Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 26.08.2002, Az.: 203-VgK-15/02
Eilantrag der Auftraggeberin auf Erteilung des Zuschlags; Ermessensentscheidung der Vergabekammer über die Gestattung des Zuschlags; Interessensabwägung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags in der Hauptsache; Ausschluss eines unvollständigen Angebots; Ermessensfehler einer Auftraggeberin im Vergabeverfahren
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 26.08.2002
- Aktenzeichen
- 203-VgK-15/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 28517
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 115 Abs. 2 S. 1 GWB
- § 97 Abs. 2 GWB
- § 23 Nr. 2 VOL/A
- § 25 VOL/A
- § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A
- § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A
Verfahrensgegenstand
Vergabeverfahren Bewachung Klinikum und Parkraum
In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
auf dem Eilantrag der Auftraggeberin gem. § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ök. Brinkmann
am 26.08.2002 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag der Auftraggeberin auf Erteilung des Zuschlages im streitbefangenen Vergabeverfahren Bewachung Klinikum und Parkraum nach Ablauf einer Frist von zwei Wochen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Auftraggeberin hat mit Datum vom 07.05.2002 die Dienstleistung "Bewachung des Klinikums und des Parkraums" im offenen Verfahren europaweit öffentlich ausgeschrieben. Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass die Bieter als wirtschaftliche und technische Mindestanforderungen folgende Mindestanforderungen erfüllen müssen:
Referenzliste; ISO 9001 - Zertifizierung; Tariftreue; Genehmigung nach §§ 1 und 2 des Gesetzes zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung.
Andere Zuschlagskriterien für die Auftragserteilung als der niedrigste Preis sollten Referenzliste; ISO-Zertifizierung; Tariftreue und Wirtschaftlichkeit sein.
Bei der Verhandlung zur Öffnung der Angebote nach § 22 VOL/A am 27.06.2002 ergab sich, dass die beigeladene Firma ... den zweitniedrigsten Angebotspreis abgegeben hatte und die Antragstellerin an dritter Stelle lag.
Bei der Prüfung der Angebote nach § 23 VOL/A am 27.06.2002 ergab sich bei der formalen Prüfung, dass dem Angebot der Antragstellerin alle geforderten Unterlagen beigefügt waren.
Dem Angebot der Beigeladenen war hingegen nicht die Genehmigung zur gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern beigefügt. Ferner war vermerkt, dass keine Aussage zur Geldbearbeitung in ... vorlag und eine Sicherheitsanalyse Klinikum fehlte.
Laut einem undatierten Vermerk wurde festgestellt, dass das Angebot der Beigeladenen keine Zahlungsbedingungen enthielt. Auf telefonische Nachfrage der Auftraggeberin wurden von der Beigeladenen folgende Zahlungsbedingungen genannt:
- 10 Tage 1,5% Skonto,
- 30 Tage netto.
Dem ebenfalls undatierten Vergabevermerk gemäß § 30 VOL/A ist zu entnehmen, dass Aufklärungsgespräche/Verhandlungen mit Bietern gem. § 24 VOL/A in Form einer Präsentation geführt wurden. Es wurden dazu insgesamt sieben Firmen am 09.07. bzw. 10.07.2002 eingeladen.
Der dazu gefertigten Übersicht und den Erläuterungenüber die Präsentation ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin den Tariflohn zahlt und sämtliche Unterlagen übersandt wurden. Ferner hatte die Antragstellerin die Tariferhöhung im Angebotspreis bereits eingearbeitet.
Zum Angebot der Beigeladenen wurde vermerkt, dass die Zertifizierung nach ISO 2000 noch fehlt, ebenso die Genehmigung zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Ferner fehlten noch Aussagen über die Aufstockung des Personals im Katastrophenfall innerhalb einer Stunde um 100 % und über Geldtransporte und Geldbearbeitung in ....
Einem Vergabevermerk vom 17.07.2002 ist zu entnehmen, dass der Auftrag an die Beigeladene vergeben werden soll, da die Firma u.a. die Bewachung und Parkraumbewirtschaftung für die ... und das Universitätsklinikum ... ausführt. Die billigste Anbieterin scheidet lt. Vermerk auf Grund mangelnder Erfahrung im Krankenhausbereich aus. Gegen eine Entscheidung für die Antragstellerin spräche der Angebotpreis, der zu einem Mehrpreis über die Vertragsdauer von 5 Jahren von 127.524,00 EUR führen würde und damit wirtschaftlich nicht vertreten werden könne.
Mit Schreiben vom 17.07.2002 informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin unter Hinweis auf § 13 Vergabeverordnung (VgV), dass beabsichtigt sei, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Mit Schreiben vom 29.07.2002, abgesandt per Fax am gleichen Tage um 16.13 Uhr, rügte die Antragstellerin gegenüber der Auftraggeberin die beabsichtigte Zuschlagserteilung und die Nichtberücksichtigung ihres Angebots. Eine mündliche Rüge ist offenbar bereits am 17.07.2002 erfolgt. In einem in der Vergabeakte der Auftraggeberin enthaltenen Vermerk heißt es bereits:
"Der ... (die Antragstellerin) hat bereits angekündigt, gegen die Entscheidung rechtliche Schritte einzuleiten."
Mit Schriftsatz vom 29.07.2002, eingegangen per Fax am gleichen Tage um 16.22 Uhr, hat die Antragstellerin die Vergabekammer angerufen. Sie weist darauf hin, dass die genaue Bezeichnung der Firma ... in der Vorabinformation fehlt. Ferner sei die Begründung "wirtschaftliche Gründe" im vorliegenden Fall ihrer Meinung nach nicht ausreichend.
Ferner sei weder die für die Antragstellerin zugrunde gelegte Wertungssumme ersichtlich, noch die Wertungssumme der Beigeladenen.
Auch fehle in dem Schreiben - Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes - die Angabe der Prüfstelle zur Nachprüfung behaupteter Verstöße gegen die Vergabebestimmungen.
Es fehle ihrer Meinung nach auch der Hinweis auf den Ort des Eröffnungstermins ,sowie die maßgebenden Kriterien für die Angebotswertung und Auftragserteilung.
Ferner sei in der Leistungsbeschreibung die Ent- und Versorgung der Kassenautomaten sowie die Geldbearbeitung in ... durchzuführen, um eine reibungslose Versorgung der Kassenautomaten zu gewährleisten. In den generellen Anforderungen sei auf die Vorschriften der Berufsgenossenschaften verwiesen. Generell gelten die Vorschriften des BG immer, so auch die Unfallverhütungsvorschriften Wach- und Sicherungsdienste (VBG 68). Werteräume sind nach Auffassung der Antragstellerin im Bereich des Klinikums nicht enthalten, auch keine Alarmempfangszentrale nach § 23 UVV (VBG 68).
Die Antragstellerin beantragt,
der Auftraggeberin aufzugeben, den Zuschlag zur vorgenannten Ausschreibung nicht zu erteilen, insbesondere nicht an die Beigeladene, sondern den Zuschlag an die Antragstellerin zu erteilen.
Die Auftraggeberin beantragt,
- 1.
den Antrag, der Antragsgegnerin aufzugeben, den Zuschlag zur Ausschreibung nicht zu erteilen, insbesondere nicht an die Firma ..., sondern den Zuschlag an die Antragstellerin zu erteilen, abzulehnen;
- 2.
der Auftraggeberin gemäß § 115 Abs. 2 GWB zu gestatten, den Zuschlages an die Firma ... nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe der Entscheidung der Vergabekammer zu erteilen;
- 3.
möglichst umgehend einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.
Die Auftraggeberin hält den Nachprüfungsantrag für unbegründet. Sie ist der Auffassung, dass die von der Antragstellerin gerügten Verstöße gegen die Vergabeverordnung nicht vorliegen.
Die Kurzbezeichnung der Firma der Beigeladenen genüge ihrer Auffassung nach den gesetzlichen Vorgaben. Im Übrigen gäbe es ihrer Meinung nach keine Vorschrift, nach der Wertungssummen zugrunde und diese dann offen zu legen seien. Auch genügen die in dem Informationsschreiben genannten "wirtschaftlichen Gründe" den gesetzlichen Vorgaben des § 13 VgV.
Soweit die Antragstellerin die fehlende Nennung der Zuschlagskriterien moniere, weist die Auftraggeberin daraufhin, dass diese sehr wohl bei der Veröffentlichung genannt worden seien. Im Übrigen habe die Antragstellerin die Möglichkeit gehabt, gemäß §§ 27 und 27a VOL/A den Antrag zu stellen, um die Gründe für die Ablehnung des Angebots sowie die Merkmale des erfolgreichen Antrages zu erfahren. Dort werde dann auch der niedrigste und der höchste Angebotsendpreis der nach§ 23 VOL/A geprüften Angebote mitgeteilt. Diesen Antrag habe die Antragstellerin jedoch nicht gestellt.
Ferner seien der Auftraggeberin die Hinweise auf die geltenden und anzuwendenden berufsgenossenschaftlichen Vorschriften unverständlich. Wo der vergaberechtliche Verstoß vorliegen solle, ist aus ihrer Sicht nicht nachvollziehbar.
Im Übrigen weist die Auftraggeberin daraufhin, dass Ihrer Meinung nach der Rügepflicht nach § 107 GWB nicht Genüge getan wird, wenn dies mit Schreiben vom gleichen Tag erfolgt, an dem bereits der Antrag auf Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gestellt wird.
Ihren Antrag auf Gestattung der Zuschlagserteilung gem. § 115 Abs. 2 GWB hat die Auftraggeberin damit begründet, dass der Bewachungs- und Parkraumbewirtschaftungsvertrag mit der Antragstellerin als der jetzt mit diesen Aufgaben beauftragten Firma mit Wirkung zum 30.09.2002 gekündigt worden sei.
Falls mit Wirkung vom 01.10.2002 mit der Firma der Beigeladenen kein neuer Vertrag zustande komme, würde dies zum einen bedeuten, dass keine Bewachung des Klinikums mehr bestünde mit der Folge des erheblichen Risikos von kriminellen Handlungen, der Infiltration von Obdachlosen, um in Kellern zu nächtigen, sowie von Belästigungen insbesondere des weiblichen Personals, aber auch von Patienten durch Dritte. Die Auftraggeberin weist in diesem Zusammenhang daraufhin, dass im Universitätsklinikum ... in der Vergangenheit mehrere Brandstiftungen stattgefunden haben. Ein fehlender Vertragsabschluss würde zudem die Parkraumbewirtschaftung betreffen. Die Beschrankung müsse dann auf nicht absehbare Zeit gänzlich geöffnet werden, da der Betrieb nicht mit eigenem Personal aufrecht erhalten könne. Dies würde zu erheblichen Einnahmeverlusten für das Universitätsklinikum führen.
II.
Dem Eilantrag der Auftraggeberin, gem. § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB zu gestatten, im streitbefangenen Vergabeverfahren den Zuschlag für die Bewachung Klinikum und Parkraum nach Ablauf von 2 Wochen seit Bekanntgabe dieses Beschlusses zu erteilen, war nicht stattzugeben da unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zum Abschluss der Nachprüfung die damit verbundenen Vorteile nicht überwiegen.
Dabei musste die Vergabekammer die abschließende Prüfung der Begründetheit des Nachprüfungsantrags angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit seit Eingang des Nachprüfungsantrags am 29.07.2002 der gebotenen eingehenden Prüfung im Hauptsacheverfahrenüberlassen. Gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB kann die Vergabekammer dem Auftraggeber auf seinen Antrag gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von 2 Wochen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung zu erteilen, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zum Abschluss der Nachprüfung die damit verbundenen Vorteile überwiegen. Die Vergabekammer hatte also auf der einen Seite das Interesse der Antragstellerin zu berücksichtigen, das streitbefangene Vergabeverfahren durch die Vergabekammer auf ihre Rechtmäßigkeitüberprüfen zu lassen und damit ggf. eine Chance auf den begehrten Auftrag zu wahren. Auf der anderen Seite war das Interesse des Auftraggebers zu berücksichtigen, das Vergabeverfahren zügig abzuschließen, um einen reibungslosen Übergang in der Bewachung des Klinikums und des Parkraumes zu 01.10.2002 zu gewährleisten und keine unnötigen Verzögerungen eintreten zu lassen. Die Entscheidung der Vergabekammer über die Gestattung des Zuschlags ist somit eine Ermessensentscheidung nach Interessenabwägung. Dabei kann aus Sicht des Unternehmens die Bedeutung des subjektiven Bieterrechts und die wirtschaftliche Dimension des Auftrags aus Auftraggebersicht die strenge Fristgebundenheit des Auftrags und die Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der Aufgabenerfüllung eine Rolle spielen. Bei der Interessenabwägung ist auch auf die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags in der Hauptsache abzustellen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 115 Rdn. 760; Willenbruch, NVwZ 1999, S. 1062 ff., 1066).
Nach der gebotenen, im Eilverfahren vorläufigenÜberprüfung der Sach- und Rechtslage besteht in dem Nachprüfungsverfahren nach summarischer Prüfung noch Aufklärungsbedarf hinsichtlich der Wertung der Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen.
Die Auftraggeberin hat voraussichtlich gegen das Gleichbehandlungsgebot gem. § 97 Abs. 2 GWB verstoßen, indem sie das von der Beigeladenen eingereichte Angebot nach Durchführung der sachlichen Angebotsprüfung nach § 23 Nr. 2 VOL/A weiter in die weitere Wertung der Angebote nach § 25 VOL/A einbezogen hat.
Der Bekanntmachung des offenen Verfahrens zur Vergabe der Dienstleistung ist unter Nr. 14 zu entnehmen, dass zur Beurteilung der Frage der wirtschaftlichen und technischen Mindestanforderungen folgende Angaben und Formalitäten erfüllt sein müssen:
Referenzliste; ISO 9001 - Zertifizierung; Tariftreue; Genehmigung nach §§ 1 und 2 des Gesetzes zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung.
Bei der formalen Prüfung der Angebote am 27.06.2002 wurde von Seiten der Auftraggeberin vermerkt, dass im Angebot der Beigeladenen die Genehmigung zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung fehlt, keine Aussagen zur Geldbearbeitung in ... vorgelegt wurden und die Sicherheitsanalyse für das Klinikum fehlt.
Die Genehmigung zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung wurde erst nach der Öffnung der Angebote und der Präsentation am 11.07.2002 per Telefaxüberreicht; die Aussagen zur Geldbearbeitung in ... ebenfalls per Telefax am 24.07.2002. Ob und wann die Sicherheitsanalyse von der Beigeladenen vorgelegt wurde, ergibt sich weder aus der vorgelegten Vergabeakte noch aus dem Angebot.
Gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 1VOL/A müssen die Angebote die Preise und die geforderten Angaben und Erklärungen enthalten. Bei den Erklärungen ist zu unterscheiden zwischen geforderten Erklärungen, die Leistung und Preis des Angebotes beeinflussen, und weiter gehenden Erklärungen.
Keine "geforderten Erklärungen" im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A, die mit dem konkreten Leistungsgegenstand nichts zu tun haben und die ohne weiteres nachgereicht werden können, sind z.B. Erklärungen zur Innungszugehörigkeit, Steuertreue, Staatsangehörigkeit und zum Subunternehmereinsatz. Diese Erklärungen können auch zu einem späteren Zeitpunkt nachgeliefert werden. Grund hierfür ist, dass Preis und Leistung durch das Fehlen nicht beeinflusst werden und das Angebot daher nicht unvollständig im Sinne des § 21 Nr. 1 VOL/A ist (vgl. Noch in Müller-Wrede VOL/A § 21 Rdn. 17).
Während man die Erklärung der Genehmigung zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung und die geforderte Sicherheitsanalyse für das Klinikumnach Auftragsvergabe auf Anforderung, obwohl sie in der Leistungsbeschreibung zur Bewachung des Klinikums im Anforderungsprofil genannt wurden, noch unter den vorgenannten Gesichtspunkt subsumieren könnte, handelt es sich andererseits bei den Aussagen zur Geldbearbeitung in ... um eine Erklärung über den präzisen Inhalt der Vertragsbedingungen, die als preis- und leistungsrelevant anzusehen ist.
Der dritte Punkt in der Leistungsbeschreibung zur Bewachung des Parkraums behandelt die Entsorgung und Bestückung der Kassenautomaten. Dazu wurde u.a. ausgeführt, dass der Kontrollausdruck der Abrechnung zur Weiterleitung an das Gebäudemanagement an sich zu nehmen ist. Die Auszählung der Einnahmen hat nach der Leistungsbeschreibung unter Berücksichtigung modernster Sicherheitstechnik (4-Augen-System) zu erfolgen. Aus diesem Anforderungsprofil in der Leistungsbeschreibung ergibt sich, dass es sich bei der Forderung nach Aussagen zur Geldbearbeitung um ... preis- und leistungsrelevante Angaben handelt, die als notwendige Erklärungen zum Angebot zu behandeln sind.
Die Aussage über die Geldbearbeitung ist eine Erklärung über einen maßgeblichen Bereich der Leistungsbeschreibung zur Bewachung des Parkraumes und damit als preis- und leistungsrelevant anzusehen, da die hohen Sicherheitsanforderungen an die Geldbearbeitung und den Transport die Preiskalkulation in jedem Fall beeinflussen dürfen und ebenso die Leistung (vgl. auch VK Arnsberg, Beschluss vom 22.08.1999, VK 02/99).
Die Erklärung zur Geldbearbeitung beeinflusst die Preiskalkulation und gehört daher zu den geforderten Erklärungen, die bereits bei der Angebotsabgabe vorzulegen sind. Da diese notwendige, leistungsbezogene Erklärung nicht bei der Angebotsabgabe vorgelegen hat, ist das Angebot zum Zeitpunkt der Öffnung der Angebote unvollständig im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A gewesen.
Angebote, die nicht die geforderten Erklärungen nach§ 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A enthalten,können gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A ausgeschlossen werden. Aus der vorgelegten Vergabeakte ergibt sich nicht, ob und wie sich die Auftraggeberin mit der Frage des möglichen Ausschlusses des Angebotes der Beigeladenen wegen der fehlenden geforderten notwendigen Erklärung auseinander gesetzt hat.
Für die Annahme einer solchen willkürlichen Entscheidung hat die Vergabekammer jedoch im vorliegenden Fall insoweit Anlass, als keine Belege für eine Ermessensausübung vorgelegt wurden. Der Vergabeakte ist nicht zu entnehmen, dass die Auftraggeberin überhaupt nur ansatzweise das ihr eingeräumte Ermessen zur fehlenden Aussage über die Geldbearbeitung ausgeübt hat. Die Auftraggeberin hat es sich im streitbefangenen Vergabeverfahren lt. vorliegender Vergabeakte leicht gemacht und insoweit willkürlich gehandelt, als sie lediglich vermerkt hat, dass die (letztendlich preis- und leistungsrelevante) Erklärung noch fehlt und vorgelegt werden muss. Insoweit wurde dieser Punkt von der Auftraggeberin wie eine Erklärung behandelt, die auf den vergleichenden Wettbewerb keinen Einfluss hat, sodass ein Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen nach Auffassung der Auftraggeberin unterbleiben kann.
Aus der vorgelegten Vergabeakte ergibt sich daher nicht, ob nicht zumindest ein Ermessensnichtgebrauch noch ein ersichtlicher Ermessensfehlgebrauch vorliegt. Die Handhabung des Angebotes der Beigeladenen deutet nach der vorgelegten Vergabeakte auf eine (willkürliche) Ermessensausübung hin, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz des § 97 Abs. 2 GWB widerspricht (vgl. Noch in Müller-Wrede, a.a.O., § 25, Rdn. 42). Nirgends ist dokumentiert, ob und wie die Auftraggeberin sich bei der Wertung der Angebote mit dem§ 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A auseinander gesetzt hat.
Bei der Abwägung der Interessen der Antragstellerin und der Auftraggeberin war zudem zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin bei Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen wegen der fehlenden Erklärung das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat.
Insoweit besteht in diesem Punkt noch Klärungsbedarf für die Vergabekammer in einer noch anzuberaumenden mündlichen Verhandlung.
Diese Verzögerung ist im vorliegenden Fall durch das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin gerechtfertigt, da im Nachprüfungsverfahren, wie dargelegt, noch Aufklärungsbedarf für die Vergabekammer besteht und der Nachprüfungsantrag nach derzeitigem Stand Aussicht auf Erfolg hat.
Schulte
Brinkmann