Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 12.04.2002, Az.: 203-VgK-05/02

Präklusion des Vortrags im Nachprüfungsverfahren wegen unterlassener Rüge gegenüber dem Auftraggeber; Verletzung des Transparenzgebots im Vergabeverfahren; Anforderungen an den Inhalt der Verdingungsunterlagen; Umfang der Leistungsbeschreibung in den Verdingungsunterlagen; Vorzug des wirtschaftlichsten Angebots vor dem preisgünstigsten Angebot; Verpflichtung des Auftraggebers zur Erstellung eines Pflichtenheftes bei der Ausschreibung von Softwareverträgen; Verpflichtung des Auftraggebers zur erneuten Bescheidung über den fehlerhaft vergebenen Auftrag

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
12.04.2002
Aktenzeichen
203-VgK-05/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 28422
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

VOL-Vergabeverfahren Beschaffung von Schulverwaltungssoftware

Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg hat
durch
den Vorsitzenden ORR Gause,
den hauptamtlichen Beisitzer BA Dipl.-Ing. Peter und
den ehrenamtlichen Beisitzer Ltd. Kreisverwaltungsdirektor Dr. Mielke
auf die mündliche Verhandlung vom 11.04.2002
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der Auftraggeber wird verpflichtet, die Ausschreibung zur Beschaffung von Schulverwaltungssoftware aufzuheben.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Auftraggeber.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 2.500 EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Der Auftraggeber hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, wenn sie dies beantragt. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin war notwendig.

  5. 5.

    Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.

Begründung

1

Der Auftraggeber hat mit Bekanntmachung vom 02.11.2001 die Beschaffung einer netzwerkfähigen Schulverwaltungssoftware für alle öffentlichen niedersächsischen allgemein bildenden Schulen als Landeslizenz sowie die Schulung von Multiplikatoren an dieser Software im Wege eines nichtoffenen Verfahrens nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb gem. VOL/A europaweit ausgeschrieben. Es handelte sich um ein beschleunigtes Verfahren. Schlusstermin für Eingang der Teilnahmeanträge wurde auf den 27.11.2001 festgelegt. Der Schlusstermin für die Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe wurde auf den 30.11.2001 festgelegt. Mit Schreiben vom 30.11.2001 forderte der Auftraggeber insgesamt sieben Bieterunternehmen zur Abgabe eines Angebotes auf. Beigefügt waren als Anlagen ein Angebotsschreiben mit Leistungsbeschreibung, zusätzliche Vertragsbedingungen, besondere Vertragsbedingungen, weitere wichtige Hinweise, Statistik der niedersächsischen Schulen sowie ein Aufkleber (Angebotskennzettel). Das Angebotsschreiben mit Leistungsbeschreibung bestand aus 11/2 Seiten, wobei die Leistungsbeschreibung stichwortartig wie folgt dargestellt wurde:

LosNr.Leistungsbeschreibung
11Schulverwaltungssoftware (Schüler-, Lehrer-Daten), netzwerkfähig
2Notenverwaltung mit externer Zensureneingabe
3Berichts-, Formular- und Zeugnisdruck mit Maskenerstellung
460 nach Vorgaben erstellte Formulare (einseitig)
5Lehrmittelverwaltung (Bestandspflege, Beschaffung, Ausleihe)
6Haushalts- und Inventarverwaltung
7Stundenplanerstellung
8Vertretungsplanerstellung
9Schnittstelle zum niedersächsischen Landesstatistikprogramm izn-stabil
10Importmöglichkeit von existierenden Stammdaten im ASCII- oder dBase-Format
21Kurswahlenvorbereitung, -durchführung und -auswertung für den Sekundarbe-reich II gem. Verordnung über die gymnasiale Oberstufe
2Abiturvorbereitung, -durchführung, -auswertung und -zulassung gem. nieder-sächsischer Verordnung über die Abschlüsse in der gymnasialen Oberstufe, im Fachgymnasium, im Abendgymnasium und im Kolleg
31Fortbildung von 100 first-level-Multiplikatoren in 10 Wochenkursen für je 10 Multiplikatoren
2

Ferner enthielt die Angebotsaufforderung noch den Hinweis, dass für die Beschaffung Mittel in Höhe von insgesamt 2,5 Mio. DM zur Verfügung stünden, Hinweise zu Los 3 "Schulung der 100 first-level-Multiplikatoren" und Hinweise, dass und wie die Software für alle niedersächsischen öffentlichen allgemein bildenden Schulen zur Verfügung gestellt werden sollten. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass die Software eine Update-Garantie bis minimal 5 Jahre nach Auslieferung haben soll. Schließlich enthielt die Leistungsbeschreibung noch Regelungen hinsichtlich der Kosten der Updates sowie der Entrichtung des Kaufpreises.

3

Eine über die o. g. tabellarische, stichwortartige Darstellung hinausgehende Leistungsbeschreibung enthielt das Schreiben zur Angebotsaufforderung nicht. Der Auftraggeber sah auch davon ab, die projektbezogenen Anforderungen an die zu beschaffende Software in einem Pflichtenheft zu formulieren (vgl. Anlage 3 zu IV. 10. des Gemeinsamen Runderlasses d. MF, d. StK und der übrigen Ministerien vom 10.12.1997 - 41.32-02822/9 -, VORIS 20500 00 00 00 023) und dieses als Anlage den Ausschreibungsunterlagen beizufügen.

4

Bis zum 10.12.2001 gaben von den sieben Beteiligten Bieterfirmen vier Bieter nachfolgende Angebote ab:

5

  • xxx: 699.641,00 Euro (1.368.378,86 DM)
  • Beigeladene: 1.263.264,96 Euro (2.470.731,51 DM)
  • Antragstellerin: 355.589,16 Euro (698.000,00 DM)
  • xxx: 1.160.000,00 Euro (2.268.762,80 DM)

6

Ein in der Vergabeakte enthaltener Prüfungsvermerk des für die Durchführung der Ausschreibung zuständigen xxx vom 14.12.2001 schließt mit der Empfehlung, den Zuschlag für eine einheitliche Schulverwaltungssoftware xxx mit WinSchool 2000 zu geben zu somit den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Mit Telefax vom 28.02.2002 teilte der Auftraggeber der Antragstellerin gem. § 13 VgV mit, dass er beabsichtige, den Zuschlag am 20.03.2002 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Auf das Angebot der Antragstellerin könne der Zuschlag nicht erteilt werden, weil sie nicht das wirtschaftlichste Angebot nach § 25 Nr. 3 VOL/A abgegeben habe. Maßgeblich seien die Kriterien Qualität und Funktionalität. Gravierende Fehler bei der Berechnung der Abiturzulassung ließen einen Einsatz des Programms der Antragstellerin nach der Niedersächsischen Verordnung über die gymnasiale Oberstufe nicht zu. Die nicht einheitliche Oberfläche könne zu Bedienungsfehlern führen und beeinträchtige damit die Funktionalität.

7

Die Antragstellerin hatte bereits mit Schriftsatz vom 02.01.2002 das Vergabeverfahren angefochten und in dem damaligen unter dem Geschäftszeichen 203-VgK-01/2002 anhängigen Nachprüfungsverfahren insbesondere die Unterlassung einer Vorabinformation gem. § 13 VgV gerügt. Nachdem der Auftraggeber erklärt hatte, er werde dieser Rüge selbst abhelfen und erneut in die Wertung eintreten, zog die Antragstellerin seinerzeit den Antrag zurück.

8

Mit Telefax vom 06.03.2002 rügte die Antragstellerin erneut die Ablehnung ihres Angebotes. Mit Anwaltsschriftsatz vom 12.03.2002, eingegangen per Telefax am gleichen Tage, hat die Antragstellerin erneut die Vergabekammer angerufen. Sie rügt insbesondere die Verletzung des § 9 a VOL/A. Der Auftraggeber habe weder in der Bekanntmachung noch mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe in den Verdingungsunterlagen Auftragskriterien genannt, welche er neben der Wertung des niedrigsten Preises zur Bestimmung des wirtschaftlichsten Angebotes hätte hinzuziehen wollen. Würden aber auf die konkrete Vergabe bezogene Kriterien nicht genannt, könnten für die Wertung andere Kriterien als das des niedrigsten Preises nicht angewendet werden. Die Antragstellerin aber habe das Angebot mit dem niedrigsten Preis abgegeben, so dass ihr der Zuschlag nach Auffassung der Antragstellerin hätte erteilt werden müssen. Der Auftraggeber könne sich nunmehr nicht nachträglich auf Wertungskriterien wie Qualität oder Funktionalität stützen. Diese Kriterien seien im Hinblick auf das in § 97 Abs. 1 GWB enthaltene Transparenzgebot kein zulässiges Wertungskriterium. Die Antragstellerin beruft sich auf eine Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg vom 21.11.2001, Az.: 1 VK 37/01, sowie eine Entscheidung der VK Bund vom 09.05.2000, Az.: VK/A-24/99.

9

Die von dem Auftraggeber nunmehr geltend gemachten Kriterien hinsichtlich der Benutzerfreundlichkeit der Oberfläche des Programms finden laut Auffassung der Antragstellerin in den Ausschreibungsbedingungen ebenso wenig Erwähnung wie die Berechnung der Abiturzulassung. Der Auftraggeber verknüpfe hier vermeintliche Wertungsgesichtspunkte mit der späteren Abnahme des Programms nach Zuschlagserteilung. Ihr Angebot könne auch nicht wegen Änderungen an den Verdingungsunterlagen ausgeschlossen werden. Die Antragstellerin habe solche Änderungen nicht vorgenommen. Im Übrigen käme ein solcher Vorwurf verspätet. Im Interesse der Objektivität und Transparenz des Vergabeverfahrens sei die Wertung nach § 25 VOL/A streng in vier Stufen durchzuführen. Es sei der Vergabestelle in jedem Fall verwehrt, nach abgeschlossener Wertung erneut in eine Prüfung des Angebotes der Antragstellerin einzutreten. Die Antragstellerin bestreitet im Übrigen jeglichen Verstoß gegen die Bildschirmarbeitsverordnung. Eine konkrete Vorschrift, gegen die verstoßen worden sein soll, werde vom Auftraggeber nicht benannt.

10

Die Antragstellerin verweist darauf, dass unklar sei, ob die Leistung ggf. in Losen zu vergeben ist oder nicht. Jedenfalls weiche die Leistungsbeschreibung insoweit von der Vergabebekanntmachung ab. Insgesamt sei die Auswahlentscheidung des Auftraggebers nicht nachvollziehbar und verstoße gegen § 30 Nr. 1 VOL/A. Eine entsprechende Dokumentation liege nicht vor.

11

Ferner hat die Antragstellerin Zweifel daran, ob die Beteiligung des von dem Auftraggeber im Rahmen des Vergabeverfahrens hinzugezogenen Herrn xxx mit § 16 VgV in Einklang zu bringen ist. Herr xxx sei Mitglied des Vergabeausschusses gewesen. In den letzten drei Jahren sei Herr xxx Berater der Firma xxx gewesen. Diese solle nunmehr nach dem Willen des Auftraggebers über ihren Vertriebspartner xxx, die Beigeladene, den Zuschlag erhalten. Es sei klar, dass Herrn xxx das von ihm selbst mitentwickelte Programm besser gefalle. Selbst wenn man ihm völlige Unparteilichkeit unterstelle, werde er immer unbewusst den Test im Rahmen der Ausschreibung in die entsprechende Richtung beeinflussen. Diese wettbewerbsbeschränkende Maßnahme sei nicht hinnehmbar.

12

Die Antragstellerin beantragt,

die erneute Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens gem. §§ 107 ff. GWB und die Vergabestelle zu verpflichten, über den zu vergebenden Auftrag unter Berücksichtigung des (wirtschaftlichsten) Angebotes der Antragstellerin neu zu entscheiden.

13

Der Auftraggeber beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

14

Der Auftraggeber verweist zunächst auf seinen Prüfvermerk vom 06.02.2002 und die Antworten auf die Rüge der Antragstellerin vom 07.03.2002 bzw. auf das Schreiben der Bieterfirma xxx vom 12.03.2002. Das Programm der Antragstellerin habe, wie schon bei der ersten Prüfung festgestellt, schwer wiegende Fehler bei der Berechnung der Abiturzulassung und komme daher für einen Einsatz in niedersächsischen Schulen nicht in Frage. Außerdem entspreche die Benutzerführung in vielen Punkten nicht den in der Bildschirmarbeitsverordnung geforderten Grundsätzen der Ergonomie, die in ISO 9241 näher ausgeführt sind. Das Programm WinSchool erfülle als einziges Programm alle Module der Leistungsbeschreibung fehlerfrei. Deshalb solle der Beigeladenen der Zuschlag für das Programm WinSchool erteilt werden. Zum Angebot der Antragstellerin:

15

  • Das in der Leistungsbeschreibung beschriebene Modul "Abiturzulassung gem. Niedersächsischer Verordnung ..." weise gravierende Fehler auf. Es treffe nicht zu, das die Berechnung der Abiturzulassung in den Ausschreibungsunterlagen keine Erwähnung finde. Vielmehr sei diese Funktion sehr wohl in den Ausschreibungsbedingungen enthalten, nämlich unter: "Abiturvorbereitung, -durchführung, -auswertung und -zulassung gem. Niedersächsischer Verordnung über die Abschlüsse in der gymnasialen Oberstufe, im Fachgymnasium, im Abendgymnasium und im Kolleg". In dieser Verordnung würden Belegungsverpflichtungen gefordert, die das Programm natürlich überprüfen müsse. Ferner seien für die Zulassung zum Abitur Bedingungen in § 15 dieser Verordnung festgesetzt, nach denen ein Schüler zugelassen werde oder nicht. Ein Programm könne die Bedingung "Abiturzulassung" nicht erfüllen, wenn es die Zulassungsbedingungen nicht berechne. Bei Kenntnis der Verordnung würde dies offensichtlich sein. Von einer Änderung der Vergabekriterien durch den Auftraggeber könne daher keine Rede sein.
  • Auch die Verpflichtung nach § 25 Nr. 3 VOL/A, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, sei nicht verletzt worden. Der niedrigste Angebotspreis allein sei nicht entscheidend. Da die Software der Antragstellerin nicht alle Module der Leistungsbeschreibung fehlerfrei erfülle, handle es sich auch nicht um das wirtschaftlichste Angebot. Andernfalls müsse ein Auftraggeber das unabsehbare Risiko tragen in Bezug auf Zeit, Kosten und überhaupt das Gelingen einer Nachbesserung.
  • Die Software der Antragstellerin weise darüber hinaus einige Fehler in Bezug auf die ISO 9241 auf. Nach Aussagen des TÜV Rheinland Berlin Brandenburg, der ein akkreditiertes Institut für die Zertifizierung nach ISO 9241 sei, sei die Bildschirmarbeitsverordnung rechtlich verbindliche Vorgabe für die Betreiber von Software - in diesem Fall also des Landes xxx, vertreten durch die xxx.
  • Die Ansicht, die Vergabestelle dürfte nach Abschluss der Wertung nicht mehr in eine erneute Wertung eintreten, sei unzutreffend. Vielmehr habe die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 02.01.2002, Seite 2, seinerzeit selbst gefordert, "in das Vergabeverfahren unter Beteiligung der Antragstellerin erneut einzutreten ... und erneut zu entscheiden". Es habe eine ordnungsgemäße erneute Prüfung aller Angebote stattgefunden, was sich aus dem Vermerk vom 06.02.2002 ergebe.
  • Eine Unklarheit bezüglich der Frage, ob losweise ausgeschrieben wurde, ergebe sich nicht. Bereits bei der Bekanntmachung im Europäischen Amtsblatt sei darauf hingewiesen worden, das die Gesamtleistung ein Los bilde. Eine andere Auslegung würde die Einheitlichkeit der Software gefährden, da nicht nur die Bedienung unterschiedlich wäre, sondern auch der Datenaustausch aus den unterschiedlichen Programmen nicht gewährleistet sei.
  • Schließlich seien auch die Vorwürfe hinsichtlich der Beteiligung des Herrn xxx an der Prüfung der Angebote zurückzuweisen. Es liege diesbezüglich kein Ausschlussgrund nach § 16 VgV vor. Die Auftraggeberin verweist diesbezüglich auf ihren Vortrag im Schriftsatz vom 14.01.2002 (zu Nr. 5) im Nachprüfungsverfahren 203-VgK-01/2002, das Schreiben der Firma xxx vom 09.01.2002 und die dienstliche Erklärung von Herrn xxx, die noch nachgereicht werde. Die Beteiligung von Herrn xxx sei notwendig, denn er sei der Spezialist für das Abiturmodul der Schulverwaltungssoftware in xxx.

16

Die Vergabekammer hat die Firma xxx gem. § 109 GWB beigeladen, weil ihre Interessen durch die Entscheidung im Nachprüfungsverfahren schwer wiegend berührt werden.

17

Die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung das Vorbringen des Auftraggebers unterstützt, aber keinen eigenen Antrag gestellt.

18

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 11.04.2002 Bezug genommen.

19

II.

Der zulässige Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt, weil der Auftraggeber seinen Verdingungsunterlagen keine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung im Sinne des § 8 VOL/A beigefügt hat, die dazu führen konnte, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen mussten und die Angebote miteinander verglichen werden konnten. Dadurch hat der Auftraggeber gegen das Transparenzgebot gem. § 97 Abs. 1 GWB verstoßen. Da die Leistungsbeschreibung das Kernstück der Vergabeunterlagen bildet, ist ihre Mangelhaftigkeit nicht heilbar, so dass allein die Aufhebung des streitbefangenen Vergabeverfahrens die geeignete Maßnahme im Sinne des § 114 Abs. 1 GWB ist, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Dagegen durfte die Rechtsverletzung nicht dadurch beseitigt werden, den Auftraggeber zu verpflichten, den Zuschlag auf ein für seinen Bedarf im Zeitpunkt der Angebotswertung nicht geeignetes Angebot zu erteilen. Soweit der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin darauf abzielte, war dieser als unbegründet zurückzuweisen.

20

1.

Der Antrag ist zulässig. Bei dem Auftraggeber handelt es sich um ein xxx des Landes xxx und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungs- und Lieferauftrag für die Beschaffung von Schulverwaltungssoftware als Landeslizenz sowie die Schulung von Multiplikatoren an dieser Software und damit um einen Dienstleistungs- und Lieferauftrag im Sinne des § 99 Abs. 2 und 4 GWB, für die gem. § 2 Nr. 3 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 200.000 EUR gilt. Der Wert des ausgeschriebenen Auftrags überschreitet nach dem Ergebnis der Ausschreibung deutlich den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert.

21

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterunternehmen im streitbefangenen Vergabeverfahren ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, bei korrekter Angebotswertung das wirtschaftlichste Angebot abgegeben zu haben und daher eine realistische Chance auf den Zuschlag gehabt zu haben.

22

Sie ist mit ihrem Vorbringen auch nicht präkludiert, da sie ausweislich der Vergabeakte die von ihr geltend gemachten Verstöße gegen Vergabevorschriften zunächst mit Schreiben vom 20.12.2001 unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB gerügt hat, nachdem sie von der Vergabestelle erstmals am 19.12. erfahren hatte, dass ihr Angebot im Vergabeverfahren nicht berücksichtigt worden war. Nachdem der Auftraggeber erneut die Wertung durchgeführt hatte und der Antragstellerin mit Informationsschreiben gem. § 13 VgV vom 28.02.2002 erneut mitgeteilt hat, dass ihr Angebot aus den gleichen Gründen wiederum nicht für den Zuschlag berücksichtigt werden könnte, hat sie wiederum unverzüglich mit Telefax vom 06.03.2002 eine entsprechende Rüge ausgesprochen. Die Antragstellerin hat in beiden Fällen insbesondere eine Verletzung von § 25 Nr. 3 VOL/A i.V.m. § 9 a VOL/A geltend gemacht, indem sie behauptet, der Auftraggeber habe bei seiner Vergabeentscheidung Auftragskriterien berücksichtigt, die nicht in den Verdingungsunterlagen enthalten gewesen seien.

23

2.

Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Der Auftraggeber hat gegen das Transparenzgebot gem. § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, da er den Verdingungsunterlagen eine Leistungsbeschreibung beigefügt hat, die dem komplexen Gegenstand einer Softwarebeschaffung und damit den Anforderungen des § 8 VOL/A an eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung nicht genügt. Diese Leistungsbeschreibung und damit die Anforderungen des Auftraggebers an die zu liefernde Software ist von den Bietern im streitbefangenen Vergabeverfahren offensichtlich nicht im gleichen Sinne verstanden worden, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass sich die abgegebenen Angebote in Preis und teilweise auch Funktion völlig voneinander unterscheiden und hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit - auch mangels Festlegung und Bekanntmachung von Zuschlagskriterien - kaum miteinander verglichen werden können.

24

a)

Soweit die Antragstellerin rügt, der Auftraggeber habe unter Verstoß gegen § 9 a VOL/A bei der Angebotswertung nach § 25 VOL/A Kriterien zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes hinzugezogen, die er zuvor in der Vergabebekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen nicht bekannt gemacht hatte, liegt eine Verletzung von Rechten des Antragstellers gem. § 97 Abs. 7 GWB vor, soweit der Auftraggeber seine Angebotswertung und die darauf ergangene Vergabeentscheidung auch auf den Vorwurf gestützt hat, die von der Antragstellerin angebotene Software genüge nicht den Anforderungen an die Bildschirmergonomie gemäß der Bildschirmarbeitsverordnung, die nach ISO 9241 näher spezifiziert seien. Richtig ist, dass der Auftraggeber bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes im Sinne des § 97 Abs. 5 GWB in der Regel nicht darauf beschränkt ist, sich allein am niedrigsten Angebotspreis zu orientieren. Die einschlägigen EU-Vergaberichtlinien legen übereinstimmend fest, dass für die Auftragsvergabe grundsätzlich zwei Kriterien maßgebend sein dürfen. Der öffentliche Auftraggeber darf entweder den Anbieter auswählen, der den niedrigsten Preis anbietet, oder denjenigen Anbieter, der das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben hat (vgl. Art. 36 der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie RL 92/50/EWG, ABl. EG Nr. 1 209/1; Art. 34 der Baukoordinierungsrichtlinie RL 93/37/EWG, ABl. EG Nr. 1 199/54; Art. 26 der Lieferkoordinierungsrichtlinie RL 93/36/EWG, ABl. EG Nr. 1 199/1).

25

Der deutsche Gesetzgeber hat sich jedoch in § 97 Abs. 5 GWB ausdrücklich dafür entschieden, dem Kriterium"wirtschaftlichstes Angebot" den Vorzug vor dem ebenfalls zulässigen Kriterium "niedrigster Preis" zu geben. Neben dem Angebotspreis können daher andere - betriebswirtschaftliche - Wirtschaftlichkeitskriterien wie beispielsweise Service, Garantiezeiten, Lieferzeit, Ausführungsdauer, Betriebskosten, Rentabilität, Qualität, Zweckmäßigkeit, technischer Wert, Kundendienst und technische Hilfe, die Verpflichtung hinsichtlich der Ersatzteile, die Versorgungssicherheit (vgl. v. Baum in Müller-Wrede, VOL/A, § 9 a, Rdnr. 8), Reparaturzeiten und -kosten oder wie gerade bei der Beschaffung von Software relevant Anwenderfreundlichkeit, Zuverlässigkeit, Standfestigkeit etc. berücksichtigt werden. Das deutsche Recht schließt damit nicht aus, dass die preisliche Beurteilung des Angebots im Rahmen der Prüfung des wirtschaftlich günstigsten Angebots eine, wenn nicht die maßgebliche Rolle spielt. Der Preis ist nach dem deutschen Vergaberecht vielmehr zwar regelmäßig das wichtigste, aber nicht das allein entscheidende Kriterium (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 97 Rdn. 144). Der Angebotspreis kann daher regelmäßig nur dann für das "wirtschaftlichste Angebot" entscheidend sein, wenn sämtliche anderen Wirtschaftlichkeitskriterien nachvollziehbar erwogen und verglichen worden und selbst dann eine Gleichwertigkeit der Angebote besteht und positiv festgestellt worden ist.

26

Der Auftraggeber hat im streitbefangenen Vergabeverfahren jedoch weder entsprechende Wirtschaftlichkeitskriterien in der Vergabebekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen bekannt gemacht noch nach Aktenlage im Vorfeld der Ausschreibung definiert und dokumentiert. Gemäß § 9 a VOL/A geben die Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen oder in der Vergabebekanntmachung alle Zuschlagskriterien an, deren Verwendung sie vorsehen, möglichst in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung. Diese Vorschrift zielt auf eine Verbesserung der Vergleichbarkeit der Angebote und eine Versachlichung bei der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes (vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Aufl., § 9 a, Rdn. 3). § 9 a VOL/A ist eine Ausgestaltung des Transparenz- und des Gleichbehandlungsgebotes im Vergabeverfahren, denen durch § 97 Abs. 1 und Abs. 2 GWB Gesetzesrang zukommt. Erst durch die Bekanntgabe der Zuschlagskriterien und der Rangfolge ihrer Bedeutung werden die Entscheidungsgrundlagen des öffentlichen Auftraggebers bei der Wertung der Angebote wirklich durchschaubar, nachvollziehbar und überprüfbar. In Rechtsprechung und Schrifttum hat sich daher die Auffassung durchgesetzt, dass in den Fällen, in denen der öffentliche Auftraggeber einen Verstoß gegen § 9 a VOL/A die Zuschlagskriterien nicht spezifiziert und bekannt macht, nur der niedrigste Preis als Zuschlagskriterium angewendet werden darf (vgl. OLG Schleswig, VergabeR 2001, S. 214 ff.; Daub/Eberstein, a.a.O., § 9 a, Rdn. 10 und § 25 Rdn. 43; Jaeger). Qualitative Aspekte wie Bildschirmergonomie und komfortable Benutzerführung hätte der Auftraggeber daher bei der Bewertung nur berücksichtigen dürfen, wenn er diese Kriterien zuvor in den Verdingungsunterlagen oder in der Vergabebekanntmachung bekannt gemacht hätte.

27

Der Auftraggeber kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Bildschirmarbeitsverordnung eine rechtlich verbindliche Vorgabe für die Betreiber von Software und damit auch für die xxx ist. Zum einen war es ihr zumutbar und unter Transparenzgesichtspunkten geboten, wenigstens einen Hinweis auf diese Anforderungen und ihre Spezifizierung nach ISO 9241 in die Verdingungsunterlagen mit aufzunehmen. Zum anderen hat der Auftraggeber in der Vergabeakte nicht in einer den Anforderungen des § 30 Nr. 1 VOL/A genügenden Weise entsprechende Abweichungen der von der Antragstellerin gelieferten Software von der Bildschirmarbeitsverordnung dargelegt und dokumentiert. Gemäß § 30 Nr. 1 VOL/A ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellung sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält. Dies beinhaltet eine zwingende Pflicht der Vergabestelle, die Auswahlentscheidung als wesentliche Entscheidung in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren, um für den Bewerber die erforderliche Überprüfbarkeit zu gewährleisten (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss v. 08.03.1999, NZBau 2000, S. 44 ff.). Der in der Vergabeakte enthaltene Vergabevermerk des Auftraggebers vom 06.02.2002, xxx, enthält zwar sog."Screenshots", die dem Vergabevermerk als Bild 3 und Bild 4 der Anlage 2 beigefügt sind und aus denen sich Anwendungsfehler hinsichtlich Fensteraufbauten etc. ergeben. Im Vergabevermerk wurde jedoch in keiner Weise der Schluss gezogen, dass darin Verstöße gegen die Bildschirmarbeitsplatzverordnung liegen. Der Auftraggeber hat in der mündlichen Verhandlung vom 11.04.2002 auch eingeräumt, dass er diesen Schluss ausdrücklich erst im Schreiben an die Vergabekammer im laufenden Nachprüfungsverfahren vom 20.03.2002 bzw. zuvor in ihrem Schreiben an die Antragstellerin vom 07.03.2002 (unter Nr. 4) gezogen hat.

28

b)

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war der Auftraggeber aber trotz fehlender Bekanntmachung von Zuschlagskriterien bei seiner Angebotswertung grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung solche Fehler und Mängel der von den Bietern angebotenen Software im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung zu berücksichtigen, die die Tauglichkeit der Software für den Beschaffungszweck, der Anlass für Vergabeverfahren war, erheblich beeinträchtigen. Aus § 9 a VOL/A kann nach Auffassung der Vergabekammer nicht der Schluss gezogen werden, dass ein Auftraggeber bei Unterlassung der Bekanntmachung von Zuschlagskriterien gezwungen werden kann, den Zuschlag auch auf ein für ihn untaugliches Angebot zu erteilen. Eine derartige Entscheidung würde ihrerseits gegen das Gebot, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, verstoßen, da eine derartige Beschaffung, ungeachtet eines niedrigen Preises, niemals wirtschaftlich sein kann. Dass die Software für den von der Auftraggeber bekannt gemachten Zweck zumindest funktionieren musste, versteht sich von selbst und ist auch unter den Beteiligten unstreitig. Seine Stütze findet dieser Gedanke in § 26 VOL/A. Danach kann die Ausschreibung unter anderem aufgehoben werden, wenn kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht oder sie kein wirtschaftliches Ergebnis gehabt hat. Sie kann u. U. teilweise aufgehoben werden, wenn das an sich wirtschaftlichste Angebot den ausgeschriebenen Bedarf nicht voll deckt.

29

Die Antragstellerin hat ausweislich des Vergabevermerks vom 06.02.2002 bei der Überprüfung der angebotenen Software, die am 24.01.2002 im Medien- und Computerzentrum des xxx von fünf mit der Anwendung von Schulsoftware vertrauten Fachleuten (4 Pädagogen und 1 Mitarbeiter des xxx) vorgenommen wurde, Fehler bei der Software der Antragstellerin festgestellt, die die Tauglichkeit dieser Software zumindest im Zeitpunkt dieser Überprüfung für den angestrebten Beschaffungszweck erheblich beeinträchtigen. Die Überprüfung der angebotenen Programme erfolgte im Wege von Simulationen. Zum Beispiel wurde nach Aussage des Auftraggebers in der mündlichen Verhandlung der Weg eines fiktiven Schülers vom 11. Schuljahr bis zum Abitur vollständig durchgeprüft. Dieses "Planspiel" wurde bei allen drei in der Wertung verbliebenen Angeboten durchgeführt und im Vergabevermerk vom 06.02.2002 durch sog. "Screenshots" nebst Erläuterung dokumentiert. Bei der Berechnung durch das Programm der Antragstellerin ergab sich danach nach Feststellung des Auftraggebers ein schwer wiegender Fehler dahingehend, dass das Programm den Schüler im Ergebnis zum Abitur zugelassen hat, obwohl er nicht alle von ihm zu belegenden Pflichtgrundkurse (z.B. 4 Semester Deutsch) belegt hatte. Das Fach Sport sei beim Programm der Antragstellerin nicht in Individual- und Mannschaftssport unterteilbar, obwohl dies für das Einbringen von Sportkursen wichtig sei (bei mehr als einem Sportkurs muss mindestens einmal Individualsport eingebracht werden). Der Auftraggeber hat in dem Vergabevermerk und in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass ein Oberstufenkoordinator sich auf die Ergebnisse nicht verlassen könne. Das Abiturmodul entspreche nicht der Ausschreibungsbedingung, dass die Zulassung und die Abiturprüfung nach den niedersächsischen Richtlinien zugeführt werden müsse. Die Antragstellerin hat dagegen in der mündlichen Verhandlung in Abrede gestellt, dass es sich bei den festgestellten Fehlern in ihrem Programm um schwer wiegende Fehler gehandelt habe. Vielmehr seien einzelne Fehler, die eingeräumt werden, bereits in der jetzt vorhandenen Version 2002 abgestellt. Im Übrigen wäre es laut Aussage der Antragstellerin ein Leichtes gewesen, von Anwenderseite nach Rücksprache mit der Antragstellerin die Fehler selbst abzustellen oder aber die Antragstellerin zu veranlassen, im Wege eines relativ kurzen Updates die Fehler abzustellen. Die Antragstellerin hat sich zu den Vorwürfen dahingehend geäußert, dass die Prüfungsergebnisse des Auftraggebers teilweise auf Rechenfehler des Auftraggebers beruhen. Zum Teil hat sie die Fehlerhaftigkeit eingeräumt etwa hinsichtlich des Faches Deutsch und hinsichtlich des Faches Sport. Beide Fehler ließen sich aber leicht beheben. Dies habe sie, die Antragstellerin, im Übrigen getan, nachdem sie auf ihre Rüge vom 06.03.2002 die erläuternde Stellungnahme des Auftraggebers mit Auszügen aus dem Vergabevermerk erhalten hatte. Der Aufwand für die Nachbesserung habe weniger als eine Stunde betragen. Die Antragstellerin hat geltend gemacht, dass es sich hier durchweg um Fehler handelt, die leicht abzustellen waren und in der Praxis üblicherweise in der Anpassungsphase zwischen Zuschlagserteilung und Abnahme der Software abgestellt werden. Ferner gehe die Rechtsprechung im Bereich von IuK und Software von einem anderen Fehlerbegriff aus als bei anderen Beschaffungsgegenständen wie etwa Möbel oder Kfz. Die Rechtsprechung gehe davon aus, dass eine Software praktisch nie ganz fehlerfrei sei (vgl. Müller-Hengstenberg, Bemerkungen zum Softwaregewährleistungsrecht, Wirtschaftsrecht 1986, S. 441 ff., S. 442, m.w.N.; LG Trier, Urteil v. 02.12.1992, Az.: 5 O 1/92; OLG Düsseldorf, Urteil v. 18.10.1990, Az.: 6 U 71/87).

30

Es kann letztlich aber dahinstehen, ob es bei der Beschaffung von Software vergaberechtlich zumutbar und geboten ist, dass der öffentliche Auftraggeber bei der Überprüfung festgestellte Fehler mit dem Bieterunternehmen hinsichtlich ihrer Abstellbarkeit erörtert, bevor er seine Angebotswertung abschließt und seine Vergabeentscheidung trifft, oder ob bereits derartige Rücksprachen die Grenzen einer zulässigen Verhandlung nach § 24 Nr. 1 Abs. 1 und Nr. 2 VOL/A überschreiten. Der Auftraggeber hat im Zuge des Nachprüfungsverfahrens, insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung mehrfach die Erfahrung und Qualifikation der von ihm mit der Prüfung der Software beauftragten Fachkräfte betont. Diese mussten nach Auffassung der Vergabekammer aufgrund ihrer Erfahrung bei der Überprüfung erkennen können, ob Softwarefehler leicht behebbar waren oder nicht. Unabhängig von dieser Einstufung der Softwarefehler ist aber auch unstreitig, dass ein damit verbundener Folgefehler dergestalt, dass ein Schüler die Abiturzulassung bekommt, obwohl er die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt, oder umgekehrt ein Schüler, der die Voraussetzungen erfüllt, nach Berechnung des Computerprogramms nicht zum Abitur zugelassen wird, schwer wiegend ist.

31

c)

Die Ursache für die bei der Überprüfung aufgetretenen Softwarefehler hat der Auftraggeber allerdings zu einem erheblichen Teil selbst gesetzt, indem er es unterließ, seinen Verdingungsunterlagen eine den Anforderungen des § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A genügende Leistungsbeschreibung beizufügen. Danach ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und die Angebots miteinander verglichen werden können. Die in § 8 geregelten Anforderungen an die Gestaltung der Leistungsbeschreibung sind sowohl für das Vergabeverfahren als auch für die spätere Vertragsdurchführung mit dem erfolgreichen Bieter von fundamentaler Bedeutung. Die Leistungsbeschreibung bildet dabei das Kernstück der Vergabeunterlagen (vgl. Noch in Müller-Wrede, VOL/A, 1. Aufl. 2001, § 8, Rdn. 4, m.w.N.). Die Leistungsbeschreibung muss eindeutig dahingehend sein, dass sie den Bieter nicht im Unklaren lassen darf, welche Leistung von ihm in welcher Form und welchen Bedingungen angeboten soll. Sie soll erschöpfend dahingehend sein, dass möglichst keine Restbereiche verbleiben sollen, die die Vergabestelle nicht zuvor bereits klar umrissen hat. Wenn die Vergabestelle diese allgemeinen Anforderungen bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung nicht beachtet, kann nicht von einer VOL/A-gemäßen Leistungsbeschreibung als Grundlage des Vergabeverfahrens gesprochen werden. Das Vergabeverfahren leidet in diesem Fall schon von Beginn an unter einem erheblichen Mangel (vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Aufl., § 8 Rdn. 25).

32

Die vom Auftraggeber im streitbefangenen Vergabeverfahren den Verdingungsunterlagen beigefügte Leistungsbeschreibung genügt diesen Anforderungen, die dem vergaberechtlichen Transparenzgebot gem. § 97 Nr. 1 GWB dienen, nicht. Für die Beschaffung eines komplexen Gegenstandes wie eine Computersoftware ist nicht ausreichend, dass sich eine Leistungsbeschreibung lediglich auf eine stichwortartige Auflistung aller gewünschten Funktionen und einen Hinweis auf die Niedersächsische Verordnung in der gymnasialen Oberstufe bzw. über die Abschlüsse in der gymnasialen Oberstufe im Fachgymnasium, im Abendgymnasium und im Kolleg beschränkt. Gerade bei der Beschaffung von Softwareprogrammen ist ein öffentlicher Auftraggeber besonders gehalten, nicht nur die gewünschten Anwendungen und Funktionen, sondern auch Anforderungen an den Benutzerkomfort, an Schnittstellen, Links etc. klar zu definieren und den Bietern mit den Vergabeunterlagen, sei es als unmittelbare Leistungsbeschreibung oder dieser Leistungsbeschreibung beigefügter Anlage in Form eines Pflichtenheftes in der gebotenen Ausführlichkeit mitzuteilen, wobei sich der Umfang der Leistungsbeschreibung nach der Komplexität der zu beschaffenden Software richtet und auch nach der Vorgabe, ob Standardsoftware beschafft werden soll oder ein Entwicklungsauftrag für maßgeschneiderte Software in Auftrag gegeben werden soll. Gerade bei der Beschreibung von Software kommt es darauf an, die erforderlichen Funktionen eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, so wie § 8 Abs. 1 Nr. 1 VOL/A es verlangt. Da eine bestimmte Software von bestimmten Herstellern nur in den engen Ausnahmefällen des § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A ausgeschrieben werden darf, ist u.a. zu überprüfen, ob eine Kompatibilität unterschiedlicher Produkte mit bereits vorhandener Anwendungssoftware oder Systemsoftware hergestellt werden kann (vgl. Kulartz/Steding, Ausschreibungen im IT-Bereich, Behörden Spiegel November 1999, Beschaffung Spezial, S. B III ff.). Ziel der Leistungsbeschreibung soll es sein, ein Höchstmaß an Verständlichkeit der Darstellung zu erreichen. Nur dieses Höchstmaß an Verständlichkeit führt letztlich zu einem klaren Angebot und damit zu einer klaren Entscheidungsgrundlage für den Auftraggeber.

33

In der Praxis hat sich deshalb das Verfahren durchgesetzt, vor Einleitung eines Vergabeverfahrens die Anforderungen an zu beschaffende Software sorgfältig zu ermitteln und in einem Pflichtenheft zu definieren. In der xxx ist eine derartige Verfahrensweise durch den Gemeinsamen Runderlass des MF, der Staatskanzlei und der übrigen Ministerien vom 10.12.1997 - 41.32-02822/9 - (VORIS 20500 00 00 00 023) grundsätzlich vorgeschrieben. Danach ist die beabsichtigte Beschaffung nicht nur bei der beim xxx eingerichteten Koordinierungsstelle xxx anzumelden. Dies soll gem. Ziff. 4.1 des Erlasses in der Form geschehen, dass ein dem Erlass beigefügtes Formblatt ausgefüllt wird, dem die "im Rahmen der Projektuntersuchung ohnehin erstellten Unterlagen" auszugsweise beizufügen sind. Die Koordinierungsstelle xxx wird bei ihrer Prüfung unterstützt von einem xxx Arbeitskreis (xxx - Technik). Der Erlass schreibt unter IV. 10. für die Durchführung von Projekten darüber hinaus ausdrücklich vor, dass die Richtlinien gemäß Anlage 3 des Erlasses anzuwenden sind. Der Planungs-, Untersuchungs- und Dokumentationsaufwand soll dabei in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang und zur Komplexität des Projektes stehen. Gemäß 10.1 dieser Projektrichtlinien sind die projektbezogenen Anforderungen an die zu beschaffenden Geräte und Programme vor Einleitung von Beschaffungsmaßnahmen in einem Pflichtenheft zu formulieren. Der Auftraggeber hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass ihm dieser Erlass bekannt sei. Man sei nach Prüfung aber zu dem Ergebnis gekommen, dass die streitbefangene Beschaffung nicht diesem Erlass unterliege. Der Auftraggeber hat erklärt, dass man seit mehreren Jahren an der Beschaffung einer einheitlichen Schulverwaltungssoftware, die allen Schulen in Niedersachsen - ohne Abnahmeverpflichtung - zur Verfügung gestellt werden sollte, gearbeitet habe. Bis Ende letzten Jahres habe man das Ziel verfolgt, einen Entwicklungsauftrag für eine maßgeschneiderte Software auszuschreiben. Dabei seien auch Ansätze eines Pflichtenheftes erstellt worden. Schließlich sei dann aber die Entscheidung gefallen, von einem Entwicklungsauftrag abzusehen und stattdessen am Markt vorhandene Standardsoftware zu beschaffen. Der Auftraggeber vertritt die Auffassung, dass es sich bei dem Gegenstand der streitbefangenen Ausschreibung um eben eine solche Standardsoftware handelt, die eine weiter gehende Leistungsbeschreibung als die von ihm erstellte und auch ein Pflichtenheft überflüssig macht. Die Vergabekammer teilt diese Auffassung nicht. Von"Standardsoftware" kann man sicherlich sprechen, wenn es um die Beschaffung eines Betriebssystems wie etwa Windows oder die entsprechenden wenigen, am Markt vorhandene Konkurrenzprodukte handelt. Die streitbefangene Beschaffung aber ist erheblich spezifischer und komplexer. Diese Komplexität wiederum ergibt sich bereits aus der stichwortartigen Leistungsbeschreibung. Danach soll die Schulsoftware ein Leistungsspektrum von Notenverwaltung mit externer Zensureneingabe über Lehrmittelverwaltung (Bestandspflege, Beschaffung, Ausleihe), Haushalts- und Inventarverwaltung, Stundenplanerstellung, Vertretungsplanerstellung, Schnittstelle zum Niedersächsischen Landesstatistikprogramm IZN-stabil, Kurswahlenvorbereitung, -durchführung, -auswertung für den Sekundarbereich II, Abiturvorbereitung, -durchführung, -auswertung und -zulassung gemäß Niedersächsischer Verordnung über die Abschlüsse in der gymnasialen Oberstufe, im Fachgymnasium, im Abendgymnasium und im Kolleg gewährleisten. Angesichts dieses geforderten, breiten Anwendungsspektrums kann von einer Standardsoftware keine Rede sein. Daran ändert auch die Tatsache, dass der Kreis der potenziellen Anbieter für derartige Software klein ist und die drei Bieter, deren Angebote im streitbefangenen Vergabeverfahren gewertet wurden, sich auf eben diese Anforderungen spezialisiert haben, nichts. Es ist unbestritten, dass die Programme aller drei Bieter in Niedersachsen in den unterschiedlichen Schulen Verbreitung gefunden haben und dort mit Erfolg angewendet werden, wie die zahlreichen Referenzen sowohl der Antragstellerin als auch der Beigeladenen belegen. Angesichts der Tatsache, dass unterschiedliche Programme in den niedersächsischen Schulen Verwendung finden, genügt es aber insbesondere nicht, wenn in der Leistungsbeschreibung unter Los 1, 10. lediglich auf:"Importmöglichkeit von existierenden Stammdaten im ASC II oder dBase-Format" verwiesen wird. Auch hier wäre es geboten gewesen, zumindest die Art der existierenden Stammdaten zu erläutern.

34

Wenngleich der Markt für Schulsoftware durch eine starke Spezialisierung der Anbieter gekennzeichnet ist, worauf der Auftraggeber zu Recht hinweist, wird ein völliger Verzicht auf ein Pflichtenheft oder eine entsprechende ausführliche Leistungsbeschreibung nicht den für das Vergabeverfahren unabdingbaren Anforderungen des § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A gerecht. Für die Erstellung von Pflichtenheften zur Softwarebeschaffung existiert sogar ausführliche, spezielle Literatur, wie z.B."Das DV Pflichtenheft zur optimalen Softwarebeschaffung" von Grupp, MITP-Verlag, Bonn. Neben diversen Entscheidungskriterien, Evaluationsschritten und kompletten Musterpflichtenheften enthält es u.a. auch"Praxistipps für die Pflichtenhefterstellung für Behördensoftware". Ein Pflichtenheft sollte Ausführungen zu bisherigen Verfahren und Hilfsmitteln haben, zur Zielsetzung mit der Priorität nach dargestellten Unterzielen (Musskriterien, Sollkriterien und wünschenswerten Kriterien), zum Produkteinsatz, zu den Betriebsbedingungen, zum Mengengerüst, insbesondere hinsichtlich Stamm- und Grunddaten, zu Produktfunktionen (z.B. automatisches Löschen von Datensätzen bei Erfüllung einer Bedingung, wie sollen Neueingaben/Änderungen funktionieren?, z.B. Sortieruntersuchfunktionen), zur Benutzeroberfläche (falls besondere Wünsche bestehen) und, worauf es offensichtlich auch dem Auftraggeber im streitbefangenen Vergabeverfahren ankam, zu Qualitätszielen.

35

Der Auftraggeber hatte aufgrund seiner langjährigen Planung, wie er selbst in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, bereits Ansätze eines Pflichtenheftes erarbeitet. Es war daher grundsätzlich möglich und geboten, eine aussagefähigere Leistungsbeschreibung oder ein Pflichtenheft zu erstellen, auch wenn dies nicht den Umfang eines Pflichtenheftes für einen Softwareentwicklungsauftrag haben musste.

36

Bei ordnungsgemäßer Leistungsbeschreibung, vorheriger Definition und Angabe von Zuschlagskriterien wären alle Bieter, auch die Antragstellerin in der Lage gewesen, ihr vorhandenes Softwareprodukt den spezifischen Anforderungen des Auftraggebers anzupassen und entsprechend zu optimieren. Dass bei den von den Bietern angebotenen Softwarepaketen für diese Optimierung eine geeignete Basis vorhanden war, ergibt sich aus den mit den Angeboten vorgelegten Referenzen, die von mehreren niedersächsischen Schulen abgegeben wurden, wo diese Programme bereits Anwendung finden.

37

Angesichts der auch vom Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren betonten Bedeutung der Software für die xxx Schulverwaltung kann der Notwendigkeit einer entsprechenden, ausreichenden Leistungsbeschreibung auch nicht entgegengehalten werden, dass die Vergabestelle unter enormem Zeitdruck stand und das Ziel verfolgt wurde, möglichst schnell eine einheitliche Schulsoftware allen Schulen zur Verfügung zu stellen. Da die künftige Schulverwaltungssoftware von möglichst vielen, wenn nicht allen Schulen - freiwillig - abgenommen und angewendet werden soll, hätte eine auf unzureichende Ausschreibungsunterlagen erfolgte Beschaffung möglicherweise schwer wiegende Folgen für die Schulen, die sich sogar über mehrere Jahrzehnte fortsetzen könnten, wenn die Software erst einmal beschafft, installiert und die Altdatenbestände übertragen sind.

38

Durch die unzureichende Leistungsbeschreibung und das völlige Fehlen von in der Vergabeakte dokumentierten und in den Verdingungsunterlagen gem. § 9 a VOL/A bekannt gemachten Zuschlagskriterien war der Auftraggeber jedenfalls nicht in der Lage, die Wirtschaftlichkeit des Angebotes der Beigeladenen festzustellen und des Angebotes der Antragstellerin zu verneinen angesichts der Tatsache, dass das Angebot der Beigeladenen mit einem Preis von 1.263.264,96 EUR das Angebot der Antragstellerin mit 355.589,16 EUR um mehr als 250 % überstieg. Dieses drastische Preisgefälle kann nicht, wie der Auftraggeber und die Antragstellerin dargestellt haben, allein mit unterschiedlicher firmeninterner Kalkulation erklärt werden. Sie ist vielmehr Indiz dafür, dass Antragstellerin und Beigeladene von völlig unterschiedlichen Qualitätsanforderungen ausgegangen sind, was die Vergleichbarkeit der Angebote im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A beeinträchtigt und im Falle einer ordnungsgemäßen Leistungsbeschreibung zumindest in dieser ungewöhnlich deutlichen Ausprägung vermieden worden wäre.

39

d)

Dagegen hat das Nachprüfungsverfahren keine Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit des von dem Auftraggeber mit der Prüfung der von den Bietern angebotenen Software beauftragten Herrn xxx zugunsten des Angebotes der Beigeladenen ergeben. Die Antragstellerin hatte zunächst schriftsätzlich diesbezügliche Vermutungen geäußert, diese Vermutungen dann aber im Zuge der mündlichen Verhandlung insbesondere angesichts einer verlesenen dienstlichen Erklärung des xxx vom 21.03.2002 nicht mehr aufrecht erhalten. Herr xxx hat in dieser Erklärung darauf hingewiesen, dass er zu keiner Zeit eine geschäftliche oder beratende Beziehung zur Fa. xxx, für die die Beigeladene im streitbefangenen Vergabeverfahren den Vertrieb übernehmen soll, ausgeübt habe geschweige denn von dieser Firma Geldbeträge entgegen genommen habe. Er habe die Firma lediglich einmal im April 1998 auf deren Wunsch aufgesucht, um sie in die Datenstruktur des in der Schulverwaltung eingeführten Programms SCOLA einzuweisen und über die Datenübernahme in das Programm der Fa. xxx zu sprechen. Auftraggeber und Beigeladene haben in der mündlichen Verhandlung schlüssig dargelegt, dass das Programm SCOLA Oberstufendaten betrifft, die nicht zu den sog. Stammdaten (wie z.B. Namen, Adressen etc.) gehören, deren Transfer wiederum auch Gegenstand der streitbefangenen Ausschreibung ist. Die Vergabekammer hat daher keinen Anlass, von einer gegen § 16 VgV verstoßenden Beteiligung des Herrn xxx und der anderen an der Überprüfung der angebotenen Software beteiligten Personen auszugehen. Dass es für den Auftraggeber nicht nur sinnvoll, sondern im Interesse der Beschaffung einer für die Schulverwaltungspraxis tauglichen Software sogar unabdingbar war, auf kompetente, mit dem praktischen Einsatz solcher Programme vertraute Fachleute zurückzugreifen, ist unter den Beteiligten unbestritten. Die Vergabekammer teilt diese Auffassung.

40

e)

Gemäß § 114 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen des festgestellten schwer wiegenden Verstoßes gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot ist es erforderlich, die Ausschreibung durch Beschluss der Vergabekammer aufzuheben, da der Vergaberechtsverstoß in Form der mängelbehafteten Leistungsbeschreibung nicht durch eine Verpflichtung zur Neuvornahme der Angebotswertung beseitigt werden könnte. Der Verstoß gegen § 8 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOL/A und damit § 97 Abs. 1 GWB bliebe bestehen. Wegen der zentralen Bedeutung der Leistungsbeschreibung für ein transparentes Vergabeverfahren hat die Vergabekammer die mit den festgestellten Mängeln der Leistungsbeschreibung verbundene Vergaberechtsverletzung gem. § 110 Abs. 1 GWB von Amts wegen zu berücksichtigen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob diese Mängel von den Bieterunternehmen positiv erkannt wurden bzw. ob sie für diese erkennbar waren. Obgleich die Bieter im streitbefangenen Vergabeverfahren die fehlerhafte Leistungsbeschreibung nicht gerügt haben, ist die Vergabekammer nicht durch Präklusion gem. § 107 Abs. 3 GWB gehindert, diese Vergaberechtsverletzung, die den Kernbereich des Vergaberechts berührt, zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat der Vergabekammer gem. § 114 Abs. 1 Nr. 1 GWB die Verpflichtung zugewiesen, geeignete Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen. Dabei ist auch die Vergabekammer gem. § 114 Abs. 1 Satz 2 GWB an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Dazu ist sie im vorliegenden Fall verpflichtet, weil eine vergaberechtskonforme Wertung der vorliegenden Angebote und ein entsprechender Zuschlag auf der Grundlage der vorliegenden Ausschreibung nicht möglich ist (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 08.11.2001, 13 Verg 9/01, insbesondere B 3 der Entscheidungsgründe). Die Vergabekammer muss deshalb darauf hinwirken, dass das Vergabeverfahren aufgehoben wird.

41

Aus diesen Gründen kam eine Verpflichtung des Auftraggebers, erneut in das Vergabeverfahren einzusteigen und, wie von der Antragstellerin mit ihren Anträgen verfolgt, der Antragstellerin den Zuschlag zu erteilen, nicht in Betracht. Zum einen hätte eine derartige Entscheidung den von der Vergabekammer im Wege der Amtsermittlung festgestellten Verstoß gegen das Vergaberecht nicht beseitigt. Zum anderen kann ein Auftraggeber nicht verpflichtet werden, den Zuschlag auf ein Angebot zu erteilen, das für seinen Bedarf - zumindest im Zeitpunkt der Wertung - ungeeignet ist, da eine derartige Beschaffung dem vergaberechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot zuwiderlaufen würde. Dem steht nicht entgegen, dass die mangelnde Eignung des Angebotes der Antragstellerin zumindest zu einem erheblichen Teil auch auf die unzureichende Leistungsbeschreibung zurückzuführen ist.

42

III. Kostenentscheidung

43

Die Kostenentscheidung erfolgt nach § 128 GWB. Es wird die Mindestgebühr von 2.500 EUR gem. § 128 Abs. 2 GWB i.d.F. des Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 v. 14.11.2001, S. 2992 ff.) v. 10.11.2001 festgesetzt. Danach werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1:2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr statt 5.000 DM 2.500 EUR beträgt.

44

Die Verpflichtung der Auftraggeberin, die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer zu tragen, ergibt sich daraus, dass der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren im Sinne des

45

§ 128 Abs. 3 Satz 1 GWB unterlegen ist. Der Nachprüfungsantrag war wegen der festgestellten Rechtsverletzung begründet, auch wenn die Antragstellerin ihr mit dem Nachprüfungsverfahren verfolgtes Ziel, den Zuschlag zu erhalten, nicht erreicht hat.

46

Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragstellerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war auf Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Auftraggeber im konkreten Verfahren erforderlich war.

47

Der Auftraggeber wird aufgefordert, den Betrag von 2.500 EUR unter Angabe des Kassenzeichens xxx auf folgendes Konto zu überweisen: xxx.

Gause,
Peter. Herr Dipl.-Ing. Peter, hauptamtlicher Beisitzer, kann urlaubsbedingt nicht selbst unterschreiben. Gause,
Dr. Mielke