Sozialgericht Osnabrück
Urt. v. 27.04.2017, Az.: S 42 KR 630/15

Vergütung einer Krankenhausbehandlung

Bibliographie

Gericht
SG Osnabrück
Datum
27.04.2017
Aktenzeichen
S 42 KR 630/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 52004
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.407,25 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.03.2015 zu zahlen.

  2. 2.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

  3. 3.

    Der Streitwert beträgt 2.407,25 EUR.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Kosten für eine Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus. In der Zeit vom 08.02.2015 bis 20.02.2015 wurde dort die bei der Beklagten krankenversicherte, 1951 geborene Patientin D. behandelt. Die Patientin hat -zwischen den Beteiligten unstreitig- eine bikuspidale Aortenklappe, bei der statt 3 üblicher Klappensegel von Geburt an nur 2 Klappensegel angelegt sind. Am 11.02.2015 wurde bei dem Patienten ein Aortenklappenersatz mittels Kunstprothese durchgeführt. Unter Zugrundelegung der DRG F03C rechnete die Klägerin den Fall in Höhe von 22.149,81 EUR ab. Der sodann von der Beklagten eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) kam in seinem Gutachten vom 25.04.2015 zu dem Ergebnis, dass die DRG F03F zu kodieren sei. Hauptdiagnose sei nicht die von der Klägerin angesetzte angeborene Aortenklappeninsuffizienz (ICD Q23.1), sondern eine Aortenklappenstenose mit Insuffizienz (ICD I35.2). Die Beklagte zahlte auf dieser Basis den aus ihrer Sicht unstreitigen Differenzbetrag von 19.741,75 EUR.

Die Klägerin hat am 04.11.2015 Klage erhoben, zu der sie im Wesentlichen vorträgt, bei der behandelten Patientin bedinge die seit Geburt bestehende bikuspidale Aortenklappe, die Aortenklappenstenose und die Aortenklappeninsuffizienz. Sie beruft sich überdies u.a. auf das im Verfahren S 34 KR 256/14 eingeholte Sachverständigengutachten vom 23.03.2015 vom Internisten Dr. E ...

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte wird verurteilen, an die Klägerin 2.407,25 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.03.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, bei einer bikuspidalen Aortenklappe handele es sich um eine Anomalie, die für sich keine behandlungsbedürftigen Beschwerden auslöse. Die Aortenklappenstenose und die Aortenklappeninsuffizienz stünden damit nicht in Zusammenhang, sondern seien später erworben.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Sachvortrages der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die von der Klägerin beigezogene Patientenakte verwiesen. Die Akten haben der Kammer vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG statthaft; denn es handelt sich um einen Streit im Gleichordnungsverhältnis, in dem ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte, ein Vorverfahren daher nicht durchzuführen und eine Klagefrist nicht einzuhalten war.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf weitere Vergütung der Krankenhausbehandlung in Höhe der eingeklagten 2.407,25 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.03.2015. Denn sie hat zu Recht die Hauptdiagnose Q23.1 verschlüsselt und mit der deswegen anzusteuernden DRG F03C abgerechnet.

Rechtsgrundlage des von der Klägerin für die Behandlung des Versicherten geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Sa 3 SGB V, § 17b Abs.1 Satz 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und § 7 Abs.1 Satz 1, 9 Abs.1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntG) in Verbindung mit der hier insoweit maßgeblichen Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser (FPV) für das Jahr 2015.

Der in Ausführung dieser gesetzlichen Verpflichtung vereinbarte, nach diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG) geordnete Fallpauschalenkatalog sieht für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG zwei Schritte vor: Zunächst ist die durchgeführte Behandlung nach Gegenstand und prägenden Merkmalen nach einem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) herausgegebenen Code zu verschlüsseln. Maßgeblich sind hier das im Jahr 2015 gültige Klassifikationssystem ICD.10-GM 2015 und der Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) nach § 301 Abs. 2 SGB V, hier OPS 2015. Dazu haben die Vertragspartner auf Bundesebene Kodierrichtlinien beschlossen, die ebenfalls jährlich überprüft und angepasst werden. Der sich ergebende Code ist in zu diesen Zwecken einzugebende Computerprogramme (sog. Grouper) einzugeben, die dann nach bestimmten vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Kriterien die Zuordnung zu einer bestimmten DRG vornehmen. Aus dieser wird dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von dem Krankenhaus zu zahlende Vergütung berechnet (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.02.2017, Az.: L 1 KR 142/15 unter Hinweis auf u.a. BSG, Urteil vom 08.11.2011, Az.: B 1 KR 8/11 R).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 14.10.2014, Az.: B 1 KR 25/13 R), der die Kammer nach eigener Prüfung und Überzeugung folgt, sind die Vergütungsregelungen stets nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen. Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zu Tage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen.

Zu Recht hat die Klägerin bei einer -zwischen den Beteiligten unstreitig- vorliegenden angeborenen bikuspidalen Aortenklappe hier die Hauptdiagnose Q23.1 kodiert und in den Groupingvorgang eingestellt. Die ICD-10 2011 sieht unter Schlüssel Q23.- vor "angeborene Fehlbildungen der Aorten- und der Mitralklappe". Unter Q 23.1 ist aufgeführt "Angeborene Aortenklappeninsuffizienz, Angeborene Aorteninsuffizienz, Bikuspidale Aortenklappe". Hingegen sieht der Schlüssel I35.- ausdrücklich u.a. einen Ausschluss (""Exkl.", sog. Exklusivum) für alle Unterfälle der nichtrheumatischen Aortenklappenkrankheiten für solche Fälle vor: "als angeboren bezeichnet (Q23.0, Q23.1)". Der Grund für den angeordneten Ausschluss wird damit unmittelbar aus dem System der ICD-10 selbst deutlich. Mit der von der Beklagten angenommenen Verschlüsselung einer Aortenklappenstenose mit Insuffizienz mit Schlüssel I35.2 sollen nur solche Fälle erfasst werden, die nicht angeboren sind. Dies ist hier indessen der Fall. Es ist verbietet sich daher angesichts des Wortlauts, aber auch der Systematik der Regelung, eine Differenzierung danach vornehmen zu wollen, ob gleichsam unabhängig von der angeborenen Fehlbildung eine erworbene Aortenklappeninsuffizienz bzw. -Schädigung im Einzelfall vorliegt.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 13 Abs. 6 und 7 des in Niedersachsen geltenden Sicherstellungsvertrages nach § 112 Abs. 2 SGV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt auf §§ 3, 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz.