Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 10.06.2013, Az.: 13 Verg 6/13
Richtiger Antragsgegner in Vergabenachprüfungsverfahren betreffend Angelegenheiten der Bundesauftragsverwaltung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 10.06.2013
- Aktenzeichen
- 13 Verg 6/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 42487
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2013:0610.13VERG6.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VK Niedersachsen - 02.04.2013
Rechtsgrundlagen
- Art. 85 GG
- Art. 90 Abs. 2 GG
Fundstelle
- ZfBR 2013, 831
Amtlicher Leitsatz
In Angelegenheiten der Bundesauftragsverwaltung sind allein die Länder prozessführungsbefugt.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2 vom 18. April 2013 wird der Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 2. April 2013 zu Ziffer 1 des Tenors geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens trägt die Antragstellerin.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin nach einem Beschwerdewert von 1.763,50 €.
Gründe
I.
Mit EU-Vergabebekanntmachung vom 31. Juli 2012 sind für den Ausführungsort Bundesautobahn 7, 27 und 1 u. a. im Bereich Niedersachsen Bauleistungen - Errichtung einer Netzbeeinflussungsanlage - europaweit im offenen Verfahren als Bauauftrag gemäß VOB/A ausgeschrieben worden. In dem Abschnitt betreffend den öffentlichen Auftraggeber ist als Name, Adresse und Kontaktstelle die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau- und Verkehr sowie die Vergabestelle genannt worden. Die EU-Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 26. Juli 2011 bezeichnet als Auftraggeber der ausgeschriebenen Bauleistung die Bundesrepublik Deutschland - vertreten durch die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr - Geschäftsbereich Verden -. Wegen des Sachverhaltes wird auf Ziffer I des angegriffenen Beschlusses der Vergabekammer vom 2. April 2013 verwiesen.
Die Verfahrensbeteiligten haben das Nachprüfungsverfahren nach der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt. Daraufhin hat die Vergabekammer mit dem angegriffenen Kostenbeschluss die Kosten des Nachprüfungsverfahrens der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 2 je zur Hälfte auferlegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der Nachprüfungsantrag teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet gewesen sei. Der gegen die Antragsgegnerin zu 2 gerichtete Nachprüfungsantrag sei unzulässig, weil im Bereich der Bundesauftragsverwaltung das Bundesland als Prozessstandschafter der materiell verpflichteten Bundesrepublik anzusehen sei und der Antragsgegner zu 1 für einen fachkundigen Außenstehenden hinreichend klar als Vergabestelle auftrete und damit der richtige Antragsgegner gewesen sei. Die Antragsgegnerin zu 2 könne daher nicht ebenfalls öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB gewesen sein, so dass der gegen sie gerichtete Nachprüfungsantrag unzulässig sei.
Darüber hinaus sei der Nachprüfungsantrag nach dem Verfahrensstand zum Zeitpunkt der Erledigung voraussichtlich unbegründet gewesen. Dies rechtfertige die Kostentragungspflicht der Antragstellerin. Jedoch habe auch die Antragsgegnerin zu 2 Kosten zu tragen, weil die Antragsgegnerin zu 2 in den Vergabeunterlagen durch das verwendete Muster 1.1-2 EU Aufforderung zur Angebotsangabe in Ziffer 1 den Eindruck erweckt habe, sie als öffentliche Auftraggeberin anzusehen, wenn es dort heiße: "..., dass beabsichtigt sei, die (jeweils) oben benannte Leistung im Namen und für Rechnung der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch ... zu vergeben". Ein dahingehender Rechtsschein werde auch durch § 7 Abs. 1 der ersten allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen gesetzt. Schließlich ergebe sich aus der Verfahrensstatistik der Vergabekammer, dass in der Vergangenheit in vergleichbaren Situationen aufgrund der verwendeten Formulierungen häufig die Bundesrepublik als Verfahrensbeteiligte angesehen worden sei. Dies rechtfertige es, ausnahmsweise der Antragsgegnerin zu 2 die Kosten des Verfahrens zur Hälfte aufzuerlegen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Ziffer II des Beschlusses vom 2. April 2013 verwiesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2. Diese vertritt unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des Senats die Auffassung, für die Antragstellerin habe kein vernünftiger Anlass bestanden, an dem richtigen Antragsgegner zu zweifeln. Der Antragstellerin bzw. deren Verfahrensbevollmächtigten sei die Rechtsprechung des OLG Celle zur Passivlegitimation in den Fällen der Auftragsverwaltung bekannt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Antragsgegnerin zu 2 vom 18. April 2013 Bezug genommen.
II.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. § 116 Abs. 1 Satz 1 GWB gilt auch für Beschwerden gegen isolierte Kostenentscheidungen (z. B. OLG Celle, Beschluss vom 9. Februar 2011 - 13 Verg 20/10, juris Rdnr. 2). Das Rechtsmittel ist frist- und formgerecht eingelegt worden. Die im Antrag enthaltene Formulierung, dass die Kosten allein der "Beschwerdeführerin" aufzuerlegen seien, schadet nicht, da sich aus dem Inhalt der Begründung unzweifelhaft ergibt, dass die Beschwerdeführerin die alleinige Kostentragungspflicht der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin verfolgt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin fehlt es auch nicht an der erforderlichen Beschwer der Antragsgegnerin zu 2 und deren Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragsgegnerin zu 2 ist Verfahrensbeteiligte gemäß § 109 GWB und damit beschwerdeberechtigt, § 116 Abs.1 S. 2 GWB. Die erforderliche formelle Beschwer ergibt sich aus Abweichung der tenorierten Entscheidung von dem Antrag der Antragsgegnerin (vgl. Summa in Juris-PK VergR, 3. Aufl., § 116 Rn. 51). Die Antragsgegnerin zu 2 hatte die Zurückweisung des Kostenantrags der Antragstellerin beantragt und dieser Antrag blieb im Hinblick auf die ihr auferlegten Kosten zur Hälfte erfolglos. Eine materielle Beschwer - die bereits regelmäßig aus der formellen Beschwer folgt - der Antragsgegnerin zu 2 liegt ebenfalls vor. Diese ist auch dann anzunehmen, wenn die angegriffene Entscheidung den Beschwerdeführer in seinen subjektiven Rechten verletzt, ohne dass eine Beeinträchtigung wirtschaftlicher Belange erforderlich ist (z. B. Stockmann in Immenga/Mestmäcker, GWB, § 116 Rn. 20 ff.). Die rechtlichen Interessen der Antragsgegnerin zu 2 sind durch die nachteilige Kostenentscheidung berührt, weil diese Entscheidung die Antragsgegnerin zu 2 trotz voraussichtlicher Erfolglosigkeit des Nachprüfungsantrags der Antragstellerin mit Kosten zu belastet. Es fehlt auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis der Antragsgegnerin zu 2, weil diese gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 VerwKostG von der Zahlung der Gebühren befreit ist. Diese Regelung hat einen haushaltsrechtlichen Hintergrund. Sie bedeutet nicht, dass der Antragsgegnerin gegen die unrichtige Kostenentscheidung kein Beschwerderecht zusteht, mit der Folge, dass der Antragstellerin ein ihr rechtlich und wirtschaftlich nicht zustehender Vorteil verbleibt.
Die Entscheidung über die sofortige Beschwerde ergeht ohne mündliche Verhandlung, da es sich bei der angegriffenen Kostenentscheidung nur um eine Nebenentscheidung der Vergabekammer handelt (Wiese in Kularz/Kus/Portz, Kommentar zum GWB Vergaberecht, 2. Auflage, § 120 Rdnr. 15; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Januar 2011 - VII Verg 60/10, juris Rdnr. 16).
2. Die Kostenentscheidung der Vergabekammer ist, soweit der Antragsgegnerin zu 2 die hälftigen Verfahrenskosten auferlegt worden sind, dahingehend zu korrigieren, dass die Kosten allein die Antragstellerin zu tragen hat.
a) Geben im Nachprüfungsverfahren Antragssteller und Antragsgegner übereinstimmende Erledigungserklärungen ab, so verzichten die Beteiligten auf eine Sachentscheidung. Für das weitere Verfahren gilt, dass die Vergabekammer an die Erledigungserklärungen gebunden ist und eine Kostenentscheidung über die Gebühren und Auslagen der Vergabekammer gemäß § 128 Abs. 3 Satz 5 GWB, nicht aber über die notwendigen Aufwendungen der Beteiligten gemäß § 128 Abs. 4 GWB trifft (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 - X ZB 3/11, juris Rdnr. 10/11). Der BGH hat in der genannten Entscheidung klargestellt, dass dann eine Billigkeitsentscheidung nach § 128 Abs. 3 Satz 5 zu treffen ist. Die hierzu im Widerspruch stehende Formulierung des § 128 Abs. 3 Satz 4 GWB, wonach der Antragsteller die Hälfte der Gebühren zu entrichten hat, wenn sich der Antrag durch Rücknahme oder anderweitig erledigt hat, beruht auf einem redaktionellen Versehen des Gesetzgebers. Mit diesem Satz sollte lediglich das gesetzgeberische Ziel, im Falle der Antragsrücknahme oder sonstiger Erledigung eine bereits nach früherem Recht geltende Gebührenreduzierung auf die Hälfte vorzunehmen, beibehalten werden (vgl. BGH, aaO., juris Rdnr. 12). Die im Rahmen der Entscheidung über die Kostentragungspflicht zu treffenden Billigkeitserwägungen orientieren sich grundsätzlich an dem bei gebotener summarischer Prüfung voraussichtlichem Verfahrensausgang. Regelmäßig wird daher bei einem offenen Ausgang des Verfahrens eine Kostenteilung in Betracht kommen, je nach Umständen des Einzelfalls rechtfertigt sich jedoch unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit auch eine abweichende Entscheidung (BGH, aaO., juris Rdnr. 13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Mai 2011 Verg 5/12, juris Rdnr. 5; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Mai 2011 - Verg 1/11, juris Rdnr. 22).
b) Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls hat die Antragstellerin allein die Kosten des Nachprüfungsverfahrens zu tragen.
Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hätte ohne die Erledigung keine Aussicht auf Erfolg gehabt. In Bezug auf die Antragsgegnerin zu 2 ergibt sich das bereits daraus, dass diese nicht passivlegitimiert war. Bei der zu vergebenden Bauleistung handelte es sich - wie von den Beteiligten auch nicht in Zweifel gezogen wird - um eine Bundesauftragsangelegenheit im Sinne der Art. 85, 90 Abs. 2 GG. In Angelegenheiten der Bundesauftragsverwaltung erfüllen die Länder Bundesaufgaben aus eigener und selbständiger Verwaltungskompetenz. Die Auftragsverwaltung bezieht sich auf die Fernstraßenverwaltung in ihrem gesamten Umfang, so dass sowohl die Hoheitsverwaltung als auch die Vermögensverwaltung der Bundesfernstraßen erfasst sind. Demzufolge sind in Angelegenheiten der Bundesauftragsverwaltung allein die Länder prozessführungsbefugt (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15. April 1977 IV C 3.74, juris Rdnr. 17; Senat, Beschluss vom 6. Juni 2011 - 13 Verg 2/11, juris Rdnr. 19; Senat, Beschluss vom 8. November 2012 - 13 Verg 7/12).
Der Senat vermag der Auffassung der Vergabekammer nicht zu folgen, wonach widersprüchliche Angaben der Antragsgegnerin zu 2 ausnahmsweise eine Kostentragungspflicht auch zu ihren Lasten begründeten. In der EU-Bekanntmachung wird in Abschnitt I "öffentlicher Auftraggeber" unter der offiziellen Bezeichnung die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau- und Verkehr - Geschäftsbereich Verden - sowie als Kontaktstelle die Vergabestelle genannt. Der Auftragsgegenstand ist in Abschnitt II unzweifelhaft bezeichnet. Die Antragstellerin konnte unschwer erkennen, dass es sich bei dem Ausschreibungsgegenstand um eine Bundesauftragsverwaltung gemäß Art. 85, 90 Abs. 2 GG handelte. Mit dieser Information wäre sie in der Lage gewesen, das Land Niedersachsen als den richtigen Antragsgegner zu ermitteln. Dies wäre der Antragstellerin gegebenenfalls durch Nachfrage oder Einholung weiteren Rates auch zumutbar gewesen, weil das Risiko, in einem Verfahren den richtigen Anspruchsgegner oder Beklagten zu bezeichnen, in allen juristischen Verfahren gleichermaßen dem Antragsteller oder Kläger obliegt. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen rechtfertigt auch der Umstand, dass in der EU - Aufforderung zur Angebotsabgabe angegeben ist, die benannte Leistung solle im Namen und für Rechnung der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr vergeben werden, keine andere Beurteilung. Die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr kann allenfalls das Land Niedersachsen vertreten, das wiederum - wie ausgeführt - im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung die Bundesrepublik vertritt. Es ist durchaus möglich und einem Antragsteller zuzumuten, diese Vertretungsverhältnisse zu klären, bevor gegen eine Entscheidung Rechtsmittel eingelegt werden. Dies gilt umso mehr, als die Antragstellerin bereits zum Zeitpunkt des Nachprüfungsantrags anwaltlich vertreten und ihr die in diesem Zusammenhang ergangene Rechtsprechung bekannt war, wie sie nochmals in ihrer Stellungnahme vom 13. Mai 2003 ausgeführt hat. Der Senat folgt ferner nicht der Auffassung der Vergabekammer, die Antragsgegnerin zu 2 habe durch die Regelungen in der ersten allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Auftragsverwaltung der Autobahnen und Bundesfernstraßen einen Rechtsschein gesetzt, die Antragsgegnerin zu 2 als öffentliche Auftraggeberin anzusehen, die gemäß § 109 GWB im Nachprüfungsverfahren Verfahrensbeteiligte wäre. In § 7 der genannten Verwaltungsvorschrift ist geregelt, dass die Länder den Bund im Bereich der Auftragsverwaltung unter der Bezeichnung "Bundesrepublik Deutschland - Bundesstraßenverwaltung" gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Auch hieraus lässt sich kein Rückschluss auf eine Passivlegitimation der Antragsgegnerin zu 2 ziehen. Ob sich die Passivlegitimation des Landes Niedersachsen aus einer gesetzlichen Prozesstandschaft aus Artikel 90 Abs. 2 GG oder aus einem echten Vertretungsverhältnis ergibt, ist unerheblich, weil in jedem Fall allein dem Land die Prozessführungsbefugnis zusteht (vgl. auch Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. August 2003 - 4 C 9/02, juris Rdnr. 7; Senat, Beschluss vom 8. November 2012 - 13 Verg 7/12).
Auch wenn es zur Erleichterung bzw. Vermeidung von Auseinandersetzungen über die Passivlegitimation hilfreich wäre, in den Vergabeunterlagen eindeutigere Bezeichnungen zu finden, so rechtfertigt dies nicht die Belastung der Antragsgegnerin zu 2 mit Kosten aufgrund der fehlerhaften Wahl des Antraggegners durch die Antragstellerin.
Nach den nicht angegriffenen Ausführungen der Vergabekammer zu der voraussichtlichen Unbegründetheit des Nachprüfungsantrags zum Zeitpunkt der Erledigung wäre die Antragstellerin voraussichtlich in dem Nachprüfungsverfahren vollständig unterlegen. Dies rechtfertigt es nach den oben dargestellten Billigkeitserwägungen, ihr die Kosten des Verfahrens allein aufzuerlegen.
III.
Die Kostenentscheidung des sofortigen Beschwerdeverfahrens richtet sich nach §§ 120 Abs. 2 GWB i. V. m. § 78 GWB. Danach sind die Regeln der Zivilprozessordnung heranzuziehen. Entsprechend der Regelungen der §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO hat daher die Antragstellerin die in der Beschwerdeinstanz entstandenen Kosten zu tragen.
Der Beschwerdewert richtet sich nach dem Kosteninteresse der Beschwerdeführerin, die mit der Hälfte der auf den Betrag von 3.527 € festgesetzten Kosten des Nachprüfungsverfahrens belastet worden ist.