Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 26.11.1998, Az.: 1 B 3953/98
Anordnung der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses ; Errichtung eines Stau- und Sperrwerkes in der Ems ; Funktion der Sturmflutkehrung; Eingriff in Natur und Landschaft; Anfechtung eines Planfeststellungsbeschlusses durch Dritte ; Teilbarkeit des Regelungsinhalts des Planfeststellungsbeschlusses ; Abwägungsdefizit als Informationsmangel des Entscheidungssubjekts; Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 26.11.1998
- Aktenzeichen
- 1 B 3953/98
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1998, 15154
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:1998:1126.1B3953.98.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AZ: 1 A 3558/98
Rechtsgrundlagen
- § 80 Abs. 5 VwGO
- § 78 Abs. 1 VwVfG
- § 11 NatSchG,NI
- § 19c BNatSchG
Fundstelle
- ZUR 1999, 168-170
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Sind bei einer Folgenabwägung das Interesse des Allgemeinwohls und die Folgen der Verhängung eines Baustopps gegeneinander zu stellen, so gebiet ein erhebliches öffentliches Interesse, die Vor-nahme einer umfassenden und tatsächlichen rechtlichen Kontrolle des Planfeststellungsbeschlusses, zumal bei einer weitgehend technischen Errichtung eines Stau- und Sperrwerks sowohl erhebliche finanzielle Mittel ausgegeben und zugleich praktisch vollendete Tatsachen geschaffen würden
- 2.
Im Rahmen seines Verbandsklagerechts kann ein anerkannter Naturschutzverband lediglich Rechts-behelfe gegen eine Verwaltungsakt nach Maßgabe der VwGO einlegen, wenn ihm eine Beteiligung in Fragen der materiellen Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege obliegt.
- 3.
Das Vorhaben eines Sperr- und Stauwerkes kann in rechtlicher Hinsicht nicht geteilt werden, da die Regelungen des Planfestellungsbeschlusses als eine Einheit in räumlicher und rechtlicher Hinsicht anzusehen sind und der somit Planfeststellungsbeschluß nicht aufgespalten werden kann.
Das Verwaltungsgericht Oldenburg - 1. Kammer -
hat am 26. November 1998
beschlossen:
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller - 1 A 3558/98 - gegen den Planfeststellungsbeschluß der Antragsgegnerin vom 14. August 1998 wird, soweit der Sofortvollzug angeordnet worden ist, wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Gründe:
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen die zum Teil erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses vom 14. August 1998, der die Errichtung eines Sperrwerkes in der Ems zwischen den Orten G. im Norden und N. im Süden bei Stromkilometer 32,2 zum Gegenstand hat.
Dabei soll die an dieser Stelle etwa 1.040 m breite Öffnung zwischen den Hauptdeichen durch ein in der Mitte liegendes etwa 475 m langes Sperrwerk und daran anschließende nördliche wie südliche Flügeldeiche sowie ein Betriebs- und Info-Gebäude mit Zufahrtsstraßen geschlossen werden. Das Sperrwerk selbst soll über fünf Nebenöffnungen verfügen, die mit Hubtorverschlüssen zur Breite von etwa 63 m zwischen den Betonpfeilern ausgestattet sind, welche in den Grund des Flußbodens bis zur Höhe von etwa 15 m über Normalnull (NN) gebaut werden. Südlich der ersten Nebenöffnung soll die etwa 60 m breite Hauptschiffahrtsöffnung mit einem voll absenkbaren Drehsegmentverschluß errichtet werden, während sich der Segmentverschluß des etwa 50 breiten weiter südlich anschließenden Durchlasses für die Binnenschiffahrt nach oben öffnet. In den Flußboden sollen etwa 5,9 ha Kolkschutz aus textilen Matten und Steinen eingebracht werden. Für die Seitenbauwerke (Pfeiler, Gebäude, Flügeldeiche) sollen 2,5 ha Schlickwatt und 4,7 ha Salzwiesen beseitigt werden. Der vorgesehene Drempel der Hauptschifffahrtsöffnung liegt bei NN -9,00, der der Binnenschifffahrtöffnung bei NN -7,00 und der Nebenöffnungen bei NN -5,00. Die Oberkante der Hydraulikzylinder liegt bei NN +24,00 m und für die Nebenöffnungen bei NN +22,00 m. Das vorgesehene Betriebsgebäude neben dem Sperrwerk erreicht eine Höhe von NN +14,85 m. Das Sperrwerk soll dem Zweck der Kehrung von Sturmfluten bei NN +3,50 m und der Steigerung der Funktionsfähigkeit der Wasserstraße Ems zwecks bedarfsmäßigem Aufstau des Flusses dienen, um tideunabhängig einem Schiff mit einer Bemessungstiefe von 8,50 m die Überfahrt von P. bis zum Meer zu ermöglichen (im Sommerstaufall bis NN +1,75 m und im Winterstaufall bis NN +2,70 m).
Die Ems hat auf ihrem Unterlauf von der Schleuse H. (südlich von A.) eine Länge von etwa 45 km, bevor sie die Meeresbucht Dollart erreicht. Bei ihr handelt es sich um einen eher wasserarmen Flachlandfluß, der vor dem Krieg eine Tiefe von etwa 3,50 m aufwies. Sie ergießt sich in den etwa 90 km² großen südlich von Emden im deutsch-niederländischen Grenzgebiet gelegenen Dollart, der sich als flache Wattenbucht infolge großer Sturmfluten zwischen 1362 (Marcellusflut) bis 1509 bildete. Bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts erfolgten auf deutscher wie auf niederländischer Seite verschiedene Eindeichungen. Beiderseits des Flusses liegt in diesem Bereich Marschenland, das etwa zwischen 1,4 m über und 0,5 m unter NN liegt und seit altersher durch Deiche gegen die normale Tide und Sturmfluten geschützt wird. Das mittlere Tidehochwasser liegt dort etwa zwischen 1,50 und 1,80 m über NN. Die Höhe der beiderseitigen Deiche an der Ems und am Dollart beträgt im Soll zwischen 8,50 und 6,50 m über NN; im Generalplan Küstenschutz der Antragsgegnerin vom Januar 1997 (Anlage 2 und Seiten 28 und 29) werden lediglich kürzere Strecken von etwa 25 km an den Hauptdeichen rechts und links der Ems als noch auszubauend dargestellt.
Die Unterems ist eine Bundeswasserstraße, die zunächst im Jahre 1981 so vertieft wurde, daß Schiffen mit einem Tiefgang von bis zu 4,60 m ermöglicht wurde, tideabhängig vom Meer bis zum Hafen P. zu fahren. Später erfolgten weitere Ausbaumaßnahmen, die im wesentlichen Vertiefungen, Flußbettkonzentrationen und Weitung zu enger Kurven betrafen. Mit Planfeststellungsbeschluß der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nordwest in Aurich vom 30. Mai 1994 wurde eine Vertiefung der Ems im betreffenden Bereich für ein Bemessungsschiff bis zur Tiefe von 7,30 m zugelassen. Dieser Planfeststellungsbeschluß ist noch nicht bestandskräftig (OVG Lüneburg, Az.: 3 K 3956/94 u.a.).
Bei L. wird die Unterems von einem Autobahntunnel unterquert; außerdem kreuzen Straßenbrücken bei L. und P. und eine Eisenbahnbrücke bei W. den Fluß, der zudem bei S. und W. verhältnismäßig enge Biegungen im Fahrwasser aufweist.
Die außendeichs liegenden und flußnahen Flächen zwischen G. und N. sind dadurch gekennzeichnet, daß sie selbst und angrenzende Bereiche - insbesondere am Dollart - Salzwiesen sind, die regelmäßig eine erhebliche Menge von Wasser- und Wattvögeln beherbergen. Diese Bereiche haben internationale Bedeutung entsprechend der Ramsar-Konvention (vgl. Anlagen 81, 82, 83 des Planfeststellungsbeschlusses). Unmittelbar westlich von G. liegt das Naturschutzgebiet P. Deichvorland; östlich des Ortes liegen weitere Salzwiesen. Die an der Südseite der Ems bei N. liegenden Salzwiesen gehören auch zu dem Bereich, der als besonderes Schutzgebiet nach der Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen in einem nationalen Anmeldeverfahren bezeichnet worden ist (vgl. Anlage 103).
Die Sturmflut vom 28. Januar 1994 führte im Raum P. zu Wasserständen, wie sie in dieser Höhe bis dahin nicht aufgetreten waren, obwohl die Sturmflutwasserstände an der ostfriesischen Küste deutlich unter den bisherigen Sturmflutmarken geblieben waren. So wurde bei H. ein Wasserstand in Höhe von 4,18 m und bei P. von 4,56 m über NN gemessen bei einer tatsächlichen Deichhöhe von 6,50 m bei P.. Als eine der Ursachen für diesen verhältnismäßig hohen Wasserstand wurde später u.a. der Umstand angeführt, daß die Ems durch die verschiedenen Ausbaumaßnahmen an "Rauhheit" verloren habe, so daß die Tidewelle wegen der trichterförmigen Wirkung des Ästuars ungehindert und schneller ins tiefe Binnenland gelangen könne. Dieser Vorgang war Anlaß, dem Niedersächsischen Landesamt für Ökologie - Forschungsstelle Küste - den Auftrag zu erteilen, die Bemessungswasserstände und Bestickhöhen der Deiche an der Unterems zu überprüfen und darüber Bericht zu erstatten. Der Bericht liegt bislang noch nicht vor. In einem Dienstbericht vom März 1997 wurden vorläufige Überlegungen dazu dargelegt. Im Generalplan Küstenschutz vom Januar 1997 wird auf die notwendigen Überprüfungen hingewiesen. In einer fünfseitigen Tischvorlage vom 12. November 1997 ermittelte die Bundesanstalt für Wasserbau die Bemessungswasserstände in dem Bereich nach einem hydronumerischen Modell.
Etwa zeitgleich ergab sich auf dem internationalen Markt für große Kreuzfahrtschiffe, den die Beigeladene zu 2) als eine führende Werft beliefert, der Wunsch, Schiffe mit einer Tiefe von mehr als 7,30 m zu liefern. Dies veranlaßte den Ministerpräsidenten des Landes im November 1996, den Bau eines Emssperrwerkes mit den Funktionen des Küstenschutzes und des Aufstaus überprüfen zu lassen. In einem Erläuterungsbericht vom 7. März 1997 bereitete die Antragsgegnerin ein entsprechendes Planfeststellungsverfahren zur Errichtung eines Sperrwerkes in der Ems zwischen G. und N. vor. Am 21. März 1997 fand deswegen ein Scopingtermin in M., Ortsteil W., statt. Die Landesregierung beschloß in ihrer Kabinettssitzung vom 8. Juli 1997, den Bau eines derartigen Sperrwerks zwecks Kehrung von Sturmfluten und Steigerung der Funktionsfähigkeit der Wasserstraße durch kurzzeitigen Aufstau des Binnenwasserstandes vorzunehmen.
Am 15. August 1997 beantragte die Antragsgegnerin - als Rechtsvorgängerin des Beigeladenen zu 1) - bei sich die Feststellung des Planes zur Errichtung eines Sperrwerkes in der Ems zwischen G. und N. bei Stromkilometer 32,2 mit Anschlußdeichen und Betriebs- und Informationsgebäuden und Zufahrten sowohl zum Zwecke der Sturmflutkehrung als auch zum Zwecke des Aufstaus der Ems zur Überführung tiefergehender Schiffe, die Einrichtung zweier Schiffsliegeplätze bei Emskilometer 31,2 (oberhalb) und 34,1 (unterhalb des Sperrwerks), die Errichtung eines Schöpfwerkes am Leda-Sperrwerk und die Gewinnung und Verklappung von Baggergut in der Ems. Das Vorhaben wurde öffentlich bekanntgemacht. Die Antragsunterlagen lagen in der Zeit vom 5. September bis 6. Oktober 1997 in verschiedenen Gemeinden im Emsland und Ostfriesland zur Einsichtnahme aus, worauf von ihnen öffentlich hingewiesen wurde. Nach Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der anerkannten Naturschutzverbände sowie niederländischer Stellen fanden nach öffentlicher Bekanntmachung in der Zeit zwischen dem 15. Dezember 1997 und dem 5. Februar 1998 in der Nordseehalle in Emden insgesamt 15 Erörterungstermine statt. Während der Einwendungsfrist wurden ca. 1.500 unterschiedliche Stellungnahmen und Einwendungen von knapp 700 Behörden, Verbänden oder Einzelpersonen erhoben.
Mit Schreiben vom 15. Juli 1998 beantragte der Beigeladene zu 1), der seit dem 1. Januar 1998 die Aufgaben der Antragsgegerin zur Antragstellung übernommen hatte (vgl. GemRErl. vom 17. Oktober 1997, NdsMBl.1998, Seite 298 ff), die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses, soweit er die Errichtung des Sperrwerks zum Zwecke der Sturmflutkehrung und die Einrichtung zweier Schiffsliegeplätze betrifft. Zur Begründung wurde auf Gefahren aus Sturmfluten hingewiesen, die sich bei einer in bestimmter Weise fortgeschriebenen Berechnung der Sturmflut vom 28. Januar 1994 ergeben würden.
Mit Beschluß vom 14. August 1998 stellte die Antragsgegnerin den beantragten Plan fest und machte ihn am 25. August 1998 ortsüblich bekannt, wobei er in der Zeit vom 28. August bis zum 8. September 1998 in verschiedenen Gemeinden des betreffenden Bereiches öffentlich auslag. Die Arbeiten zur Ausführung des Vorhabens waren bereits ausgeschrieben und an Baufirmen vergeben. Zugleich entsprach die Antragsgegnerin der beantragten Anordnung der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses zum Zwecke der Sturmflutkehrung und verwies zur Begründung darauf, daß damit für eine Vielzahl von Menschen und Sachen in kurzer Zeit die Deichsicherheit durchgreifend erhöht werde. Mit Veröffentlichung des Beschlusses begannen die von dem Beigeladenen zu 1) beauftragten Baufirmen mit den Bauarbeiten zur Errichtung des Vorhabens.
Die Antragsteller - anerkannte Naturschutzverbände -, die sich durch schriftliche Einwendungen und Stellungnahmen in den Erörterungsterminen am Planfeststellungsverfahren beteiligt hatten, erhoben am 16. September 1998 Klage gegen den Planfeststellungsbeschluß, über die bisher nicht entschieden ist (Aktenzeichen 1 A 3558/98). Zugleich beantragten sie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Sie machen geltend: Mit den begonnenen Baumaßnahmen bestehe die Gefahr, daß durch die Errichtung des Vorhabens vollendete Tatsachen geschaffen würden, bevor endgültig seine Rechtmäßigkeit geklärt sei. Der Planfeststellungsbeschluß begegne durchgreifenden Bedenken, da er von einer nicht zuständigen Behörde gefaßt worden sei. Tatsächlich sei nämlich durch die vorgesehene Staufunktion des Sperrwerkes ein größerer Kreis öffentlich-rechtlicher Beziehungen berührt, so daß insoweit das Planfeststellungsverfahren hätte von der danach für den Ausbau einer Bundeswasserstraße zuständigen Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nordwest in Aurich getroffen werden müssen. Außerdem sei das Verwaltungsverfahren deswegen fehlerhaft, weil über lange Zeit eine Identität zwischen dem antragstellenden Vorhabensträger und der Planfeststellungsbehörde bestanden habe, was sich erst durch die Bildung des Beigeladenen zu 1) ab dem 1. Januar 1998 geändert habe. Zudem hätten beim Verwaltungsverfahren befangene Personen mitgewirkt. Denn maßgebliche Bedienstete der Antragsgegnerin seien sowohl mit der Antragstellung als auch mit der Entscheidung im Planfeststellungsverfahren befaßt gewesen. Auch hätte zuvor ein Raumordnungsverfahren hinsichtlich des Standortes des Vorhabens durchgeführt werden müssen, was unterblieben sei. Es könne nämlich keineswegs davon ausgegangen werden, daß nur ein Standort für das Vorhaben in Betracht komme. Insbesondere stelle das Sperrwerk einen nicht ausgleichbaren Eingriff in Natur und Landschaft dar, wobei u.a. Aufenthaltsgebiete des Säbelschnäblers und des Regenbrachvogels, der Kampfläufer, der Goldregenpfeifer und der Nonnengänse im P. und N. Deichvorland betroffen seien. Diese Gebiete seien dem Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung "Wattenmeer mit Dollart" zuzurechnen. Soweit es den Küstenschutz betreffe, seien auch andere Maßnahmen zu seiner Verbesserung möglich; insbesondere eine Erhöhung von Deichen oder der Rückbau der Ems seien nicht im gebotenen Umfange erwogen worden.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten und macht geltend: Die Anordnung der sofortigen Vollziehung beziehe sich zulässigerweise lediglich auf die Funktion des Sperrwerks zum Zwecke der Kehrung von Sturmfluten. Dies sei die Hauptfunktion des Vorhabens, so daß der Planfeststellungsbeschluß daher auch zutreffend von der Planfeststellungsbehörde getroffen worden sei, die die für den Deichschutz zuständige Stelle ist. Auch sei das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt und es sei ohne die Beteiligung befangener Amtswalter entschieden worden. Hinsichtlich des Standortes sei das Vorhaben ohne Alternative. Bei einer Lage weiter seewärts (unterhalb am Fluß) müßte mit größeren Beeinträchtigungen von Vogelschutzgebieten gerechnet werden, da dort das Deichvorland weiter sei. Hinzu komme die Behinderung der Schiffahrt am D. und P. Sieltief. Ein Standort weiter oberhalb in der Ems würde wegen der Stauwirkung von Sturmfluten im Mündungstrichter erhebliche Deicherhöhungen unterhalb erfordern. Außerdem würde dort auch die Schiffahrt beeinträchtigt. Soweit der jetzt vorgesehene Standort Vogelschutzgebiete beeinträchtige, müsse bedacht werde, daß das Vorhaben dem Schutz von Leib und Leben der im Schutz der Deiche lebenden Menschen diene. Daher sprächen zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses für die Verwirklichung des Vorhabens. Dies gelte insbesondere dann, wenn man davon ausgehe, daß das Sperrwerk ein potentielles Schutzgebiet nach der Flora-Fauna-Habitat-RL der Europäischen Union berühre.
Die Beigeladenen haben sich nicht zur Sache geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und des Klageverfahrens 1 A 3333/98 sowie der übersandten Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin ergänzend Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat Erfolg.
Der Antrag ist zulässig. Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Dies gilt auch bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung im Sinne des § 80 a VwGO. Um einen solchen handelt es sich bei dem hier streitigen Planfeststellungsbeschluß, da er dem Beigeladenen zu 1) die Durchführung des Vorhabens gewährt und die Antragsteller hinsichtlich der von ihnen vertretenen naturschutzrechtlichen Belange belastet, da die von ihnen erhobenen Einwendungen zurückgewiesen wurden. Die aufschiebende Wirkung entfällt u.a. in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse - wie hier - besonders angeordnet wurde (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). In derartigen Fällen kann das Gericht auf Antrag gem. § 80 a Abs. 3 VwGO iVm § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung einer Klage wiederherstellen. Im vorliegenden Falle ist der Antragsteller an der Stellung eines entsprechenden Antrages bei Gericht auch nicht aus der entsprechenden Anwendung von § 80 Abs. 6 VwGO gehindert. Nach dieser Vorschrift ist ein Aussetzungsantrag bei Gericht nur dann zulässig, wenn zuvor die betreffende Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Zwar wurde im vorliegenden Falle ein derartiger Aussetzungsantrag vor Anrufung des Gerichts nicht gestellt. Indessen gilt diese Regelung nach § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO dann nicht, wenn eine Vollstreckung des betreffenden Verwaltungsaktes droht. Davon ist hier unter Beachtung des Gebots der entsprechenden Anwendung (vgl. § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO) auszugehen, denn der Beigeladene zu 1) macht als Begünstigter durch die begonnenen Baumaßnahmen von der ihm erteilten Genehmigung Gebrauch. Ein vorheriger Aussetzungsantrag ist daher nicht Zugangsvoraussetzung an das Gericht (vgl. Grosse-Suchsdorf/Lindorf/ Schmaltz/ Wiechert, NBauO, 6. Auflage, § 72 Rn. 169 ff. m.w.N. zur vergleichbaren Lage im Baurecht; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage München 1998, Rdn. 830 mit Beschränkung von § 80 Abs. 6 VwGO auf Abgaben).
Der Antrag ist auch begründet.
Die von der Kammer nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende Entscheidung hängt von einer umfassenden Abwägung der Interessen des Beigeladenen zu 1) an der sofortigen Vollziehung des ihm erteilten Planfeststellungsbeschlusses einerseits und der naturschutzrechtlichen Interessen der Antragsteller an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage andererseits ab. Dabei sind die Erfolgsaussichten des von den Antragstellern eingelegten Rechtsbehelfs wesentlich mit zu berücksichtigen. Denn das Interesse des Vorhabenträgers überwiegt dann das Interesse von Einwendern, wenn keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses bestehen, während andererseits bei ernsthaften Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung regelmäßig dem Interesse der Antragsteller an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs der Vorrang gebührt. Bei der Anfechtung eines Planfeststellungsbeschlusses durch Dritte kommt entscheidend hinzu, daß diese nur dann Erfolg haben kann, wenn der Planfeststellungsbeschluß unter Verletzung von Rechtsnormen ergangen ist, die dem Schutz der Antragsteller zu dienen bestimmt sind (sog. Schutznormtheorie). Eine Rechtswidrigkeit in objektiver Hinsicht reicht demgegenüber für die Gewährung von Rechtsschutz im deutschen Verwaltungsrecht nicht aus.
Läßt sich die Frage der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung der Verwaltung nicht im Rahmen des Verfahrens zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hinreichend eindeutig beantworten, so ist vom Gericht eine reine Folgenabwägung anhand der von den Beteiligten gemachten Angaben vorzunehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, welche Auswirkungen es hätte, wenn der beantragte Baustopp verhängt würde, die erhobene Anfechtungsklage aber keinen Erfolg hätte. Andererseits ist zu prüfen, welche Folgen bei einer Weiterführung der Baumaßnahme entstünden, sich später aber das Begehren der Antragsteller als begründet herausstellen sollte. Dabei gebietet es das erhebliche öffentliche Interesse, welches der Beigeladene zu 1) für das projektierte Vorhaben aus Gründen des Allgemeinwohls in Anspruch nehmen darf, auf der Grundlage der beigezogenen Verfahrensakten und des Vorbringens der Beteiligten nach Möglichkeit eine umfassende und tatsächliche rechtliche Kontrolle des Planfeststellungsbeschlusses vorzunehmen, zumal bei einer weitgehend technischen Errichtung des Sperrwerks sowohl erhebliche finanzielle Mittel ausgegeben und zugleich praktisch vollendete Tatsachen geschaffen würden (vgl. OVG Lüneburg DVBl. 1975, 190 und NJW 1980, 253 [OVG Niedersachsen 02.07.1979 - VI B 32/79]; BVerwG, Beschluß vom 21. Januar 1998 - 4 VR 3.97 - DVBl. 1998, 589 = NuR 1998, 261 = NVwZ 1998, 616, 618 [BVerwG 21.01.1998 - 4 VR 3/97] = UPR 1998, 225 - Ostseeautobahn A 20 -; Finkelnburg/Jank, aaO, Rdn. 855 ff.).
Nach diesen Grundsätzen gebieten es die Umstände des vorliegenden Falles, zur Verhinderung vollendeter Tatsachen eine Verwirklichung des Vorhabens bis zur endgültigen Klärung der Frage seiner Rechtmäßigkeit zu unterbinden. Dazu im einzelnen:
1.)
Die Antragsteller können sich nach der bisherigen Beurteilung der Kammer allerdings nicht mit Erfolg darauf berufen, die Antragsgegnerin sei nicht die für die zu treffende Entscheidung zuständige Planfeststellungsbehörde im Sinne der §§ 78 Abs. 1 VwVfG, 5 Abs. 1 NdsVwVfG. Die Überprüfung dieser Frage können sie aufgrund des ihnen eingeräumten Verbandsklagerechts nicht verlangen. Die Antragsteller sind gem. § 29 Abs. 2 Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG - idF der Bekanntmachung vom 21. September 1998 (BGBl. I, Seite 2994) anerkannte Naturschutzverbände. Nach § 60 c des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes -NdsNatSchG - idF der Bekanntmachung vom 11. April 1994 (Nieders. GVBl., Seite 155, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 11. Februar 1998, Nieders. GVBl., Seite 86) kann ein nach § 29 BNatSchG anerkannter Naturschutzverband - ohne die Verletzung eigener Rechte darlegen zu müssen - Rechtsbehelfe gegen einen Verwaltungsakt nach Maßgabe der VwGO einlegen, wenn er geltend macht, daß die angegriffene Entscheidung den Vorschriften des BNatSchG, des NdsNatSchG, den aufgrund dieser Gesetze erlassenen oder fortgeltenden Rechtsvorschriften oder anderen Rechtsvorschriften widerspricht, die auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind. Die Regelungen zu der Frage, ob eine Deichbehörde des Landes oder eine Wasserstraßenbehörde des Bundes einen Plan festzustellen hat, gehören nach bisheriger Auffassung der Kammer nicht zu den in § 29 BNatSchG gemeinten Vorschriften, für deren Wahrung Naturschutzverbände berufen sein sollen. Ihnen obliegt die Beteiligung in Fragen der materiellen Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, nicht aber bei der Frage, wie der Staat die Zuständigkeit seiner Behörden ordnet.
2.)
Die aufschiebende Wirkung wird deshalb wiederhergestellt, weil viel dafür spricht, daß die in dieser Sache nur zum Teil erfolgte Anordnung des Sofortvollzuges unwirksam ist. Hätte aber die Anordnung des Sofortvollzuges keine Wirkung, verbliebe es bei der grundsätzlich gegebenen aufschiebenden Wirkung der Klage.
Grundsätzlich sieht die Kammer das System der Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses als eine Einheit an. Die Frage einer zulässigen Teilbarkeit hängt davon ab, ob das Vorhaben in räumlicher und rechtlicher Hinsicht teilbar ist und ob das betreffende Vorhaben auch rechtlich in dem Sinn teilbar ist, daß der Planfeststellungsbeschluß auch ohne den abgetrennten Regelungsteil, d.h. ohne den für nicht sofort vollziehbaren Teil eine selbständige und rechtmäßige, vom Träger des Vorhabens und der Planfeststellungsbehörde so gewollte Planung zum Inhalt hat (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1989, 241, 242 [BVerwG 07.12.1988 - 7 B 98/88]; VGH Kassel, NVwZ-RR 1991, 177, 178; Pietzcker NVwZ 1995, 15, 19 [VG Wiesbaden 12.09.1994 - 3/2 E 7282/93]; Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 2. Auflage, Rn. 1837; BVerwG UPR 1992, 307, 308; Johlen in: Hoppenberg, Handbuch des öffentlichen Baurechts, L Rdn. 213). Hier wäre es zwar durchaus denkbar, daß zwei verschiedene Vorhaben errichtet würden. So wäre ein Sturmflutschutz etwa an dem vorgesehenen Standort denkbar, während ein Aufstau der Wasserstraße zum Zwecke ihrer Funktionssteigerung auch weiter oberhalb am Fluß möglich wäre. Im Hinblick auf den erheblichen wirtschaftlichen Aufwand derartiger Vorhaben erscheint es naheliegend, aus Anlaß der Errichtung des einen Vorhabens das andere Vorhaben zugleich mit zu verwirklichen und zu versuchen, eine Synthese aus den beiden Funktionen und der für sie sprechenden Kriterien zu schaffen. Es fehlt hier aber an der Möglichkeit einer Teilung des Vorhabens in rechtlicher Hinsicht. Das Vorhaben, über das durch den Planfeststellungsbeschluß entschieden wird, ist ein Sperr- und Stauwerk. Daß dieses Vorhaben in rechtlicher Hinsicht nicht geteilt werden kann, folgt insbesondere aus den Anforderungen an das Abwägungsgebot. Dieses Abwägungsgebot, das dahin geht, die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander abzuwägen, ist eine aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Schranke der planerischen Gestaltungsfreiheit, folgt aus dem Wesen einer rechtsstaatlichen Planung und gilt, da es mit Verfassungsrang ausgestattet ist, auch ohne ausdrückliche spezialgesetzliche Normierung (Stelkens u.a., VwVfG, 5. Auflage, Rn. 54 zu § 74). Hier ist darüber hinaus das naturschutzrechtliche Abwägungsgebot nach § 11 NdsNatSchG von Bedeutung. Die verschiedenen Erwägungen bei der Abwägung sind so miteinander verwoben, daß der Planfeststellungsbeschluß nicht aufgespalten werden kann. Es wurde in den Erläuterungsberichten und bei den Erörterungen der für und gegen das Vorhaben sprechenden Gesichtspunkte auch stets deutlich, daß die beiden Funktionen des beabsichtigten Vorhabens miteinander verbunden sind. So wurden insbesondere offensichtlich im Hinblick auf die beabsichtigte Staufunktion die Ermittlungen der Alternative für ein Sperrwerk - für die Deicherhöhung - nur sehr allgemein und grob vorgenommen.
Wenn auch der Planfeststellungsbeschluß als solcher eine nicht aufteilbare Einheit darstellt, schlösse das grundsätzlich nicht aus, daß der Sofortvollzug auf Teile seiner Regelungen beschränkt würde. Es sollte einer Behörde, die den Sofortvollzug insgesamt anordnen kann, freistehen, anzuordnen, daß auf die sofortige Wirkung einer bestimmten Regelung zunächst verzichtet wird (so auf die Nutzung zu Stauzwecken). Grund einer solchen Entscheidung könnte sein, daß zwar das Erreichen des einen Zwecks (höhere Sturmflutsicherheit) besonders dringlich ist, daß aber hinsichtlich des anderen Zweckes (Stauwirkung) der Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abgewartet werden könnte.
Die Befugnis der Behörde zur Aufteilung beim Sofortvollzug findet aber ihre Grenze durch das Gebot zur hinreichenden Rechtsschutzgewährung (vgl. Roesner, Zur Teilbarkeit von Planungsentscheidungen, Festschrift für Schlichter, 1995, S. 479, 497 zur Frage der Zulässigkeit von Teilentscheidungen allgemein). Auch für diejenigen, die sich gegen die Stauwirkung wenden, muß effektiver Rechtsschutz gewährleistet sein. Die Frage, ob der Sofortvollzug hier wirksam zum Teil angeordnet werden konnte, ist danach zu beantworten, ob das Emssperrwerk, dessen Errichtung jetzt bereits zugelassen werden soll, in seiner bautechnischen Ausgestaltung davon unbeeinflußt bleibt, daß es später auch Staufunktionen wahrnehmen soll. Wäre das Sperrwerk in seiner Konstruktion gleich, ob es nun nur der Sturmflutkehrung oder zusätzlich auch dem Aufstauen dienen soll, dann wäre nach der bisherigen Beurteilung der Kammer die zum Teil verfügte Anordnung des Sofortvollzuges wohl zulässig. Wenn lediglich die Nutzung zu Stauzwecken hnzukäme, könnten Betroffene gegen eine etwaige künftige Entscheidung, daß nunmehr auch die Staufunktion genutzt werden solle, rechtzeitig Rechtsmittel einlegen. Der Rechtsschutz würde aber verkürzt, wenn bereits jetzt ein Bauwerk errichtet würde, das als Sperr- und Stauwerk geeignet ist und in seiner baulichen Ausgestaltung bereits durch die Aufgaben als Stauwerk mitgeprägt würde. Der einstweilige Rechtsschutz, von dem im allgemeinen schon während der Bauphase (nicht erst während der Nutzungsphase) Gebrauch gemacht werden kann, wäre sonst ungerechtfertigt verkürzt.
Nach der bisherigen Aktenlage und insbesondere unter Würdigung der auf die gerichtliche Anfrage vom 2. November 1998 eingegangenen Antworten spricht viel dafür, daß das Bauwerk als jetziges Sperr- und Stauwerk anders ausgeführt wird, als es für ein Sperrwerk erforderlich wäre. Die Antragsteller haben mit gewichtigen Argumenten dargelegt, daß das Bauwerk bei der Beschränkung des Vorhabens nur auf den Zweck des Sturmflutschutzes insgesamt "kleiner" ausfallen würde, als es gegenwärtig errichtet wird. Denn es erscheint durchaus einleuchtend, daß im Sturmflutfalle das Sperrwerk lediglich eine Höhendifferenz des Wasserstandes von etwa 2,90 m aushalten müßte, während die Druckbelastung des Stauwehres im Staufall (Winter) die Last einer Höhendifferenz von etwa 6,10 m tragen müßte. Eine derartig große Druckbelastung erfordert zu ihrem Abfang besondere bauliche Maßnahmen, die verständlicherweise dann nicht erforderlich wären, wenn nur ein reines Sturmflutsperrwerk mit einfacher Sicherheit errichtet würde. Ähnliches gilt für die Sohlsicherung, da im Sturmflutfalle nach ihrem Abklingen das Sperrwerk erst dann wieder geöffnet wird, wenn der Außenwasserstand in etwa den Wasserstand des Binnenwassers erreicht hat. Anschließend kann die Ems normal abfließen, wie sie es ohnehin im Laufe der normalen Tiden tut. Auch wird von den Antragstellern mit überzeugenden Gründen dargelegt, daß erheblich höhere Strömungsgeschwindigkeiten dann zu erwarten sind, wenn nach einem Staufall das Wasser abgelassen wird. Denn es besteht im Winterstaufall gegenüber dem äußeren Hochwasser von der Seeseite immer noch ein erheblicher Unterschied. In der vorgelegten Stellungnahme des Dipl.Ing. R., B. vom 10. November 1998, werden als zusätzliche bauliche Maßnahmen für ein Stauwerk u.a. angegeben: Es müsse für den Kolkschutz auf der Seeseite des Tordempels gesorgt werden. Statt seewärts gerichteteter Sperrschilde mit leichter Träger-Aussteifung für einseitige Belastbarkeit müßten flußauf gerichtete Sperrschilde mit schwerer Träger-Aussteifung für beidseitige Belastbarkeit hergestellt werden. Die Pfeiler müßten stärker dimensioniert sein. Wegen der zusätzlichen Stauwerksfunktion seien mehr Gründungspfähle erforderlich als für ein Sperrwerk und die Gründungspfähle müßten größere Durchmesser und Längen haben. Zwar ist einzuräumen, daß die vorstehenden Überlegungen sicherlich noch weiterer sachlicher Überprüfung bedürfen. Die schlichte Behauptung der Antragsgegnerin, die technischen Ausführungen des Vorhabens würden sich bei einem jeweils gesonderten Bau getrennt nach den jeweiligen Funktionen vom gegenwärtigen Vorhaben nicht unterscheiden (abgesehen von den zum Einbau vorgesehenen Pumpen), ändert aber nichts daran, daß die Darstellung der Antragsteller durch erhebliche Sachargumente gestützt wird.
Da nach den bisher bekannten Umständen viel dafür spricht, daß die nur zum Teil vorgenommene Anordnung des Sofortvollzugs unwirksam ist, ist die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
3.)
Wenn sich herausstellen sollte, daß die bauliche Ausgestaltung für ein Sperrwerk sich von der für ein Sperr- und Stauwerk hier nicht unterscheidet, wäre die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz an den Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren zu orientieren.
Insoweit erscheint es nicht unbedenklich, daß bisher die in § 19 c Abs. 4 Satz 2 BNatSchG genannte Stellungnahme der Europäischen Kommission nicht eingeholt worden ist. Diese Bedenken werden nachstehend unter Abschnitt 4 erörtert.
Zunächst ist ergänzend festzustellen, daß sich ein weiterer Mangel des Planfeststellungsbeschlusses ergeben würde, wenn man die Teilbarkeit des Regelungsinhalts des Planfeststellungsbeschlusses - anders als die Kammer - im Sinne der Antragsgegnerin beantworten würde. Auch dann wäre im vorliegenden Fall nach Auffassung der Kammer die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen:
Man könnte zwar folgern, daß es dann, wenn der Regelungsgehalt des Planfeststellungsbeschlusses als teilbar angesehen wird, zulässig sei, für den entsprechenden Teilinhalt den Sofortvollzug anzuordnen. Es käme indessen dann darauf an, wie die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren einzuschätzen wären. Es wäre also zu unterstellen, daß der Planfeststellungsbeschluß so zu betrachten wäre, als werde mit ihm - nicht nur die Zulässigkeit eines Sperr- und Stauwerks, sondern - auch die Zulässigkeit eines ausschließlich für Zwecke der Sturmflutkehrung geplanten Vorhabens bejaht.
Soweit die Klage der Antragsteller sich gegen diesen Teilinhalt des Planfeststellungsbeschlusses richtet, erscheint sie der Kammer gegenwärtig aber voraussichtlich erfolgreich, weil der Planfeststellungsbeschluß in diesem Fall an einem durchgreifenden Abwägungsmangel leiden würde. Soweit nämlich im angefochtenen Planfeststellungsbeschluß der Umstand betont wird, das Vorhaben werde auch allein durch den Zweck der Sturmflutkehrung gerechtfertigt, so erlangen die denkbaren Alternativen für einen ausreichenden Küstenschutz ein besonderes Gewicht. Die Antragsgegnerin hat nach Auffassung der Kammer jedoch bei einer Alternative - der Deicherhöhung - das Abwägungsmaterial zu lückenhaft zusammengestellt.
Die Klage eines anerkannten Naturschutzverbandes ist nur dann zulässig, wenn geltend gemacht wird, daß der angegriffene Planfeststellungsbeschluß ihm zuerkannte Rechte im Sinne des § 60 c Abs. 1 NdsNatSchG verletzt. Zu den naturschutzrechtlichen Bestimmungen im Sinne der Vorschrift gehört auch das in § 11 NdsNatSchG enthaltene naturschutzrechtliche Abwägungsgebot, das in dieser Hinsicht den gerichtlichen Prüfungsumfang auf naturschutzrechtliche Belange beschränkt. Insoweit werden jedoch auch Gesichtspunkte der Planrechtfertigung und der Prüfung von Alternativen betroffen. Bei der Prüfung der Abwägung hat das Gericht nicht danach zu fragen, ob auch andere Maßnahmen zur Lösung der anstehenden Probleme (hier lediglich der Sturmflutkehrung) rechtlich zulässig gewesen wären. Dabei ist insbesondere nicht zu prüfen, ob anderweitig rechtsfehlerfrei hätte geplant werden können, sondern nur, ob rechtsfehlerfrei geplant worden ist. Das Gericht hat daher nur darüber zu befinden, ob die tatsächlich gewählte Variante rechtlichen Anforderungen genügt. Abwägungsmängel in rechtlich erheblicher Art bestehen dann, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat, in die Abwägung nicht an Belangen eingestellt wurde, was nach Lage der Dinge in sie einzustellen war, wenn die Bedeutung der durch das Vorhaben betroffenen Belange verkannt oder der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wurde, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Gebot sachgerechter Abwägung dann nicht verletzt, wenn sich die Planfeststellungsbehörde im Widerstreit der verschiedenen Belange für die Vorzugswürdigkeit des einen gegenüber dem anderen entscheidet und damit zugleich in der Wahl der Planungsalternativen die eine gegenüber der anderen bevorzugt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1969, BVerwGE 34, 301, 308[BVerwG 12.12.1969 - IV C 105/66]; BVerwGE 75, 214, 237[BVerwG 05.12.1986 - 4 C 13/85]; Beschluß vom 21. Januar 1998 - 4 VR 3.97 - aaO).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Kammer der Überzeugung, daß die Antragsgegnerin in die Abwägung bei den Planungsvarianten nicht das an Belangen eingestellt hat, was nach Lage der Dinge in sie einzustellen war (sog. Abwägungsdefizit als Informationsmangel des Entscheidungssubjekts). Bei der Erörterung der Alternativen zur Sturmflutkehrung wird nämlich im angefochtenen Planfeststellungsbeschluß davon ausgegangen, daß zur Schaffung eines dem Vorhaben entsprechenden Sturmflutschutzes sehr umfangreiche Deicherhöhungen erforderlich seien. Dabei wird unter Bezug auf den Antrag auf Planfeststellung davon gesprochen, daß Deiche an der Unter-ems auf einer Strecke "bis zu 110 km" zu erhöhen seien. Der Umfang ortsnaher landwirtschaftlicher Nutzflächen, die für die sehr großen Mengen an Sand und Kleiboden benötigt würden und die mit 245 ha angegeben wurden (bei einer Abbautiefe von rund 1,5 m), ist offenbar auf der Grundlage einer Deichstrecke von 110 km ermittelt worden. Im Planfeststellungsbeschluß ist in diesem Zusammenhang weiter ausgeführt, daß sich nur mit einer ins Einzelne gehenden entwurfsmäßigen Bearbeitung der gesamten Strecke exakt beantworten lasse, ob Teilstrecken ausgenommen werden könnten. Die im Antrag auf Planfeststellung vorgenommene überschlägige Ermittlung sei für Vergleichszwecke als ausreichend anzusehen.
Damit ist zu unbestimmt geblieben, mit welcher alternativen Lösung die Planfeststellungsbehörde die Sperrwerkslösung verglichen hat. Eine Deichstrecke von "bis zu 110 km" kann außer der Länge von 110 km theoretisch jede Länge unter 110 km haben. Es fehlt die Angabe, welche Deichstrecke die Antragsgegnerin bei der Abwägung etwa zugrunde gelegt hat. Sollte auf die volle Länge von 110 km oder einen Annäherungswert abgestellt worden sein, würden nach dem derzeitigen Sachstand aufgrund anderer Unterlagen erhebliche Bedenken gegen diese Annahme sprechen (s. dazu im folgenden). Im Planfeststellungsbeschluß ist zwar ausgeführt, daß demgegenüber durch den Bau eines Sperrwerks in kurzer Zeit auf kurzer Strecke verhältnismäßig viel an Schutz erreicht werde. Indessen bedarf es einer ungefähren Darlegung, mit welchem Aufwand für die Deicherhöhung gerechnet wurde. Worauf sich die Abwägung beziehen soll, kann auch anderen Unterlagen, auf die im Planfeststellungsbeschluß verwiesen wird, nicht entnommen werden:
Im bei Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses vorliegenden Dienstbericht des Niedersächsischen Landesamtes für Ökologie - Forschungsstelle Küste - Nr. 5/1997 (Anlage 342) wird davon gesprochen, daß neben den bisher bestehenden Methoden bei der Ermittlung der Bestickhöhen (Einzelwert- und Vergleichswertverfahren wie dem Generalplan Küstenschutz vom Januar 1997 zugrunde liegend, Bemessungswasserstand + Wellenauflauf = Bestick) ein statistisches Modell geeignet sein könnte, zutreffende Bemessungswasserstände zu ermitteln. Allerdings ist nicht zu verkennen, daß in diesem Dienstbericht für Bereiche bei T., R. (rechts-emsisch) und N. (links-emsisch) rechnerische Bestickhöhen der Deiche ermittelt wurden, die wohl die Festsetzungen der Ingenieurkommission zwischen 32 und 92 cm übersteigen. Diese Ermittlung der Bestickhöhen, die im übrigen einem umfassenden Bericht vorgreift, beruht im wesentlichen darauf, daß in Abweichung zum Bemessungswasserstand der Ingenieurkommission statt einer Oberwasserwirkung von 450 m³/sec eine Oberwassermenge von 700 m³/sec von der Oberems berücksichtigt wurde, da eine höhere Kombinationswahrscheinlichkeit von Sturmfluten und Binnenhochwassern für die norddeutschen Tideflüsse anzunehmen ist. Auch wird dort als eine der Ursachen des Anstiegs des Wasserstandes im Bereich zwischen H. und P. der Umstand angesprochen, daß durch die verschiedenen Nachkriegsausbauten die Rauhheit der Ems verlorengegangen ist und so Sturmfluten durch die Trichterwirkung von der Seeseite aus mit der Flutwelle schneller ems-aufwärts durchschlagen können (Seite 15 Anlage 342). Zudem wird in diesem Bericht ausgeführt, daß an den in Lee liegenden Deichen und auch sonst an den weniger wellenexponierten Bereichen in Luv der Bemessungswellenauflauf geringer als derjenige anzusetzen ist, wie er von der Ingenieurkommission 1997 veranschlagt wurde. Daher wird im Bericht zusammenfassend ausgeführt, daß die Deiche beiderseits der Unterems oberhalb von P. - und damit auch bei H. - hinreichend sicher seien. Auch seien die Deiche am R. Ufer der Unterems oberhalb (südlich) des Bogens bei H. für die Deichsicherheit hinreichend, da sie im Sturm- und Wellenlee liegen. Diese sachkundigen Ausführungen sprechen dafür, daß ein Unterbestick allenfalls - mit einer Ausnahme bei N. - für rechtsemsische Bereiche zutreffen kann. Insbesondere ist nicht ersichtlich, wie sich aus diesem Bericht eine zu erhöhende Deichstrecke von etwa 110 km ergeben sollte. Denn die wesentlichen Erhöhungen, die in Tabelle 3 dieses Berichtes angesprochen werden, beziehen sich auf einen verhältnismäßig kurzen Bereich zwischen T. und R., während für alle übrigen Testbereiche in Luv ein verhältnismäßig geringer Unterbestick in dieser Betrachtung ermittelt wird. Der Bericht schließt mit der Ausführung, daß weite Deichstrecken an der Unterems auch bei Bemessungswasserständen, die gem. den dort gemachten Vorschlägen erhöht worden sind, keinen Unterbestick aufweisen und daß der Bemessungswellenauflauf für seegangsexponierte Bereiche teilweise unterschätzt worden ist. Vor einer endgültigen Neufestsetzung des Besticks wird daher in den als kritisch eingestuften Abschnitten eine ergänzende Untersuchung empfohlen. Auf der Grundlage dieses Berichts läßt sich mithin nicht feststellen, welche Deichstrecke für eine etwaige Deicherhöhung im Planfeststellungsbeschluß zugrunde gelegt wurde. Auch durfte in Kenntnis dieses Berichts nicht etwa eine nur grobe Alternativbetrachtung auf der Basis von rd. 110 km Deichlänge erfolgen.
Die Tischvorlage der Bundesanstalt für Wasserbau - BAW - vom 12. November 1997, auf die von der Antragsgegnerin hingewiesen wird (Seiten 53 ff. und 196 des Planfeststellungsbeschlusses), ist nach Auffassung der Kammer auch keine geeignete Unterlage, um danach den ungefähren Umfang der sonst gebotenen Deicherhöhung zu bestimmen. In dieser Tischvorlage (Anlage 334) wird ohne weiteres hinsichtlich der Sturmflutszenarien von einem Oberwasserzufluß an der Unterems im Umfang von 770 m³/sec und einem Oberwasserzufluß der Leda im Umfang von 64 m³/sec ausgegangen, obwohl hinsichtlich der Randbedingungen im Dienstbericht des NLÖ-FSK lediglich von einem anzunehmenden erhöhten Oberwasserzufluß im Umfang von 700 m³/sec (für den Pegel V. bei M.) ausgegangen wird und diese Randbedingungen der Tischvorlage zugrunde gelegt werden sollten. Zwar hat die Antragsgegnerin auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, die in der Tischvorlage davon abweichend angenommene Oberwassermenge der Ems von 770 m³/sec beruhe auf einer Einrechnung der zusätzlich unterhalb des Pegels V. bis zum Wehr H. anfallenden Wassermengen. Indessen ist der Umfang des zusätzlichen Oberwassers aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgängen nicht ersichtlich und auch sonst nirgends belegt. In dieser Hinsicht bedürfte es in einem Hauptsacheverfahren weiterer tatsächlicher Feststellungen. Selbst wenn man aber eine derartige Steigerung des Oberwasserzuflusses als Randbedingung annimmt, so begegnet die Annahme eines weiteren Oberwasserzuflusses von der Leda, wie sie in der Tischvorlage auf Seiten 3 und 4 jeweils unter dem Punkt 3 bzw. 4 als Randbedingung des Modells angegeben wird, durchgreifenden Bedenken. Denn bei einer Sturmflutlage kann - wie dies auch die Antragsgegnerin tut - davon ausgegangen werden, daß das Leda-Sperrwerk geschlossen wird und somit von dieser Seite aus kein Oberwasserzufluß, der zu einem höheren Sturmflutscheitelwasserstand führen könnte, eintritt. Wenn demgegenüber die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 12. November 1998 behauptet, ein Oberwasserzufluß der Leda sei nicht dem hydro-numerischen Modell zur Betrachtung von möglichen Sturmflutscheitelwasserständen in der Unterems zugrunde gelegt, so hat sich das aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht bestätigt. Hinzu kommt, daß auch nach dieser Tischvorlage des BAW vom 12. November 1997 nicht ohne weiteres von einer durchgehend gebotenen Erhöhung der etwa 110 km langen Deiche beiderseits der Unterems ausgegangen werden muß. Denn dort wurde zwar bei der Betrachtung einer synthetischen Sturmflut Nr. 1 ein Bemessungswasserstand ermittelt, der über dem bisher angenommenen liegt. Dieser liegt aber immer noch unterhalb der vorhandenen Deichhöhen, so daß sich die Frage der Auswirkungen des Wellenauflaufes auf den jeweiligen Seiten der Ems stellt. Dann reicht es aber nicht aus, nur allgemein davon auszugehen, daß der nach der Tischvorlage berechnete Bemessungswasserstand höher liegt als der bisher angenommene, um eine allgemeine Deicherhöhung beiderseits der Unterems für geboten zu erachten. Vielmehr mußte dann die vorliegende Betrachtung der Forschungsstelle Küste Anlaß sein, die bereits vorliegenden Erkenntnisse einer wertenden Betrachtung zu unterziehen.
Schließlich ist die Tischvorlage der BAW auch deshalb für eine Ermittlung der sonst gebotenen Alternativen nicht hinreichend, weil in ihr selbst angesprochen wird, daß sie lediglich erste Analysen der Sturmflutscheitelwasserstände und Ausgangspunkt einer weiteren detaillierten Untersuchung sein sollten und daß den theoretisch errechneten Ergebnissen keine Eintrittswahrscheinlichkeit zugeordnet werden kann.
Darüber hinaus wurde keine weitere Alternative geprüft oder erörtert, die eine Verminderung des Oberwasserzuflusses im Sturmflutfalle sicherstellen würde. Maßgeblich für die zur Begründung der Notwendigkeit eines Sperrwerks angeführte Betrachtung der beiden synthetischen Sturmfluten in der Tischvorlage der BAW vom 12. November 1997 ist immer im betreffenden Szenario ein Oberwasserzufluß in erheblichem Maße. Bereits dargelegt wurde der Umstand, daß ein Oberwasserzufluß von der Leda im Sturmflutfalle unwahrscheinlich ist, da das dort befindliche Sperrwerk im Sturmflutfalle ja gerade geschlossen werden soll. Bei einer derartigen Situation liegt es durchaus nahe, Maßnahmen zu prüfen, den Oberwasserzufluß oberhalb von P. einzuschränken. Denn offensichtlich führt - als eine der wesentlichen Ursachen (neben der verlorenen Rauhheit) - nur die Annahme eines derart hohen Oberwasserzuflusses gegenüber den früheren Szenarien, in denen ein Oberwasserzufluß von 450 m³/sec angenommen wurde, zu der Annahme, daß die Bemessungswasserstände im Ästuar nicht ausreichend angesetzt worden sind.
Schließlich fehlt in den vorliegenden Unterlagen ein Hinweis darauf, ob von der Planfeststellungsbehörde die Alternative erwogen wurde, durch einen "Rück-bau" der Ems für eine ausreichende Deichsicherheit der Bevölkerung zu sorgen. In den beiden zuvor genannten Unterlagen wurde als eine der denkbaren wesentlichen Ursachen für die Beeinträchtigung der Deichsicherheit die Möglichkeit angesprochen, daß die Ausbaumaßnahmen an der Unterems zur Überführung immer größerer Schiffe wegen der Trichterwirkung des Ästuars dafür sorgen würden, daß der Aufbau der Tidewelle sich beschleunigt und verstärkt und somit zu höheren Sturmflutwasserständen relativ weit im Binnenland führt (vgl. das im Beschluß des Gerichts vom 14. Juni 1993 - 5 B 1498/93 - angesprochene hydrologische Gutachten des L.-Instituts für Wasserbau vom November 1992 im Verfahren für den 6,80-m-Ausbau; bestätigt durch OVG Lüneburg, Beschluß vom 24. September 1993 - 3 M 3128/93 -). Diese ohne weiteres nachvollziehbare Erklärung stützt die Erwägung der Antragsteller, daß auch ein Unterlassen weiterer Unterhaltungsbaggerungen in der Ems dazu führen könnte, das notwendige Maß an Sturmflutsicherheit wieder zu gewähren.
Auch kann bei dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens nicht davon ausgegangen werden, der festgestellte Fehler sei nicht offensichtlich und es fehle an einer Kausalität der beschriebenen Mängel bei der Abwägung für das betreffende Abwägungsergebnis (vgl. § 75 Abs. 1 a VwVfG). Durch diese Regelung sollen unwesentliche Abwägungsmängel aus dem Bereich der Rechtskontrolle von Planfeststellungsbeschlüssen herausgehalten werden, um so entsprechend den Zielsetzungen des Gesetzes, das zur Einfügung dieser Vorschrift geführt hat, erleichtert Planungen am Wirtschaftsstandort Deutschland zu ermöglichen. Offensichtlich ist ein Mangel schon dann, wenn dieser - wie hier - auf objektiv erfaßbaren Sachumständen beruht. Die Kausalität von Mängeln bei der Abwägung auf das Abwägungsergebnis festzustellen, ist schwierig. Daher ist bei der Überprüfung auf das Ausmaß des Fehlers abzustellen. Ausreichend ist die konkrete Möglichkeit, daß die Planung anders ausgefallen wäre. Hier kann hinsichtlich des Gesichtspunktes der Sturmflutkehrung indessen davon ausgegangen werden, daß es sich um einen kausalen Abwägungsfehler handelt. Eine realistische Betrachtung der Planungsalternativen in dieser Hinsicht würde die Gewichtigkeit anderer Lösungen erhöhen und wäre in der Gesamtabwägung von Bedeutung. Soweit in einem Hauptsacheverfahren Planergänzungen nach § 75 Abs. 1 a Satz 2 VwVfG denkbar wären, ändert dies nichts an der Fehlerhaftigkeit des Planfeststellungsbeschlusses während des Verfahrens zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.
Sollte also - entgegen der Auffassung der Kammer - der Regelungsgehalt des Planfeststellungsbeschlusses dahin teilbar sein, daß mit dem Planfeststellungsbeschluß auch die Zulässigkeit eines nur der Sturmflutkehrung dienenden Sperrwerks bejaht wäre, müßte - angesichts der dann wegen eines Abwägungsmangels bestehenden Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren - die aufschiebende Wirkung der Klage ebenfalls wiederhergestellt werden.
4.)
Im Hinblick darauf, daß die zu 2) erörterte Frage der baulichen Ausgestaltung geklärt werden und ggf. hinsichtlich des Sofortvollzuges eine neue Anordnung erlassen werden kann und daß ferner der zu 3) gerügte Abwägungsmangel durch Änderung oder Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses ggf. behoben werden könnte, wird noch auf folgenden die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses betreffenden Gesichtspunkt hingewiesen:
§ 19 c BNatSchG lautet in der seit dem 9. Mai 1998 geltenden Fassung (BGBl. I, S. 823):
"(1) Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Gebiets von gemeinschaftlicher Bedeutung oder eines Gebiets von gemeinschaftlicher Bedeutung oder eines Europäischen Vogelschutzgebietes zu überprüfen.
Bei Schutzgebieten im Sinne des § 12 Abs. 1 ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzwerk und den hierzu erlassenen Vorschriften.
(2)
Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, daß das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen eines in Absatz 1 genannten Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig.(3
) Abweichend von Absatz 2 darf ein Projekt nur zugelassen oder durch geführt werden, soweit es1.
aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und2.
zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.(4)
Befinden sich in dem vom Projekt betroffenen Gebiet prioritäre Biotope oder prioritäre Arten, können als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Landesverteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden. Sonstige Gründe im Sinne des Absatzes 3 Nr. 1 können nur berücksichtigt werden, wenn die zuständige Behörde zuvor über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat."
Die Verfahrensbeteiligten gehen zutreffend davon aus, daß durch das Vorhaben Gebiete berührt werden, die unter den besonderen Schutz dieser Vorschrift fallen. Dies ergibt sich insbesondere aus Anlage 103 des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses. Das P. Deichvorland ist als Naturschutzgebiet besonders geschützt und das Vorhaben soll in seiner unmittelbaren Nähe errichtet und betrieben werden, so daß seine Schutzzwecke erheblich berührt werden. Durch das Sperrwerk und seine vorgesehene Nutzung werden Salzwiesen im Sinne von § 28 a Abs. 1 Nr. 4 NdsNatSchG in Anspruch genommen. Das Vorhaben berührt besondere Schutzgebiete von gemeinschaftlichem Interesse, wie sie im Anhang I zur Fauna-Flora-Habitat-RL (Richtlinie des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen 92/43/EWG - Fauna-Flora-Habitat-RL - Amtsblatt EG Nr. L 206/7 vom 22. Juli 1992, zuletzt geändert durch RL vom 27. Oktober 1997, Amtsblatt EG Nr. L 305, Seite 42) genannt werden. Denn das Sperrwerk soll in den Ästuar einer Gezeitenzone gebaut werden (Nr. 1130); dadurch wird vegetationsfreies Schlickwatt vernichtet (Nr. 1140) und atlantische Salzwiesen werden in Anspruch genommen (Nr. 1330). Die Bedeutung dieses Bereiches ist zudem dadurch besonders hervorgehoben, daß es in räumlich nahem Zusammenhang zu den niederländischen und deutschen Naturschutzgebieten im Bereich des Dollart und des Niedersächsischen Nationalparks Wattenmeer gelegen ist (vgl. Verordnung über den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer vom 13. Dezember 1985, Nieders. GVBl., Seite 533). Diese Umstände legen es nahe, daß der betreffende Bereich mit in ein europäisches ökologisches Netz einzubeziehen sein dürfte. Letztlich wird davon auch in der dem Planfeststellungsbeschluß zugrunde liegenden Umweltverträglichkeitsstudie sowie in ihm selbst davon ausgegangen.
Nach den bisher bekannten Umständen scheint der Kammer entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin die Einschätzung richtig zu sein, daß das Vorhaben zu einer erheblichen Beeinträchtigung der besonders geschützten Gebiete führt. Insoweit enthält der Planfeststellungsbeschluß lediglich ein Insverhältnissetzen des Flächenverbrauchs und die Behauptung, wichtige Populationen des Gebiets würden nicht gemindert. Es erscheint aber nicht gerechtfertigt, allein auf die flächenmäßigen Auswirkungen abzustellen. Vielmehr wird es geboten sein, die Auswirkungen des Vorhabens im Hinblick auf die besondere Schutzwürdigkeit der jeweils betroffenen Naturgüter festzustellen. Wenn im Anhang I zur Fauna-Flora-Habitat-RL Ästuare besonders geschützt werden, weil sie ein besonders gefährdetes Gebiet darstellen, wird von Bedeutung sein, daß das natürliche Spiel der Naturgewalten im Ablauf des Jahres - und damit auch die Wirkung von Sturmfluten - durch das Vorhaben eingeschränkt werden soll. Gleiches gilt für die zahlreichen anderen betroffenen Belange, wie z.B. den Schutz der in der Nähe lebenden Vogelwelt (vgl. die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten - 79/409/EWG - Vogelschutz-RL - Amtsblatt EG Nr. L 103/1 vom 25. April 1979, zuletzt geändert durch RL 97/49/EG vom 29. Juli 1997, Amtsblatt EG Nr. L 223, Seite 9) und die Auswirkungen des Sperrwerks zum Zwecke der Sturmflutkehrung auf die natürlichen Lebensverhältnisse im Dollart. Insbesondere ist aber von erheblicher Bedeutung, daß durch das Vorhaben selbst eine durchaus bedeutende Fläche von Salzwiesen vernichtet wird. Diese wären durch das Vorhaben jedenfalls für die nächsten 100 Jahre verloren.
Der Schutz vor Sturmfluten gehört zu den Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses. Wenn dieser Schutz aufgrund einleuchtender Gründe erhöht werden soll, wird es sich auch um zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne von § 19 c Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG handeln. Es kann in diesem Zusammenhang auch unterstellt werden, daß bei Einbeziehung des Stauzwecks eine zumutbare Alternative für das geplante Sperrwerk nicht gegeben ist. Dann stellt sich aber die Frage der Anwendung des § 19 c Abs. 4 BNatSchG. Denn bei der Berücksichtigung des Stauzwecks geht es um Gründe wirtschaftlicher Art. Es bedürfte daher einer Stellungnahme der EG-Kommission, falls sich in dem vom Projekt betroffenen Gebiet prioritäre Biotope oder prioritäre Arten befinden. Beide Begriffe sind in § 19 a Abs. 2 BNatSchG erläutert. Nach der derzeitigen Beurteilung der Kammer spricht einiges dafür, daß die Voraussetzungen des § 19 c Abs. 4 Satz 2 BNatSchG hier vorliegen.
Denn das Vorhaben berührt Gebiete, die von erheblicher gemeinschaftlicher Bedeutung für den europäischen Vogelschutz sind. So wurde von dem Antragsteller zutreffend darauf hingewiesen, daß in den betreffenden Bereichen die Rohrdommel, die Nonnengans, der Goldregenpfeifer, Säbelschnäbler und Kampfläufer sowie andere Vögel vorkommen, die im Anhang I der Vogelschutz-RL als besonders schützenswert genannt sind (dort Nr. 19, 35, 101, 103). Nach Ansicht der Kammer spricht einiges dafür, daß auch in derartigen Fällen ein Beteiligungsverfahren nach § 19 c Abs. 4 Satz 2 BNatSchG durchgeführt werden muß. Zwar werden dort prioritäre Arten und prioritäre Biotope angesprochen, die so ausdrücklich in der Fauna-Flora-Habitat-RL und ihren Anhängen, nicht aber in der Vogelschutz-RL genannt werden. So heißt es auch in Aufsätzen, daß die EG-Kommission die Auffassung vertritt, es gebe keine prioritären Vogelarten und demzufolge sei das Beteiligungsverfahren in Fällen, in denen Vogelschutzgebiete beeinträchtigt würden, grundsätzlich nicht anwendbar. Demgegenüber erscheint es der Kammer nicht einleuchtend, daß Vögel durch Einbeziehung der Vogelschutz-RL in das Schutzregime der Fauna-Flora-Habitat-RL und das BNatSchG einem minderen Schutzstatus unterliegen sollten als andere Arten. Denn in auffälliger Weise wurden in den Anhängen zur Fauna-Flora-Habitat-RL keine Vögel genannt, obwohl diese später ergangene Richtlinie in ausdrücklicher Kenntnis der Vogelschutz-RL erlassen wurde. Daher werden zumindest solche Vogelarten als prioritär im Sinne des Art. 6 Abs. 4 Unterabsatz 2 der Fauna-Flora-Habitat-RL und von § 19 c Abs. 4 Satz 1 anzusehen sein, die im Anhang I der Vogelschutz-RL aufgeführt sind (vgl. Freytag/Iven, NuR 1995, 114; Iven NuR 1996, 379; Gellermann NuR 1996, 555). Diese Einbeziehung wird zusätzlich durch Art. 7 Fauna-Flora-Habitat-RL deutlich, der für ausgewiesene Vogelschutzgebiete auf die Anwendung des Art. 6 Abs. 4 dieser Richtlinie verweist. Demgegenüber kann nicht gesagt werden, dieser Verweis liefe leer, da es keine prioritären Vogelarten im Sinne des Anhangs II der genannten Richtlinie gebe. Diese Argumentation läuft auf einen Zirkelschluß hinaus und verkennt die Einbeziehung des Regimes der Vogelschutz-RL in die Fauna-Flora-Habitat-RL, wie sie Art. 7 der zuletzt genannten Vorschrift verlangt. Geht man von dieser Ansicht aus, so bedürfte es zuvor einer Stellungnahme der EG-Kommission. Für eine derartige Stellungnahme ist im vorliegenden Verfahren jedoch nichts vorgetragen oder ersichtlich.
Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, daß mit Zustellung dieses Beschlusses sofort alle Arbeiten einzustellen sind und daß lediglich diejenigen Sicherungsmaßnahmen an den Deichen (nicht der sonstigen Bauteile) zulässig sind, die für einen Erhalt der Deichsicherheit der Bevölkerung erfolgen müssen.
Von der Anordnung des Rückbaus der bislang vorgenommenen Arbeiten (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO) sieht die Kammer nach Ermessen ab, weil es denkbar erscheint, daß die Antragsgegnerin einen neuen rechtmäßigen Planfeststellungsbeschluß erläßt, der den Bau eines gleichartigen Vorhabens zuläßt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.