Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 18.11.2002, Az.: 203-VgK-25/2002

Überprüfung der Zugänglichkeit eines Vergabeverfahrens einer Nachprüfung durch die Vergabekammer; Verletzung von Rechten des Bieters durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften; Dokumentation von wichtigen Verfahrensschritten in den Vergabeakten; Unverbindlichkeit der Entscheidungsvorschläge eines Projektbüros oder Ingenieurbüros in den einzelnen Abschnitten des Vergabeverfahrens für den öffentlichen Auftraggeber; Erkennbarkeit von Mitwirkung der Auftraggeberin aus der Vergabeakte; Treffen von geeigneten Maßnahmen durch die Vergabekammer zur Beseitigung einer Rechtsverletzung

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
18.11.2002
Aktenzeichen
203-VgK-25/2002
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 28439
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

VOB-Vergabeverfahren Nr. xxxxxxx - Gebäudeautomation

In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ök. Brinkmann
auf die mündliche Verhandlung vom 13.11.2002
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der Auftraggeber wird verpflichtet, die Ausschreibung Nr. xxxxxxx - Gebäudeautomation Umbau xxxxxxx-Kasernen, xxxxxxx - aufzuheben.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Auftraggeberin.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

  4. 4.

    Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

Gründe

1

I.

Die Auftraggeberin bezeichnet sich selbst als einen rechtsfähigen Verein, der allerdings einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gleichgestellt ist. Sie gilt lt. eigenen Angaben als öffentlicher Auftraggeber, da der Finanzbedarf der Gesellschaft fast ausschließlich ausöffentlichen Mitteln von den Ländern der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam aufgebracht wird.

2

Die Auftraggeberin hat mit Datum vom 26.07.2002 den Umbau und die Erweiterung der ehemaligen xxxxxxx-Kasernen im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben, nachdem sie mit Vorinformation vom 22.02.2002 vorab darüber informiert hatte. Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass Bieter sich um das Los Sonstige Elektroinstallationsarbeiten und Gebäudeautomation sowohl einzeln bewerben können als auch Angebote für mehrere und sämtliche Lose einreichen können.

3

Zu etwaigen Nebenangeboten war der Bekanntmachung nichts zu entnehmen.

4

Mindestbedingungen, die der Bieter zum Nachweis seiner Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit erfüllen musste, waren in der Bekanntmachung im Einzelnen aufgeführt.

5

Hinsichtlich der zu erfüllenden Zuschlagskriterien für die Auftragserteilung war auf die Vergabeunterlagen verwiesen worden. Dort wurden in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes als allgemeine Kriterien Preis und Ausführungsfrist, als technische und wirtschaftliche Kriterien Qualität und Funktionalität genannt.

6

In der Niederschrift über die Verdingungsverhandlung des streitbefangenen Vergabeverfahrens vom 06.09.2002 wurde festgestellt, dass insgesamt 5 Angebote vorlagen. In der als Anlage beigefügten Liste der submittierten Angebote und der Vorprüfung der eingereichten Angebotsunterlagen wurde festgestellt, dass die Antragstellerin für das Los Gebäudeautomation mit einer rechnerisch geprüften Angebotssumme in Höhe von 149.114,87 EUR an dritter Stelle lag. Nebenangebote waren nicht abgegeben worden. Ferner war dem Angebot der Antragstellerin zu entnehmen, dass sie erklärt, zum Handwerk zu gehören. Die Antragstellerin hatte auch angegeben, dass sie die Elektro-Verkabelungen auf Nachunternehmer übertragen werde, weil ihr Betrieb auf diese Leistungen nicht eingerichtet ist.

7

Die Beigeladene hatte die Leistungen für rechnerisch geprüfte 106.873,04 EUR angeboten. Ferner war vermerkt worden, dass sie 2 Nebenangebote eingereicht hatte. Dem Angebot der Beigeladenen war zu entnehmen, dass sie erklärte, zur Industrie zu gehören. Ferner hatte auch sie angegeben, dass sie beabsichtige, den Schaltschrankbau und die Elektroinstallationen auf Nachunternehmer zu übertragen, weil ihr Betrieb auf diese Leistungen nicht eingerichtet ist.

8

Zum 17.09.2002 lud die Auftraggeberin zunächst die Antragstellerin und dann die Beigeladene jeweils zu einem Gespräch zur Aufklärung über den Angebotsinhalt nach § 24 VOB/A ein. Den dazu gefertigten Verhandlungsprotokollen ist u.a. zu entnehmen, dass die Antragstellerin die ausgeschriebenen Fabrikate einbauen will. Zum Gespräch mit der Beigeladenen wurde u.a. vermerkt, dass sie im Hauptangebot die ausgeschriebenen Fabrikate angeboten hat, zu den angebotenen Fabrikaten in den Nebenangeboten wurde auf die Unterlagen verwiesen.

9

Die Auftraggeberin hatte in ihren Verdingungsunterlagen deutlich gemacht, dass sie auf die Mitgliedschaft der Bieter im Lon Nutzer Organisation e. V. und die LonMark-Zertifizierung der angebotenen und einzubauenden Produkte Wert legt. Der Lon Nutzer Organisation e. V. (LNO) Ist eine Interessengemeinschaft der Unternehmen, Institutionen und Distributoren, die mit der Technologie LonWorks im deutschsprachigen Raum arbeiten.

10

Dem von der ARGE-xxxxxxx für das von der Auftraggeberin mit der Durchführung des Vergabeverfahrens beauftragten Ingenieurbüro xxxxxxx am 30.09.2002 gefertigten Vergabevorschlag ist Folgendes zu entnehmen:

"Firma xxxxxxx ist gemäß aktueller Auskunft nicht im LNO (Lon Nutzer Organisation e. V.) organisiert als Systemintegrator. Dies ist aber eine Forderung aus dem Leistungsverzeichnis.

Der Regler Fabrikat xxxxxxx Typ xxxxxxx ist ganz neu und wurde noch nie eingesetzt. Dies birgt eine Gefahr in sich, da die Erfahrungswerte auch für die ausführende Firma fehlen.

Die I/O-Module müssen über eine produktspezifische Software IPOCS programmiert werden. Dies steht im Gegensatz zu der Forderung aus dem Leistungsverzeichnis.

Das genannte Referenzobjekt xxxxxxx in xxxxxxx ist nicht direkt von Fa. xxxxxxx, sondern von einer Tochterfirma ausgeführt worden.

Das Vorblatt EFB-Preis 1 b ist nicht ausgefüllt worden."

11

Soweit die Firma xxxxxxx vorschlägt, alle Schaltschränke in einem Gebäude unmittelbar nebeneinander zu stellen, um so einige Bauteile und Schaltschränke selbst einzusparen, weist die ARGE xxxxxxx darauf hin, dass diese Reduzierung nur bei den Schaltschränken Heizung und Lüftung Labore im Gebäude 1 möglich ist, da zwei Lüftungszentralen geplant sind.

12

Zum Nebenangebot 2 wird letztendlich empfohlen, bei dem gewählten LON-Bus-System zu bleiben und das Nebenangebot nicht zu beauftragen.

13

Zum Angebot der Antragstellerin wurde vermerkt, dass das Angebot entsprechend den Vorgaben aus dem Leistungsverzeichnis ausgefüllt wurde, die Firma schon seit langem als kompetent und zuverlässig bekannt sei.

14

Die ARGE-xxxxxxx wies letztendlich darauf hin, dass die Firma xxxxxxx zwar mit Abstand am günstigsten ist, jedoch, da das Reglerfabrikat ganz neu sei, ein Referenzprojekt nicht nachgewiesen wurde usw. die Vergabe an diese Firma empfohlen wird.

15

Der optimale Auftraggeber ist nach Auffassung der ARGE-xxxxxxx die Antragstellerin. Sie arbeite nach ihrer Auffassung seit längerem mit dem Produkt und verfügeüber die größte Erfahrung.

16

Bei der Auftragsvergabe sollte berücksichtigt werden, wer die restlichen LON-Komponenten für den Auftrag Schwachstromanlage konfiguriert.

17

Das beauftragte Ingenieurbüro xxxxxxx schlug mit Datum vom 02.10.2002 vor, der Fa. xxxxxxx den Zuschlag auf das Hauptangebot zu erteilen, da es nach ihrer Auffassung das wirtschaftlichste Angebot darstellt. Es wurde bei dem Vergabevorschlag auf eine Besprechung am 27.09.2002 Bezug genommen, in der der Auftraggeberin das LON-Bus-System vorgestellt und von den Vertretern der Auftraggeberin als sinnvoll erachtet worden war.

18

Das beauftragte Ingenieurbüro xxxxxxx bat die Auftraggeberin um kurzfristige Bestätigung. Eine Antwort der Auftraggeberin enthält die Vergabeakte nicht. Auch im Übrigen sind keine eigenen, im Zuge des Vergabeverfahrens ergangenen Entscheidungen oder Handlungen der Auftraggeberin in der Vergabeakte dokumentiert.

19

Mit Informationsschreiben gemäß § 13 VgV teilte das beauftragte Ingenieurbüro xxxxxxx mit Briefkopf "xxxxxxx Gesellschaft über Ingenieurbüro xxxxxxx" der Antragstellerin mit Datum vom 02.10.2002 mit, dass sie der Zuschlag nicht erhalten könne, da ein niedrigeres Hauptangebot der Beigeladenen vorläge.

20

Die Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 15.10.2002 gegenüber der Auftraggeberin die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene und führte aus, dass für die Vergabe mehrere Kriterien angegeben seien und nicht nur der Preis allein. Sie, die Antragstellerin, stelle die Funktionalität und Qualität des Angebotes der Beigeladenen in Bezug auf die Anforderungen aus den Verdingungsunterlagen in folgenden Punkten in Frage:

21

Die Bedingungen des offenen Automationssystems würden von der Beigeladenen nicht erfüllt.

22

Die Beigeladene sei nicht Mitglied der Lon Nutzer Organisation.

23

Die Produkte der Beigeladenen seien nicht LonMark zertifiziert.

24

Im Übrigen dürfe der Zuschlag gem. § 25 Nr. 3 Abs. 1 nicht auf ein Angebot mit unangemessen niedrigem Preis erteilt werden.

25

Mit Schreiben vom 16.10.2002 bittet das beauftragte Ingenieurbüro xxxxxxx die Firma xxxxxxx GmbH zu einem Gespräch am 17.10.2002. Sie bittet die Beigeladene, die Kalkulation zum Angebot vorzulegen, da es Einwände gegen die Auftragsvergabe gäbe. Die Angebotshöhe läge ca. 40 % unterhalb der Angebote der Mitbewerber.

26

Dem Protokoll über das Gespräch ist zu entnehmen, dass das beauftragte Ingenieurbüro xxxxxxx den Inhalt der Kalkulation noch intern prüfen müsse.

27

Zur Gleichwertigkeit der Produkte wurde vermerkt, dass man die Beigeladene nochmals darauf hingewiesen habe, dass die angebotenen Produkte gleichwertig zu den in der Ausschreibung beschriebenen Produkten mit den dort angegebenen technischen Werten sein müssen.

28

Zu den Stundenlohnsätzen wurde festgehalten, dass die von der Beigeladenen angebotenen Stundenlohnsätze sehr niedrig im Verhältnis zu der xxxxxxx bekannten Preisliste E 2000 der Beigeladenen seien. Die Beigeladene habe geltend gemacht, dass die in der Preisliste dokumentierten Verrechnungssätze nicht angefragt worden seien. Abschließend wurde festgehalten, dass man sich darüber einig sei, dass für die Arbeiten, die in den Vorbemerkungen zu den Stundenlohnpositionen aufgeführt seien, nur die angebotenen Stundenlohnsätze zur Verrechnung kämen. Dies gelte auch für den Fall, dass für diese Arbeiten Service-Techniker oder Personal mit höheren Qualifikationen erforderlich seien.

29

Mit Schreiben vom 16.10.2002, eingegangen bei der Vergabekammer per Telefax am 17.10.2002, beantragte die Antragstellerin die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens.

30

Die Antragstellerin führt in Ihrem Nachprüfungsantrag aus, dass die durch das Fabrikat der Beigeladenen zu realisierende Funktionalität nicht gewährleistet sei, da ihre Produkte nicht über die erforderlichen Referenzen verfügten. Die Beigeladene müsse demnach entweder ihr eigenes nicht ausgeschriebenes Produkt oder aber Schnittstellenlösungen einsetzen.

31

Ferner würden die von der Beigeladenen eingesetzten Fabrikate nach Auffassung der Antragstellerin nicht den technischen Anforderungen an die Bedingungen des offenen Automatisierungssystems erfüllen. Im Übrigen sei die Beigeladene auch nicht Mitglied der Lon Nutzer Organisation und ihre Produkte auch nicht LonMark spezifiziert. Vorsorglich weist die Antragstellerin auf die wirtschaftliche Beachtung eines Angebotes gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A hin.

32

Nach Durchführung der Akteneinsicht am 31.10.2002 ist die Antragstellerin überzeugt, dass die Beigeladene einen Nachunternehmeranteil von 70 % hat. Ihrer Meinung nach hätte die Beigeladene nicht an dem Wettbewerb teilnehmen dürfen, da sie sich nicht gemäß § 8 Ziffer 2 Abs. 2 VOB/A gewerbsmäßig mit der Ausführung von Leistungen der ausgeschriebenen Art befasse.

33

Soweit die Beigeladene auf Seite 7 des Leistungsverzeichnisses angegeben habe, dass sie Mitglied der Lon Nutzer Organisation e.V. seit 1999 sei, sei diese Aussage nicht zutreffend. Die Antragstellerin verweist auf § 8 Ziffer 5 Abs. 1 lit. e VOB/A.

34

Ferner habe die Auftraggeberin mit der Beigeladenen beim Aufklärungsgespräch am 17.10.2002 in unzulässigerweise über den Leistungsumfang nachverhandelt. Im Übrigen seien im Leistungsverzeichnis für die DDC-Stationen digitale Eingangsbaugruppen gefordert gewesen, die auch Zählimpulse von Zählern verarbeiten können. Das von der Beigeladenen angebotene Fabrikat erfülle diese Anforderungen nicht.

35

Zur Frage der Gleichwertigkeit der Digital-Eingangsmodule mit 10 Eingängen weist die Antragstellerin darauf hin, dass die Beigeladene nur Module mit jeweils 4 Eingängen angeboten habe. Die Einigung darüber, dass die Vorgaben der Ausschreibung ohne Zusatzkosten zu erfüllen seien, verstehe sie, die Antragstellerin, als unzulässigen Preisnachlass. Ebenfalls können nach ihrem Wissensstand die in der Pos. 1.3.7 geforderte Anzahl der Datenpunkte durch den angebotenen Controller LSC 1000 nicht gegeben werden.

36

Ferner besitze der von der Firma xxxxxxx angebotene Regler nicht die im Leistungsverzeichnis geforderte LonMark-Zertifizierung. Die Module erfüllen auch nach Ansicht der Antragstellerin nicht die Forderungen des Leistungsverzeichnisses.

37

Auch beinhalten nach Ansicht der Antragstellerin die von der Beigeladenen vorgelegten Referenzen keine vergleichbaren LON-Projekte. Die Antragstellerin führt ferner aus, dass sie das Argument "Kenntnisse im Gesamtunternehmen sind vorhanden" nicht teilen könne, da für den Betreiber der Anlage eine Qualifikation vor Ort erforderlich sei.

38

Die Antragstellerin beantragt,

  • gemäß § 115 Absatz 1 GWB die Aussetzung der Vergabe
  • gemäß §§ 107 Absatz 1 und 2, 108 Absatz 1und 2 GWB eine Überprüfung des Vergabeverfahrens.

39

Die Auftraggeberin beantragt,

den Nachprüfungsantrag abzuweisen.

40

Zur Begründung ihres Vergabevorschlages zu Gunsten der Beigeladenen führt das beauftragte Ingenieurbüro aus, dass die zu tätigenden Eintragungen durch den Bieter in das Angebotsleistungsverzeichnis seiner Auffassung nach keinen Anlass zu Beanstandungen ergaben:

41

Auf den Seiten 6 und 7 wurden die Anforderungen, die sich aus den Allgemeinen Vorbemerkungen ergeben, abgefragt. Die Beigeladene sowie die Antragstellerin hätten sämtliche Fragen im Sinne der Ausschreibung positiv beantwortet.

42

Die Nachweise gem. § 8 VOB/A über den Jahresumsatz, Referenzen und die durchschnittlich beschäftigten Mitarbeiter seien sowohl von der Beigeladenen als auch von der Antragstellerin bereits bei Angebotsabgabe gemacht und für ausreichend erachtet worden. Ebenfalls seien von beiden Firmen die abgefragten Angaben zur Kalkulation (EFB-Preis 1a) ausgefüllt worden.

43

In einem Aufklärungsgespräch am 17.09.2002 sei durch die Beigeladene noch einmal bestätigt worden, dass das abgegebene Hauptangebot in vollem Umfang die Vorgaben der Ausschreibung erfülle. Die Nebenangebote seien von der Beigeladenen technisch vorgestellt worden. Dabei ergab sich für das Ingenieurbüro, dass das 1. Nebenangebot eine Einsparung an Schaltschränken beinhalte. Das 2. Nebenangebot beinhalte zusätzlich zu den Einsparungen des 1. Nebenangebots den Einsatz eines eigenen Bussystems anstatt des LON-Systems. Zu allen drei Angeboten wurde aus Sicht des beauftragten Ingenieurbüros gemäß Verhandlungsprotokoll die angefragte Funktionalität gewährleistet.

44

Da die Ausschreibung auf Grundlage des "xxxxxxx-Systems" aufgebaut wurde, sei mit der Antragstellerin als Zweitplatzierter bei den Hauptangeboten ebenfalls ein Bietergespräch zur Aufklärung des Angebots und seines Inhaltes geführt worden.

45

Das zur Verfügung stehende Budget werde bei allen vier Angeboten eingehalten. Die Beigeladene würde dieses Budget als einziges Angebot erheblich unterschreiten. Da bei der Mehrzahl der Gewerke zu diesem Bauvorhaben Angebote weit unterhalb des angesetzten Budgets eingereicht worden seien, sah das beauftragte Ingenieurbüro in diesem Fall keinen besonderen Handlungsbedarf.

46

Zwar endete die fachtechnische Prüfung der kompletten Angebote durch die ARGE xxxxxxx mit einem Vergabevorschlag zu Gunsten der Antragstellerin. Dieser Argumentation habe sich das beauftragte Ingenieurbüro jedoch nicht anschließen können:

47

Es sei zwar richtig, dass die Beigeladene nicht Mitglied der Lon Nutzer Organisation e.V. sei, dies sei jedoch eine rein deutsche Organisation. Als internationales Unternehmen sei die Beigeladene jedoch Mitglied der internationalen LonMark-Organisation. Das beauftragte Ingenieurbüro erklärt dazu, dass es der Auffassung sei, dass eine Mitgliedschaft in einer deutschen Organisation nicht Voraussetzung für eine Auftragsvergabe sein könne.

48

Die einzusetzenden Regler der Firma xxxxxxx xxxxxxx seien zwar ganz neu und noch nie eingesetzt, dies könne aber ihrer Auffassung nach kein Kriterium für eine Nichtbeauftragung sein, zumal die Ausführung erst im 1. Quartal 2003 vorgesehen sei.

49

Die Wahl der Software xxxxxxx seien nach ihrer Auffassung nach gleichzusetzen mit der Wahl eines Betriebssystems für einen PC, um eine Systemumgebung zur Kommunikation zu schaffen.

50

Im Übrigen sei das Referenzobjekt xxxxxxx als Beilage zum Angebot zwar von einem Tochterunternehmen realisiert worden, die Beigeladene habe jedoch in ihrem Angebot genügend weitere Referenzobjekte benannt.

51

Ferner weist das beauftragte Ingenieurbüro daraufhin, dass die Nebenangebote der Beigeladenen nicht berücksichtigt werden sollen, da das geforderte offene LON-System nicht gewährleistet sei.

52

Um den Auftraggeber vor einen möglichen Schaden in der Auftragsabwicklung zu bewahren, der durch eine Auftragsvergabe mit einem unangemessen niedrigen und evtl. nicht auskömmlichen Preis entstehen könnte, fand lt. dem beauftragten Ingenieurbüro am 17.10.2002 ein zusätzliches Aufklärungsgespräch mit der Beigeladenen statt. Die Überprüfung der Kalkulation habe aus ihrer Sicht keine Beanstandungen hinsichtlich der Preisgestaltung ergeben.

53

Die Beigeladene stellt keine Anträge.

54

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Vergabeakte, die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 13.11.2002 verwiesen.

55

II.

Der zulässige Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt, weil die Auftraggeberin gegen das Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 GWB verstoßen hat, indem sie es entgegen § 30 Abs. 1 VOB/A versäumt hat, wichtige Verfahrensschritte zu dokumentieren und ihre Entscheidungen im Vergabeverfahren nachvollziehbar zu begründen. Insbesondere wird weder durch die Vergabeakte noch durch die mündliche Verhandlung im Nachprüfungsverfahren belegt, dass die Auftraggeberin die nötigen Entscheidungen im Laufe des Vergabeverfahrens überhaupt in eigener Verantwortung getroffen hat. Sie hat vielmehr die Entscheidungskompetenz über den nach § 7 Nr. 1 VOB/A zulässigen Rahmen hinaus dem von ihr als Projektbüro mit der Durchführung der streitbefangenen Ausschreibung beauftragten Ingenieurbüro xxxxxxx überlassen. Ferner hat auch das beauftragte Ingenieurbüro xxxxxxx in der Vergabeakte nicht hinreichend dokumentiert, warum es im Zuge der Angebotswertung vom entgegenstehenden Votum der mit der Prüfung der Angebote unterbeauftragten ARGE-xxxxxxx vom 30.09.2002 zu Gunsten der Beigeladenen und zu Ungunsten der Antragstellerin abgewichen ist. Sie hat sich insbesondere nach der Vergabeakte nicht mit der Tatsache auseinander gesetzt, dass die Beigeladene im Gegensatz zur Antragstellerin nicht in der LNO organisiert ist und auch das von ihr angebotene Produkt (Regler) der Firma xxxxxxx nicht über eine Lon-Mark-Zertifizierung verfügt, obwohl dies nach den Verdingungsunterlagen ausdrücklich gefordert war.

56

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin, der xxxxxxx Gesellschaft, handelt es sich um einen rechtsfähigen Verein im Sinne des § 22 BGB, der jedoch einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gleichgestellt ist. Der Verein untersteht gemäß dem Gesetz zur Bestimmung der auf dem Gebiet des Vereinswesens zuständigen Behörde vom 31.01.1978 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen - GVBl., xxxxxxx), der Aufsicht der Stadt Frankfurt am Main. Der Finanzbedarf des Vereins wird fast ausschließlich aus öffentlichen Mitteln von den Ländern der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam aufgebracht. Die Auftraggeberin ist damit öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Der streitbefangene Auftrag "Gebäudeautomation" ist auch als Teil der Gesamtbaumaßnahme "Umbau und Erweiterung der ehemaligen xxxxxxx-Kaserne xxxxxxx" einer Nachprüfung durch die Vergabekammer zugänglich. Gemäß § 100 Abs. 1 GWB gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oderüberschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Bauleistungen im Sinne des § 1 VOB/A. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 5 Millionen Euro, der hier lediglich von der Gesamtbaumaßnahme erreicht wird. Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, so gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Million Euro. Zwar wird auch dieser reduzierte Schwellenwert durch den streitbefangenen Auftrag nicht erreicht. Nach dem Ergebnis der Angebotswertung bewegen sich die Angebotspreise zwischen 92.131,93 EUR und 133.980,78 EUR netto. Gemäß § 2 Nr. 7 VgV wird bei Losen unterhalb 1 Million Euro der Schwellenwert erst bei deren addiertem Wert ab 20 v. H. des Gesamtwertes aller Lose erreicht. Die Auftraggeberin hat jedoch durch die europaweite Ausschreibung des streitbefangenen Loses dokumentiert, dass sie diesen Auftrag nicht dem von einer europaweiten Ausschreibung befreiten 20%-Kontingent zurechnen will. Das Vergabeverfahren ist damit grundsätzlich einer Nachprüfung durch die Vergabekammer zugänglich.

57

Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg ist auch sachlich und örtlich zuständig für das streitbefangene Nachprüfungsverfahren. Dies folgt entgegen der Auffassung der Auftraggeberin nicht bereits aus der Tatsache, dass der Ort der ausgeschriebenen Leistungen sich in xxxxxxx und damit in Niedersachsen befindet. Für die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen den Bundes- und Landesvergabekammern kommt es darauf an, wem die Aufträge "zuzurechnen" sind. Das bestimmt sich danach, von welchem öffentlichen Auftraggeber im Sinne von § 98 GWB das Vergabeverfahren durchgeführt wird. Die Gebietskörperschaften (mit Ausnahme des Bundes) sind den Ländern zuzurechnen. Die Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts und damit auch die Auftraggeberin im vorliegenden Fall sind nach ihrem Errichtungsstatut zuzuordnen (vgl. Gronstedt in Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 104 GWB, Rdnr. 568). Da die Auftraggeberin ihren Hauptsitz in xxxxxxx hat und der Aufsicht dieser Stadt untersteht, wäre grundsätzlich die Vergabekammer des Landes Hessen zuständig. Die Auftraggeberin hat jedoch nicht nur in der Vergabebekanntmachung die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg als zuständige Vergabekammer benannt. Sie hat auch das zu ihr gehörende, in xxxxxxx ansässige xxxxxxx-Institut, xxxxxxx, xxxxxxx, das nach den beabsichtigten Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen Nutzer der ehemaligen xxxxxxx-Kaserne xxxxxxx werden soll, als Adressat der Angebote benannt. Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg hat deshalb das Nachprüfungsverfahren angenommen und sich für zuständig erklärt.

58

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, dass die Auftraggeberin ihr nur deshalb nicht den Zuschlag erteile, weil sie in vergaberechtswidriger Weise die Angebotswertung auf den Faktor Angebotspreis reduziert habe und deshalb das Angebot der Beigeladenen als wirtschaftlichstes Angebot ermittelt habe, obwohl dieses nicht die Voraussetzungen gemäß den Verdingungsunterlagen erfülle. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Dies bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdn. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat schlüssig dargelegt, dass sie sogar eine Aussicht auf Erhalt des Zuschlags gehabt hätte, wenn der Auftraggeber die Angebotswertung ohne die von der Antragstellerin gerügten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße durchgeführt hätte.

59

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich zu rügen. Das von der Auftraggeberin beauftragte Ingenieurbüro xxxxxxx hat der Antragstellerin mit Informationsschreiben gem. § 13 VgV unter Verwendung des Briefkopfes "xxxxxxx Gesellschaft über Ingenieurbüro xxxxxxx" mit Datum vom 02.10.2002, eingegangen bei der Antragstellerin am 04.10.2002, auf einem Formblatt mitgeteilt, dass sie den Zuschlag nicht erhalten könne, da ein niedrigeres Hauptangebot vorläge. Den Namen der Beigeladenen erwähnt dieses Informationsschreiben nicht. Nachdem die Antragstellerin den Namen des bevorzugten Bieters erfahren hatte, rügte sie mit Schreiben vom 15.10.2002 gegenüber der Auftraggeberin die beabsichtigte Zuschlagserteilung. Sie begründete die Rüge damit, dass das Angebot der Firma xxxxxxx (Beigeladene) in mehrfacher Hinsicht nicht den Anforderungen der Verdingungsunterlagen genüge. Insbesondere sei die Firma xxxxxxx nicht Mitglied der Lon-Nutzerorganisation und die von der Firma xxxxxxx angebotenen Produkte seien nicht Lon-Mark zertifiziert. Ferner sei der von der Beigeladenen angebotene Preis nicht angemessen, so dass gem. § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A der Zuschlag auf dieses Angebot nicht erteilt werden dürfe. Diese Rüge erfolgte unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.

60

2.

Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Die Auftraggeberin hat in mehrfacher Hinsicht gegen das Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, weil sie es versäumt hat, wichtige Verfahrensschritte in der Vergabeakte gem. § 30 Nr. 1 VOB/A zu dokumentieren. Aus der Vergabeakte ergibt sich nicht, dass sie im Zuge des Vergabeverfahrens die wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen hat. Vielmehr hat die Auftraggeberin ihre Entscheidungskompetenzen auf das mit der Durchführung ihres Vergabeverfahrens und des Projektes beauftragte Ingenieurbüro xxxxxxx über den nach § 7 Nr. 1 VOB/A zulässigen Rahmen hinaus übertragen (im Folgenden a). Ferner genügt der in der Vergabeakte enthaltene Vergabevermerk nicht den Anforderungen des § 30 Nr. 1 VOB/A. Hier fehlt insbesondere eine Dokumentation der Auseinandersetzung mit der Frage, warum das Ingenieurbüro xxxxxxx vom entgegenstehenden Votum der mit der Prüfung der Angebote unterbeauftragten ARGE-xxxxxxx vom 30.09.2002 zu Gunsten der Beigeladenen und zu Ungunsten der Antragstellerin abgewichen ist. Dabei hat sie sich insbesondere nach der Vergabeakte nicht mit der Tatsache auseinander gesetzt, dass die Beigeladene im Gegensatz zur Antragstellerin nicht in der LNO organisiert ist und auch das von ihr angebotene Produkt (Regler) der Firma xxxxxxx nicht über eine LonMark-Zertifizierung verfügt, obwohl die Auftraggeberin dies nach den Verdingungsunterlagen ausdrücklich gefordert hatte (im Folgenden b).

61

a)

Aus der Vergabeakte ist nicht ersichtlich, geschweige denn wird in einem den Anforderungen des 30 VOB/A genügenden Vermerk belegt, dass die in den einzelnen Stufen des Vergabeverfahrens zu treffenden Entscheidungen von der Auftraggeberin selbst getroffen wurden. Vielmehr hat die Auftraggeberin ihre Entscheidungskompetenzen vollständig dem mit der Durchführung des Vergabeverfahrens und der Überwachung des Projektes beauftragten Ingenieurbüros xxxxxxxübertragen. Die Vertreter des beauftragten Ingenieurbüros xxxxxxx haben in der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2002 erklärt, dass das Ingenieurbüro xxxxxxx im Vergabeverfahren auf der Grundlage eines mit der eigentlichen Auftraggeberin geschlossenen Projektsteuerungsvertrages vom 24.01.2002 / 21.02.2002 und einer Vollmacht der Auftraggeberin vom 05.02.2002 betreffend die Projektsteuerung und Projektleitung im Vergabeverfahren quasi als Auftraggeber gegenüber den Bietern aufgetreten ist. Grund für diese umfassende Beauftragung sei die Tatsache, dass in der Gesellschaft und im Institut der Auftraggeberin reine Wissenschaftler tätig seien. Die Auftraggeberin habe deshalb vor Ort jemanden haben wollen, der das Verfahren abwickelt und das Projekt durchführt. Das Ingenieurbüro xxxxxxx sei aber auch erst ab der Leistungsphase 7 in das Verfahren eingestiegen. Die Auftraggeberin habe damit einer entsprechenden Vorgabe des Niedersächsischen Wirtschaftsministeriums Rechnung getragen. Man sei darauf bedacht gewesen, dass diejenigen Personen, die die Ausschreibungsunterlagen zusammengestellt und das Ausschreibungsverfahren durchgeführt haben, nicht gleichzeitig auch mit der Prüfung der Angebote identisch gewesen seien. Die Auftraggeberin hat schließlich im Nachgang zur mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 14.11.2002 gegenüber der Vergabekammer erklärt, dass durch das von ihr beauftragte Ingenieurbüro xxxxxxx keine Aufträge vergeben werden noch vergeben werden können. Das Ingenieurbüro prüfe die Angebote und Vergabevorschläge und reiche diese dann an sie, die Auftraggeberin, weiter. Die Vergabe selbst erfolge ausschließlich durch die xxxxxxx Gesellschaft.

62

Aber auch die Tatsache, dass die Auftraggeberin erklärt hat, sie werde den Auftrag letztlich selbst vergeben, ändert nichts daran, dass die Auftraggeberin nach Aktenlage im Vergabeverfahren keine eigene verantwortliche Vergabeentscheidung getroffen hat. Die Auftraggeberin hat dem Ingenieurbüro xxxxxxx über den Wortlaut der Vollmacht vom 05.02.2002 und den Projektsteuerungsvertrag hinaus faktisch Befugnisse eingeräumt, die weder unter dem Gesichtspunkt eines vom Auftraggeber hinzugezogenen "ausschreibenden Planers" im Sinne des § 15 Abs. 2 Nr. 6 HOAI (vgl. Beck'scher VOB-Kommentar, § 7, Rdn. 51) noch unter dem Gesichtspunkt einer Mitwirkung von Sachverständigen gem. § 7 VOB/A gerechtfertigt ist. Die Auftraggeberin hat ausweislich der Vergabeakte zu keinem Zeitpunkt eine verantwortliche Vergabeentscheidung getroffen. Gemäß § 7 Nr. 1 VOB/A ist die Mitwirkung von "besonderen Sachverständigen" zulässig, sofern sie zweckmäßig ist, um die Vergabe, insbesondere die Verdingungsunterlagen, vorzubereiten oder die geforderten Preise einschließlich der Vergütungen für Stundenlohnarbeiten (Stundenlohnzuschläge, Verrechnungssätze) zu beurteilen oder die vertragsgemäße Ausführung der Leistung zu begutachten. Diese Sachverständigen sollen grundsätzlich von Berufsvertretungen vorgeschlagen werden. Sie dürfen weder unmittelbar noch mittelbar an der betreffenden Vergabe beteiligt sein. Wann die Mitwirkung eines Sachverständigen zweckmäßig im Sinne dieser Vorschrift ist, wird grundsätzlich in das Ermessen des den Sachverständigen beauftragenden Beteiligten, hier der Auftraggeberin gestellt. Die Auftraggeberin ist jedoch, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, selbst nicht über den ausreichenden Sachverstand für die Durchführung des Vergabeverfahrens verfügt, verpflichtet, einen besonderen Sachverständigen hinzuzuziehen, um eine ordnungsgemäße Durchführung des Vergabeverfahrens zu gewährleisten (vgl. Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, VOB-Kommentar, A § 7, Rdn. 6). Dies gilt insbesondere auch für die Prüfung (§ 23) und die vorbereitende Wertung (§ 25) von Nebenangeboten sowie z.B. für die Koordination der Ausschreibung, die Durchführung des Eröffnungstermins, die Prüfung der Angebote in technischer und kaufmännischer Hinsicht, die Sachverhaltsvorbereitung für die Wertung und - nicht zuletzt - die Informations- und Dokumentationspflichten während des Vergabeverfahrens. § 7 VOB/A geht jedoch, ebenso wie § 6 Nr. 3 VOL/A davon aus, dass der Auftraggeber die Entscheidungen im Vergabeverfahren stets in eigener Verantwortung trifft (vgl. Franke/Grünhagen, a.a.O., A § 7, Rdn. 1). Aufgabe des Sachverständigen ist es, durch schriftliche oder mündliche Äußerungen die Prüfung und Auswertung vorgegebener Tatsache zu unterstützen, indem er auf Grund seines Fachwissens subjektive Wertungen, Schlussfolgerungen und Hypothesen begründet. Will sich der Auftraggeber den Inhalt der gutachterlichen Äußerung eines besonderen Sachverständigen bei seiner Entscheidung zu Eigen machen, so ist er verpflichtet, sich zuvor inhaltlich nochmals damit auseinander zu setzen. Die Aufbereitung eines Sachverhalts durch einen Sachverständigen kann die Wertung des Auftraggebers nicht ersetzen. Zutreffend bemerkt deshalb das Vergabehandbuch für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes im Zuständigkeitsbereich der Finanzbauverwaltungen (VHB) zu § 7 VOB/A:

"Die Mitwirkung von Sachverständigen entbindet das Bauamt nicht, die Entscheidung in eigener Verantwortung zu treffen."

63

Die Entscheidungsvorschläge eines Projektbüros oder Ingenieurbüros in den einzelnen Abschnitten des Vergabeverfahrens sind daher für den öffentlichen Auftraggeber nicht nur unverbindlich. Sie entbinden den Auftraggeber vielmehr nicht davon, die notwendigen Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Diese Eigenverantwortlichkeit des Auftraggebers setzt nicht erst bei der Zuschlagserteilung und damit dem Vertragsschluss ein. Im vorliegenden Fall ist jedoch der einzige Hinweis auf eine Beteiligung der Auftraggeberin im Vergabeverfahren lediglich in dem in der Vergabeakte enthaltenen Vergabevorschlag vom 02.10.2002 dokumentiert. Dieser Vorschlag schließt mit der Empfehlung, der Beigeladenen den Zuschlag zum Hauptangebot zu erteilen, da es nach Auffassung des Ingenieurbüros xxxxxxx das wirtschaftlichste Angebot darstellt, und enthält die Bitte:

"Wir bitten um kurzfristige Bestätigung".

64

Ein Anschreiben des Ingenieurbüros xxxxxxx an die Auftraggeberin zur Übersendung dieses Vergabevorschlags enthält die Vergabeakte nicht. Ebenso enthält die Vergabeakte keine entsprechende Bestätigung oderÄußerung der Auftraggeberin zu diesem Vergabevorschlag. Die Vertreter des Ingenieurbüros xxxxxxx haben in der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2002 erklärt, dass sie diese Bestätigung vom zuständigen Mitarbeiter der Auftraggeberin, Herrn xxxxxxx, der für das Bauwesen zuständig sei, im Übrigen aber Wissenschaftler sei, telefonisch eingeholt haben. Die Akte enthält indessen nicht einmal einen kurzen Vermerk einer solchen telefonischen Bestätigung. Gleichwohl sind bereits die Informationsschreiben gemäß § 13 VgV - wiederum durch das Ingenieurbüro xxxxxxx - abgesendet worden.

65

Die Auftraggeberin und das von ihr beauftragte Ingenieurbüro xxxxxxx kann sich auch nicht auf den von ihr zitierten Gemeinsamen Runderlass des Niedersächsischen Wirtschaftsministeriums und des Innenministeriums vom 27.09.2000 - 32-32567 (VORIS 72080 00 00 00 027) berufen. Zwar ist dort, wie die Auftraggeberin über das von ihr bevollmächtigte Ingenieurbüro xxxxxxx in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, tatsächlich geregelt, dass der Auftraggeber zur Gewährleistung, dass diejenigen Personen, die die Ausschreibungsunterlagen zusammengestellt und das Ausschreibungsverfahren durchgeführt haben, nicht gleichzeitig auch mit der Prüfung der Angebote befasst sind, ggf. Dritte einschalten kann. Wörtlich heißt es dort unter Ziffer 5:

"Sofern die Leistungsbeschreibung von freiberuflich Tätigen erstellt wird, ist zumindest stichprobenweise zu prüfen, ob sie den Anforderungen entspricht; dies gilt auch für die Vertragsbedingungen. Gegebenenfalls ist hiermit eine dritte sachverständige Stelle zu beauftragen ..."

66

Insofern ist die Beauftragung des Ingenieurbüros xxxxxxx und die Unterbeauftragung der ARGE-xxxxxxx grundsätzlich nicht zu beanstanden. Weder die VOB/A noch der zitierte Erlass berechtigen aber den Auftraggeber, sich mit Ausnahme der eigentlichen Zuschlagserteilung völlig aus dem Vergabeverfahren herauszuhalten. Vielmehr heißt es unter 3.2 des Erlasses:

"Ins Vergabeverfahren eingeschaltete freiberuflich Tätige dürfen weder Vergabeunterlagen versenden, Pläne in ihren Büros zur Einsicht auslegen, das Vergabeverfahren betreffende Auskünfte erteilen, noch den Submissionstermin abhalten, da es sich um ureigene Auftraggeberaufgaben handelt."

67

Hier ist aus der Vergabeakte indessen keinerlei Mitwirkung der Auftraggeberin erkennbar. Auch der Vergabevermerk vom 02.10.2002, der sich auf eine halbseitige tabellarische Darstellung des Ablaufs des Vergabeverfahrens vom Vorinformationsverfahren über die Information nach § 13 VgV bis zum frühesten Termin der Auftragserteilung 18.10.2002 sowie eine Firmenliste, die ebenfalls mit "Vergabevermerk" überschrieben ist, beschränkt, trägt den Briefkopf des Ingenieurbüros xxxxxxx. Auch bereits die Niederschrift über die Verdingungsverhandlung vom 06.09.2002 enthält keine Hinweise auf eine Mitwirkung der Auftraggeberin, sondern ist vom Mitarbeiter des Ingenieurbüros xxxxxxx, Herrn xxxxxxx, unterschrieben.

68

Die Auftraggeberin hat somit im streitbefangenen Vergabeverfahren bislang keine ihr obliegende Entscheidung selbst getroffen.

69

b)

Unabhängig davon genügt der vom Ingenieurbüro gefertigte und in der Vergabeakte enthaltene Vergabevermerk aber auch nicht den Anforderungen des § 30 VOB/A. Gemäß § 30 Nr. 1 VOB/A ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellung sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält. Sinn dieser Bestimmung ist es, die Überprüfbarkeit der im Rahmen des Vergabeverfahrens getroffenen Feststellungen und Entscheidungen herbeizuführen (vgl. Franke/Grünhagen, a.a.O., A § 30, Rdn. 1, m.w.N.). Der Anwendungsbereich des § 30 Nr. 1 VOB/A erstreckt sich dabei sowohl auf den formalen Verfahrensablauf als auch materiell auf die Maßnahmen, Feststellung und Begründung der einzelnen Entscheidungen. Der Vergabevermerk ist chronologisch zu fassen und muss sich dabei an der in der VOB/A vorgeschriebenen Reihenfolge orientieren (vgl. Beck'scher VOB-Kommentar, A § 30, Rdn. 12). Zu den materiellen Entscheidungen zählen insbesondere die Entscheidungen, bei denen die Vergabestelle eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, wie beim Ergebnis der Prüfung der Angebote, Angaben über Verhandlungen mit Bietern und deren Ergebnis, sowie das Ergebnis der Wertung der Angebote (vgl. VK Sachsen, Beschluss v. 30.04.01, Az.: 1/SVK/23-01). Ebenso sind im Vergabevermerk die Gründe für die Erteilung des Zuschlags auf das betreffende Angebot anzugeben. Es ist eine nach § 30 Nr. 1 VOB/A zwingende Pflicht des Auftraggebers, die Auswahlentscheidung als wesentliche Entscheidung in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren, um für den Bewerber die erforderlicheÜberprüfbarkeit zu gewährleisten (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss v. 08.03.1999, a.a.O.). Eine fehlende Dokumentation wesentlicher Schritte bis zur Vergabeentscheidung und ihrer tragenden Gründe ist daher rechtsfehlerhaft und führt zu einer Nichtvollziehbarkeit der getroffenen Entscheidung. Daraus folgt, dass im Vermerk die Gründe so dezidiert festzuhalten sind, dass auch einem Außenstehenden bei Kenntnis der Angebotsinhalte deutlich erkennbar und nachvollziehbar wird, warum gerade auf das betreffende Angebot der Zuschlag erteilt werden soll. Mängel der Erkennbarkeit und Nachvollziehbarkeit in diesem Bereich gehen daher zu Lasten der Vergabestelle. Zwar hat das von der Auftraggeberin beauftragte Ingenieurbüro xxxxxxx ausweislich der Vergabeakten eine Auswertung der Angebote vorgenommen und einen Vergabevermerk gefertigt. Dieser Vermerk genügt jedoch nicht den Anforderungen des§ 30 Nr. 1 VOB/A, da es nicht möglich ist, anhand der Angebotsauswertung und des Vergabevermerks die Entscheidung nachzuvollziehen. Der in der Vergabeakte enthaltene Vergabevermerk vom 02.10.2002 beschränkt sich auf eine halbseitige tabellarische Darstellung des Ablaufs des Vergabeverfahrens vom Vorinformationsverfahren über die Information nach § 13 VgV bis zum frühesten Termin der Auftragserteilung 18.10.2002 sowie eine Firmenliste, die ebenfalls mit "Vergabevermerk" überschrieben ist, sowie einen Preisspiegel vom 12.09.2002.

70

Aber auch unter Berücksichtigung des Vergabevorschlags des Ingenieurbüros xxxxxxx vom 02.10.2002 ist die Angebotswertung und Entscheidung nicht transparent und den Anforderungen des § 30 VOB/A entsprechend nachvollziehbar dokumentiert. Insbesondere wird nicht hinreichend deutlich, warum das Ingenieurbüro xxxxxxx im Zuge der Angebotswertung vom entgegenstehenden Votum der für die Prüfung der Angebote unterbeauftragten ARGE-xxxxxxx vom 30.09.2002 zu Gunsten der Beigeladenen und zu Ungunsten der Antragstellerin abgewichen ist. Die Ingenieure der ARGE-xxxxxxx hatten die Angebote im Rahmen einer Unterbeauftragung durch das Ingenieurbüro xxxxxxx fachtechnisch geprüft und die Ergebnisse der Prüfung in einem 3-seitigen Schreiben vom 30.09.2002 an das Ingenieurbüro xxxxxxx festgehalten. Daraus wird deutlich, dass die Beigeladene mit einer geprüften Angebotssumme von 106.873,04 EUR den niedrigsten Angebotspreis vor der zweitplatzierten Antragstellerin mit einem Angebotspreis von 149.110,69 EUR angeboten hat. Das Schreiben der ARGE-xxxxxxx schließt jedoch mit einem eindeutigen Vergabevorschlag. Dort heißt es:

"Die Firma xxxxxxx (Beigeladene) ist zwar mit Abstand am günstigsten, jedoch da das Reglerfabrikat ganz neu ist, ein Referenzprojekt nicht nachgewiesen wurde usw. möchten wir die Vergabe nicht an diese Firma empfehlen. Die Firma xxxxxxx hat keine kalkulatorischen Angaben über den Nachunternehmer vorgelegt. Ferner hat die Firma auch keine eigenen Erfahrungen mit dem LON-Bus-System. Daher sehen wir dieses Angebot ebenfalls nicht als empfehlenswert an. Der optimale Auftraggeber ist nach unserer Auffassung die Firma xxxxxxx (Antragstellerin). Sie arbeitet seit längerem mit den Produkten und verfügt über die größte Erfahrung. Bei der Auftragsvergabe sollte berücksichtigt werden, wer die restlichen LON-Komponenten für den Auftrag Schwachstromanlagen konfiguriert."

71

Ferner weist die ARGE-xxxxxxx hinsichtlich des Hauptangebotes der Beigeladenen darauf hin, dass die Firma xxxxxxx (Beigeladene) gemäß aktueller Auskunft nicht im LNO (= Lon Nutzer Organisation e. V.) organisiert ist. Dies ist aber eine Forderung auf dem Leistungsverzeichnis. Dort heißt es auf Seite 7:

"Für die Systemintegration wird vom Auftragnehmer verbindlich nachfolgend benannter, in der Lon Nutzer Organisation organisierter Systemintegrator beauftragt: ..."

72

Die Beigeladene hatte in ihrem Angebot vom 06.09.2002 sich selbst dort eingetragen und vermerkt: LNO-Eintritt am 1999. Die mündliche Verhandlung vom 13.11.2002 hat indessen ergeben, dass nicht die Beigeladene selbst Mitglied der Deutschen Lon Organisation ist, sondern lediglich ihre weltweit operierende Muttergesellschaft Mitglied der weltweiten LonMark-Organisation ist. Ferner hatte die ARGE-xxxxxxx festgestellt, dass auch die von der Beigeladenen angebotenen I/O Module vom Leistungsverzeichnis (S. 4 unten) abweichen, da sie über eine produktspezifische Software IPOCS programmiert werden müssten. Der angebotene Regler Fabrikat xxxxxxx Typ: xxxxxxx sei zudem ganz neu und wurde noch nie eingesetzt (Auslieferung ab 4. Quartal 2002). Dies berge eine Gefahr in sich, da Erfahrungswerte, auch für die ausführende Firma fehlen. Ferner hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2002 einen Auszug aus der Internetproduktdatenbank der Lon Nutzer Organisation e. V. bezüglich des von der Beigeladenen angebotenen Reglers xxxxxxx vorgelegt. Dort heißt es:

"LonMark konform: ja, LonMark zertifiziert: nein."

73

Das von der Beigeladenen angebotene Produkt weicht damit ebenfalls vom Leistungsverzeichnis ab, das eine LonMark-Zertifizierung verlangt. Die Sinnhaftigkeit bei einer der Abforderung beider Zertifizierungen - einerseits des Betriebes über die Mitgliedschaft in der Lon Nutzer Organisation e.V., andererseits des Produktes über die LonMark-Zertifizierung - wurde weder im Vergabeverfahren noch im Nachprüfungsverfahren von keinem der Beteiligten grundsätzlich in Frage gestellt. Die ARGE-xxxxxxx betonte in ihrem Schreiben vom 30.09.2002 an das Ingenieurbüro xxxxxxx die Vorteile des LON-Bus-Systems, als da wären: Hersteller-unabhängiges Bus-System, offengelegte Protokolle, geringer Verdrahtungsaufwand, geringere Kosten bei späteren Erweiterungen, Verknüpfung mit anderen Bus-Systemen anderer Liegenschaften jederzeit möglich. Auch das Ingenieurbüro xxxxxxx teilte diese Einschätzung in ihrem Vergabevorschlag vom 02.10.2002. Daher ist es umso erstaunlicher, dass der Vergabevorschlag gleichwohl mit der Empfehlung schließt, der Beigeladenen den Zuschlag zu dem Hauptangebot zu erteilen, da es ihrer Auffassung nach das wirtschaftlichste Angebot darstellt. Sie hat damit zu einseitig zu Gunsten der Beigeladenen auf das nach den Verdingungsunterlagen eindeutige Erfordernis der LonMark-Zertifizierung sowie der Mitgliedschaft in der Lon Nutzer Organisation e.V. verzichtet. Sie hat damit zu Lasten der Antragstellerin wie auch der übrigen Bieter im Verfahren das Gleichbehandlungsgebot gem. § 97 Abs. 2 GWB verletzt. Dies umso mehr, als sie den Dispens zu Gunsten der Beigeladenen und die Abweichung vom entgegenstehenden Votum der ARGE-xxxxxxx weder im Vergabevermerk noch im Vergabevorschlag in irgendeiner Weise begründet hat.

74

Im Übrigen lassen Vergabevermerk und Vergabevorschlag eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der Angebote unter Zugrundelegung sämtlicher Zuschlagskriterien gemäß §§ 25 Nr. 3 Abs. 3, 25 a VOB/A, die die Auftraggeberin in ihrem Schreiben zur Angebotsaufforderung angekreuzt hatte, vermissen. Dort waren neben dem Zuschlagskriterium Preis auch die Kriterien Ausführungsfrist, Qualität und Funktionalität genannt worden. Nach dem Vergabevermerk und der Vergabeempfehlung ist dagegen lediglich die Wirtschaftlichkeitsprüfung unter dem Kriterium "Niedrigster Angebotspreis" dokumentiert. Diesem Kriterium kann zwar das größte Gewicht zugemessen werden. Von einer Auseinandersetzung mit den übrigen Kriterien und ihrer Dokumentation darf jedoch nicht abgesehen werden.

75

Gemäß § 114 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der mitbetroffenen Interessen zu verhindern. Wegen des festgestellten schwer wiegenden Verstoßes gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot ist es erforderlich, die Aufhebung der Ausschreibung durch Beschluss der Vergabekammer herbeizuführen, da die Vergaberechtsverstöße - insbesondere die vergaberechtswidrige Delegation sämtlicher Entscheidungsbefugnisse auf das beauftragte Ingenieurbüro xxxxxxx und der das streitbefangene Vergabeverfahren prägende Verstoß gegen die Dokumentationspflichten gem. § 30 VOB/A - nicht durch eine Verpflichtung zur Neuvornahme der Angebotswertung beseitigt werden könnten. Wegen der zentralen Bedeutung der Dokumentationspflichten gem. § 30 VOB/A hat die Vergabekammer die Vergaberechtsverletzungen gem. § 110 Abs. 1 GWB von Amts wegen zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat der Vergabekammer gem. § 114 Abs. 1 Nr. 1 GWB die Verpflichtung zugewiesen, geeignete Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen. Dabei ist die Vergabekammer gem. § 114 Abs. 1 Satz 2 GWB an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Die Vergabekammer muss deshalb darauf hinwirken, dass das Vergabeverfahren aufgehoben wird.

76

III.

Kosten

77

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw. in Ausnahmefällen 50.000 Euro beträgt.

78

Es wird die gesetzliche Mindestgebühr in Höhe von 2.500 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

79

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 149.110,69 EUR (brutto). Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Hauptangebot der Antragstellerin.

80

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999. Hiernach wird der Mindestgebühr von 5.000 DM (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 2 Mio. DM (Schwellenwert von 1 Mio. Euro; ca. 2 Mio. DM) zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 DM (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 300 Mio. DM (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 149.110.69 EUR ergibt sich hier eine Basisgebühr in Höhe der gesetzlichen Mindestgebühr von 2.500 EUR.

81

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

82

Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB unterlegen ist.

83

Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragstellerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG.

84

Angesichts der oben erörterten Tatsache, dass die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.

85

Die Auftraggeberin wird aufgefordert, den Betrag von 2.500 EUR unter Angabe des Kassenzeichens xxxxxxxxxxxx auf folgendes Konto zu überweisen:

86

XXXXXXXX

Gause
Schulte
Brinkmann