Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.09.2016, Az.: 12 Sa 353/16 E

Berücksichtigung bei anderen Arbeitgebern erworbener einschlägiger Berufserfahrung im Rahmen der Stufenzuordnung staatlich geprüfter Techniker

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
19.09.2016
Aktenzeichen
12 Sa 353/16 E
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 31870
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2016:0919.12SA353.16E.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BAG - 21.12.2017 - AZ: 6 AZR 790/16

Fundstelle

  • ZTR 2017, 93-94

Amtlicher Leitsatz

Es liegt eine gleichheitswidrige Benachteiligung vor, wenn § 16 TV L bei der Stufenzuordnung staatlicher geprüfter Techniker so angewendet wird, dass bei anderen Arbeitgebern erworbene einschlägige Berufserfahrung im Ergebnis höher bewertet wird als die beim beklagten Land selbst erworbene Berufserfahrung.

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 23.02.2016 - 10 Ca 468/15 E - abgeändert und das beklagte Land verurteilt, an den Kläger 2.922,99 € brutto nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 1.387,39 € seit dem 16.10.2015 und auf einen weiteren Betrag von 1.535,60 € seit dem 01.09.2016 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die tarifliche Stufenzuordnung des Klägers.

Der jetzt 32 Jahre alte Kläger ist staatlich geprüfter Techniker. Er ist seit dem 1. Mai 2010 bei der Niedersächsischen Landesbehörde für auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23. März 2010 (Bl. 6 f. d. A.) beschäftigt. Nach § 2 dieses Arbeitsvertrages gelten für das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TV-L), der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-L) sowie die Tarifverträge, die den TV-L und den TVÜ-L ergänzen oder ersetzen in der Fassung, die für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder für das Land Niedersachsen jeweils gilt.

Mit seiner Einstellung wurde der Kläger zunächst in die Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 1 (staatlich geprüfter Techniker) gemäß § 17 TVÜ-L in Verbindung mit der Anlage 1a zum BAT, Teil II, Abschnitt L, Unterabschnitt I eingruppiert. Dies entsprach gemäß Anlage IV Teil A TV-L der Entgeltgruppe 8 TV-L. Gemäß § 16 Abs. 2 TV-L wurde der Kläger zunächst in die Stufe 1 der Entgeltgruppe 8 eingruppiert und sodann ab dem 1. Mai 2011 in die Stufe 2. Unter Fortgeltung des BAT gemäß § 16 Abs. 3 TVÜ-L wäre der Kläger zum 1. Mai 2013 in die Stufe 3 der Entgeltgruppe 8 aufgestiegen. Mit Inkrafttreten der Entgeltordnung Länder (EntgeltO) ab dem 1. Januar 2012 verlängerte sich die Stufenlaufzeit des Klägers für die Stufe 2 auf fünf Jahre. Gemäß Bescheid vom 15. August 2012 wurde der Kläger gemäß § 29a TVÜ-L rückwirkend ab dem 1. Januar 2012 neu in die Entgeltgruppe 9, Stufe 2 (Fallgruppe 2, Teil II, Abschnitt 22.2 der Anlage A - Entgeltordnung) eingruppiert.

Zum 1. Dezember 2013 stellte das beklagte Land bei der Niedersächsischen Landesbehörde den Mitarbeiter B ein. Unter Anerkennung einschlägiger Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber (§ 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L) wurde der Mitarbeiter B. sofort in die EG 9 Stufe 3 eingruppiert. Entsprechend wurde verfahren zum 1. Februar 2014 mit dem neu eingestellten Mitarbeiter C, zum November 2014 mit dem neu eingestellten Mitarbeiter D. und zum 1. Dezember 2014 mit dem neu eingestellten Mitarbeiter E. Um jeweils zu dieser Eingruppierung zu gelangen hat das beklagte Land nicht von den Sondervorschriften zur Deckung von Personalbedarf nach § 16 Abs. 2 Satz 4 oder § 16 Abs. 5 TV-L Gebrauch gemacht. Es wurde lediglich geprüft, ob die genannten Mitarbeiter über eine mindestens 3-jährige einschlägige Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber verfügen.

Der Kläger wäre nach der tariflichen Praxis des beklagten Landes erst zum 1. Januar 2017 in die Stufe 3 der EG 9 aufgerückt. Er machte mit anwaltlichem Schreiben vom 17. Juni 2015 (Bl. 8 f. d. A.) gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Einstufung in die Entgeltgruppe 9, Stufe 3, rückwirkend ab dem 1. Dezember 2014 geltend. Inzwischen ist der Kläger mit Wirkung vom 31. August 2016 aus den Dienst des Landes Niedersachsen ausgeschieden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die durch die Beklagte vorgenommene Stufenzuordnung entspreche zwar den tariflichen Vorgaben, verstoße jedoch gegen höherrangiges Recht (Art. 3 Abs. 1 GG). In der unterschiedlichen Einstufung seiner Person in Relation zu den neu eingestellten Mitarbeiter liege ein nicht zurechtfertigender Verstoß gegen den verfassungsrechtlich normierten Gleichheitssatz, da nach Januar 2012 eingestellte Mitarbeiter (erste Vergleichsgruppe) bereits nach 3-jähriger einschlägiger Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber der Stufe 3 zugeordnet werden, während Mitarbeiter der Beklagten (zweite Vergleichsgruppe) erst nach 6-jähriger Berufserfahrung in die Stufe 3 eingestuft werden. Unter keinem denkbaren Gesichtspunkt sei es sachlich gerechtfertigt, die bei einem anderen Arbeitgeber erworbene Berufserfahrung höher zu bewerten als die bei dem beklagten Land selbst erworbene Berufserfahrung. Da keine Möglichkeit bestehe, die Ungleichbehandlung auf andere Weise zu beseitigen, habe der Kläger Anspruch auf Anpassung nach oben. Dementsprechend sei ihm bereits ab Dezember 2014 eine Einstufung nach der Stufe 3 zu gewähren.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger rückwirkend ab 1. Dezember 2014 Vergütung nach Entgeltgruppe 9 Stufe 3 TV-L zu gewähren, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz auf die monatlichen Differenzbeträge ab jeweiliger Fälligkeit, frühestens jedoch ab Klagzustellung.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat die Rechtsauffassung vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf das Entgelt nach der Stufe 3 schon ab dem 1. Dezember 2014. Dies ergebe sich bereits daraus, dass arbeitgeberseitig die Regelungen des TV-L korrekt angewendet würden. Der Kläger werde gegenüber neu eingestellten Beschäftigten nicht benachteiligt, da bei neu eingestellten Beschäftigten deren Berufserfahrung nur aus höhengleichbewerteten Tätigkeit anerkannt werde. Demgegenüber könne er seine Berufserfahrung die er in der EG 8 gesammelt habe nicht gleichwertig gegenüber stellen. Es lägen auch keine vergleichbaren Sachverhalte vor, da den Stufenzuordnungen bei Höhergruppierungen gemäß § 17 TV-L und bei Einstellungen gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L unterschiedliche Grundannahmen zugrunde lägen. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Stufenlaufzeiten sei von der Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien gedeckt. Dementsprechend hätte der Kläger frühestens ab dem 1. Januar 2017 der Stufe 3 der EG 9 zugeordnet werden können.

Mit Urteil vom 23. Februar 2016 hat das Arbeitsgericht Hannover eine verfassungsrechtlich zu beanstandende Ungleichbehandlung verneint und die Klage abgewiesen. Primär hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass nach dem Konzept der Tarifvertragsparteien die Stufenzuordnung neu eingestellter Arbeitnehmer grundsätzlich anderen Regeln folge und auf anderen Voraussetzungen beruhe als die Stufenzuordnung bei Höhergruppierungen. Diese Entscheidung ist am 14. März 2016 an die Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufungsschrift ist am 24. März 2016 und die dazugehörige Berufungsbegründung am 11. Mai 2016 und damit noch innerhalb der regulären Berufungsbegründungsfrist beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Zur Begründung seiner Berufung hat der Kläger geltend gemacht, dass im vorliegenden Fall nach den vom 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätzen von einer Verletzung des Gleichheitssatzes auszugehen sei. Es sei vertretbar, einschlägige Berufserfahrung, die bei einem anderen Arbeitgeber erworben worden sei, und einschlägige Berufserfahrung beim selben Arbeitgeber gleich zu bewerten. Es stehe den Tarifvertragsparteien in gewissen Grenzen auch frei, der einschlägigen Berufserfahrung die die Beschäftigten unmittelbar bei ihrem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes erworben haben, größere Bedeutung beizumessen als der Erfahrung, die sie bei anderen Arbeitgebern, insbesondere solchen außerhalb des öffentlichen Dienstes, erworben haben. Nicht vertretbar sei es, die extern erworbene Berufserfahrung höher zu bewerten als die intern erworbene Berufungserfahrung. Es lägen vergleichbare Ausgangssachverhalten zugrunde, da dem Kläger bei der Eingruppierung in die EG 9 zum 1. Januar 2012 keine neue Tätigkeit übertragen worden sei, in welcher er sich neu hätte bewähren müssen. Tatsächlich habe er durchgehend seit dem 1. Mai 2010 diejenige Tätigkeit übertragen bekommen und ausgeübt, die nach der aktuellen Entgeltordnung nach EG 9 bewertet werde. Ergänzend wird auf die Berufungserwiderung vom 11. Mai 2016 und den Schriftsatz der Klägerseite vom 12. August 2016 verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das beklagte Land unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 23. Februar 2016 - 10 Ca 468/15 E - zu verurteilen, an den Kläger 2.922,99 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von 1.387,39 € seit dem 16. Oktober 2015 und auf einen weiteren Betrag in Höhe von 1.535,60 € seit dem 1. September 2016 zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und macht geltend, dass es im Rahmen der Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien liege, neu eingestellte Mitarbeiter - wie hier in Bezug auf die Stufenlaufzeit - gegenüber bereits angestellten Mitarbeitern wie dem Kläger unterschiedlich zu behandeln. Im Hinblick auf den Grundsatz der Bezahlung nach Berufserfahrung und Leistung erfolge die Stufenzuordnung bei Höhergruppierungen im TV-L betragsmäßig; die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe beginne aber mit dem Tag der Höhergruppierung von neuem. "Restzeiten" aus der bisherigen Entgeltgruppe und -stufe würden in der höheren Entgeltgruppe nicht angerechnet. Ergänzend wird auf die Berufungserwiderung des beklagten Landes vom 20. Juli 2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die statthafte und vom Kläger form- und fristgerecht nach § 66 Abs. 1 ArbGG, § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 520 Abs. 3 ZPO eingelegt und begründete Berufung ist zulässig und begründet.

I.

Der Kläger hat in der ausgeurteilten Höhe für den Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis zum 31. August 2016 Anspruch auf Vergütung nach EG 9 Stufe 3 TV-L, da nur so eine gleichheitswidrige Benachteiligung des Klägers gegenüber neu eingestellten Mitarbeitern in gleicher Funktion ausgeglichen werden kann.

1.

Der Umstand, dass der Kläger die ihm übertragene Tätigkeit sechs Jahre ausüben müsste, bevor er in die Stufe 3 eingeordnet wird, derweil externe Bewerber nach anrechenbarer 3-jähriger Berufserfahrung sofort die Vergütung nach EG 9 Stufe 3 erhalten würde zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung des Klägers führen.

a)

Die Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgericht jedoch dazu, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 GG verletzen. Dabei kommt den Tarifvertragsparteien als selbstständigen Grundrechtsträgern allerdings aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser reicht, hängt von den im Einzelfall vorliegenden Differenzierungsmerkmalen ab, wobei den Tarifvertragsparteien in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative zusteht (BAG 20.09.2012, 6 AZR 211/11, Rn. 15 mwN).

b)

Art. 3 GG untersagt zwar auch einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen aber vorenthalten wird. Verfassungsrechtlich Relevant ist jedoch nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem bzw. die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Dabei ist es grundsätzlich dem Normgeber überlassen, die Merkmale zu bestimmen, nach denen Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln (BAG 20.09.2012, 6 AZR 211/11, Rn. 16 mwN).

2.

An diesem Maßstab gemessen, lässt sich nicht rechtfertigen, warum im Ergebnis extern erworbene einschlägige Berufserfahrung höher bewertet wird als die unmittelbar beim Land Niedersachsen erworbene Berufserfahrung.

a)

Wie schon das Arbeitsgericht festgestellt hat, ist der Kläger nach Wortlaut und Systematik der einschlägigen tariflichen Vorschriften zutreffend eingruppiert worden. Durch das Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung der Länder hat sich zum 1. Januar 2012 eine neue grundständige Eingruppierung in die EG 9 TV-L ergeben. Für einen solchen Fall regelt § 29a Abs. 3 Satz 2 TVÜ-L das die Stufenzuordnung in der höheren Entgeltgruppe sich nach den Regelungen für Höhergruppierungen richtet. Hiermit ist die Regelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 TV-L in Bezug genommen, wonach bei einer Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe die Beschäftigten derjenigen Stufe zugeordnet werden, in der sie mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhalten, mindestens jedoch der Stufe 2. Sodann wurden speziell für die Techniker die Stufenlaufzeiten in der Stufe 2 auf fünf Jahre verlängert, sodass dem Kläger nach Tarifwortlaut und -systematik eine Höherstufung in die Stufe 3 erst mit Wirkung zum 1. Januar 2017 zugestanden hätte. Dabei ist jedoch festzuhalten, dass dem Kläger tatsächlich zum 1. Januar 2012 keine neue tariflich anders bewertete Tätigkeit übertragen worden ist, sondern das die dem Kläger ursprünglich übertragene und von diesem seit dem 1. Mai 2010 ausgeübte Tätigkeit nur tariflich neu bewertet worden ist.

b)

Unter ordnungsgemäßer Anwendung des Tarifvertrages hat das beklagte Land auch die vom Kläger benannten Mitarbeiter B, C, D und E eingruppiert. Dabei wurde die Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L zur Anwendung gebracht. Danach erfolgt bei Einstellungen nach dem 31. Januar 2010 und bei vorliegender einschlägiger Berufserfahrung von mindestens drei Jahren eine Eingruppierung in die jeweilige Stufe 3. Ausgehend von diesem Tarifwortlaut hat das beklagte Land nicht geprüft, ob die vom Kläger benannten und tatsächlich mit tariflich gleichwertigen Aufgaben betrauten Mitarbeiter über eine ggf. noch längere (fünf oder sechs Jahre) einschlägige Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber verfügen. Nach dem Tariftext genügt eine mindestens 3-jährige Berufserfahrung für eine Eingruppierung in die Stufe 3. Dabei haben die Tarifvertragsparteien ursprünglich offenbar eine Harmonisierung dieser Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L mit der Regelung in § 16 Abs. 3 TV-L angestrebt: Auch in der "Grundversion" des § 16 Abs. 3 TV-L erfolgt eine Eingruppierung in die Stufe 3 nach einer 3-jährigen Berufserfahrung. Dieser Gleichlauf wäre aufrechterhalten worden, wenn die Tarifvertragsparteien anlässlich der Verlängerung der Stufenlaufzeit bei den Technikern auf fünf Jahre in Stufe 2 diese verlängerte einschlägige Berufserfahrung auch für externe Bewerber nach § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L eingefordert hätten. Eine solche Harmonisierung ist jedoch - aus nicht nachvollziehbaren Gründen - unterblieben.

c)

Der Kläger und die von ihm genannten Mitarbeiter B, C, D und E befanden sich in einer wesentlich gleichen Situation: Allen waren vom beklagten Land bei der Niedersächsischen Landesbehörde als staatlich geprüfte Techniker Aufgaben in der Wertigkeit der EG 9 übertragen. Abweichungen in der Wertigkeit der übertragenen Aufgaben sind von den Parteien nicht vorgetragen worden. Das beklagte Land hat sich auch nicht darauf berufen, dass die vom Kläger benannten Mitarbeiter nach den besonderen Eingruppierungsvorschriften zur Deckung Personalbedarfs nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L oder § 16 Abs. 5 TV-L eingruppiert worden seien. Sowohl hinsichtlich des Klägers als auch hinsichtlich der Mitarbeiter B, C, D und E hat das beklagte Land vorranggegangene einschlägige Berufserfahrung berücksichtigt.

d)

Diese einschlägige Berufserfahrung wurde jedoch nicht im gleichen Maße berücksichtigt. Für diese ungleiche Berücksichtigung der einschlägigen Berufserfahrung liegen rechtfertigende Gründe nicht vor. Es ist den Tarifvertragsparteien grundsätzlich unbenommen, einschlägige Berufserfahrung bei externen Arbeitgebern und beim öffentlichen Arbeitgeber gleich zu bewerten. Mit Urteil vom 16. April 2015 (6 AZR 142/14, Rn. 39) hat das Bundesarbeitsgericht den Tarifvertragsparteien auch zugestanden, einschlägige Berufserfahrung, die die Beschäftigten unmittelbar bei ihrem Arbeitgeber erworben haben, größere Bedeutung beizumessen als der Erfahrung, die sie bei anderen Arbeitgebern, insbesondere solchen außerhalb des öffentlichen Dienstes erworben haben. Gründe, aufgrund derer bei externen Arbeitgebern erworbene Berufserfahrung im Ergebnis höher zu bewerten sein soll als die direkt im Landesdienst erworbene einschlägiger Berufserfahrung sind jedoch nicht ersichtlich. Eine sachliche Rechtfertigung für die vorliegende Ungleichbehandlung lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass die Tarifsystematik bei der Neueingruppierung in eine grundständige Verfügungsgruppe grundsätzlich nach anderen Kriterien erfolgt als bei einer Neueinstellung. Die Umgruppierung des Klägers zum 1. Januar 2012 in die EG 9 erfolgt nämlich nicht unter dem Gesichtspunkt einer tatsächlichen Änderung der Tätigkeit bzw. der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit. Unstreitig hatte der Kläger diese Tätigkeit bereits seit seiner Einstellung am 1. Mai 2010 übertragen bekommen und ausgeübt. Die Tarifvertragsparteien haben sich lediglich entschlossen, dieselbe Tätigkeit neu bewerten. Die in ähnlichem Zusammenhang vorgebrachte Argumentation, dass mit der Übertragung einer tariflich höherwertigen Tätigkeit die Stufen grundsätzlich von neuem zu laufen beginnen, da in der neu übertragenen Tätigkeit neue Fertigkeiten und Erfahrungen gefordert sind, kann in diesem Fall daher nicht greifen. Die von den Tarifvertragsparteien typisierend vorgenommene Annahme, dass nach einer Höhergruppierung grundsätzlich keine einschlägige Berufserfahrung in der höheren Entgeltgruppe vorliegt, kann nur gelten, wenn sich überhaupt eine Änderung der Tätigkeit ergeben hat. Bei Fortführung der identischen Tätigkeit verbietet sich die Betrachtung, dass die Stufenlaufzeit vollständig neu zu laufen beginnt - insbesondere, wenn bei der Beurteilung der einschlägigen Berufserfahrung externen Bewerber ein anderer Maßstab zu Grunde gelegt wird.

3.

Die festgestellte gleichheitswidrige Behandlung der Gruppe der extern eingestellten Techniker mit einschlägiger Berufserfahrung und der beim Land Niedersachsen bereits beschäftigten Techniker könnte von den Tarifvertragsparteien dadurch behoben werden, dass von den externen Bewerbern vor der Einstufung in die Stufe 3 eine mindestens 6-jährige einschlägige Berufserfahrung verlangt wird. Solange dies allerdings nicht der Fall ist, kann die bestehende Ungleichbehandlung nur dadurch behoben werden, dass dem Kläger nach mindestens 3-jähriger Ausübung der Tätigkeit, unter Beachtung der Ausschlussfrist ab dem 1. Dezember 2014, eine Vergütung nach EG 9 Stufe 3 zuerkannt wird. Zur Berechnung des ausgeurteilten Differenzentgelts wird auf die Klagschrift vom 14. Oktober 2015, dort Seite 5, und den Schriftsatz des Klägers vom 29. Juni 2016 verwiesen. Dieser Berechnung ist das beklagte Land nicht entgegen getreten.

Die Höhe der ausgeurteilten Verzugszinsen ergibt sich aus dem verzugsbegründenden Schreiben des Klägers vom 17. Juni 2015 (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB) und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. August 2016 in Verbindung mit § 286 Abs. 2 Ziffer 1 BGB. Die Höhe der geltend gemachten Verzugszinsen rechtfertigt sich aus § 288 Abs. 1 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war gemäß § 64 Abs. 3 Ziffer 1 ArbGG zuzulassen.