Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.08.2014, Az.: 5 LA 238/13

Auslegung des verwendeten Rechtsbegriffs "ausländischer öffentlicher Dienst" bzgl. Tätigkeit und Dienstzeit eines Studienrats

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.08.2014
Aktenzeichen
5 LA 238/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 24044
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0822.5LA238.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 20.08.2013 - AZ: 7 A 216/12

Amtlicher Leitsatz

Zur Auslegung des in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG und § 11 Nr. 2 BeamtVG verwendeten Rechtsbegriffs ausländischer öffentlicher Dienst.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 7. Kammer (Einzelrichter) - vom 20. August 2013 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 7.887,12 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Kläger, der derzeit als Studienrat im niedersächsischen Landesdienst beschäftigt ist, begehrt die Verpflichtung der Beklagten, die Zeit vom 1. August 19 bis zum 31. August 19 , während der er als Lektor an der deutschen Abteilung der C. in D. tätig war, sowie die Zeit vom 15. April 19 bis zum 6. Juli 19 , während der er zur Vorbereitung der Tätigkeit Seminare besucht hat, gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG als ruhegehaltfähige Dienstzeit anzuerkennen. Während der Zeit seiner Tätigkeit in D. stand der Kläger zu der genannten Universität in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beschäftigung als Lektor habe keine Tätigkeit im ausländischen öffentlichen Dienst im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG dargestellt.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nicht erfüllt.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung sind erst dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zu Tage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist. Ist das angegriffene Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller dieser Begründungen Zulassungsgründe hinreichend dargelegt werden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25.4.2008 - 5 LA 154/07 -).

Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Vorbringen des Klägers nicht zur Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG nicht erfüllt sind, weil die Beschäftigung als Lektor in D. keine Tätigkeit im ausländischen öffentlichen Dienst im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG dargestellt hat. Der Kläger hat im Zulassungsverfahren keine gewichtigen, gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sprechenden Gründe aufgezeigt, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg.

Der Senat teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger während der Zeit seiner Tätigkeit als Lektor an der deutschen Abteilung der C. in D. nicht im ausländischen öffentlichen Dienst im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG gestanden hat.

Die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG stimmt hinsichtlich des hier streitigen Tatbestandsmerkmals mit der Regelung des § 11 Nr. 2 BeamtVG und deren Vorgängerregelung - § 116 Abs. 1 Nr. 2 BBG a.F. - überein (vgl. dazu Fürst, GKÖD, § 11 BeamtVG Rn 2; Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 11 BeamtVG Rn 1; Kümmel, BeamtVG, § 11 Rn 3).

Die Regelungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG und des § 11 Nr. 2 BeamtVG erfassen insbesondere Beschäftigungen im Beamtenverhältnis eines ausländischen Staates (Plog/Wiedow, BBG, Band 2, § 11 BeamtVG Rn 50; Fürst, a.a.O., § 11 BeamtVG Rn 35; Schütz/Maiwald, a.a.O., § 11 BeamtVG Rn 19; Kümmel, a.a.O., § 11 Rn 54).

Vom öffentlichen Dienst im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG und des § 11 Nr. 2 BeamtVG ist allerdings, wie das Bundesverwaltungsgericht schon zu § 116 Abs. 1 Nr. 2 BBG a.F. entschieden hat, nicht begriffsnotwendig ein bei einem anderen Staat auf privatrechtlicher Grundlage geleisteter Dienst ausgeschlossen. Denn auch im Geltungsbereich des Grundgesetzes kann öffentlicher Dienst sowohl in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis als auch in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis geleistet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.11.1961 - BVerwG VI C 181.58 -, Buchholz 232 § 116 BBG Nr. 2 S. 5 und 8; vgl. ebenso zu § 11 BeamtVG Plog/Wiedow, a.a.O., § 11 BeamtVG Rn 50; Fürst, a.a.O., § 11 BeamtVG Rn 35; Schütz/Maiwald, a.a.O., § 11 BeamtVG Rn 19; Kümmel, a.a.O., § 11 Rn 54). Die Berücksichtigung eines bei einem anderen Staat auf privatrechtlicher Grundlage geleisteten Dienstes im Rahmen des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG und des § 11 Nr. 2 BeamtVG setzt jedoch voraus, dass der Dienst in der Bundesrepublik Deutschland herkömmlich in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis ausgeübt wird (vgl. zu § 116 Abs. 1 Nr. 2 BBG a.F. BVerwG, Urteil vom 8.11.1961, a.a.O., S. 8; vgl. ebenso zu § 11 BeamtVG Plog/Wiedow, a.a.O., § 11 BeamtVG Rn 50; Fürst, a.a.O., § 11 BeamtVG Rn 35; Schütz/Maiwald, a.a.O., § 11 BeamtVG Rn 19; Kümmel, a.a.O., § 11 Rn 54).

Es kommt hinzu, dass Zeiten nur dann nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG und des § 11 Nr. 2 BeamtVG als ruhegehaltfähig anerkannt werden können, wenn die im Ausland ausgeübte Tätigkeit als mit der Beamtentätigkeit gleichwertig anzusehen ist oder doch ihr sehr nahe kommt (vgl. ebenso zu § 11 BeamtVG Plog/Wiedow, a.a.O., § 11 BeamtVG Rn 7; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - BVerwG 2 C 38.03 -, [...] Rn 19). Tätigkeiten, die nach deutschen Gepflogenheiten niemals in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis, sondern in einem Vertragsverhältnis ausgeübt werden, kommen nicht in Betracht (vgl. ebenso zu § 11 BeamtVG Plog/Wiedow, a.a.O., § 11 BeamtVG Rn 50).

Ausgehend von diesen Grundsätzen, die auch das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, ist es nicht möglich, die Tätigkeit, die der Kläger in D. ausgeübt hat, von der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG zu erfassen. Denn Lektoren, die im maßgeblichen Zeitraum in Niedersachsen vergleichbare Tätigkeiten ausgeübt haben, wurden in einem außertariflichen Angestelltenverhältnis beschäftigt und waren vom Geltungsbereich des früheren Bundes-Angestelltentarifver-trages (BAT) ausgenommen (vgl. Nr. 4 des RdErl. des MWK vom 23.11.1982, Nds. MBl. S. 2179).

Der Kläger kann demgegenüber nicht mit Erfolg unter Hinweis auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 1995 (- BVerwG 9 C 8.95 -, [...] Rn 9) und 28. Juli 2011 (- BVerwG 2 C 42.10 -, [...] Rn 10) geltend machen, dass die von dem Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG, die auch der Senat vorstehend ebenso wie das Verwaltungsgericht vorgenommen hat, die Grenzen einer zulässigen Gesetzesauslegung überschreitet. Das Verwaltungsgericht und - ihm folgend - der Senat haben nicht in unzulässiger Weise den Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG korrigiert und ihn auch nicht in unzulässiger Weise einschränkend ausgelegt. Sowohl in dem angefochtenen Urteil als auch in dieser Entscheidung des Senats ist vielmehr auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und Literatur eine zulässige Gesetzesinterpretation, nämlich die Auslegung eines in einer Ermessensnorm verwendeten Rechtsbegriffs, vorgenommen worden (vgl. ebenso zu § 116 Abs. 1 Nr. 2 BBG a.F. BVerwG, Urteil vom 8.11.1961, a.a.O., S. 5; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 7.5.2014 - BVerwG 2 B 75.12 -, [...] Rn 5).

2. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen ebenfalls nicht vor.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine tatsächliche oder rechtliche Frage von allgemeiner fallübergreifender Bedeutung aufwirft, die im Berufungsrechtszug entscheidungserheblich ist und im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss. Die in diesem Sinne zu verstehende grundsätzliche Bedeutung muss durch die Formulierung mindestens einer konkreten, sich aus dem Verwaltungsrechtsstreit ergebenden Frage dargelegt werden. Dabei ist substantiiert zu begründen, warum die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig gehalten wird, das heißt worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll, weshalb die Frage entscheidungserheblich und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 124 a Rn 54).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Denn die von dem Kläger aufgeworfene Frage, "ob die Entscheidung des BVerwG vom 08.11.1961, die, zumindest nach heutigem Verständnis, im klaren Widerspruch zum Wortlaut des § 11 Abs. 1 Nr. 2 NBeamtVG steht, noch Geltung für sich beanspruchen kann", lässt sich - wie sich aus den Ausführungen zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergibt - schon im Zulassungsverfahren ohne weiteres beantworten.

Es kommt hinzu, dass der Kläger nicht substantiiert begründet hat, warum er die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig hält. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Er hat sich vielmehr auf die Behauptung beschränkt, dass die Frage klärungsbedürftig sei und über den Einzelfall in verallgemeinerungsfähiger Form beantwortet werden könne.

3. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind schließlich ebenfalls nicht erfüllt.

Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist eine Rechtssache dann auf, wenn sie voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, das heißt überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht. Die besonderen Schwierigkeiten müssen sich auf Fragen beziehen, die für den konkreten Fall und das konkrete Verfahren entscheidungserheblich sind (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 124 Rn 9).

Aus den obigen Ausführungen des Senats zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergibt sich, dass entgegen der Ansicht des Klägers die sich in rechtlicher Hinsicht im vorliegenden Fall stellenden Fragen überschaubar sind und in dem Grad ihrer Schwierigkeit nicht über das gewöhnliche Maß hinausgehen.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).