Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 25.01.2016, Az.: 12 TaBV 81/15

Mitbestimmung beim Einsatz von Lokführern eines Personaldienstleisters auf Güterzügen der Arbeitgeberin; Unbegründeter Feststellungsantrag des Betriebsrats bei fehlender betrieblicher Eingliederung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
25.01.2016
Aktenzeichen
12 TaBV 81/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 21046
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2016:0125.12TABV81.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 15.07.2015 - AZ: 5 BV 6/15

Fundstelle

  • AE 2016, 206

Amtlicher Leitsatz

1. Der Einsatz von Lokführern eines Personaldienstleisters auf Güterzügen des Arbeitgebers unterliegt nicht dem Mitbestimmungsrecht des dortigen Betriebsrats, wenn diese Lokführer nicht in den Betrieb eingegliedert sind.

2. An der Eingliederung in den Betrieb fehlt es, wenn die typischen Entscheidungen über den Arbeitseinsatz nicht der Arbeitgeber, sondern der Personaldienstleister trifft. Zu diesen Entscheidungen gehören insbesondere die Einteilung der einzelnen Lokführer auf ihre Schichten, die Urlaubsgewährung, die Ablösung für Pausen oder im Krankheitsfall sowie die Erteilung etwaiger Einzelweisungen während der Fahrt.

Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 15. Juli 2015 - 5 BV 6/15 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz noch darüber, ob der Einsatz von Lockführern der M. mbH durch die Beteiligte zu 2) eine Einstellung iSv. § 99 BetrVG darstellt.

Der Antragsteller und Beteiligte zu 1) (künftig: Betriebsrat) ist der aus 19 Mitgliedern bestehende Betriebsrat im Wahlbetrieb C 2 der Beteiligten zu 2) (künftig: Arbeitgeberin). Die Arbeitgeberin ist eine Tochter der D. Bahn AG und betreibt Schienengüterverkehr. Sie beschäftigt ca. 1.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Im Sommer 2014 verhandelten die Beteiligten vor dem Hintergrund eines von der Arbeitgeberin beabsichtigten Abbaus von Zugverspätungen über Flexibilisierungsmöglichkeiten für den Einsatz von Lokführern. Seit September 2014 setzt die Arbeitgeberin Lokführer des Personaldienstleisters M. mbH (im Folgenden: M.) ua. auf einigen Zügen von Mannheim nach Hamburg/Bremerhaven bzw. von Hamburg/Bremerhaven nach Mannheim ein. Der Standort Bremerhaven gehört organisatorisch zum Produktionszentrum A-Stadt und damit zum Wahlbezirk C 2 der Arbeitgeberin. Der Einsatz der Triebfahrzeugführer der M. erfolgt auf Grundlage eines Rahmenvertrages zwischen der Arbeitgeberin und der M. zur Erbringung von Personaldienstleistungen vom 05./08.09.2014 (Bl. 22 ff. d.A.).

Die von der Arbeitgeberin eingesetzten Lokomotiven sind nicht den einzelnen Wahlbetrieben zugeordnet, sondern befinden sich in einem Fahrzeugpool. Bei jedem Fahrplanwechsel ordnet die Zentrale der Arbeitgeberin die Züge jeweils den einzelnen Wahlbetrieben zu. Dort werden unter Beteiligung der örtlichen Betriebsräte die Schichten gebildet. Darüber hinaus werden dort unter Beteiligung der örtlichen Betriebsräte Dienstpläne aufgestellt, in denen Schichten konkreten Mitarbeitern zugeordnet werden. Die Züge, die von Triebfahrzeugführern der M. gefahren werden, sind nicht in diesem Schichtsystem abgebildet.

Die Ressourcenplanung Triebfahrzeugführer der Zentrale der Arbeitgeberin informiert die M. wöchentlich über die besetzenden Leistungen inklusive eventuell vorliegender Fahrplananordnungen. Hierbei geht es jeweils um die Besetzung von Zügen, die ausschließlich von den Triebfahrzeugführern der M. auf einer (Teil-)strecke gefahren werden, nicht um die Besetzung von Schichten. Die Planung, welche (Teil-)strecken von Triebfahrzeugführern der Wahlbetriebe oder von Triebfahrzeugführern der M. gefahren werden, übernimmt stets die Zentrale der Arbeitgeberin. Erfolgt eine Leistungsbeauftragung an die M., regelt die M. die Schichterstellung, die Einsatzplanung und Disposition sowie das Ausfallrisiko der eingesetzten Triebfahrzeugführer in Eigenverantwortung. Die M. kümmert sich auch um die Urlaubsplanung für eigenen Mitarbeiter. Die M. erteilt ihren Arbeitnehmern ggf. Abmahnungen. Die M. hat bei ihrer Schichtplanung zu berücksichtigen, ob, wie und wann ihre Triebfahrzeugführer auf einer Strecke abgelöst werden.

Die Disposition des Wahlbetriebs C 2 erhält lediglich die Information, welcher Zug von einem Triebfahrzeugführer der M. gefahren wird. Vor der Übernahme des zu fahrenden Zuges erhält der Triebfahrzeugführer der M. vom örtlichen Disponenten der Arbeitgeberin - im Wahlbetrieb C 2 im Bahnhof Bremerhaven - die Mitteilung, welches Triebfahrzeug er zu nutzen hat und wo dieses steht. Der zu fahrende Zug steht bereits aus der Bestellung fest. Zudem erhält der Triebfahrzeugführer der M. vom Zugabfertiger der Arbeitgeberin die Zugpapiere. Nach dem Zusammenkoppeln der Lok mit dem bereitgestellten Zug führt der Triebfahrzeugführer der M. eine Bremsprobe durch. Hierfür existieren Vorschriften, an welche sich jedes Eisenbahnverkehrsunternehmen zu halten hat. Die Bremsprobe wird in der Regel durch den Triebfahrzeugführer sowie einen prüfenden Bremsbeamten, der über eine Bremsprobeberechtigung verfügen muss, durchgeführt. Hierbei handelt es sich regelmäßig um einen Mitarbeiter der Arbeitgeberin, welcher sich entweder bereits beim Zug befindet oder auf eine entsprechende Mitteilung des Triebfahrzeugführers hin von der Disposition der Arbeitgeberin zugewiesen wird. Wenn der Zug zur Abfahrt bereit ist, erfolgt eine Mitteilung des Triebfahrzeugführers der M. an die DB Netz AG. Die DB Netz AG ist ein eigenständiges Unternehmen, welches die notwendigen streckenbezogenen Anweisungen erteilt.

Für jede Lokomotive existiert ein individuell vom Fahrzeughersteller ausgestelltes Betriebsbuch, welches die definierten Komponenten der Lok sowie deren Zustand dokumentiert. Weiterhin ist auf jeder Lokomotive der Arbeitgeberin ein Übergabebuch vorhanden, in dem jeder Triebfahrzeugführer eintragen muss, welchen Zug er an welchem Tag gefahren hat. Darüber hinaus sind Schäden und bereits vorgenommene Kontrollen zu dokumentieren. Teilweise liegen Anleitungen bei, wie bei der jeweiligen Baureihe der Lokomotive Kontrollen zu erfolgen haben. Die Triebfahrzeugführer der M. sind verpflichtet, technische Schäden im Triebfahrzeug oder entsprechende Störungen an die von der Arbeitgeberin eingerichtete Hotline zu melden. Sie erhalten dann von dort Weisung, wie sie mit dem Schaden zu verfahren haben, ob und wie er ggf. zu beheben ist. Die Triebfahrzeugführer der M. sind berechtigt, die Sozialräume, insbesondere die Toiletten, in den Betriebsräumlichkeiten der Arbeitgeberin zu nutzen.

Für die Kommunikation zwischen der Disposition der M. und der Disposition der Arbeitgeberin ist im Rahmenvertrag eine Kommunikationsmatrix (Bl. 95, 96 d.A.) vereinbart. Hiernach sind Ereignisse, wie verspätete Zugbildung, Abweichung von der Triebfahrzeugführerplanung, erforderliche Netznummer etc. ab Übernahme durch den Triebfahrzeugführer sowie Zugabstellung zwischen der Disposition der Arbeitgeberin und der Disposition der M. zu kommunizieren. Lediglich Triebfahrzeugschäden sowie die Triebfahrzeugstellung und -abstellung sind direkt der technischen Hotline bzw. der örtlichen Zugdisposition der Arbeitgeberin mitzuteilen. Die Mitteilung der Loknummer erfolgt unmittelbar durch den Triebfahrzeugführer der M. bei der örtlichen Zugdisposition. In Notfällen ist die Arbeitgeberin berechtigt, den Triebfahrzeugführern der M. direkte Anweisungen zu erteilen.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Triebfahrzeugführer der M. würden im Sinne einer Einstellung gem. § 99 BetrVG in den Betrieb der Arbeitgeberin eingegliedert. Hiervon seien die Beteiligungsrechte des Betriebsrats unmittelbar betroffen, wenn die Mitarbeiter der M. auf Lokomotiven eingesetzt würden, die ihre Fahrt in Bahnhöfen des Wahlbetriebs C 2 beginnen. Die Lokführer der M. seien verpflichtet, das Übergabebuch zu führen und das Betriebsbuch mit den maßgeblichen Weisungen für den Betrieb der jeweiligen Lokomotive zu berücksichtigen. Die unmittelbare Weisungsbefugnis der Arbeitgeberin gegenüber den Triebfahrzeugführern der M. für die Betriebssicherheit betreffende Anordnungen und in Notfällen sei nicht präzisiert. Das Vorliegen von Ausnahmefällen und Eilbedürftigkeit gehöre bei der Arbeitgeberin zum täglichen Geschäft, so dass hierdurch ein großer Teil der Einsätze dem Weisungsrecht der Arbeitgeberin unterliege. Der Betriebsrat hat behauptet, in der Regel korrespondierten die Lokführer der M. direkt mit den Disponenten der Arbeitgeberin. Bei der Bremsprüfung seien die M.-Mitarbeiter auf die Mitarbeiter der Rangierer der Arbeitgeberin angewiesen. Insgesamt seien die hohen Sicherheitsstandards naturgemäß nur arbeitsteilig zu bewältigen, so dass tatsächlich eine Eingliederung der Triebfahrzeugführer der M. erfolge.

Der Betriebsrat hat in erster Instanz beantragt,

1. festzustellen, dass der Betriebsrat wegen einer Einstellung im Sinne von § 99 BetrVG zu beteiligen ist, bevor Mitarbeiter der Firma M. Eisenbahn Verkehrsgesellschaft MBH auf Lokomotiven der Antragsgegnerin, die ihre Fahrt in Bahnhöfen beginnen, welche dem Wahlbetrieb C 2 zugeordnet sind, als Lokführer für die Arbeitgeberin tätig werden;

2. festzustellen, dass die Einsätze der Mitarbeiter der Firma M. Eisenbahnverkehrsgesellschaft mbH auf Lokomotiven der Antragsgegnerin als Lokführer, ohne dass der Betriebsrat diesbezüglich im Rahmen des § 99 BetrVG beteiligt wurde, Verstöße im Sinne der Vereinbarung vom 09.07.2012 darstellten;

3. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen von Fremdunternehmen einzusetzen, ohne den Betriebsrat gemäß § 99 BetrVG zu beteiligen oder bei erfolgter Zustimmungsverweigerung ohne ein Zustimmungsersetzungsverfahren oder ein Verfahren gemäß § 100 BetrVG eingeleitet zu haben;

4. der Arbeitgeberin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 3 ein Ordnungsgeld anzudrohen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin hat ihre Auffassung vertreten, bei dem Einsatz von Lokführern der M. liege weder Leiharbeit vor, noch handele es sich um eine Eingliederung in den Wahlbetrieb C 2 entsprechend einer Einstellung iSv. § 99 BetrVG.

Die Triebfahrzeugführer der M. bekämen weder vor Ort noch während der Zugfahrt arbeitgeberseitig relevante Weisungen. Die Meldung beim Disponenten am Tag der Tätigkeitsaufnahme diene lediglich dem Abfragen des zu nutzenden Triebfahrzeuges und des Abstellplatzes. Hierdurch würden dem Triebfahrzeugführer die notwendigen Betriebsmittel zur Verfügung gestellt. Der notwendige Inhalt der Bremsproben sei durch für alle Eisenbahnverkehrsunternehmen geltende Vorschriften einheitlich geregelt. Eine fachliche oder disziplinarische Weisungsbefugnis des prüfenden Bremsbeamten bestehe nicht. Die zentrale Planung und Bestellung der Leistungen der M. liege zentral in den Händen der Arbeitgeberin in C-Stadt. Die Übernahme von Zügen, die zuvor bei der M. beauftragt worden seien, durch eigene Triebfahrzeugführer der Arbeitgeberin erfolge lediglich im Einzelfall bei Verspätung, die über sechs Stunden hinausgehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die von den Beteiligten in erster Instanz gewechselten Schriftsätze und die Erklärungen zu Protokoll im Anhörungstermin am 15.07.2015 vor dem Arbeitsgericht Hannover verwiesen.

Mit Beschluss vom 15.07.2015 hat das Arbeitsgericht Hannover die vom Betriebsrat gestellten Anträge insgesamt zurückgewiesen. Der entsprechende Beschluss wurde am 07.08.2015 an den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats zugestellt. Die hiergegen gerichtete Beschwerdeschrift ist am 02.09.2015 und die dazugehörige Beschwerdebegründung am 09.11.2015 und damit noch vor Ablauf der verlängerten Beschwerdebegründungsfrist am 09.11.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Zur Begründung seiner Beschwerde macht der Betriebsrat geltend, dass bei einer Beschäftigung von Arbeitnehmern im Betrieb der Antragstellerin stets eine Einstellung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne vorliege. Bei der Unterscheidung zwischen Dienst- und Arbeitnehmerüberlassungsvertrag komme es auf die Organisationsgewalt des Dienstunternehmers und das Bestehen unternehmerischer Entscheidungsmöglichkeiten an. Im vorliegenden Fall bleibe für das Weisungsrecht der M. lediglich die Entscheidung, welcher Lokführer wann und wo eingesetzt werde. Alle weiteren Entscheidungen auch in Bezug auf die Triebfahrzeugführer der M. treffe dann die Arbeitgeberin. Der M. sei eine weitere Einwirkung auf ihre eigenen Arbeitnehmer während der Fahrt gar nicht mehr möglich. Im Ergebnis sei auch eine Eingliederung der Triebfahrzeugführer der M. in den Betrieb der Arbeitgeberin zu bejahen. Die Tätigkeit, die von der M. durchgeführt werde, verfolge den gleichen arbeitstechnischen Zweck, den auch die eigenen Lokführer der Arbeitgeberin verfolgten. Auch wenn dies in einem eigenen Dienstplan festgehalten werde, so würden die M.-Mitarbeiter genau in den Lücken eingesetzt, die die Arbeitgeberin in dem eigenen Dienstplan für die Mitarbeiter der M. gerade belasse.

Ergänzend wird zur Beschwerdebegründung auf den Schriftsatz des Betriebsrats vom 09.11.2015 verwiesen.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 15.07.2015 - 5 BV 6/15 - abzuändern und festzustellen, dass der Betriebsrat wegen einer Einstellung im Sinne von § 99 BetrVG zu beteiligen ist, bevor Mitarbeiter der Firma M. Eisenbahn Verkehrsgesellschaft mbH auf Lokomotiven der Arbeitgeberin, die ihre Fahrt in Bahnhöfen beginnen, welche dem Wahlbetrieb C 2 zugeordnet sind, als Lokführer für die Arbeitgeberin tätig werden.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss und weist darauf hin, dass das rechtlich maßgebliche Kriterium nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allein eine etwaige Eingliederung der Triebfahrzeugführer der M. in den Betrieb der Arbeitgeberin sei. Eine solche Eingliederung liege gerade nicht vor. Die M. entscheide nicht nur selbständig, welchen Triebfahrzeugführer sie auf dem von der Arbeitgeberin vorgegebenen Zug einsetzt, sondern auch wie viele Triebfahrzeugführer die Strecke fahren, wo und wie lange die Pausen sind, sowie wann und wo der Lokpersonalwechsel stattfindet. Auch zusätzliche Leistungen bzw. andere Leistungen, die vorher nicht mit der M. vereinbart wurden, könne die Arbeitgeberin nicht den Triebfahrzeugführern der M. übertragen. Darüber hinaus informiere die Disposition der M. selbst ihre Triebfahrzeugführer über einen etwaigen verspäteten Schichtstart. Auch während der Fahrt stehe der M. das Weisungsrecht zu. Komme es beispielsweise zu einer Streckensperrung, informiere der Lokführer die Disposition der M.. Diese nehme sodann die erforderlichen Umdisponierungen vor.

Ergänzend wird auf die Beschwerdeerwiderung der Arbeitgeberin vom 17.12.2015 verwiesen.

II.

Die statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Beschwerde des Betriebsrats ist zulässig aber unbegründet.

Der in der Beschwerdeinstanz zuletzt gestellte Feststellungsantrag ist hinreichend bestimmt. Für ihn besteht ein Feststellungsinteresse. Er ist geeignet, die zwischen den Beteiligten fortlaufend strittige Frage, ob der Betriebsrat wegen einer Einstellung im Sinne von § 99 BetrVG zu beteiligen ist, bevor Mitarbeiter der Firma M. auf Lokomotiven der Arbeitgeberin, die ihre Fahrt in Bahnhöfen beginnen, welche dem Wahlbetrieb C 2 zugeordnet sind, als Triebfahrzeugführer für die Arbeitgeberin tätig werden, der gerichtlichen Klärung zuzuführen. Der Betriebsrat muss sich insbesondere nicht darauf verweisen lassen, in jedem Einzelfall der vermeintlichen Einstellung ohne seine Zustimmung ein Verfahren gemäß § 101 BetrVG einzuleiten.

1.

Gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitnehmer in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 Wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Einstellung zu unterrichten und dessen Zustimmung zu beantragen. Maßgeblich für die Mitbestimmung bei Einstellungen nach § 99 Abs. 1 BetrVG ist die Eingliederung der Beschäftigten und nicht in Natur des Rechtsverhältnisses, in dem diese Person zum Betriebsinhaber stehen. Eine Einstellung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG setzt nicht notwendig die Begründung eines Arbeitsverhältnisses voraus. Das Rechtsverhältnis zum Betriebsinhaber kann auch ein Dienst- oder Werkvertrag sein, es kann sogar - wie § 14 Abs. 3 AÜG für Leiharbeitnehmer zeigt - gänzlich fehlen. Eingegliedert ist, wer eine ihrer Art nach weisungsgebundene Tätigkeit verrichtet, die der Arbeitgeber organisiert. Der Beschäftigte muss so in die betrieblichen Abläufe integriert sein, dass der Arbeitgeber das für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht inne hat und die Entscheidung über den Einsatz nach Inhalt, Ort und Zeit trifft. Der Betriebsinhaber muss diese Arbeitgeberfunktion wenigstens im Sinne einer aufgespaltenen Arbeitgeberstellung teilweise ausüben. Hierfür kommt es darauf an, ob diesem Weisungsbefugnisse zustehen in Folge dessen ihm eine betriebsverfassungsrechtlich relevante (und sei es partielle) Arbeitgeberstellung zukommt. Die Frage der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation hängt dabei von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Der Einsatz von Fremdarbeitnehmern, die aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrages ihres Vertragsarbeitgebers auf dem Betriebsgelände eines anderen Arbeitgebers tätig sind, führt allein noch nicht zu ihrer Eingliederung und damit nicht zu einer Einstellung im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, selbst wenn die von ihnen zu erbringende Dienst- oder Werkleistung hinsichtlich Art, Umfang, Güte, Zeit und Ort in den betrieblichen Arbeitsprozess eingeplant ist. Vielmehr müssen sie so in den fremden Betrieb eingegliedert sein, dass deren Inhaber die für ein Arbeitsverhältnis typischen Entscheidungen über den Arbeitseinsatz des Fremdpersonals trifft (BAG 13.05.2014, 1 ABR 50/12, Rn. 18 ff.).

2.

In Anwendung dieser Grundsätze liegt eine Eingliederung der Triebfahrzeugführer der M. in den Wahlbetrieb C 2 der Arbeitgeberin nicht vor. Der Arbeitgeberin kommt im Wahlbetrieb C 2 gegenüber den Beschäftigten der M. eine betriebsverfassungsrechtliche Arbeitgeberstellung nicht zu.

a)

Dagegen, dass die Arbeitgeberin gegenüber den Triebfahrzeugführern der M. ein betriebsverfassungsrechtliches relevantes Weisungsrecht ausübt spricht zunächst der Umstand, dass dieses Fremdpersonal nicht in die Dienstpläne der Arbeitgeberin integriert ist. Die Disposition der Triebfahrzeugführer der M. erfolgt allein durch die Vertragsarbeitgeberin, die M. selbst. Dies ergibt sich aus Ziff. 4.2 des Rahmenvertrages vom 05./08.09.2014. Dazu gehört insbesondere die Einteilung der einzelnen Triebfahrzeugführer der M. auf ihre Schichten, die Urlaubsgewährung und die Ablösung für Pausen oder im Krankheitsfall. Diese "typischen Entscheidungen über den Arbeitseinsatz" trifft hier nicht die Arbeitgeberin, sondern die Disposition der M..

b)

Auch während der eigentlichen Zugfahrt unterliegen die Triebfahrzeugführer der M. nicht dem Weisungsrecht der Disponenten der Arbeitgeberin. Dies folgt aus der im Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag vereinbarten Kommunikationsmatrix (Bl. 95 f. d.A.). Nach dieser erfolgt - mit Ausnahme eines Triebfahrzeugschadens sowie in Notfällen - in sämtlichen Fällen des normalen Fahrbetriebs eine Kommunikation ausschließlich zwischen der Zentrale der Arbeitgeberin und der M.. Erst die Disposition der M. wendet sich dann an ihre eigenen Triebfahrzeugführer. Daraus folgt die vertraglich Festlegung, dass die Arbeitgeberin den bei ihr eingesetzten Triebfahrzeugführern der M. nicht einseitig Transportleistungen zuweisen kann, die über das zuvor mit der M. vertraglich Vereinbarte hinausgehen. Die in Ziff. 3.10 des Rahmenvertrages geregelte unmittelbare Kommunikation der Triebfahrzeugführer der M. mit der Arbeitgeberin im Notfall dient der Gefahrenabwehr sowie zur Sicherstellung der sich aus der Eisenbahnuntersuchungsverordnung ergebenden Melde- und Verkehrssicherungspflichten der Arbeitgeberin.

Soweit der Betriebsrat in der ersten Instanz noch vorgetragen hat, dass das Vorliegen von Ausnahme- und Notfällen zum täglichen Geschäft gehöre und damit häufig vorkomme, musste das Beschwerdegericht diesem Einwand - auch unter Beachtung der Vorgaben des Amtsermittlungsgrundsatzes - nicht weiter nachgehen, weil der Betriebsrat diese von der Arbeitgeberin bestrittene Behauptung mit der Beschwerdebegründung nicht weiter vertieft hat. Das Arbeitsgericht hat in seinem Beschluss vom 15.07.2015 - dort unter II 1. b. cc. (2) - darauf hingewiesen, dass das diesbezügliche Vorbringen des Betriebsrates so wenig konkret ist, dass es keinen Anhaltspunkt für weitere Ermittlungen des Gerichts gibt. Diesen Hinweis hat der Betriebsrat nicht zum Anlass genommen, sein entsprechendes Vorbringen in der Beschwerdebegründung zu vertiefen. Das Beschwerdegericht musste daher davon ausgehen, dass in der betrieblichen Praxis - zumindest ganz überwiegend - nach den Vorgaben der Kommunikationsmatrix verfahren wird.

c)

Eine Arbeitgeberstellung der Arbeitgeberin gegenüber dem Fremdpersonal der M. ergibt sich auch nicht daraus, dass die eingesetzten Triebfahrzeugführer der M. das bei der Arbeitgeberin geltende umfangreiche Regelwerk zu beachten haben. Zum einen hat die M. gem. Ziff. 4.9 des Rahmenvertrages diese Verpflichtung selbst übernommen. Zum anderen schließen die Vorschriften über den Dienst- oder Werkvertrag nicht aus, dass die zu erbringende Dienstleistung vertraglich hinsichtlich aller Einzelheiten so detailliert bestimmt vereinbart wird, dass dem Dienstnehmer hinsichtlich der Erbringung der Dienstleistung kaum noch ein eigener Entscheidungsspielraum mehr verbleibt (BAG 05.03.1991, 1 ABR 39/90, Rn. 22). Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts insbesondere für Dienstleistungen, bei denen aus Gründen der Verkehrssicherheit ein hoher Qualitätsstandard angelegt werden muss. Dessen Einhaltung kann durch eine Vielzahl gesetzlicher Bestimmungen auf nationaler und europäischer Ebene geregelt sein. Das hier von der Arbeitgeberin für die Fremdkräfte vorgegebene Regelwerk stellt sich als projektbezogene Anweisung im Sinne von § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB dar (vgl. BAG 18.01.2012, 7 AZR 723/10, Rn. 33).

d)

Die von den Lokführern der M. gemeinsam mit Mitarbeitern der Arbeitgeberin durchzuführenden Bremsproben nach dem Zusammenkoppeln des Triebfahrzeugs mit dem Zug im Ausgangsbahnhof stellt sich nicht als Ausübung arbeitgebertypischer Entscheidungen über den Einsatz des Fremdpersonals dar. Der Inhalt und die Durchführung der Bremsprobe ergeben sich aus einem für alle Eisenbahnunternehmen geltenden Regelwerk. Es ist nicht ersichtlich, dass die Triebfahrzeugführer der M. hierbei arbeitgebertypischen Weisungen seitens der Arbeitgeberin unterliegen. Vielmehr bestimmt der Triebfahrzeugführer selbst, wann die Bremsprobe durchgeführt wird und zieht hierfür einen Mitarbeiter der Arbeitgeberin als prüfenden Bremsbeamten hinzu.

e)

Im Übrigen macht sich das Beschwerdegericht gem. §§ 87 Abs. 2, 69 Abs. 2 ArbGG die Ausführungen des sorgfältig abgefassten Beschlusses des Arbeitsgerichts Hannover vom 15.07.2015 voll umfänglich zu eigen.

Der vorliegende Fall ist dadurch charakterisiert, dass nachdem die M. einen ihrer Triebfahrzeugführer einer von der Arbeitgeberin beauftragten Stecke zu einem bestimmten Datum und zu einer bestimmten Abfahrtszeit zugewiesen hat, im störungsfreien Normalbetrieb weder die M. noch die Arbeitgeberin weitere "für ein Arbeitsverhältnis typische Entscheidungen über den Arbeitseinsatz" zu treffen haben. Der einmal "aufs Gleis gesetzte" Triebfahrzeugführer erledigt seine Arbeit im Rahmen der technischen Vorgaben und öffentlich-rechtlichen Vorschriften vielmehr weitgehend selbständig.

III.

Die Rechtsbeschwerde war daher gem. §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG wegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.