Sozialgericht Osnabrück
Beschl. v. 21.03.2017, Az.: S 5 SO 222/16 ER

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bzgl. der Bewilligung höherer Leistung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung

Bibliographie

Gericht
SG Osnabrück
Datum
21.03.2017
Aktenzeichen
S 5 SO 222/16 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 38309
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Bewilligung höherer Leistung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII.

Der 1959 geborene Antragsteller ist voll erwerbsgemindert und bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer in Höhe von derzeit 146,93 EUR monatlich. Er bewohnt eine 60 m2 große Wohnung in der C. in A-Stadt.

Nach vorausgegangenem SGB II-Leistungsbezug beantragte er die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII und steht seitdem bei der Antragsgegnerin im laufenden Leistungsbezug. Mit Bescheid vom 13. November 2015 bewilligte die Antragsgegnerin ihm ab November 2015 bis einschließlich Oktober 2016 Grundsicherungsleistung in Höhe von monatlich 457,22 EUR. Als Einkommen rechnete die Antragsgegnerin die Erwerbsminderungsrente des Antragstellers in Höhe von seinerzeit 117,62 EUR sowie Kindergeld in Höhe von 188 EUR und die Rente der Frau D. in Höhe von 56,16 EUR monatlich an. Seitdem ist die Einkommensanrechnung zwischen den Beteiligten im Streit.

Mit Folgebewilligungsbescheid vom 26. Oktober 2016 gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich insgesamt 650,22 EUR. Dabei berücksichtigte sie einen Regelbedarf in Höhe von 404 EUR monatlich, einen Mehrbedarf für die Warmwasserbereitung in Höhe von 9,29 EUR sowie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 166,68 EUR. Darüber hinaus erkannte die Antragsgegnerin eine Grundmiete in Höhe von 345 EUR sowie Heizkosten in Höhe von 60 EUR als Bedarf an. Neben der Rente des Antragstellers wegen voller Erwerbsminderung berücksichtigte die Antragsgegnerin weiterhin Kindergeld in Höhe von 188 EUR als Einkommen. Darüber hinaus bat die Antragsgegnerin den Vermieter des Antragstellers mit Schreiben vom 28. Oktober 2016 um eine aktuelle Aufstellung hinsichtlich der Kaltmiete, Nebenkosten sowie Heizkosten.

Mit Schreiben vom 3. November 2016 wandte sich der Antragsteller gegen den Folgebewilligungsbescheid vom 26. Oktober 2016. Die Antragsgegnerin sah dieses Schreiben als Widerspruch an und wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2017 zurück.

Der Antragsteller erhob bereits am 11. November 2016 Klage gegen den Folgebewilligungsbescheid vom 26. Oktober 2016. Das Verfahren ist weiterhin vor dem SG Osnabrück anhängig und wird unter dem Aktenzeichen S 5 SO 200/16 geführt.

Der Antragsteller hat am 14. November 2016 einstweiligen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück erhoben. Dieses hat sich mit Beschluss vom 22. November 2016 für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Sozialgericht (SG) Osnabrück verwiesen. Das Verfahren ist am 19. Dezember 2016 beim SG Osnabrück eingegangen. Der Antragsteller wendet sich weiterhin gegen die Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen und hat im Verlauf des Verfahrens eine Bescheinigung der Familienkasse Niedersachsen-Bremen vom 16. Februar 2017 vorgelegt.

Die Antragsgegnerin hält die getroffene Entscheidung für zutreffend. Der Antragsteller sei kindergeldberechtigt. Bei einer freiwilligen Weiterleitung des Kindergeldes an seine Tochter mache sich der Antragsteller bedürftig. Das Kindergeld sei nur dann als Einkommen des volljährigen Kindes anzurechnen, wenn es dem Kind zeitnah zugewendet werde, die Voraussetzungen des § 74 EStG für eine Abzweigung des Kindergeldes vorlägen und eine förmliche Abzweigung tatsächlich erfolgt sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verfahrensakte S 5 SO 200/16 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin ergänzend Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist unbegründet. Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Gemessen an diesen Voraussetzungen hat der Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist älteren und dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen oder Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII bestreiten können, auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten. Einkommen und Vermögen des nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners sowie des Partners einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft, die dessen notwendigen Lebensunterhalt nach § 7a SGB XII übersteigen, sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zu berücksichtigen.

Zum Einkommen gehören gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB XII, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Bei Minderjährigen ist das Kindergeld gemäß § 82 Abs. 1 Satz 3 SGB XII dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 34, benötigt wird.

Der Antragsteller hat im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens keinen Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen glaubhaft gemacht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 26. August 2008 - B 8/9b SO 16/07 R) ist das an einen Elternteil als Kindergeldberechtigten ausgezahlte Kindergeld zwar als Einkommen des volljährigen, außerhalb des Haushalts lebenden Kindes zu berücksichtigen, soweit es ihm zeitnah zugewendet wird (innerhalb eines Monats nach Auszahlung bzw. Überweisung des Kindergeldes) und ohne die "Weiterleitung" die Voraussetzungen für eine Abzweigung des Kindergeldes gemäß § 74 EStG durch Verwaltungsakt zugunsten des Kindes vorliegen würden (vgl. auch Hohm in: Shellhorn/Hohm/Scheider, Kommentar zum SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 82 Rn. 38). Nach der Mitteilung der Familienkasse Niedersachsen-Bremen vom 16. Februar 2017 erfolgt die Auszahlung des Kindergeldes seit Januar 2016 auf das Konto der Tochter des Antragstellers. Angaben zum konkreten Konto gehen aus dieser Bescheinigung jedoch nicht hervor.

Nach § 74 Abs. 1 S. 1 EStG kann das nach § 66 EStG für ein Kind festgesetzte Kindergeld an das Kind ausbezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Nach § 74 Abs. 1 S. 3 EStG kann eine Abzweigung an das Kind auch erfolgen, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrages zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld. In der Regel dürfte von dem Vorliegen der Voraussetzungen auszugehen sein, wenn der Kindergeldberechtigte zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes auf Grundsicherungsleistungen angewiesen ist.

Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich jedoch schon nicht, dass die Zahlung tatsächlich auf ein Konto der Tochter des Antragstellers gezahlt wird. Konkrete Angaben zu dem Konto hat der Antragsteller trotz Aufforderung vom 1. März 2017 und Mitteilung seines Prozessbevollmächtigten, dass bis spätestens 17. März 2017 auf diese Aufforderung reagiert wird, nicht gemacht. Es fehlen zudem eidesstattliche Erklärungen, ob und in welchem Umfang Zahlungen der Tochter an den Antragsteller erfolgt sind. Die Tochter des Antragstellers hatte bereits am 3. Dezember 2015 einen Betrag von 1.880 EUR an den Antragsteller überwiesen. Angaben, inwiefern im Anschluss daran weitere Zahlungen bzw. ggf. Rückzahlungen des Kindergeldes durch seine Tochter an ihn erfolgt sind, wurden nicht gemacht.

Allerdings ergeben sich aus den vorliegenden Unterlagen Zweifel, mit welchen finanziellen Mitteln der Antragsteller aktuell seinen Lebensunterhalt bestreitet. Auch hierzu hat der Antragsteller trotz Aufforderung nicht weiter vorgetragen. Aus den im vorliegenden Verfahren eingereichten Kontoauszügen ergeben sich jedenfalls ausschließlich laufende Abbuchungen an die E. Bank, an die Stadtwerke A-Stadt, an den Vermieter des Antragstellers und an die AOK F ... Es gehen jedoch keine Barabhebungen z. B. an Geldautomaten oder Abbuchungen von Lebensmittelgeschäften, Drogerien, Tankstellen etc. hervor. Es ist daher weiterhin unklar, wie der Antragsteller einerseits monatliche Tilgungsraten für sein Kfz in Höhe von 206 EUR an die E. Bank zahlen und andererseits seinen Lebensunterhalt ohne weiteres Einkommen und/oder Vermögen finanzieren kann. Sofern der Antragsteller in der Vergangenheit vorgebracht hat, dass er zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes die Einnahmen aus dem Verkauf der Zeitschrift "Abseits" finanziert, wäre zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches vom Antragsteller konkret darzulegen gewesen, in welcher Menge er Zeitschriften in den letzten sechs Monaten abgenommen und verkauft hat und welche Erlöse er dadurch erzielt hat. Auch diesbezüglich ist eine nähere Darlegung trotz Aufforderung seitens des Antragstellers nicht erfolgt. Angaben fehlen ebenfalls zu der Frage, wann und von welchen Bankkonten die Kfz-Steuer und die Kfz-Versicherung abgebucht bzw. überwiesen wurden.

Letztlich hat der Antragsteller trotz Aufforderung keine eidesstattliche Erklärung vorgelegt, ob und ggf. zu welchen Kreditinstituten in den letzten sechs Monaten Bankverbindungen bestanden haben und noch bestehen. Eine Auflistung der Konten, zu denen der Antragsteller aufgrund einer Verfügungsberechtigung Zugriff hat, wurde nicht übersandt. Auch eine Bescheinigung der G.bank, ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt die Bankverbindung (Giro-/Kreditkartenkonten) gekündigt wurde, hat der Antragsteller nicht eingereicht.

Nach alledem hat der Antragsteller im Rahmen dieses Eilverfahrens keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Entgegen der Ankündigung seines Prozessbevollmächtigten liegt eine Stellungnahme zum Schreiben des Gerichts vom 1. März 2017 bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.