Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 26.09.2006, Az.: 18 O 487/06

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
26.09.2006
Aktenzeichen
18 O 487/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 43660
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2006:0926.18O487.06.0A

Tenor:

  1. 1.

    Der Antrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch eine schriftliche und unbefristete Bürgschaft einer zum Geschäftsbetrieb in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

  4. 4.

    Der Streitwert wird auf 50.000.- EUR festgesetzt.

TATBESTAND:

1

Kläger ist ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen.

2

Der Beklagte ist Apotheker und betreibt unter der Bezeichnung "X-Apotheke" eine Apotheke. Sein Produktsortiment vertreibt er auch über einen OnlineVersandhandels-Shop unter der Adresse "www.XXX.de".

3

Er hat den Krankenkassen ein Kooperationsangebot unterbreitet mit dem Angebot, Zuzahlungsgutscheine der Krankenkasse auf die gesetzlich vorgeschriebene Zuzahlung für Arzneimittel einzulösen. Die X-Apotheke bietet Krankenkassen dabei sogenannte Zuzahlungs-Gutscheine zur Weiterverteilung an die Versicherten an, deren Vorderseite wie folgt aussieht:

4

Grafik wurde wegen fehlender Anonymisierungsmöglichkeit gelöscht)

5

Die Rückseite enthält den eigentlichen Gutschein mit dem Zusatz, dass weitere Gutscheine zugesandt werden, wenn die Zuzahlungsgutscheine ausgegangen sein sollten (vgl. Bl. 46 der Akte).

6

Die Patienten können die Gutscheine dann mit der Einsendung ihrer Rezepte bei der Versandapotheke einlösen. Dabei wird die gesamte gesetzliche Zuzahlung für rezeptpflichtige Medikamente mit dem Gutschein verrechnet. Der Beklagte gewährt damit seinen Kunden durch den Verzicht auf die Zuzahlung faktisch einen Rabatt in Höhe der Zuzahlung.

7

Der Kläger vertritt die Ansicht, der Beklagte verhalte sich mit der Handhabung der Gutscheine wettbewerbswidrig. Das UWG sei ungeachtet der Einschaltung der Krankenkassen auf das Handeln des Beklagten anwendbar, da § 69 SGB V allenfalls solche Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu Leistungserbringern dem öffentlichen Recht zuweise, die sich im Rahmen des Versorgungsauftrages der Krankenkassen hielten. Die Umgehung der Zuzahlungsverpflichtung der Patienten stelle aber eine Überschreitung dieses Versorgungsauftrages dar, da die Zuzahlungsverpflichtung im Interesse der Volksgesundheit das Ziel verfolge, die Patienten vom Erwerb unnötiger Medikamente abzuhalten.

8

Der Kläger beantragt,

dem Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu verbieten,

9

im Wettbewerb handelnd

10

Gutscheine gesetzlichen Krankenkassen oder deren Mitgliedern anzubieten und/oder zu gewähren und/oder einzulösen und/oder hierfür zu werben, bei deren Einlösung im Rahmen des Kaufs nach §§ 31 Abs. 3, 61 SGB V zuzahlungspflichtiger Arzneimittel die Mitglieder der Krankenkassen die Arzneimittelzuzahlung zu Lasten des Antragsgegners ersparen.

11

Der Beklagte beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

12

Er vertritt die Ansicht, das Wettbewerbsrecht sei gem. § 69 SGB V auf Vereinbarungen zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und Apotheken nicht anwendbar. Die Krankenkassen hielten sich bei der Kooperation mit dem Beklagten auch im Rahmen ihres Versorgungsauftrages. Denn die Gutschein-Regelung ermögliche den Krankenkassen die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes des § 70 SGB, dem auch dadurch Rechnung getragen werden, dass die Krankenkassen einen Beitrag dazu leisten, dass die Versicherten unmittelbar wirtschaftlich entlastet werden.

13

Weiterhin behauptet er, Gutscheine würden den Patienten ausschliesslich über die Krankenkassen zur Verfügung gestellt.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

14

Der Antrag ist nicht begründet.

15

Dem Kläger stehen die geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche aus den §§ 4, 8 UWG auf Unterlassung der beanstandeten Gutscheinsgewährung, -werbung oder -einlösung nicht zu.

16

Das UWG ist auf die beanstandete Vorgehensweise des Beklagten nicht anwendbar. Denn bei der Kooperation zwischen dem Beklagten und den Krankenkassen, die ihren Mitgliedern Gutscheine des Beklagten zur Verfügung stellen handelt es sich um eine Rechtsbeziehung zwischen Krankenkassen und Apotheken gem. § 69 SGB V, die danach ausschliesslich nach den Vorschriften des 4. Kapitels des SGB V und der §§ 63 und 64 SGB V zu beurteilen sind. Dies gilt gem. § 69 Satz 4 SGB V auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind.

17

Die Kammer schliesst sich dabei den Ausführungen des BGH in seinem Urteil vom 23.2.2006 - I ZR 164/03 (DRsp Nr. 2006/10811) an. Danach enthält § 69 SGB V eine materiell-rechtliche Regelung: "Sie legt fest, nach welchen Bestimmungen die Handlungen der Krankenkassen zu beurteilen sind, durch die sie - mittels ihrer Rechtsbeziehungen zu den Leistungserbringern - ihren öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag erfüllen, den Versicherten die im Dritten Kapitel des SGB V geregelten Leistungen in Natur zur Verfügung zu stellen (vgl. BSGE 89, 24, 30 f.; BSG GesR 2005, 409, 411; BGH GRUR 2004, 247, 249 - Krankenkassenzulassung; jeweils unter Bezugnahme auf die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 [GKV-Gesundheitsreform 2000], BT-Drucks. 14/1245, S. 68).

18

Die Vorschrift des § 69 SGB V schließt es aus, Handlungen der Krankenkassen und der von ihnen eingeschalteten Leistungserbringer, die der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags gegenüber den Versicherten dienen sollen, nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu beurteilen (vgl. BSGE 89, 24, 30 ff.; BSG GesR 2005, 409, 411; BGH GRUR 2004, 247, 249 - Krankenkassenzulassung)."

19

Die Kooperation zwischen dem Beklagten und den Krankenkassen, die seine Gutscheine an ihre Mitglieder weitergeben, ist danach ausschliesslich nach öffentlichem Recht zu beurteilen. Es handelt sich dabei zweifelsfrei um eine Rechtsbeziehung zwischen Krankenkasse und Apotheke. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Krankenkassen ihrerseits eine Leistung des Beklagten erhalten. Zumindest liegt der Übernahme der Verteilung der Gutscheine eine rechtlich verbindliche Absprache der Beteiligten zugrunde, mit der jedenfalls der Beklagte sich zu einer finanziell nicht unerheblichen Leistung gegenüber den Mitgliedern der Kassen verpflichtet. Diese Regelung erfüllt jedenfalls den umfassenden Begriff der "Rechtsbeziehung" gem. § 69 SGB V.

20

Die Rechtsfolge des § 69 SGB V gilt auch unabhängig davon, ob die betreffende Rechtsbeziehung sich letztlich im Rahmen des SGB V hält oder nicht (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 2003, 378; OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.03.2005, DRsp Nr. 2005/21184). Soweit die Krankenversicherung den Inhalt einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung bestimmt, wird sie nicht als Unternehmen, sondern als eine dem Wettbewerbsrecht grundsätzlich entzogene hoheitliche Einrichtung tätig. Wenn - wie hier - Krankenkassen ihren Mitgliedern die Gutscheine des Beklagten zur Verfügung stellen, nehmen sie ersichtlich für sich die Kompetenz in Anspruch, aus Gründen der Fürsorge für ihre Mitglieder diese auf günstige Angebote ihrer Leistungserbringerin, der Beklagten, hinweisen und sie in deren Wahrnehmung unterstützen zu dürfen. Auch insoweit handeln die Krankenkassen nicht als Unternehmer im Sinne des Privatrechts, sondern in Konkretisierung ihres öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags aus § 2 SGB V.

21

Eine Beschränkung des § 69 SGB V auf solche Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern, die sich im Rahmen der den Kassen nach dem SGB V obliegenden gesetzlichen oder der zulässigen freiwilligen Leistungen halten, hat auch der BGH im o.g. Urteil nicht postuliert. Vielmehr stellt der BGH auf die Intention der Krankenkassen ab, indem er § 69 SGB V auf "Handlungen der Krankenkassen und der von ihnen eingeschalteten Leistungserbringer, die der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags gegenüber den Versicherten dienen sollen" anwendet. Damit wird auch eine evtl. rechtswidrige Konkretisierung des Versorgungsauftrags durch die Krankenkassen der Anwendung des UWG entzogen.

22

Allenfalls wenn ausgeschlossen werden kann, dass Handlungen der gesetzlichen Krankenversicherung in unmittelbarem Zusammenhang mit den im vierten Kapitel SGB V geregelten Rechtsbeziehungen oder anderen gesetzlichen Aufgaben stehen, könnte angesichts der klaren Beschränkung auf die abschliessenden Regelungen des öffentlichen Rechts noch Raum für eine Anwendung des Zivilrechts bleiben. Das kann aber nur noch in reinen Randbereichen der Fall sein, etwa bei reinen Fiskalgeschäften zwischen einer Krankenkasse und einem ihrer Leistungserbringer (vgl. SchlHOLG OLGReport-Schleswig 05, 733). Eine derartige Bewertung kommt jedoch bei der Erleichterung des Erwerbs ärztlich verordneter und daher nach ärztlicher Beurteilung notwendiger Arzneimittel offensichtlich nicht in Betracht.

23

Entgegen der Ansicht des Klägers entsteht durch § 69 SGB V kein rechtsfreier Raum, da die Krankenkassen ihrerseits der staatlichen Aufsicht unterliegen und von daher die Einhaltung ihrer Befugnisse überprüft wird.

24

Ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus dem aus der Rückseite des vom Beklagten verwendeten Gutscheins zu entnehmenden Angebot der direklten Überlassung von Gutscheinen an Kunden des Beklagten. Denn der Beklagte hat unwiderlegt vorgetragen, dass Gutscheine nur im Rahmen der Kooperation mit Krankenkassen abgegeben werden und dieses auch durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht.

25

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 709 ZPO.

26

Der vom Kläger angegebene Streitwert von 50.000.- EUR erscheint angesichts des möglichen Umfangs der aus der Gutscheinsvereinbarung resultierenden Nachlässe angemessen.