Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.06.2000, Az.: 12 M 2608/00
Benennen; Benennung; Bezeichnen; Darlegung; Vermengen; Zulassungsantrag; Zulassungsgrund; Zulassungsrecht
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 30.06.2000
- Aktenzeichen
- 12 M 2608/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 41579
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - AZ: 4 B 66/00
Rechtsgrundlagen
- § 124 VwGO
- § 124a VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Zulassungsgründe müssen eindeutig sein.
2. Die Darlegung darf Zulassungsgründe nicht vermengen.
Gründe
Die Zulassung der Beschwerde erfordert, dass einer der in §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 VwGO (i.d.F. des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 1. November 1996, BGBl. I S. 1626) bezeichneten Zulassungsgründe eindeutig geltend gemacht und innerhalb der Antragsfrist aus sich heraus verständlich näher dargelegt (§ 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO) wird, dass und aus welchen Gründen dieser Zulassungsgrund vorliegen soll. An die Darlegung sind nicht geringe Anforderungen zu stellen (vgl. Senat, Beschl. v. 16.9.1997 - 12 L 3580/97 -, NdsVBl. 1997, 282 und st. Rspr.; Bader, DÖV 1997, 442; ders., in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO 1999, RdNr. 41 zu § 146, RdNrn. 27 ff zu § 124a; Seibert, DVBl. 1997, 932; Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl. 1998, RdNr. 7 zu § 124a). Die dem Revisionsrecht nachgebildete Darlegungspflicht bestimmt als selbständiges Zulässigkeitserfordernis den Prüfungsumfang des Rechtsmittelgerichts. Sie soll den Aufwand für die Bearbeitung des Zulassungsantrages "reduzieren", dadurch das Zulassungsverfahren beschleunigen und verlangt, wie der Hinweis auf den Vertretungszwang (§ 67 Abs. 1 VwGO) in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 13/3993, S. 13) erhellt, qualifizierte, ins Einzelne gehende, fallbezogene und aus sich heraus verständliche, auf den jeweiligen Zulassungsgrund bezogene und geordnete Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen. Das bloße Benennen oder Geltendmachen eines Zulassungsgrundes genügt dem Darlegungserfordernis ebenso wenig wie eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens oder gar eine - ergänzende - Bezugnahme hierauf (vgl. Bader, NJW 1998, 409 (410)). Insgesamt ist bei den Darlegungserfordernissen zu beachten, dass sie nicht in einer Weise ausgelegt und angewendet werden, welche die Beschreitung des eröffneten (Teil-)Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, Beschl. v. 21.1.2000 - 2 BvR 2125/97 -, DVBl. 2000, 407).
Gemessen daran ist der Zulassungsantrag unzulänglich, da die Antragsteller einen Zulassungsgrund gemäß §§ den 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 VwGO schon nicht benennen.
Damit wird das Vorbringen der Antragsteller nicht einmal der Minimalvoraussetzung eines sachgerecht erarbeiteten Zulassungsantrags gerecht, jedenfalls einen Zulassungsgrund zu bezeichnen, auf den sich ihre übrige Darlegung bezieht, dessen Vorliegen ihr Vorbringen begründen soll und anhand dessen das Oberverwaltungsgericht das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen in Bezug auf diesen bestimmten Zulassungsgrund festzustellen hätte; es ist nicht Aufgabe des Senats, Erwägungen eines Zulassungsantrags zu sichten und gleichsam von Amts wegen einem bestimmten Zulassungsgrund zuzuordnen. Darüber hinaus - der Zulassungsantrag muss den geltend gemachten Zulassungsgrund (jeweils) benennen - darf der Zulassungsantrag nicht verschiedene Zulassungsgründe vermengen. Es entspricht der Rechtsprechung des beschließenden Senats (vgl. Beschlüsse vom 30. Juni 2000 - 12 L 2434/00 und L 2435/00 -), dass ein Zulassungsantrag allein schon wegen des Fehlens der Benennung des geltend gemachten oder nach der übrigen Darlegung im Zulassungsantrag jedenfalls oder allenfalls in Betracht zu ziehenden Zulassungsgrundes aus den §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 VwGO erfolglos bleibt; so hat der Senat z.B. in seinem Beschluss vom 9. Dezember 1999 - 12 L 4642/99 - dazu ausdrücklich festgehalten:
"Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. ...
1. Der Zulassungsgrund bezeichnet nicht eindeutig einen Zulassungsgrund; der Kläger stellt nicht dar, auf welchen Zulassungsgrund - ggf. welche Zulassungsgründe - er sein Begehren stützt. ...
Nach § 124 Abs. 2 VwGO ist die Berufung nur zuzulassen,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Weder benennt der Berufungszulassungsantrag diese Vorschrift noch gibt der Zulassungsantrag den Inhalt (jedenfalls) eines dieser Zulassungsgründe wieder. Der Zulassungsantrag bezieht sich auch nicht auf sonstige Art und Weise auf den Inhalt dieser Norm. Damit benennt der Kläger entgegen den o.a. Anforderungen keinen Zulassungsgrund. ...
... benennt der Zulassungsantrag aber nicht hinreichend eindeutig den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des (angefochtenen) Urteils - § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO -, ...
Zugleich vermengt der Zulassungsantrag mit den hier zuvor dargestellten Formulierungen Aspekte verschiedener Zulassungsgründe, so dass nicht klar wird, auf welchen oder welche der Zulassungsgründe der Kläger sich stützt, ..." (aaO.)
Der Senat sieht sich insoweit auch in Einklang mit der Rechtsprechung anderer Senate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts; so hat z.B. der 1. Senat ausgeführt (Beschluss vom 27. Oktober 1997 - 1 M 4449/97 -):
"... Dem Darlegungserfordernis entspricht es, daß der Senat als Obergericht die Beschwerden nicht (schon) dann zulassen darf, wenn er - aus seiner eigenen Betrachtung der angegriffenen Entscheidung - einen Zulassungsgrund als gegeben ansieht, sondern nur dann, wenn der jeweilige Antragsteller den aus seiner Sicht maßgeblichen Zulassungsgrund konkret anführt und in einer den Anforderungen des § 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO genügenden Weise darlegt. Dies setzt voraus, daß zum einen der jeweilige Zulassungsgrund deutlich bezeichnet wird und zum anderen auf gerade diesen Zulassungsgrund bezogene Darlegungen vorliegen. ... Es geht aber nicht an, daß ein Gericht sich etwaige Zulassungsgründe mit den dazugehörenden Begründungen gewissermaßen selbst zusammensuchen muß (OVG Hamburg, Beschl. v. 27.1.1997 - Bs IV 2/97 - NVwZ 1997, 689). Vielmehr ist es in einem Rechtsmittelzulassungsverfahren, in dem gemäß § 67 Abs. 1 VwGO Vertretungszwang besteht, Sache des Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers, den Prozeßstoff durchzuarbeiten und dem Gericht die für die Entscheidung über den Zulassungsantrag notwendigen Gesichtspunkte geordnet darzulegen." (aaO.)
Auch der 7. Senat sieht in der Pflicht zur Benennung eines Zulassungsgrundes ein zwingendes Erfordernis und hat insoweit festgehalten (Beschluss vom 9. Dezember 1997 - 7 M 5086/97 -):
"... Der Zulassungsantrag bleibt bereits deshalb erfolglos, weil er nicht den (formellen) Voraussetzungen des § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO in der Fassung des 6. VwGOÄndG vom 1. November 1996 (BGBl I, 1626) genügt. Danach sind in ihm "die Gründe darzulegen, aus denen die Beschwerde zuzulassen ist". Das bedeutet, daß ein Rechtsmittelführer unmißverständlich und konkret kundtun muß, auf welchen der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO (§146 Abs. 4 VwGO) er sich beruft. Die Antragstellerin bezeichnet jedoch keinen bestimmten Zulassungsgrund. Die Bezeichnung des angegriffenen Beschlusses als "rechtsfehlerhaft" ist hierfür nicht ausreichend. ..." (aaO.)
Weil vorliegend der Zulassungsantrag einen Zulassungsgrund nicht benennt und das Begehren der Antragsteller bereits deshalb ohne Erfolg bleiben muss, ist dem Senat eine Befassung mit dem Vorbringen des Zulassungsantrags schon aus den angeführten Gründen des Zulassungsrechts verwehrt.
Selbst wenn die Auffassung zutreffen sollte - was hier nicht zu entscheiden ist -, ein Grund für die Zulassung der Beschwerde könne auch ohne ausdrückliche Benennung eines Zulassungsgrundes dann hinreichend bezeichnet sein, wenn sich das Vorbringen des Antragstellers eindeutig einem der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO zuordnen lasse, wann von einer derartigen "Eindeutigkeit" auszugehen sei, könne allerdings nicht generell beantwortet werden (so z.B. der 1. Senat <aaO.>), kommt es hierauf für das vorliegende Verfahren nicht an, da auch unter Beachtung dieser Erwägung der Zulassungsantrag ohne Erfolg bleiben muss, dessen Überlegungen auch nicht eindeutig einem bestimmten Zulassungsgrund zugeordnet werden können: Soweit der Zulassungsantrag darauf abstellt, das Verwaltungsgericht sei "von falschen Voraussetzungen aus<gegangen>, insbesondere hat es die Frage, ob die Antragsteller von dem Kindesvater und Ehemann getrennt leben, nicht abschließend gewürdigt" (Zulassungsantrag Seite 2), lässt dies u.U. auf das Geltendmachen ernstlicher Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO schließen, zugleich kämen aber auch andere Gründe aus § 124 Abs. 2 VwGO in Betracht (zum Beispiel das Vorliegen eines Verfahrensfehlers im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Entsprechendes gilt für die übrigen Erwägungen, die der Zulassungsantrag anstellt.