Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.05.2014, Az.: 8 ME 39/14

Erteilung einer Betretenserlaubnis im einstweiligen Rechtsschutz trotz Ausweisung aufgrund der Begehung von Straftaten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.05.2014
Aktenzeichen
8 ME 39/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 15060
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0513.8ME39.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 17.03.2014 - 11 B 789/14

Fundstellen

  • AUAS 2014, 122-124
  • InfAuslR 2014, 275-277

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Erteilung einer Betretenserlaubnis an einen ausgewiesenen Ausländer für die Dauer von zwei Wochen, um den Kontakt zu seinen im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen halten zu können, ist zu versagen, wenn keine Härtegründe iSd. § 11 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

  2. 2.

    Eine unbillige Härte kann sich mit Blick auf familiäre, verwandtschaftliche oder humanitäre Verhältnisse ergeben, etwa wenn der Ausländer an einer wichtigen Familienfeier oder Trauerfeier teilnehmen oder einen schwer erkrankten nahen Familienangehöriger besuchen will. Der zwingende Grund und auch die unbillige Härte müssen dabei so gewichtig sein, dass sie eine zeitlich begrenzte Durchbrechung der Sperrwirkung der Ausweisung oder Abschiebung nach § 11 Abs. 1 AufenthG bei Abwägung der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheinen lassen.

  3. 3.

    Der mit der Ausweisung zwangsläufig verbundenen zeitweisen Aufhebung der ehelichen und familiären Lebensgemeinschaft und den damit einhergehenden Härten für alle betroffenen Familienmitglieder kommt regelmäßig nicht ein solches Gewicht zu, dass es eine Durchbrechung der Sperrwirkung der Ausweisung rechtfertigen könnte. Es handelt sich vielmehr um die typischen Folgen, die jeden ausgewiesenen Ausländer mit Bindungen an im Bundesgebiet verbleibende Familienangehörige treffen. Etwas anderes mag ausnahmsweise dann gelten, wenn nach der Entscheidung über die Ausweisung und die Befristung von deren Wirkung eine kurzzeitige Änderung der tatsächlichen, insbesondere der persönlichen Umstände eintritt, die dem privaten Interesse, im Bundesgebiet eine eheliche oder familiäre Lebensgemeinschaft zu führen, ein das öffentliche Interesse, den ausgewiesenen Ausländer vom Bundesgebiet fernzuhalten, überwiegendes Gewicht verleiht. Bei einer dauerhaften Änderung der tatsächlichen Umstände dürfte vorrangig eine Anpassung der Befristungsentscheidung in Betracht kommen.

Tenor:

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichter der 11. Kammer - vom 17. März 2014 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Verfahrens wegen Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die vorläufige Erteilung einer Betretenserlaubnis.

Der 1981 geborene Antragsteller ist montenegrinischer Staatsangehöriger und 1992 erstmals in das Bundesgebiet eingereist. Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder, des 2004 geborenen montenegrinischen Staatsangehörigen B. und der 2005 geborenen deutschen Staatsangehörigen C.. Der Antragsteller schloss weder die Schule noch eine Berufsausbildung ab und war mit seiner Familie zur Lebensunterhaltssicherung auf öffentliche Leistungen angewiesen. Zuletzt verfügte der Antragsteller über eine Niederlassungserlaubnis.

Nach wiederholten strafgerichtlichen Verurteilungen in den Jahren 1997 bis 2007, unter anderem wegen Diebstahls, Betruges und unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln, verhängte das Amtsgericht D. mit Urteil vom 7. Dezember 2010 wegen unerlaubten Handelns mit Betäubungsmitteln in 404 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit einem Vergehen gegen das Waffengesetz, sowie wegen Besitzes einer nicht geringen Menge von Betäubungsmitteln gegen den Antragsteller eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren, die vollstreckt worden ist.

Mit Bescheid vom 26. März 2012 wies der Antragsgegner den Antragsteller mit unbefristeter Wirkung aus dem Bundesgebiet aus, forderte ihn zur Ausreise aus dem Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach Haftende auf und drohte ihm die Abschiebung nach Montenegro an. Zur Begründung machte der Antragsgegner geltend, der Antragsteller habe aufgrund der letzten strafgerichtlichen Verurteilung den Ausweisungstatbestand des § 53 Nr. 2 AufenthG verwirklicht. Da er nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz genieße, sei die zwingende Ausweisung zur Regelausweisung herabgestuft. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Hilfsweise werde der Antragsteller im Ermessenswege ausgewiesen. Unter Berücksichtigung der begangenen schwerwiegenden Straftaten und der hohen Wiederholungsgefahr überwiege auch angesichts der bisherigen Entwicklung des Antragstellers und der nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK schutzwürdigen Bindungen an das Bundesgebiet, insbesondere an seine Frau und die gemeinsamen Kinder, das öffentliche Ausweisungsinteresse. Die gegen diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgericht erhobene Klage nahm der Kläger zurück.

Mit weiterem Bescheid vom 18. September 2012 befristete der Antragsgegner die Wirkungen seiner Ausweisungsverfügung vom 26. März 2012 auf die Dauer von vier Jahren. Zur Begründung verwies er auf den einerseits schwerwiegenden Ausweisungsanlass und die hohe, auch durch die bisher nicht erfolgreich therapierte Betäubungsmittelabhängigkeit begründete Wiederholungsgefahr sowie andererseits die familiären Bindungen des Antragstellers zu seiner im Bundesgebiet lebenden Ehefrau und den gemeinsamen Kindern. Auch die gegen diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgericht erhobene Klage nahm der Antragsteller zurück.

Nachdem der Antragsteller am 12. Dezember 2013 aus der Strafhaft entlassen worden war, reiste er am 15. Januar 2014 aus dem Bundesgebiet aus und lebt seitdem in Montenegro.

Am 16. Januar 2014 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner die Erteilung einer Betretenserlaubnis für die Dauer von zwei Wochen, um den Kontakt zu seinen im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen halten zu können. Die mit der Trennung von seinen noch kleinen Kindern verbundenen Härten könnten durch die Betretenserlaubnis gemildert werden.

Nach Anhörung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 5. Februar 2014 die Erteilung der Betretenserlaubnis ab. Es läge weder ein die Anwesenheit des Antragstellers im Bundesgebiet erfordernder zwingender Grund vor, noch eine unbillige Härte. Die aufgrund der Ausweisung eintretende Trennung des Antragstellers von seinen im Bundesgebiet lebenden Angehörigen sei bereits bei Erlass der Ausweisungsverfügung und der Befristungsentscheidung berücksichtigt worden, habe das aufgrund der hohen Wiederholungsgefahr bestehende öffentliche Ausweisungsinteresse aber nicht überwinden und auch eine Befristung auf eine Dauer von weniger als vier Jahren nicht rechtfertigen können. Zudem sei nach der Haftentlassung noch ein Zusammenleben für die Dauer eines Monats ermöglicht worden. Weiterhin gewünschte Kontakte könnten auch auf andere Weise realisiert werden, etwa durch eine Reise der Familienangehörigen nach Montenegro.

Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller bei dem Verwaltungsgericht Klage erhoben und um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ersucht. Er hat beantragt,

den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig zur Erteilung einer Betretenserlaubnis für die Dauer von zwei Wochen zu verpflichten.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 17. März 2014 abgelehnt, da der Antragsteller weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht habe. Auch mit Blick auf das nach Art. 6 GG schutzwürdige Interesse an einem familiären Zusammenleben im Bundesgebiet liege angesichts der hohen Gefahr erneuter strafrechtlicher Verfehlungen, der erst kurzen zeitlichen Trennung und der Möglichkeit von Besuchen seiner Ehefrau und Kinder in Montenegro derzeit eine unbillige Härte nicht vor.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren unverändert weiter verfolgt und für die er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt.

II.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist abzulehnen, da der Beschwerde des Antragstellers die nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg fehlt.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller eine Betretenserlaubnis für die Dauer von zwei Wochen zu erteilen. Der Antragsteller hat weder einen Anordnungsgrund (1.) noch einen Anordnungsanspruch (2.) in einer den Anforderungen des § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO genügenden Weise glaubhaft gemacht.

1. Ein Anordnungsgrund ist gleichzusetzen mit einem spezifischen Interesse gerade an der begehrten vorläufigen Regelung. Dieses Interesse ergibt sich regelmäßig aus einer besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtsschutzgewährung (vgl. Senatsbeschl. v. 19.10.2010 - 8 ME 221/10 -, [...] Rn. 4; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: April 2013, § 123 Rn. 81). Dabei ist einem die Hauptsache vorweg nehmenden Antrag im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise (vgl. zum grundsätzlichen Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes: BVerwG, Beschl. v. 27.5.2004 - BVerwG 1 WDS VR 2.04 -, [...] Rn. 3; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 19.7.1962 - I B 57/62 -, OVGE MüLü 18, 387, 388 f.) dann stattzugeben, wenn durch das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes ist Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.4.2008 - 2 BvR 338/08 -, [...] Rn. 3; Beschl. v. 25.10.1988 - 2 BvR 745/88 -, BVerfGE 79, 69, 74; BVerwG, Beschl. v. 10.2.2011 - BVerwG 7 VR 6.11 -, [...] Rn. 6; Beschl. v. 29.4.2010 - BVerwG 1 WDS VR 2.10 -, Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 28; Senatsbeschl. v. 12.5.2010 - 8 ME 109/10 -, [...] Rn. 14; Finkelnburg/Dombert/
Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl., Rn. 193 f. jeweils m.w.N.).

Hier erstrebt der Antragsteller eine solche Vorwegnahme der Hauptsache. Das Ziel der von ihm begehrten Regelungsanordnung ist mit dem Ziel der noch bei dem Verwaltungsgericht - 11 A 788/14 - anhängigen Verpflichtungsklage identisch. Dem steht nicht entgegen, dass die im einstweiligen Anordnungsverfahren erstrebte Regelung vorläufig wäre und unter der auflösenden Bedingung des Ergebnisses des Klageverfahrens stünde. Denn auch die bloße vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache vermittelt die mit dem Klageverfahren erstrebte Rechtsposition und stellt den Antragsteller - ohne, dass diese Rechtsstellung rückwirkend wieder beseitigt werden könnte - vorweg so, als wenn er im Klageverfahren bereits obsiegt hätte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.12.1989 - BVerwG 2 ER 301.89 -, Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 15; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 8.10.2003 - 13 ME 342/03 -, NVwZ-RR 2004, 258 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 21.10.1987 - 12 B 109/87 -, NVwZ-RR 1988, 19; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., Rn. 180 m.w.N.).

Der nach dem eingangs dargestellten Maßstab nur ausnahmsweise mögliche Erlass einer solchen, die Hauptsache vorweg nehmenden Regelungsanordnung kommt hier nicht in Betracht. Denn der Antragsteller hat nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihm ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Er hat lediglich auf die mögliche Dauer des Hauptsacheverfahrens verwiesen und geltend gemacht, für diese Dauer sei ihm ein Abwarten unzumutbar. Nachvollziehbare tatsächliche Umstände, aus denen sich eine solche Unzumutbarkeit ergeben könnte, hat der Antragsteller indes nicht dargelegt. Sie sind für den Senat - angesichts der Laufzeiten erstinstanzlicher Hauptsacheverfahren von deutlich weniger als einem Jahr (vgl. Geschäftsbericht 2013 des Präsidenten des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, S. 7, veröffentlicht unter www.oberverwaltungsgericht.niedersachsen.de) - unter Berücksichtigung der sich aus Art. 6 GG ergebenden Schutzwirkungen für die Beziehung des Antragstellers zu seiner im Bundesgebiet lebenden Ehefrau und den gemeinsamen Kindern auch nicht offensichtlich. Abgesehen von dem grundlegenden Interesse, die eheliche und familiäre Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zu führen, sind diese derzeit nicht ersichtlich auf konkrete Beistands- oder Unterstützungsleistungen des Antragstellers angewiesen, die nur im Bundesgebiet erbracht werden könnten. Die eheliche und familiäre Lebensgemeinschaft war vielmehr auch in den vergangenen Jahren, in denen der Antragsteller seine Strafhaft verbüßte, von wohl regelmäßigen, aber bloßen Besuchs- und Umgangskontakten geprägt. Weitergehende Beistands- oder Erziehungsleistungen konnte der Antragsteller nicht erbringen. Ebenso fehlte es an Beiträgen des Antragstellers zur Sicherung des Lebensunterhalts der Familie. Die damit verbleibende Pflege von Kontakten ist jedenfalls für die Dauer des Hauptsacheverfahrens zumutbar über Post, Telefon und E-Mail sowie Besuche der Ehefrau und Kinder in Montenegro möglich.

2. Der Antragsteller hat auch das Bestehen eines (Anordnungs-)Anspruchs auf Erteilung einer Betretenserlaubnis nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht glaubhaft gemacht.

Nach dieser Bestimmung kann einem ausgewiesenen oder abgeschobenen Ausländer auch während der Dauer eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde.

Zwingende Gründe können insbesondere in den persönlichen Verhältnissen des Ausländers selbst begründet sein, etwa wenn er Termine bei Gerichten oder Behörden wahrzunehmen hat; dabei können auch öffentliche Interessen eine Rolle spielen (Nr. 11.2.5 Satz 1 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz - AVwV AufenthG - vom 26.10.2009, GMBl. S. 877; vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 18.3.2010 - 1 B 45/10 -, [...] Rn. 5 f.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 10.6.2009 - 19 C 09.1178 -, [...] Rn. 4 f.; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 20.2.2007 - 11 ME 386/06 -, NVwZ-RR 2007, 417; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Mai 2012, AufenthG § 11 Rn. 57 f. m.w.N.). Eine unbillige Härte kann sich hingegen, ohne dass sie stets klar von einem zwingenden Grund abgegrenzt werden könnte (oder müsste), insbesondere mit Blick auf familiäre, verwandtschaftliche oder humanitäre Verhältnisse ergeben, etwa wenn der Ausländer an einer wichtigen Familienfeier oder Trauerfeier teilnehmen oder einen schwer erkrankten nahen Familienangehöriger besuchen will (Nr. 11.2.5 Satz 2 AVwV AufenthG; vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 22.12.2006 - 11 ME 393/06 -, [...] Rn. 12; Hamburgisches OVG, Beschl. v. 27.1.2005 - 3 Bs 458/04 -, [...] Rn. 24; OVG Berlin, Beschl. v. 9.1.2001 - 8 SN 234.00 -, InfAuslR 2001, 169, 170; Hailbronner, a.a.O., § 11 Rn. 59 f.). Der zwingende Grund und auch die unbillige Härte müssen dabei so gewichtig sein, dass sie eine zeitlich begrenzte Durchbrechung der Sperrwirkung der Ausweisung oder Abschiebung nach § 11 Abs. 1 AufenthG bei Abwägung der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheinen lassen (vgl. OVG Berlin, Beschl. v. 9.1.2001, a.a.O.).

Hieran gemessen erfüllt der Antragsteller die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Betretenserlaubnis nicht. Das Vorliegen zwingender Gründe hat er schon nicht geltend gemacht; das Vorliegen einer unbilligen Härte hat er nicht glaubhaft gemacht.

Das private Interesse des Antragstellers, auch während des vierjährigen Einreise- und Aufenthaltsverbotes in regelmäßigen Abständen den unmittelbaren Kontakt zu seiner im Bundesgebiet lebenden Ehefrau und den gemeinsamen Kindern zu pflegen, ist jedenfalls derzeit nicht so gewichtig, dass es eine Durchbrechung der Sperrwirkung der Ausweisung rechtfertigen könnte. Das private Interesse des Antragstellers genießt zwar den Schutz des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG, dieser vermittelt dem Antragsteller aber keinen unmittelbaren Anspruch auf Einreise in das und Aufenthalt im Bundesgebiet. Gefordert ist lediglich eine angemessene Berücksichtigung der familiären Bindungen zu im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 -, [...] Rn. 12 m.w.N.). Diese geforderte angemessene Berücksichtigung ist zunächst bei der bestandskräftigen Entscheidung über die Ausweisung des Antragstellers aus dem Bundesgebiet (Bescheid v. 26.3.2012, dort S. 3 f.) und bei der ebenfalls bestandskräftigen Entscheidung über die Befristung der Wirkungen dieser Ausweisung (Bescheid v. 18.9.2012) erfolgt. Auch unter Berücksichtigung der familiären Bindungen des Antragstellers zu seinen im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen ist die Ausweisung aus dem Bundesgebiet und das damit verbundene, auf die Dauer von vier Jahren befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot verhältnismäßig, ohne dass es zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit des Rückgriffs auf die Betretenserlaubnis als mögliches Remedurmittel (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 13.12.2005 - BVerwG 1 C 36.04 -, [...] Rn. 16) bedurft hätte. Gleichsam kommt der mit der Ausweisung nahezu zwangsläufig verbundenen zeitweisen Aufhebung der ehelichen und familiären Lebensgemeinschaft und den damit einhergehenden Härten für alle betroffenen Familienmitglieder regelmäßig nicht ein solches Gewicht zu, dass es eine Durchbrechung der Sperrwirkung der Ausweisung rechtfertigen könnte. Es handelt sich vielmehr um die typischen Folgen, die jeden ausgewiesenen Ausländer mit Bindungen an im Bundesgebiet verbleibende Familienangehörige treffen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 1.4.2009 - 7 ME 233/08 -, Umdruck S. 3 f. V.n.b.). Etwas anderes mag ausnahmsweise dann gelten, wenn nach der Entscheidung über die Ausweisung und die Befristung von deren Wirkung eine kurzzeitige Änderung der tatsächlichen, insbesondere der persönlichen Umstände eintritt, die dem privaten Interesse, im Bundesgebiet eine eheliche oder familiäre Lebensgemeinschaft zu führen, ein das öffentliche Interesse, den ausgewiesenen Ausländer vom Bundesgebiet fernzuhalten, überwiegendes Gewicht verleiht. Bei einer dauerhaften Änderung der tatsächlichen Umstände dürfte vorrangig eine Anpassung der Befristungsentscheidung in Betracht kommen (vgl. zu dieser Möglichkeit: Senatsurt. v. 14.2.2013 - 8 LC 129/12 -, [...] Rn. 57).

Hier hat der Antragsteller eine auch nur kurzzeitige Änderung der tatsächlichen Umstände indes nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere ergibt sich aus seinem Vorbringen eine signifikante Reduzierung der Gefahr erneuter strafrechtlicher Verfehlungen nicht. Der Antragsteller beschränkt sich insoweit lediglich darauf zu bestreiten, dass er in der Haft mit Betäubungsmitteln gehandelt habe, dass er seit der Haftentlassung Betäubungsmittelmittel konsumiert habe und dass er betäubungsmittelabhängig sei. Diese Behauptungen erfüllen schon formal nicht die Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Sinne des § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO. Sie widersprechen in weiten Teilen auch den Äußerungen des Antragstellers im Verwaltungsverfahren und dem Akteninhalt. Der Antragsteller hat wiederholt angegeben, betäubungsmittelabhängig zu sein. Die Vollstreckung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe ist im Hinblick auf eine durchzuführende Entwöhnungstherapie ausgesetzt worden. Die Deutsche Rentenversicherung hat mit Bescheid vom 10. Juli 2012 die Durchführung einer stationären Entwöhnungstherapie bewilligt. Diese Entwöhnungstherapie trat der Antragsteller im September 2012 an; sie sollte bis zum Februar 2013 dauern. Er wurde aber bereits im November 2012 aus der Therapie entlassen. Ausweislich des in den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners befindlichen ärztlichen Entlassungsberichts erkannte der Antragsteller die Notwendigkeit einer Entwöhnungstherapie nicht an. Vielmehr bestand der Verdacht, dass er in der Entwöhnungseinrichtung mit Betäubungsmitteln handelt. Der Bezugstherapeut bescheinigte dem Antragsteller eine schwere Drogenabhängigkeit und dringend eine erneute Therapie. Die Durchführung einer solchen hat der Antragsteller indes bisher nicht dargelegt. Aus seinem Vorbringen ergeben sich mithin keine Anhaltspunkte für eine signifikante Änderung der tatsächlichen Umstände, die seinem privaten Interesse, im Bundesgebiet eine eheliche oder familiäre Lebensgemeinschaft zu führen, ein das öffentliche Interesse, den ausgewiesenen Ausländer vom Bundesgebiet fernzuhalten, überwiegendes Gewicht verleihen könnten.

Mangelt es damit schon an den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG für die Erteilung einer Betretenserlaubnis, kann der Senat hier schließlich dahinstehen lassen, ob und aus welchen Gründen beim Vorliegen dieser Voraussetzungen gleichwohl die Erlaubnis ermessensfehlerfrei versagt werden könnte (vgl. hierzu Hailbronner, a.a.O., § 11 Rn. 58 m.w.N.).

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens ergibt sich aus § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.