Sozialgericht Osnabrück
Urt. v. 05.12.2017, Az.: S 16 AS 237/15

Übernahme der Kfz-Steuer im Jahr 2014 durch eine kommunale Anstalt öffentlichen Rechts als Leistungsanspruch eines Leistungsberechtigten; Pflicht zur Neubescheidung bei Handlung einer unzuständigen Behörde; Schaffung einer kommunalen Anstalt öffentlichen Rechts im Zeitpunkt der Umwandlung der vorherigen gGmbH in die kAöR

Bibliographie

Gericht
SG Osnabrück
Datum
05.12.2017
Aktenzeichen
S 16 AS 237/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 30105
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstelle

  • Gemeindehaushalt 2018, 72

Tenor:

  1. 1.

    Der Bescheid der Beklagten vom 05.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.02.2015 wird aufgehoben.

  2. 2.

    Der Beigeladene wird verpflichtet, den Kläger unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

  3. 3.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  4. 4.

    Der Beigeladene trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit dem vorliegenden Verfahren die Übernahme der Kfz-Steuer im Jahr 2014 in Höhe von 95 EUR.

Die Beklagte ist eine kommunale Anstalt öffentlichen Rechts, die für den Beigeladenen mit eigener Rechtspersönlichkeit die Eingliederungsaufgaben ("aktive") Leistungen nach dem SGB II wahrnimmt, im Wesentlichen Arbeitsvermittlung, -qualifizierung und -beratung, während die "passiven" Leistungen (Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes) vom Beigeladenen selbst erbracht werden. Dabei führt der Beigeladene die Bezeichnung "Jobcenter". Der Beigeladene ist alleiniger Träger der Beklagten. Die Beklagte ist im Wege der Rechtsformumwandlung aus der zuvor bestehenden gGmbH zum 01.01.2005 gegründet worden. Nach der Unternehmenssatzung der Beklagten in der Fassung vom 31.12.2004 (ABl. des Bekl. 2004, 326 ff.) hat der Beigeladene der Beklagten die ihm obliegenden Aufgaben und Zuständigkeiten hinsichtlich der Förderung von Beschäftigung nach Kapitel 3 Abschnitt 1 SGB II (Leistungen zur Wiedereingliederung in Arbeit) übertragen, mit Ausnahme derjenigen Aufgaben, die nach dem Niedersächsischen Ausführungsgesetz zum SGB II ausdrücklich im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen bleiben müssen. Der Aufgabenzuschnitt ist in der Folgezeit geändert worden. Mit der 2. Änderungssatzung vom 15.08.2007 (ABl. 2007, S. 167 ff.) sind der Beklagten zusätzlich Aufgaben nach § 22 Abs. 2a SGB II in der damaligen Fassung (Zusicherung zum Umzug bei unter 25-Jährigen) übertragen worden.

Organe der Beklagten sind der Vorstand und der Verwaltungsrat. Der Verwaltungsrat besteht aus den Mitgliedern des Kreisausschusses (dem Vorgängerorgan des jetzigen Hauptausschusses nach §§ 74 ff. Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz - NKomVG, Nds. GVBl. 2010, 576) des Beigeladenen sowie einem gewählten Vertreter der Beschäftigten; den Vorsitz führt der Landrat. Der Vorstand der Beklagten, dem die laufende Geschäftsführung obliegt, wird vom Verwaltungsrat bestimmt. Für einzelne, in der Satzung bestimmte Geschäfte bedarf der Vorstand der vorherigen Zustimmung des Verwaltungsrates. Eine Rückübertragung einzelner Aufgaben an den Beigeladenen oder ein entsprechendes Rückholrecht sind in der Unternehmenssatzung nicht vorgesehen.

Der Kläger nahm mit einem am 06.10.2014 geschlossenen Arbeitsvertrag zum 06.10.2014 eine Tätigkeit bei der Firma B. GmbH aus C. auf. Zur Arbeitsaufnahme gewährte die Beklagte 1.000 EUR für die Reparatur des abgemeldeten und defekten Autos des Klägers (Opel Omega, Baujahr 1994). Zudem gewährte die Beklagte die Übernahme von Fahrtkosten in Höhe von 76 EUR.

Mit Schreiben vom 04.11.2014 (bei der Beklagten eingegangen am 05.11.2014) beantragte der Kläger die Übernahme seiner Kfz-Steuer in Höhe von 95 EUR.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.11.2014 ab. Eine Übernahme aus dem Vermittlungsbudget sei nur möglich, wenn die Kosten für die Anbahnung oder Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung absolut notwendig seien. Der Kläger habe bereits am 06.10.2014 eine sozialversicherungswichtige Beschäftigung bei der Firma B. GmbH in C. aufgenommen. Da der Antrag des Klägers vom 04.11.2014 auf Übernahme der Kfz-Steuer nach der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses gestellt worden sei, bestehe keine Fördermöglichkeit.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit einem auf den 01.12.2014 datierten Schreiben (bei der Beklagten eingegangen am 28.11.2014) Widerspruch ein. Dabei verwies er im Wesentlichen auf seinen Antrag vom 04.11.2014 und fügte hinzu, dass seine Stelle gefährdet sei, da sein Konto bei Einziehung der Kfz-Steuer nicht ausreichend gedeckt gewesen sei.

Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.02.2015 zurück. Die Stelle sei bei Antragstellung bereits aufgenommen worden, sodass gute Gründe dafür sprechen würden, trotz der zeitlichen Nähe, eine Aufnahme als nicht mehr gegeben anzusehen. Damit bestehe auch keine Notwendigkeit für eine entsprechende Zuschussgewährung. Der Notwendigkeitsbegriff enthalte ein Element der Unverzichtbarkeit und bringe zum Ausdruck, dass Fördermittel nur einzusetzen seien, wenn das angestrebte Ziel ansonsten nicht oder jedenfalls deutlich langsamer realisiert werden könne. Im Fall des Klägers sei eine berufliche Eingliederung auch ohne den Zuschuss möglich gewesen.

Gegen den Bescheid vom 05.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.02.2015 hat der Kläger am 24.03.2015 Klage erhoben.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,

  1. 1.

    den Bescheid der Beklagten vom 05.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.02.2015 aufzuheben,

  2. 2.

    die Beklagte zu verpflichten, ihm die Kosten für die Kfz-Steuer in Höhe von 95 EUR zu erstatten,

    hilfsweise: den Beigeladenen zu verpflichten, ihm die Kosten für die Kfz-Steuer in Höhe von 95 EUR zu erstatten,

    hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, ihn unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,

    hilfsweise: den Beigeladenen zu verpflichten, ihn unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beigeladener hat keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten meine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Ergänzend wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die Gerichtsakte verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte über den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da alle Beteiligten dieser Vorgehensweise zugestimmt haben, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

Die angegriffenen Bescheide erweisen sich als rechtswidrig und beschweren den Kläger damit. Der Kläger hat Anspruch auf eine Neubescheidung durch den Beigeladenen. Einen weitergehenden Anspruch hat er nicht.

Die Pflicht zur Neubescheidung ergibt sich daraus, dass mit der Beklagten eine unzuständige Behörde gehandelt hat (dazu unter 1); die Neubescheidung hat durch den Beigeladenen zu erfolgen (dazu unter 2); eine Ermessensreduktion auf Null liegt nicht vor (dazu unter 3).

1. Mit der Beklagten hat im vorliegenden Fall eine unzuständige Behörde gehandelt.

Für die Gründung der Beklagte lag zwar grundsätzlich eine hinreichende Rechtsgrundlage vor (dazu unter a). Auch die sog. Ingerenzrechte des beigeladenen Landkreises wurden bei der Übertragung gewahrt (dazu unter b). Allerdings verstößt die Übertragung der Aufgaben der aktiven Arbeitsmarktförderung auf die Beklagte gegen Bundesrecht (dazu unter c). Ob die Beklagte dadurch nicht wirksam eingerichtet ist, lässt die Kammer offen. Es liegt zumindest kein "rechtliches Nullum" vor. Es hat eine unzuständige "Behörde" gehandelt (dazu unter d).

a) Für die Gründung der Beklagten lag eine hinreichende kommunalrechtliche Rechtsgrundlage vor.

Die 31. Kammer des SG Osnabrück hat in ihrem Urteil vom 28.06.2016 (S 31 AS 440/12, Rn. 31 ff.) offengelassen, ob es an einer hinreichenden Rechtsgrundlage für die Schaffung einer kAöR fehlt. Nach Ansicht der erkennenden Kammer fehlt es an einer solchen Rechtsgrundlage nicht.

Rechtsgrundlage für die Schaffung einer kommunalen Anstalt öffentlichen Rechts war im Zeitpunkt der Umwandlung (zum 01.01.2005) der vorherigen gGmbH in die kAöR § 113a NGO i. V. m. § 65 NLO. Nach § 65 NLO galten dort näher bezeichnete Vorschriften der Gemeindeordnung zur Kreiswirtschaft entsprechend. Dazu gehörte auch § 113a NGO, der die Umwandlung von Unternehmen und Einrichtungen nach § 108 NGO in eine kommunale Anstalt sowie die Einrichtung einer kommunalen Anstalt vorsah. Nach § 108 Abs. 3 Nr. 2 NGO waren Einrichtungen des Sozialwesens zwar keine Unternehmen im Sinne des § 113a NGO. Allerdings sah § 108 Abs. 4 Satz 3 NGO vor, dass andere Einrichtungen nach § 108 Abs. 3 NGO als Eigenbetriebe geführt werden konnten, wenn ein wichtiges Interesse daran bestand (zur Ausfüllung des Merkmals: OVG Nordrhein-Westfalen, Teilurteil vom 15.12.1994, 9 A 2251/93 und darauf verweisend: Thiele, NGO, 8. Aufl. 2007, 399 f.).

Ein solches wichtiges Interesse hat hier wegen § 6a Abs. 5 SGB II bestanden (siehe dazu: Greiser/Weißenberger/Susnjar, NdsVBl. 2016, 380, 380 f.). § 6a Abs. 5 SGB II fordert, dass die zugelassenen Träger zur Wahrnehmung der Aufgaben anstelle der Bundesagentur eine besondere Einrichtung für die Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB II errichten und unterhalten müssen. Diese Pflicht zur internen kommunalrechtlichen Abgrenzung der Aufgaben nach dem SGB II stellt ein wichtiges Interesse im oben genannten Sinne dar. Die sonstigen Einschränkungen für die Gründung eines Unternehmens gelten dann nicht (Thiele in: Thiele, NGO, 8. Aufl. 2007, § 108, Seite 398).

Die Möglichkeit, eine kommunale Anstalt öffentlichen Rechts zu errichten, gilt ohne Unterschied für Aufgaben im eigenen und Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis (Thiele in: Thiele, NGO, 8. Aufl. 2007, § 113c, Seite 421; Erdmann in: Ipsen, NKomVG, 2011, § 143 Rn. 2; Wefelmeier in: Blum, NKomVG, 2011, § 143, Rn. 2 f. unter Hinweis auf VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 10.02.2005, 13 L 1963/04, Rn. 45 ff.; a.A. Bamberger, NWVBl. 2009, S. 93 f.). Deswegen ist die Unterscheidung zwischen übertragenem und eigenem Wirkungskreis grundsätzlich unerheblich. Die Freiheit kommunale Anstalten zu gründen und ihr Aufgaben zu übertragen folgt für Landkreise aus der über Art. 28 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz (GG) abgesicherten Organisationshoheit, die vom Selbstverwaltungsrecht umfasst ist (zur Organisationshoheit: Niehaus in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art 28, Rn. 79, 53). Das bedeutet, dass das jeweilige Fachgesetz nicht vorsehen muss, dass die Aufgabe auf eine kommunale Anstalt übertragen werden darf (Wefelmeier in: Blum, NKomVG, § 143, Rn. 3; andere Ansicht: SG Osnabrück, Urteil vom 27.05.2015, S 27 BK 2/15, Rn. 30; offengelassen: SG Osnabrück, Urteil vom 28.06.2016, S 31 AS 440/12, Rn. 31).

b) Auch die Ingerenzrechte des Beigeladenen sind hinreichend gewahrt.

Die 31. Kammer des SG Osnabrück hat in ihrem Urteil vom 28.06.2016 (S 31 AS 440/12, Rn. 30) offengelassen, ob mit der Übertragung der Aufgaben auf die Beklagte die sog. Rückholrechte des Beigeladenen hinreichend gewahrt sind. Nach Ansicht der erkennenden Kammer sind diese Rechte des Beigeladenen hinreichend gewahrt.

Maßgeblich sind zunächst die Vorschriften der § 113a Abs. 2 i. V. m. § 109 NGO (= § 137 NKomVG). Es bestehen unstreitig Einwirkungs- und Überwachungspflichten, die ihren Niederschlag in § 109 NGO bzw. § 137 Abs. 1 Nr. 5-7 NKomVG gefunden haben. Einzelfallbezogene Kontrollpflichten bzw. Einflussnahmemöglichkeiten sind dort nicht vorgesehen. Ein Landkreis kann sich die übertragenen Aufgaben zudem jederzeit durch Satzungsbeschluss zurückholen (Wefelmeier in: NKomVG, § 143, Rn. 7). Dies muss in der Anstaltssatzung nicht bestimmt sein (Greiser/Weißenberger/Susnjar, NdsVBl. 2016, 380, 381).

c) Die Übertragung nur einzelner Aufgaben aus dem SGB II stellt aber einen Verstoß gegen Bundesrecht dar.

aa) Das Bundesrecht sieht vor, dass die Aufgaben nach dem SGB II durch einen Träger - die Jobcenter (§ 6d SGB II) - erfüllt werden.

Dies gilt auch für die Optionskommunen nach § 6a SGB II (SG Osnabrück, Urteil vom 28.06.2016, S 31 AS 440/12, Rn. 43). § 6a Abs. 5 SGB II fordert, dass die zugelassenen Träger zur Wahrnehmung der Aufgaben anstelle der Bundesagentur eine besondere Einrichtung für die Erfüllung der "Aufgaben nach diesem Buch" (dem SGB II) errichten und unterhalten müssen. Aus dem Hinweis "Aufgaben nach diesem Buch" ergibt sich, dass sowohl die Aufgaben nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II als auch nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II gemeint sind (LSG München, Urteil vom 18.05.2006, L 11 AS 117/05, Rn. 14). Diese müssen in einer "besonderen Einrichtung", also sachlich und personell eigenständig, mit entsprechend eigenen autonomen Strukturen, erfüllt werden. Dem steht zwar nicht entgegen, dass die besondere Einrichtung auch eine juristische Person wie eine kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts sein kann (vgl. etwa: Weißenberger in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2013, § 6a, Rn. 26). Auch in diesem Fall ist jedoch zwingend, dass alle Aufgaben nach dem SGB II auf diese Einrichtung übertragen werden (Weißenberger in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2013, § 6a, Rn. 26).

Dies ergibt sich vor allem aus dem Gesetzeszweck. Der Leistungsberechtigte soll sich nur an die Optionskommune bzw. an die gemeinsame Einrichtung wenden müssen, um alle im SGB II vorgesehene Leistungen "aus einer Hand" zu erhalten (SG Osnabrück, Urteil vom 28.06.2016, S 31 AS 440/12, Rn. 43; SG Osnabrück, Urteil vom 26.04.2017, S 24 AS 916/15, Rn. 13). Natürlich können dabei mehrere Dienststellen der besonderen Einrichtung gebildet werden. Sofern jedoch verschiedene juristische Personen mehrere besondere Einrichtungen errichten, ist die Aufgabenzuweisung an unterschiedliche Rechtsträger nicht nur eine bloße interne Organisationsentscheidung. Denn in der Praxis sieht sich der Leistungsberechtigte zwei Rechtsträgern gegenüber und es ist nicht in jedem Einzelfall klar, ob Leistungen solche der Integration in den Arbeitsmarkt oder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sind (Greiser/Weißenberger/Susnjar, NdsVBl. 2016, 380, 382).

bb) Ob die Beklagte durch diesen Verstoß gegen Bundesrecht nicht wirksam eingerichtet wurde, lässt die Kammer offen. Zumindest die Aufgabenübertragung ist jedoch nicht wirksam.

Der Verstoß gegen die aus dem Bundesrecht vorgegebenen einheitliche Zuständigkeit könnte auf die Wirksamkeit der Gründung durchschlagen (so im Ergebnis: SG Osnabrück, Urteil vom 28.06.2016, S 31 AS 440/12, Rn. 27; offengelassen: SG Osnabrück, Urteil vom 26.04.2017, S 24 AS 916/15, Rn. 12). Dabei sind grundsätzlich die Besonderheiten des öffentlichen Rechts zu berücksichtigen. Für eine fehlerhafte Gründung wird in vergleichbaren Konstellationen der Grundsatz der Formstrenge des öffentlichen Rechts herangezogen. Grundsätzlich hindert damit jeder Gründungsfehler die Erstarkung der werdenden zur vollen juristischen Person mit hoheitlichen Kompetenzen (zu Zweckverbänden: Kollhosser, NJW 1997, 3265, 3266). Nur eine fehlerfrei begründete juristische Person soll die Kompetenz zu hoheitlichen Maßnahmen gegen den Bürger erwerben können (zu Zweckverbänden: Kollhosser, NJW 1997, 3265, 3266). Ob dies hier ebenfalls so ist, lässt die Kammer offen (siehe dazu auch: Greiser/Weißenberger/Susnjar, NdsVBl. 2016, 380, 382; ebenfalls offengelassen: SG Osnabrück, Urteil vom 26.04.2017, S 24 AS 916/15, Rn. 12; für eine Unwirksamkeit: SG Osnabrück, Urteil vom 28.06.2016, S 31 AS 440/12).

Auch wenn der Fehler auf die Gründung nicht durchschlägt (dazu näher: Greiser/Weißenberger/Susnjar, NdsVBl. 2016, 380, 382), so war zumindest die Aufgabenübertragung rechtswidrig (SG Osnabrück, Urteil vom 26.04.2017, S 24 AS 916/15, Rn. 12).

d) Die Beklagte stellt - unabhängig von der Frage der Wirksamkeit der Einrichtung - kein rechtliches Nullum dar, so dass die angegriffene Entscheidung nicht nichtig, sondern formell rechtswidrig ist.

Ist eine juristische Person - wirksam gegründet oder nicht - in Vollzug gesetzt, so ist eine Abwicklung aller Rechtsbeziehung auch bei einer Unwirksamkeit nach der Rechtsprechung zumeist nicht geboten. So hat bereits das Reichsgericht im Zivilrecht die Grundsätze der sogenannten fehlerhaften Gesellschaft entwickelt (siehe: RG, Urteil vom 13.11.1940, II 44/40; aus der frühen BGH-Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 29.11.1952, II ZR 15/52). Diese wendet der BGH auch im öffentlichen Recht an (BGH, Urteil vom 20.07.2011, IV ZR 76/09, Rn. 46 unter Verweis auf: Kollhosser, NJW 1997, 3265 ff.). Dementsprechend sind vergangene Handlungen der Beklagte grundsätzlich kein rechtliches Nullum (Greiser/Weißenberger/Susnjar, NdsVBl. 2016, 380, 383). Es hat eine unzuständige Behörde gehandelt, was die angegriffene Entscheidung formell rechtswidrig, aber nicht nichtig macht. Für eine Nichtigkeit nach § 40 Abs. 1 SGB X fehlt es an der Offensichtlichkeit des Fehlers. Aus der formellen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ergibt sich ein Anspruch auf Neubescheidung.

2. Den sich aus der formellen Rechtswidrigkeit der Entscheidung ergebenen Anspruch auf Neubescheidung hat hier der Beigeladene zu erfüllen.

Die Beklagte ist unzuständig, der Beigeladene ist zuständiger Träger für die gesetzlichen Leistungen nach §§ 14 ff. SGB II und war daher notwendig beizuladen (§ 75 Abs. 2 SGG). Aus der oben zitierten Rechtsprechung zu in Vollzug gesetzten (Vor-)Gesellschaften ergibt sich zwar die Möglichkeit einer Passivlegitimation einer solchen, eine Pflicht zur Neubescheidung kann einer solchen Behörde jedoch nicht auferlegt werden.

Dies gilt unabhängig von der Frage der Wirksamkeit der Errichtung der Beklagten. Ist diese nicht wirksam eingerichtet, kann diese "Behörde" nicht zur Neubescheidung verpflichtet werden. Gleiches gilt bei einer fehlerhaften Übertragung der Aufgaben.

3. Ein weitergehender Anspruch ist nicht gegeben.

Eine Verpflichtung der Beigeladenen zur Übernahme der Kosten der Kfz-Steuer würde eine Ermessensreduktion auf Null voraussetzen. Das bedeutet, die Übernahme der Steuer müsste die einzig rechtmäßige Entscheidung sein. Dies ist hier - gerade auch in Hinblick auf die bereits erfolgte (großzügige) Förderung der Arbeitsaufnahme - nicht der Fall.

Dementsprechend war die Klage in dem Umfang, in dem sie über die ausgesprochene Verpflichtung zur Neubescheidung hinausgeht, abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Berufung war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen, § 144 Abs. 2 SGG.