Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.04.2016, Az.: 13 Sa 848/15

Mindestlohn für Zeitungszusteller; vertraglich vereinbarter Nachtzuschlag

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
27.04.2016
Aktenzeichen
13 Sa 848/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 17937
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2016:0427.13SA848.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Nienburg - 13.08.2015 - AZ: 2 Ca 151/15

Fundstellen

  • AE 2016, 201
  • AUR 2016, 379
  • ArbR 2016, 358
  • ArbRB 2016, 193
  • AuUR 2016, 379
  • EzA-SD 22/2016, 9
  • MDR 2016, 13
  • NZA 2017, 7
  • NZA-RR 2016, 400-404

Amtlicher Leitsatz

1. Der gemäß § 24 Abs. 2 MiLoG übergangsweise abweichend von § 1 Abs. 2 S. 1 MiloG geregelte Mindestlohn für Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

2. Der Begriff zustellen im Sinne des § 24 Abs. 2 S. 3 MiLoG umfasst auch ein in unregelmäßigen Abständen anfallendes Einlegen einzelner Werbebeilagen in das zuzustellende Trägerprodukt.

3. Soweit ein Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn besteht, ist ein vertraglich vereinbarter Nachtzuschlag auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohnes zu berechnen (Anschluss an LAG Berlin Brandenburg v. 12.01.2016 19 Sa 1851/15).

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 13.08.2015 (2 Ca 151/15) abgeändert, soweit die Beklagte im Ausspruch zu

Ziffer 1 zu mehr als 5,92 € brutto,

Ziffer 2 zu mehr als 3,45 € brutto,

Ziffer 3 zu mehr als 7,81 € brutto,

Ziffer 4 zu mehr als 7,55 € brutto und

Ziffer 5 zu mehr als 6,63 € brutto

jeweils nebst Zinsen hierauf verurteilt worden ist.

Hinsichtlich der jeweils weitergehenden Beträge wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 95 % und die Beklagte zu 5 % zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den vollen gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen.

Der Kläger trat am 01.04.2014 als Zusteller in die Dienste der beklagten Pressevertriebsgesellschaft. Auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 36 f. d. A.) nebst Anlagen (Bl. 38 bis 40 d. A.) übernahm er in einem bestimmten Gebiet werktäglich zwischen 04:00 Uhr und 06:00 Uhr die Zustellung von Tageszeitungen. Die zum 15. des Folgemonats auszuzahlende Vergütung sollte sich nach der Anzahl der zuzustellenden Exemplare (einschließlich Beilagen) richten. Zusätzlich zum Stücklohn war im Rahmen der rechtlichen Grenzen die Zahlung eines steuerfreien Nachtzuschlages von 25 % vereinbart.

Mit Wirkung zum 17.12.2014 übernahm der Kläger auf der Grundlage eines weiteren Arbeitsvertrages (Bl. 41 f. d. A.) nebst Anlagen (Bl. 43 bis 45 d. A.) bei der Beklagten in einem bestimmten Zustellbezirk jeden Mittwoch zwischen ca. 14:00 und 18:00 Uhr gegen einen Stücklohn die Verteilung eines Anzeigenblatts mit redaktionellem Inhalt.

In den Anlagen zu beiden Arbeitsverträgen findet sich unter der Überschrift "Pflichten des Zustellers bei der Verteilung von Anzeigenzeitungen" unter anderem folgende, gleichlautende Regelung:

"Der Zusteller ist verpflichtet

(...)

- zusätzlich gelieferte Beilagen in das Anzeigenblatt einzulegen, sofern von der Firma keine gegenteiligen Anweisungen erfolgt sind."

Die von dem Kläger zuzustellenden Tageszeitungen und das Anzeigenblatt enthalten als Beilagen regelmäßig Werbeprospekte. Diese sind in die bei der Beklagten zuzustellenden Tageszeitungen und in das Anzeigenblatt regelmäßig bereits druckereiseitig maschinell eingelegt. Allerdings ist eine maschinelle Bestückung mit Werbebeilagen technisch unter anderem dann nicht möglich, wenn in eine Zeitung Beilagen von bestimmter Beschaffenheit (Format, Gewicht, etc), mehr als 10 Prospekte oder solche Werbebeilagen einzufügen sind, die auf Wunsch des Anzeigenkunden lediglich in einzelnen Zustellbezirken bzw. Teilen eines Zustellbezirkes verteilt werden sollen (sogenannte Teilbelegung). In diesem, praktisch ausschließlich bei dem Anzeigenblatt vorkommenden Fall erhielt der Kläger zusätzlich zu den Anzeigenblättern mit den maschinell eingelegten Beilagen die entsprechenden Prospekte gesondert angeliefert. Diese hatte er vor oder bei der Verteilung in das Anzeigenblatt einzulegen (sogenanntes Konfektionieren). Sämtliche einzulegenden Werbebeilagen sind in dem jeweiligen Beilagenhinweis des Anzeigenblatts aufgeführt.

Im streitbefangenen Zeitraum von Januar bis Mai 2015 war es allein bei dem am 18.03.2015 erscheinenden Anzeigenblatt technisch nicht möglich, einen dort als Beilage ausgewiesenen Gartenkatalog maschinell einzufügen. Die Beklagte übersandte deshalb dem Kläger den entsprechenden Katalog mit einer E-Mail folgenden Inhalts:

"Am 18.03.2015 ist der B. Gartenkatalog mit dabei. Die Vergütung beträgt 0,06 EUR Stck. Am Dienstag, dem 17.03.15 wird der Katalog angeliefert und kann dann auch verteilt werden."

Der Kläger verteilte am 18.03.2015 das redaktionelle Anzeigenblatt zusammen mit dem Gartenkatalog.

Seit 01.01.2015 stockt die Beklagte den Stücklohn des Klägers auf einen Stundenlohn von umgerechnet 6,38 EUR brutto auf (Ausgleich Mindestlohn). Ferner zahlt die Beklagte dem Kläger Nachtzuschlag auf den Ausgleich zum Mindestlohn. Den Lohnabrechnungen für die Monate Januar bis Mai 2015 (Bl. 17 bis 19, Bl. 70, Bl. 91 d. A.) legte die Beklagte folgende, für beide Vertragsverhältnisse zusammengefasste Stundenzahlen zugrunde:

Monat

geleistete Stunden

davon nachtzuschlagspflichtige Stunden

Januar 2015

46,25

28,51

Februar 2015

43,72

34,37

März 2015

46,86

37,29

April 2015

49,62

32,47

Mai 2015

49,27

33,37

Mit der Klage hat der Kläger für die Zeit vom 01.01. bis 31.05.2015 auf der Grundlage dieser Stundenzahlen den vollen Mindestlohn von 8,50 EUR je Stunde sowie den vereinbarten Nachtzuschlag von 25 % hierauf für die nachtzuschlagspflichtigen Stunden abzüglich geleisteter Zahlungen nach näherer Maßgabe seiner Berechnung auf Bl. 66 bis 68 und Bl. 90 d. A. begehrt.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Ausnahmevorschrift für Zeitungszusteller (§ 24 Abs. 2 des Mindestlohngesetzes - MiLoG) greife nicht ein, da er auch die in die Tageszeitungen und Anzeigenblätter eingelegten Werbeprospekte verteile.

Außerdem sei er nach beiden Arbeitsverträgen zur Einlegung der Werbebeilagen per Hand verpflichtet.

Schließlich habe er im März 2015 den Gartenkatalog auch ohne das Anzeigenblatt einen Tag vor dessen Erscheinen verteilen dürfen.

Der Kläger hat beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, für den Abrechnungsmonat Januar 2015 an den Kläger einen Betrag in Höhe von 119,22 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 16.02.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, für den Abrechnungsmonat Februar 2015 an den Kläger einen Betrag in Höhe von 114,53 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 16.03.2015 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, für den Abrechnungsmonat März 2015 an den Kläger einen Betrag in Höhe von 127,10 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 16.04.2015 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, für den Abrechnungsmonat April 2015 an den Kläger einen Betrag in Höhe von 130,11 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 16.05.2015 zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, für den Abrechnungsmonat Mai 2015 an den Kläger einen Betrag in Höhe von 128,94 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 16.06.2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, sie sei aufgrund § 24 Abs. 2 MiLoG im streitbefangenen Zeitraum nur zur Zahlung von 75 % des vollen Mindestlohns verpflichtet, weil der Kläger ausschließlich Tageszeitungen und Anzeigenblätter mit redaktionellem Inhalt an Endkunden zugestellt habe. Die Werbebeilagen seien jeweils unselbständige Bestandteile der Trägerprodukte.

Ein gegebenenfalls erforderliches Einlegen von Werbebeilagen per Hand sei unselbständiger Teil des Zustellens der Zeitungen und Anzeigenblätter. Anderenfalls laufe die dem Schutz der Pressefreiheit dienende Vorschrift leer, weil die überwiegende Anzahl der Anzeigenblatthersteller Werbebeilagen auch per Hand einlegen lasse.

Das Arbeitsgericht hat mit einem der Beklagten am 04.09.2015 zugestellten Urteil vom 13.08.2015 der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger stelle nicht ausschließlich Tageszeitungen und Anzeigenblätter mit redaktionellem Inhalt zu, da er auch Werbebeilagen von Hand in das Anzeigenblatt einsortiere. Diese Tätigkeit könne vom Zustellen getrennt und von Dritten Personen ausgeübt werden. Da beide Arbeitsverträge als einheitliches Arbeitsverhältnis zu behandeln seien, habe der Kläger für sämtliche Zeiten Anspruch auf den vollen Mindestlohn einschließlich des Nachtzuschlages hierauf. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens und seiner Würdigung durch das Arbeitsgericht wird auf Bl. 107 bis 111 R. d. A. verwiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die am 01.10.2015 eingelegte und am 03.12.2015 innerhalb der verlängerten Frist begründete Berufung der Beklagten.

Die Beklagte macht geltend, das Arbeitsgericht habe Äußerungen der am Gesetzesentwurf maßgeblich beteiligten Bundesministerien für Arbeit und Soziales sowie für Finanzen ignoriert, wonach das Bestücken der Anzeigenblätter mit Werbebeilagen per Hand als Hilfs- bzw. Nebentätigkeit zum Zustellen gehöre. Diese Tätigkeit sei in Bezug auf die Gesamttätigkeit des Klägers zeitlich zu vernachlässigen.

Auch bei einer ausgereiften Mechanisierung müssten Verlage, die - wie sie - über die Möglichkeit maschineller Bestückung verfügten, in unregelmäßigen Abständen immer wieder Prospekte per Hand einlegen lassen. Da nahezu alle im Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter e.V. (BVDA) organisierten Anzeigenblattverlage ihre Zusteller Werbebeilagen auch per Hand einstecken ließen, laufe § 24 Abs. 2 MiLoG nahezu vollständig leer, wenn man der Auffassung des Arbeitsgerichts folge. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass die grundgesetzlich verankerte Pressefreiheit, deren Schutz die Übergangsvorschrift diene, auch den Bereich der Anzeigen und Beilagen umfasse.

Schließlich habe das Arbeitsgericht die Zustellung von Tageszeitungen und Anzeigenzeitungen zu Unrecht als ein Arbeitsverhältnis behandelt. Diese Tätigkeiten seien tatsächlich und rechtlich vollständig voneinander getrennt. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Anzeigenblattzustellung bei dem Kläger nur ca. 2,9 Stunden, die Tageszeitungszustellung hingegen ca. 8,1 Stunden pro Woche betrage.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 13.08.2015 - 2 Ca 151/15 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen unter Verteidigung des angefochtenen Urteils als zutreffend nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung.

Ergänzend meint er, der vereinbarte Nachtzuschlag sei nicht auf den Mindestlohn anrechenbar und auf der Grundlage des vollen gesetzlichen Mindestlohnes zu zahlen.

Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden. Sie ist auch im Übrigen zulässig und in der Sache überwiegend begründet.

1.

Der Kläger hat für Januar 2015 Anspruch auf Mindestlohn in Höhe von 6,38 EUR brutto je Stunde gemäß §§ 24 Abs. 2, 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG zuzüglich des vereinbarten Nachtzuschlags hierauf für die geleistete Nachtarbeit. Diese Ansprüche hat die Beklagte hinsichtlich der vom Kläger im Januar 2015 geleisteten Stunden vollständig und hinsichtlich des Nachtzuschlags teilweise erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB), weshalb die Klage für diesen Monat überwiegend abzuweisen war.

a)

Der Kläger hat ab 01.01.2015 keinen Anspruch auf den vollen Mindestlohn von 8,50 EUR brutto je Stunde. Die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG ist durch § 24 Abs. 2 S. 1 MiLoG übergangsweise beschränkt.

aa)

§ 24 Abs. 2 MiLoG nimmt die Zeitungszusteller nicht von der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zum 01.01.2015 aus, sondern regelt für diese - als einzige Arbeitnehmergruppe - dessen Höhe übergangsweise abweichend von § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG durch Gesetz. Damit weicht § 24 Abs. 2 MiLoG für die Gruppe der Zeitungszusteller von der allgemeinen Übergangsregelung in § 24 Abs. 1 MiLoG ab, wonach bis zum 31.12.2017 abweichende Regelungen durch die dort genannten Tarifverträge und Rechtsverordnungen dem gesetzlichen Mindestlohn vorgehen. Mit der allgemeinen Übergangsregelung in § 24 Abs. 1 MiLoG soll nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/1558, S. 43) sachnahen und für die Branche repräsentativen Tarifvertragsparteien die Möglichkeit eingeräumt werden, für ihre Branche eine abweichende Mindestlohnhöhe zu bestimmen und so der spezifischen Ertragskraft der Unternehmen in ihrer Branche Rechnung zu tragen. Dadurch soll eine stufenweise Heranführung der Entlohnungsbedingungen ermöglicht und hinreichend Vorlaufzeit für gegebenenfalls erforderliche Anpassungsprozesse in den Branchen gelassen werden.

bb)

Soweit für die Gruppe der Zeitungszusteller in § 24 Abs. 2 MiLoG übergangsweise ein geringerer Mindestlohn sogleich im Gesetz festgelegt worden ist, während das "Ob" und der Umfang einer Abweichung vom gesetzlichen Mindestlohn bei den übrigen Arbeitnehmergruppen von den Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 MiLoG und dem Tätigwerden entsprechender Tarifvertragsparteien und Verordnungsgeber abhängt, erfahren erstgenannte unmittelbar durch Gesetz eine gesonderte Behandlung. Dies ist kritisiert worden (vgl. etwa Preis, Ausschussdrucks. 18 (11) 148, S. 82; Bayreuther, NZA, 2014, 865, 872; Düwell/Schubert, MiLoG, § 24 Rn. 33 ff). Der damit verbundene Eingriff in den Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG ist jedoch gerechtfertigt. Die Einschätzung des Gesetzgebers, branchenspezifische Besonderheiten machten im Bereich der Zustellung von Presseerzeugnissen den Weg über § 24 Abs. 1 MiLoG nicht gangbar und erforderten wegen erheblicher Mehrkosten sowie unter dem Aspekt des Schutzes der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) die besondere Übergangsregelung in § 24 Abs. 2 MiLoG, hält sich im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (ebenso: Riechert/Nimmerjahn, MiLoG (2015) § 24 Rn. 59; Sittard/Rawe, NJW 2015, 2695; Barczak, RdA 14, 290, 297; wohl auch Ulber AuR 2014, 404, 408).

(1)

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will. Der Gesetzgeber muss allerdings eine Auswahl sachgerecht treffen. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder anderweitig einleuchtender Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl. BVerfG v. 29.09.2010 - 1 BVR 1779/10).

(2)

In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (BT-Drucks. 18/2010 (neu), S. 25) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (Tarifautonomiestärkungsgesetz, BT-Drucks. 18/1558) ist zu dem neu angefügten und später wortgleich Gesetz gewordenen § 24 Abs. 2 auf die besonderen Beschäftigten- und Entgeltstrukturen im Bereich der Zustellung von Presseerzeugnissen hingewiesen worden, die nach seiner Ansicht den allgemeinen, durch § 24 Abs. 1 MiLoG eröffneten Weg, über bundesweite, nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz erstreckte Tarifverträge vorübergehend vom Mindestlohn abzuweichen, nicht gangbar, jedenfalls nicht sachgerecht erscheinen lässt. Diesbezüglich ist von bundesweit ca. 300.000 Zeitungszustellerinnen und Zustellern (vgl. Düwell/Schubert, MiLoG, § 24 Rn. 38 unter Berufung auf ver.di, Positionspapier Mindestlohn für Zusteller vom 28.10.2013), ganz überwiegend in Teilzeit (Mini- oder Midijobs) und oftmals von Rentnern oder - insbesondere bei Anzeigenblättern - von Schülern ohne ausgeübte weitere Haupttätigkeit, ausgegangen worden (vgl. Thüsing, Ausschussdrucksache, 18 (11) 148, S. 56; Düwell/Schubert, aaO. 39 unter Berufung auf ver.di, Positionspapier Mindestlohn für Zusteller vom 28.10.2013; Riechert/Nimmerjahn a.a.O., Rn. 59). Hinzu kommt, dass der Zustellvorgang regelmäßig allein ausgeübt wird und klassisch ortsfeste Betriebsstrukturen nur bedingt existieren (vgl. Riechert/Nimmerjahn, a.a.O., Rn. 59). Vor diesem Hintergrund und angesichts des in der Branche vorherrschenden, auf den jeweiligen Zustellbezirk zugeschnittenen Stücklohnprinzips (vgl. Düwell/Schubert, aaO. 39 m.w.N., Riechert/Nimmerjahn, a.a.O., Rn. 59; Thüsing, a.a.O., S. 56), kann die Einschätzung des Gesetzgebers, eine effektive gewerkschaftliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer sei erschwert und eine Nutzung der allgemeinen Übergangsregelung im Sinne des § 24 Abs. 1 MiLoG im Bereich der Zustellung von Presseerzeugnissen nicht in gleicher Weise möglich, sachlich nachvollzogen werden.

Entsprechendes gilt für die Annahme des Gesetzgebers, im Bereich der Zustellung von Presseerzeugnissen sei eine stufenweise Heranführung der Entlohnungsbedingungen und eine hinreichende Vorlaufzeit für Anpassungsprozesse ebenfalls notwendig. So wurde im Gesetzgebungsverfahren zugrunde gelegt, dass neben anderen Branchen auch im Bereich der Zeitungszusteller angesichts des niedrigen Lohnniveaus erhebliche Mehrkosten in Folge der Einführung des Mindestlohnes zu erwarten waren. Etwa betrug der Stundenlohn von Zeitungszustellern in den neuen Bundesländern umgerechnet zwischen 3,- und 5,- € (vgl. Düwell/Schubert, a.a.O., Rn. 51 unter Bezugnahme auf ver.di Positionspapier Mindestlohn S. 4). Ferner waren nach Einschätzung des Gesetzgebers erhebliche Zusatzkosten vor allem in ländlich strukturierten Zustellbezirken infolge der Umstellung von Stück- auf Zeitlohn zu erwarten. Wenn der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund die Trägerzustellung als notwendige Voraussetzung für das Funktionieren der grundgesetzlich geschützten freien Presse (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) gefährdet sah, hält sich dies im Rahmen seines Beurteilungs- und Prognosespielraums. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fällt auch der Vertrieb von Tageszeitungen und redaktionellen Anzeigenblättern durch Botenzustellung in den Schutzbereich der Pressefreiheit (vgl. BVerfG vom 20.04.1999 - 1 BvQ 2/99; v. 29.04.2003 - 1 BvR 62/99; Barczak, RdA 14, 290, 297, m.w.N.). Ferner kann das Bestreben, die Vielfalt der Presse zu erhalten, eine Regelung des Staates rechtfertigen.

§ 24 Abs. 2 MiLoG ist geeignet, die für notwendig erachtete stufenweise Einführung des Mindestlohnes im Bereich der Zustellung von periodischen Zeitungen und Zeitschriften herbeizuführen. Die damit verbundene Belastung für die Gruppe der Zeitungszusteller wahrt die Grenzen der Verhältnismäßigkeit. Zeitungszusteller sind nicht von der Einführung des Mindestlohnes ausgenommen. Der Mindestlohn ist für sie nur zeitlich vorübergehend herabgesetzt. Dies ist unter den Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 MiLoG auch in anderen Branchen möglich. Die Dauer des Übergangszeitraumes entspricht demjenigen des § 24 Abs. 1 MiLoG für alle anderen Branchen. Die vorgenommene Staffelung mit der damit verbundenen Pauschalierung erscheint aus Gründen der Praktikabilität hinnehmbar.

cc)

Der Kläger ist Zeitungszusteller im Sinne des § 24 Abs. 2 MiLoG.

(1)

Nach der Legaldefinition des § 24 Abs. 2 Satz 3 MiLoG sind Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller Personen, die in einem Arbeitsverhältnis ausschließlich periodische Zeitungen oder Zeitschriften an Endkunden zustellen. Dies umfasst auch Zustellerinnen und Zusteller von Anzeigenblättern mit redaktionellem Inhalt.

(2)

Der Kläger hatte im Januar 2015 ausschließlich periodische Tageszeitungen und redaktionelle Anzeigenblätter zuzustellen.

(a)

Der Umstand, dass sich in der Tageszeitung und in dem Anzeigenblatt regelmäßig Werbebeilagen befinden, lässt die Tatbestandsvoraussetzung "ausschließlich" in Bezug auf den Zustellungsgegenstand nicht entfallen. Jedenfalls, soweit diese Werbebeilagen - wie hier - durch einen entsprechenden Hinweis in der Zeitung bzw. im Anzeigenblatt als Werbebeilagen des jeweiligen Printmediums kenntlich gemacht sind, diese sich also als Werbeleistung des Trägerprodukts darstellen, sind sie Bestandteil der Zeitung (vgl. OLG Hamm v. 14.07.2011 - I-4 U 42/11, 4 U 42/11; Riechert/Nimmerjahn, a.a.O., Rn. 68; vgl. auch ErfK-Franzen, 16. Aufl., § 24 MiLoG, Rn. 3; Sperling ZUM 2015, 793, 794 m.w.N.). Die Zeitungsbeilagenwerbung ist regelmäßig mit dem Bezug von abonnierten Zeitungen und Gratiszeitungen verbunden. Vor diesem - dem Gesetzgeber als bekannt zu unterstellenden - Hintergrund liefe § 24 Abs. 2 MiLoG faktisch leer, wenn man dessen Anwendbarkeit aufgrund von Werbebeilagen anhand des Merkmals "ausschließlich" verneinen wollte.

(b)

Die Ausschließlichkeit der Zustellung steht im konkreten Fall auch nicht mit Blick auf den im März 2015 verteilten B.-Gartenkatalog in Frage.

(aa)

Mit dem Merkmal "ausschließlich" in § 24 Abs. 2 Satz 3 MiLoG soll unter anderem die Zustellung von Postsendungen und reinen Werbeprospekten, die nicht Beilage einer der genannten Zeitungen oder Zeitschriften sind, ausgeschlossen werden, und zwar auch, soweit sie im Zusammenhang mit der Zustellung der in § 24 Abs. 2 Satz 3 MiLoG erfassten Printmedien erfolgt (sogenannte Hybridzustellung). Denn diese Zustellobjekte unterliegen nicht der Pressefreiheit, deren Schutz die Vorschrift nach der Gesetzesbegründung unter anderem dient (vgl. Riechert/Nimmerjahn, a.a.O., Rn. 61; Lakies, MiLoG, 2. Aufl., § 24 Rn. 10).

(bb)

Der BBM-Katalog war Werbebeilage des Anzeigenblatts vom 18.03.2015 und nicht ein eigenständiges Zustellobjekt. Der Katalog war aufgrund der Mitteilung der Beklagten am 18.03.2015, dem unstreitigen Erscheinungstag des Anzeigenblattes, zusammen mit diesem zu verteilen. Dies hat der Kläger trotz etwas missverständlicher Formulierung auch ersichtlich so verstanden und ausgeführt. Unbestritten war der Katalog in dem betreffenden Anzeigenblatt als Werbebeilage aufgeführt. Ob der Kläger bei dieser Sachlage den Katalog beim Verteilen in das Anzeigenblatt eingesteckt oder ihn lediglich oben aufgelegt hat ist für die Beurteilung als unselbständige Werbebeilage unerheblich (vgl. Riechert/Nimmerjahn, a.a.O., Rn. 68).

(3)

Unstreitig hat der Kläger Zeitungen im Januar 2015 ausschließlich an Endkunden, nicht auch an gewerbliche Zwischenhändler zugestellt.

(4)

Ob die Verpflichtung des Zustellers, zusätzlich gelieferte Werbebeilagen ordnungsgemäß in das Anzeigenblatt einzulegen bzw. zusammen mit dem Anzeigenblatt zu verteilen, in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzung des "Zustellens" im Sinne von § 24 Abs. 2 MiLoG schädlich ist, wird unterschiedlich beurteilt (bejahend etwa: Riechert/Nimmerjahn, § 24 MiLoG, Rn. 61; verneinend etwa: Bissels/Falter ArbRB 2015 324 f.). Dies ist jedenfalls im Streitfall zu verneinen. Dabei kann dahinstehen, ob sich das Wort "ausschließlich" nur auf die im Gesetz genannten Zustellobjekte und Zustelladressaten oder darüber hinaus auch auf das Verb "zustellen" bezieht. Da es in der Sache nicht weiterhilft, einen Zusteller als eine Person zu definieren, die ausschließlich (...) zustellt, ist eine nähere Bestimmung dessen, was unter "Zustellen" im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 3 MiLoG zu verstehen ist, nicht entbehrlich.

(a)

Das Wort "zustellen" wird in § 24 Abs. 2 Satz 3 MiLoG ersichtlich in seiner Bedeutung als "überbringen" verstanden. In der Gesetzesbegründung ist von "Trägerzustellung" die Rede, was als Synonym den Begriff "austragen" nahelegt. Beides beinhaltet neben dem Akt des Übergebens von Person zu Person oder durch Einlegen in eine dafür bestimmte Übergabevorrichtung auch Elemente des Transports sowie die damit üblicherweise im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten (vgl. etwa BAG vom 19.11.2014 - 5 AZR 1101/12, Rn. 15 für den Anwendungsbereich der PflegeArbbV und das Verhältnis von überwiegend pflegerischer Tätigkeit zur hauswirtschaftlichen Versorgung).

(b)

Danach ist das Einstecken von Werbebeilagen per Hand in der zwischen den Parteien praktizierten Form vom Begriff "Zustellen" umfasst.

(aa)

Für die Beurteilung ist nicht (allein) auf den Wortlaut der entsprechenden Klauseln in den Arbeitsverträgen des Klägers abzustellen, sondern zur Vermeidung von Missbrauch und unsachgemäßen Ergebnissen in erster Linie auf die tatsächliche Handhabung (zutreffend Düwell/Schubert, a.a.O., § 24 Rn. 32). Dies entspricht der Rechtslage, wenn es etwa um die Einordnung von Rechtsverhältnissen (Arbeitsvertrag/Dienstvertrag, Werkvertrag/Arbeitnehmerüberlassungsvertrag etc.) geht. Widersprechen sich dabei Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist Letztere maßgebend (vgl. etwa BAG, Urteil vom 21. Juli 2015 - 9 AZR 484/14 -, Rn. 20, , m.w.N.).

(bb)

Danach ist hier zu berücksichtigen, dass das Einstecken von Hand im Verhältnis zu dem Transport und der Übergabe der einzelnen Zeitung von zeitlich untergeordneter Bedeutung geblieben ist und die Tätigkeit des Klägers nicht geprägt hat. Der Kläger war im Januar 2015 überhaupt nicht und im gesamten streitbefangenen Zeitraum unstreitig lediglich einmal am 18.03.2015 verpflichtet, eine einzelne Werbebeilage von Hand in ein Anzeigenblatt einzustecken bzw. zu verteilen. Die entsprechende Verpflichtung bezog sich allein auf seinen Zustellbezirk. Hinzu kommt, dass jedenfalls das Einstecken einer einzelnen Werbebeilage vom Zusteller ohne weiteres auch unterwegs auf der Zustelltour während des eigentlichen Zustellvorgangs vorgenommen werden kann.

Der Einordnung als Zusammenhangstätigkeit steht hier nicht entgegen, dass die entsprechende Tätigkeit denkbarerweise auch am Ende des Produktionsprozesses und getrennt vom Zustellvorgang organisiert werden könnte. Unstreitig nutzt die Beklagte im Produktionsprozess bereits entsprechende Maschinen. Unstreitig fällt das Bestücken von Hand bei ihr infolgedessen nur noch ergänzend und in zeitlich unregelmäßigen Abständen an, wenn eine maschinelle Bestückung im Einzelfall nicht möglich ist. Hinzu kommt, dass in diesen unregelmäßig auftretenden Fällen der Vorgang des Bestückens von Hand nicht stets sinnvoll von der eigentlichen Zustelltätigkeit getrennt werden kann. Denn unstreitig scheidet ein maschinelles Einlegen u.a. dann aus, wenn einzelne Werbebeilagen (z.B. für Lebensmittelmärkte) nur für einzelne Zustellbezirke oder gar nur für Teile eines Zustellbezirks in Auftrag gegeben werden. In diesen, nur noch unregelmäßig vorkommenden Fällen, das Einlegen per Hand durch dritte Personen vornehmen zu lassen, führt nach Auffassung der Kammer zu einer auch im Anwendungsbereich des MiLoG zu vermeidenden "Atomisierung" von Arbeitsgängen.

(cc)

Der im Zusammenhang mit der Bestimmung des Begriffs "zustellen" angesprochenen Umgehungsgefahr (vgl. etwa Düwell/Schubert, a.a.O., § 24 Rn. 73) kann mit einer differenzierten Betrachtung der jeweiligen Einzelfallumstände hinreichend Rechnung getragen werden. Werden Zustellerinnen oder Zustellern im zeitlichen Zusammenhang mit der Einführung des Mindestlohngesetzes etwa zusätzliche Aufgaben übertragen, die bisher nicht zu ihrem typischen Aufgabenbereich gehörten, besteht ein Anhaltspunkt für einen unzulässigen Umgehungsversuch. Hiervon kann im vorliegenden Fall jedoch nicht ausgegangen werden. Nicht nur der unmittelbar vor dem Inkrafttreten des MiLoG abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 04.12.2014, sondern bereits der erste Arbeitsvertrag des Klägers vom 28.03.2014 enthielt die Verpflichtung, zusätzlich gelieferte Beilagen von Hand einzulegen. Zum Zeitpunkt des ersten Arbeitsvertrages war die in § 24 Abs. 2 MiLoG enthaltene Übergangsregelung für Zeitungszusteller noch gar nicht vorgesehen (vgl. den Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 28.05.2014, BT-Drucksachen, 18/1558). Der Vorgang des Einsteckens per Hand ist nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen der Beklagten (in Bezug genommene Anlage B14, S. 2 = Bl. 228 d.A.) bereits in der Vergangenheit üblicherweise vom jeweiligen Zusteller vor oder bei dem Verteilen der Zeitungen vorgenommen worden. Auch hat der Kläger nicht behauptet, im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses sei die vertragliche Praxis der gelegentlichen Heranziehung zum Einstecken von Werbebeilagen nach dem Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes wesentlich geändert worden.

b)

Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers auf Grundvergütung für Januar 2015 unter Berücksichtigung von § 24 Abs. 2 MiLoG erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Für unstreitig in diesem Monat geleistete 46,25 Stunden standen dem Kläger 295,08 € brutto zu. Dies entspricht dem abgerechneten Bruttobetrag für Januar 2015 abzüglich der auf die Nachtarbeit gezahlten Beträge.

c)

Der Kläger hat für Januar 2015 hingegen noch Anspruch auf 5,92 € restlichen Nachtarbeitszuschlag.

aa)

Der vereinbarte Nachtarbeitszuschlag gemäß Ziffer III 3. des Arbeitsvertrages vom 28.03.2014 für die bei der Zustellung der Tageszeitung geleistete Nachtarbeit ist auf den Mindestlohn gemäß § 24 Abs. 2 MiLoG zu zahlen.

(1)

Das MiLoG enthält keine ausdrückliche Ausgleichsregelung für Nachtarbeit. Ihm sind keine Hinweise zu entnehmen, dass Belastungen durch Nachtarbeit stillschweigend berücksichtigt worden sind. Eine Anrechnung gezahlter Nachtarbeitszuschläge auf den Mindestlohn kommt daher nicht in Betracht. Hiervon geht im Grundsatz auch die Beklagte aus, die in der Abrechnung für Januar 2015 bereits einen "NZ Ausgleich MLohn stfrei" eingestellt hat.

(2)

Die vertragliche Regelung, wonach der Nachtarbeitszuschlag von 25 % (nur) auf den Stücklohn zu zahlen ist, steht einem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Mit Wirkung zum 01.01.2015 ist das Stundenentgelt des Klägers kraft Gesetzes höher als der für Januar 2015 vertraglich zu zahlende und in Stundenlohn umgerechnete Stücklohn. Damit erhöht sich entsprechend die Bemessungsgrundlage für den vertraglich vereinbarten Nachtarbeitszuschlag (zutreffend LAG Berlin-Brandenburg vom 12.01.2016 - 19 Sa 1851/15, Rn. 144).

bb)

Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers auf Nachtarbeitszuschläge für Januar 2015 bislang nicht vollständig erfüllt. Unstreitig hat der Kläger im Januar 2015 28,51 Stunden Nachtarbeit geleistet. Der Zuschlag je Stunde beträgt 25 % des gemäß § 24 Abs. 2 MiLoG abgesenkten Mindestlohns, mithin 1,59 € brutto je Stunde. Es errechnet sich ein Nachtarbeitszuschlag von insgesamt 45,33 €. Gezahlt hat die Beklagte hierauf ausweislich der Abrechnung für Januar 2015 insgesamt 39,41 € mit der Folge, dass ein offener Betrag von 5,92 € verbleibt.

2.

In gleicher Weise wie für Januar 2015 hat die Beklagte Grundlohnansprüche des Klägers für die Monate Februar bis Mai 2015 unter Berücksichtigung von § 24 Abs. 2 MiLoG erfüllt.

Hinsichtlich der Nachtarbeitszuschläge ergeben sich wiederum Differenzbeträge zu Gunsten des Klägers in Höhe von 3,45 € für Februar, 7,81 € für März, 7,55 € für April und 6,63 € für Mai 2015.

3.

Die Zinsentscheidung folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Vergütungszahlungen waren jeweils zum 15. des Folgemonats fällig.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

III.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.