Landgericht Göttingen
Beschl. v. 14.07.1999, Az.: 10 AR 28/99

Befangenheitsantrag gegen einen Richter

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
14.07.1999
Aktenzeichen
10 AR 28/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 32098
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:1999:0714.10AR28.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - AZ: 41/74 IN 145/99

Fundstellen

  • KTS 2000, 272
  • NJW 1999, 2826-2827 (Volltext mit red. LS)
  • ZIP 1999, 1565-1566 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

In dem Insolvenzverfahren
über das Vermögen der
...
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
durch
die ...
im schriftlichen Verfahren
am 14. Juli 1999
beschlossen:

Tenor:

Das Ablehnungsgesuch der Schuldnerin vom 5. Juli 1999 gegen den Richter am ... wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe

1

Mit Schriftsatz vom 1. Juli 1999 stellten die Eigentümer der ... über ihren Prozeßbevollmächtigten beim Amtsgericht Göttingen den Antrag, über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen und Sicherungsmaßnahmen anzuordnen. Dieser Antrag ging am 2. Juli 1999 um 10.50 Uhr beim Amtsgericht ein. Mit Beschluß vom selben Tag, 13.00 Uhr, hat der nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Verfahren zuständige Richter ... den ... zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und gemäß §§21, 22 InsO weitere Sicherungsmaßnahmen angeordnet, insbesondere eine Postsperre. In Ziffer 6. des Beschlusses wird ausgeführt, daß das Gericht vor Erlaß gem. §99 Abs. 1 S. 2 InsO von einer Anhörung der Schuldnerin abgesehen hat, weil ansonsten der Erfolg der Maßnahme gefährdet wäre.

2

Mit Schriftsatz vom 5. Juli 1999 hat die Schuldnerin einen Befangenheitsantrag gegen den erkennenden Richter gestellt und diesen zum einen damit begründet, daß der ... ebenso wie der zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte ... Mitarbeiter des Frankfurter Kommentars zur Insolvenzordnung seien, woraus sich eine berufliche Verbundenheit ergebe. Zudem sei der Schuldnerin kein rechtliches Gehör gewährt worden, insbesondere im Hinblick auf die Postsperre. Auch seien keine Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht worden, aus denen sich die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Schuldnerin ergebe.

3

Der ... hat in seiner dienstlichen Äußerung vom 5. Juli 1999 zum Befangenheitsantrag Stellung genommen.

4

Das Ablehnungsgesuch ist nicht begründet. Nach §42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei muß es sich um einen objektiven Tatbestand handeln, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger und besonnener Überlegung die Besorgnis aufkommen lassen kann, der Richter stehe den Verfahrensbeteiligten oder dem Gegenstand des Verfahrens nicht sachlich und unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Derartige Anhaltspunkte liegen hier nicht vor.

5

Sie ergeben sich nicht etwa daraus, daß der ... ebenso wie der vorläufige Insolvenzverwalter ... Mitautor des Frankfurter Kommentars zur Insolvenzordnung ist. Grundsätzlich sind nur nahe persönliche Beziehungen zwischen dem Richter und einem Verfahrensbeteiligten geeignet, die Unparteilichkeit eines Richters in Frage zu stellen; das Bestehen eines Kollegialitätsverhältnisses kann nur bei einer sehr engen beruflichen Zusammenarbeit die Ablehnung begründen (vgl. Zöller, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., §42 Rn. 12, 12 a). Für eine enge berufliche Zusammenarbeit liegen keine Anhaltspunkte vor. Die bloße Mitautorenschaft an einem Kommentar begründet weder enge berufliche noch private Beziehungen zwischen den einzelnen Kommentatoren.

6

Auch das Verhalten des erkennenden Richters im Rahmen des vorliegenden Insolvenzverfahrens vermag die Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen. Dabei kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob die von den Antragstellern vorgetragen Tatsachen sowie die vorgelegte eidesstattliche Versicherung ausreichen, um die vom Richter getroffenen Sicherungsmaßnahmen inhaltlich zu rechtfertigen. Fehlerhafte Entscheidungen sind grundsätzlich kein Ablehnungsgrund (vgl. nur Zöller, §42 Rn. 28 m.w.N.). Etwas anderes kann nur gelten, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, daß die evtl. Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber einer Partei beruht. Dafür jedoch sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Vielmehr hat der Richter in seiner dienstlichen Stellungnahme nachvollziehbar begründet, aufgrund welcher sachlichen Erwägungen er die Entscheidungen über Sicherungsmaßnahmen getroffen hat. Sachfremde Überlegungen sind dabei nicht erkennbar. Dies gilt auch, soweit der Richter der Schuldnerin vor Erlaß der Sicherungsmaßnahmen kein rechtliches Gehör gewährt hat. Sicherungsmaßnahmen gem. §21, 22 InsO können grundsätzliche ohne vorherige Anhörung des Schuldners erlassen werden, die Postsperre gem. §99 Abs. 1 S. 2 InsO jedoch nur, wenn sonst wegen besonderer Umstände des Einzelfalles der Zweck der Anordnung gefährdet wird. Dies ist vom erkennenden Richter auch erkannt und in Ziffer 6 des Beschlusses begründet worden. Daß die Begründung im wesentlichen den Gesetzestext wiedergibt und nicht auf die individuellen Verhältnisse der Schuldnerin eingeht, rechtfertigt nicht den Verdacht, der Richter wolle die Schuldnerin in willkürlicher Weise benachteiligen.

7

Der Antrag auf Ablehnung war daher zurückzuweisen.