtlinien bestimmt waren. Der Wert des Managementvertrages, der bereits seit dem Jahre 2000 Gegenstand des Verhandlungsverfahrens war, überschreitet also den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert deutlich.

23

2.

Soweit die Antragstellerin erstmals im Nachprüfungsverfahren geltend macht, hier werde ein Managementvertrag bzw. ein Vertrag über die Geschäftsführung der ...kliniken GmbH abgeschlossen, obwohl die Leistung überhaupt nicht ausgeschrieben worden sei, ist der Nachprüfungsantrag jedoch unzulässig, weil die Antragstellerin die diesbezüglich von ihr geltend gemachten Verstöße gegen das Vergaberecht im streitbefangenen Vergabeverfahren nicht unverzüglich gegenüber dem Auftraggeber gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gerügt hat.

24

Richtig ist zunächst, dass der Auftraggeber im vorliegenden Fall gegen § 3 a VOL/A verstoßen hat, da er den Wettbewerb im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige öffentliche Vergabebekanntmachung durchgeführt hat, was nur in den sehr engen, in § 3 a VOL/A Nr. 2 abschließend geregelten Ausnahmefällen zulässig ist, deren Voraussetzungen hier nicht vorliegen. Zwar ist nicht erforderlich, dass ein derartig komplexer Vertragsgegenstand wie ein Kooperationsmodell im Rahmen einer Public Private Partnership im Wege eines offenen oder nicht offenen Verfahrens im Sinne des § 3 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A ausgeschrieben wird. Richtiges Verfahren für derartige Kooperationsmodelle ist vielmehr das Verhandlungsverfahren nach vorheriger Bekanntmachung gem. § 3 a Nr. 1 Abs. 4 lit. b und/oder c VOL/A (vgl. Jaeger, a.a.O. S. 11). Erfolgt eine vorherige Vergabebekanntmachung, ist das sich anschließende Verhandlungsverfahren über das Kooperationsmodell vergaberechtlich unbedenklich. Gemäß § 3 a Nr. 1 Abs. 4 lit. b und c VOL/A dürfen nämlich solche Dienstleistungsaufträge im Verhandlungsverfahren vergeben werden, die ihrer Natur nach oder wegen der damit verbundenen Risiken eine vorherige Festlegung des Gesamtpreises nicht zulassen (lit. b) oder die vertraglichen Spezifikationen nicht hinreichend genau festgelegt werden können (lit. c). Letzteres ist insbesondere bei geistig schöpferischen, aber auch bei finanziellen Dienstleistungen (Dienstleistungen der Kategorie 6 des Anhangs I A) häufig der Fall. Da in diesen Fällen über Art und Umfang der Leistung zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens noch keine hinreichende Klarheit besteht, allenfalls ein Programm des Auftraggebers vorhanden ist, darf in diesen Fällen auf das Verhandlungsverfahren mit vorheriger Vergabebekanntmachung zurückgegriffen werden (vgl. Müller in Daub/Eberstein, VOL/A, § 3 a, Rdn. 19; Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg, Beschluss v. 10.08.1999, Az.: 203-VgK-6/1999). Diese Voraussetzungen liegen auch bei einem so umfangreichen und langfristig angelegten Kooperationsmodell wie im vorliegenden Fall ohne weiteres vor. Die Tatsache, dass der angestrebte "Managementvertrag" mit in das Verhandlungsverfahren einbezogen wird, ist grundsätzlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Verknüpfung der Vergabe des Managements mit der Auswahl des künftigen Gesellschafters ist grundsätzlich zweckmäßig und nicht wettbewerbswidrig, wenn dem Verhandlungsverfahren im vorliegenden Fall eine öffentliche Vergabebekanntmachung vorausgegangen wäre.

25

Auf den vorliegenden Vergaberechtsverstoß in Form der Wahl der falschen Art des Vergabeverfahrens kann sich die Antragstellerin jedoch nicht mehr berufen. Sie hat diesen Vergaberechtsverstoß nicht "unverzüglich" im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gegenüber dem Auftraggeber gerügt. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Ein Anbieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden beim Durcharbeiten der Ausschreibungsunterlagen Ungenauigkeiten festgestellt, liegt bereits positive Kenntnis vor (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 107 Rdn. 681). Die Antragstellerin hatte, wie auch die Beigeladene und alle anderen vom Auftraggeber am Wettbewerb beteiligten Bewerber, von Anfang an positive Kenntnis darüber, dass der künftige private Mitgesellschafter der ...kliniken GmbH im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung - also "freihändig" - ermittelt werden sollte. Dies folgte bereits aus dem Schreiben der ... vom 30.08.2000, mit dem die Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert wurden.

26

Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne eines § 107 Abs. 3 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Verfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2000, Az.: Verg. 9/00). Der Antragstellerin als auf dem Gebiet der Verwaltung von Kliniken und der Kooperation mitöffentlichen Auftraggebern erfahrenes Unternehmen musste sich die vergaberechtliche Fehlerhaftigkeit des vom Auftraggeber gewählten Vergabeverfahrens geradezu aufdrängen. Der Fehler war zumindest für die Antragstellerin erkennbar, so dass sie gehalten war, spätestens bis zur Angebotsabgabe am 27.10.2000 gem. § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB zu rügen. Weder aus der Vergabeakte noch aus dem Vortrag der Antragstellerin ist eine diesbezügliche Rüge ersichtlich, geschweige denn eine rechtzeitige. Auch in dem von der Antragstellerin der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung vom 23.04.2002 überreichten, an den Auftraggeber gerichteten Schreiben vom 23.01.2002, das die Antragstellerin als Rügeschreiben gewertet wissen will, wird weder auf den angestrebten Dienstleistungsvertrag in Form des Managementvertrages noch auf die fehlerhafte Wahl der Art des Vergabeverfahrens eingegangen. Vielmehr rügt die Antragstellerin dort lediglich eine von ihr vermutete, vermeintliche Übertragung von mehr als 50 % der Anteile an der ...kliniken GmbH. Die Antragstellerin macht dort insbesondere eine diesbezügliche Ungleichbehandlung zu ihren Lasten geltend, weil sie im Verfahren stets selbst den Wunsch geäußert habe, im Vertrag ein Ankaufsrecht für weitere Anteile der Gesellschaft zu vereinbaren. Gleichwohl sei ihr Angebot nicht zum Zuge gekommen. Der gerügte Sachverhalt entspricht jedoch weder der Realität noch wurde die Rüge in einer den Anforderungen des § 107 Abs. 3 GWB entsprechenden Weise substantiiert vorgetragen.

27

Die Vergabekammer teilt die Auffassung der Antragstellerin nicht, dass im Zuge des Verhandlungsverfahrens inzwischen über ein aliud gegenüber dem ursprünglichen Vertragsgegenstand verhandelt werde, wovon die Antragstellerin erst unmittelbar vor ihrem Rügeschreiben vom 23.01.2002 aus der Presse erfahren haben will. Unstrittig ist, dass nach derzeitigem Stand des Verhandlungsverfahrens der Auftraggeber beabsichtigt, der Beigeladenen eine Beteiligung von 49,99 % an der Gesellschaft, aber Stimmrechte von 50,01 % zu übertragen. Die Höhe der Beteiligung ist das Ergebnis einer Besprechung zwischen dem Auftraggeber und der Beigeladenen vom 19.10.2001, wie aus einem Bestätigungsschreiben der Rechtsanwälte der Beigeladenen vom 24.10.2001 hervorgeht. Im Satzungsentwurf - Stand: 20.11.2001 - wurde unter 10.1 erstmalig festgelegt, dass die Stimmverteilung unabhängig von der Beteiligungsquote am Stammkapital erfolgt. Insgesamt ergab sich danach ein Stimmrecht von 50,099 % für den künftigen Minderheitsgesellschafter, die Beigeladene. Der Auftraggeber hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass die Mehrheit hinsichtlich der Stimmrechte für den Minderheitsgesellschafter lediglich das operative Geschäft betreffe. In anderen wesentlichen Bereichen sei nach wie vor vorgesehen, dass Beschlüsse nur mit Einverständnis des Auftraggebers, des Landkreises, gefasst werden können. Dieser Vortrag des Auftraggebers wird belegt durch einen vom Auftraggeber im Nachgang der mündlichen Verhandlung nachgereichten Schriftsatz vom 25.04.2002, mit dem er der Vergabekammer den Entwurf des Gesellschaftsvertrages mit Stand: 04.03.2002 inkl. Anlagen vorgelegt hat. In Anlage 9.4 des Entwurfs zur Gesellschaftervereinbarung heißt es unter anderem:

"Wichtige Angelegenheiten, die einer Mehrheit von 75 % der Stimmen in der Gesellschafterversammlung bedürfen, soweit sie nicht bereits von der Beschlusslage gem. Anlage 9.5 zur Gesellschaftervereinbarung umfasst oder veranlasst sind:

1.
Satzungsänderungen und Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz;

2.
Zustimmung zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers;

3.
Veräußerung von Grundstücken und Gebäuden;

4.
Kündigung von mehr als 5 % der Mitarbeiter innerhalb eines Zeitraumes von einem Jahr; ...

5.
Aufgabe eines Betriebsteiles oder Standortes; ...

8.
Anträge und Stellungnahmen der ...kliniken GmbH aufÄnderung oder Anpassung des Feststellungsbescheides über die Aufnahme eines oder aller ihrer Standorte in den Krankenhausplan des Landes Niedersachsen oder einer an dessen tretenden Planung oder Regelung;

9.
Kündigung oder Änderung des Versorgungsauftrages gem. § 108 SGB V;

10.
Kündigung oder Einschränkung von Vereinbarungen mit den Kostenträgern über die inhaltliche Ausgestaltung bzw. Anpassung des Versorgungsauftrages insbesondere gem. § 109 Abs. 1 SGB V"

28

Daraus folgt, dass nach wie vor Gegenstand des noch nicht abgeschlossenen Verhandlungsverfahrens die Veräußerung einer Minderheitsbeteiligung und Abschluss eines Managementvertrages ist. Es liegt kein neuer Vertragsgegenstand vor. Die Veränderung der Minderheitsbeteiligung um 0,99 Prozentpunkte von ursprünglich beabsichtigten 49 % auf 49,99 % ist ein durch das Verhandlungsverfahren gem. § 3 a Nr. 1 Abs. 4 oder Nr. 2 VOL/A gedecktes Verhandlungsergebnis. Hier wurden vertragliche Spezifikationen ausgehandelt, die vor Beginn des Vergabeverfahrens nicht hinreichend genau festgelegt werden konnten, um den Auftrag durch die Wahl des besten Angebotes in Übereinstimmung mit den Vorschriften über offene und nicht offene Verfahren vergeben zu können (§ 3 a Nr. 1 Abs. 4 Buchst. c VOL/A; vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Aufl., § 3 a, Rdn. 16). Ebenfalls in diesem Rahmen verhält sich die Absicht des Auftraggebers, der Beigeladenen unabhängig von der Minderheitsbeteiligung Stimmrechte in Höhe von 50,01 % einzuräumen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin verstößt eine derartige Vereinbarung auch nicht gegen das GmbHG. Zwar bemessen sich Stimmrecht und Stimmkraft gem. § 47 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich nach der Höhe der Beteiligung. Der Gesellschaftsvertrag in seiner Rechtsnatur als die das Organisationsstatut der künftigen GmbH regelnde Satzung kann jedoch abweichend regeln, dass einzelnen Gesellschaftsanteilen Mehrstimmrechte verliehen werden (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., § 2, Rdn. 5 und § 47 Rdn. 43, m.w.N.). Aus der Einräumung eines solchen Mehrstimmrechtes lässt sich nicht ableiten, dass der Beigeladenen entgegen ihren 49,99 % der Gesellschaftsanteile eine Mehrheitsbeteiligung eingeräumt werden soll. Nach wie vor geht es um eine Minderheitsbeteiligung. Der Gegenstand des Verhandlungsverfahrens hat sich daher gegenüber dem Stand des Verfahrens im Zeitpunkt des Beschlusses des Kreistages vom 18.06.2001, der zum Ausscheiden der Antragstellerin aus dem Verhandlungsverfahren führte, nicht verändert.

29

Da der Nachprüfungsantrag mangels rechtzeitiger Rüge gem. § 107 Abs. 3 GWB unzulässig ist, bedarf es keiner abschließenden Klärung der Frage, ob der Nachprüfungsantrag - wie der Auftraggeber und die Beigeladene meinen - auch wegen Fehlens einer Antragsbefugnis der Antragstellerin gem. § 107 Abs. 2 GWB unzulässig ist. Der Auftraggeber und die Beigeladene verweisen darauf, dass die Verhandlungen mit der Antragstellerin bereits im Juni 2001 vom Auftraggeber abgebrochen und nur noch mit der Beigeladenen weitergeführt wurden. Das Angebot der Antragstellerin sei nicht wirtschaftlich gewesen, weil der Kaufpreis für den damaligen 49-prozentigen Anteil bei der Beigeladenen um 2 Mio. DM höher lag und die von der Antragstellerin geforderten Managementgebühren mit etwa 4 Mio. DM weitüber den von der Beigeladenen (700.000,-- DM) geforderten Kosten lagen. Die Antragstellerin könne nicht substantiiert darlegen, dass sie überhaupt die Chance auf einen Zuschlag gehabt habe.

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Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Zwar dürfen die diesbezüglichen Anforderungen oder die Darlegungslast nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 107, Rdn. 677). Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg. 1/99, S. 24). Der Antragsteller muss allerdings diejenigen Umstände aufzeigen, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdn. 52). Zu fordern ist daher, dass der Antragsteller zumindest schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten eine Aussicht auf Erhalt des Zuschlages gehabt hätte oder sich zumindest seine Position verbessert hätte (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss v. 16.05.2000 - 11 Verg. 1/99 -, = Baurecht 2000, S. 1595, 1597; Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg, Beschluss v. 24.07.2000, 203-VgK-08/2000). Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.04.2002 vorgetragen, sie hätte ein konkurrenzfähiges Angebot abgegeben, wenn auch ihr bereits seinerzeit eine Beteiligung von 49,99 % und Stimmrechte in Höhe von 50,099 % angeboten worden wäre. Dies überzeugt jedoch nicht. Insbesondere der Verhandlungsstand Juni 2001 spricht dagegen. Danach überstiegen allein die Entgeltforderungen der Antragstellerin für den Managementvertrag mit ca. 4 Mio. DM p. a. deutlich die entsprechenden Forderungen der Beigeladenen von 700.000,-- DM p. a. Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, ob sich die Position der Antragstellerin mit den Konditionen, die der Beigeladenen seit Oktober 2001 und damit 4 Monate nach Ausscheiden der Antragstellerin aus dem Verhandlungsverfahren vom Auftraggeber gewährt wurden, verbessert hätte. Die Unzulässigkeit folgt bereits gem.§ 107 Abs. 3 GWB aus der fehlenden Rüge.

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Der Nachprüfungsantrag war daher zurückzuweisen.

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III. Kosten

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro (EUR) im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 EUR beträgt.

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Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.500 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

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Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999. Hiernach wird der Mindestgebühr von 5.000,- DM (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 2 Mio. DM (Schwellenwert von 1 Mio. EUR; ca. 2 Mio. DM) zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 DM (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 300 Mio. DM (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt.

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Die Vergabekammer hatte zu berücksichtigen, dass die Vergaberechtspflichtigkeit des streitbefangenen Wettbewerbs nicht auf der Anteilsveräußerung an sich, sondern auf den ebenfalls beabsichtigten Abschluss eines Managementvertrages beruht. Nur an den Wert dieses Auftragsgegenstandes war anzuknüpfen. Daher konnte die gesetzliche Mindestgebühr gem. § 128 Abs. 2 Satz 2 GWB festgesetzt werden.

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Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

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Kosten der Beigeladenen:

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Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zu Gunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158 [OLG Düsseldorf 12.01.2000 - Verg 3/99]; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird:

"Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend."

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Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den beteiligten Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwer wiegend berührt werden".

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Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdn. 1034).

42

Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Kosten eines durch die in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.

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Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von 2.500 EUR unter Angabe des Kassenzeichens ... auf folgendes Konto zu überweisen: ...

Gause
Schulte
Lohmöller