Landgericht Osnabrück
Urt. v. 09.06.2006, Az.: 13 O 146/06
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 09.06.2006
- Aktenzeichen
- 13 O 146/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 43653
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2006:0609.13O146.06.0A
Fundstellen
- APR 2007, 79-80 (Volltext mit amtl. LS)
- APR 2006, 174
In dem Rechtsstreit
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. Frankfurt/Main,
Kläger
gegen
Beklagte
Die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Osnabrück hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Mai 2006 durch die Richter Pirnay, Dreyer und Hannibal
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen zu Zwecken des Wettbewerbs Datenverarbeitungsanlagen anzubieten, die die Bestellung von apothekenpflichtigen Artikeln im Netz ermöglicht, wenn diese Datenverarbeitungsanlage in räumlichem Zusammenhang mit ausgeübter ärztlicher Tätigkeit und zum Gebrauch durch Patienten aufgestellt werden soll, wenn nicht diese Bestellungen bei sämtlichen Apotheken im Geltungsbereich des Apothekengesetzes aufgegeben werden können, die Bestellungen im Netz entgegennehmen.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis sechs Monaten und im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren angedroht.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Gegenstandswert wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin will der Beklagten als Vertriebsbeauftragter der A. S.A., Luxemburg, (nachfolgend: A) für Norddeutschland den Vertrieb einer Datenverarbeitungsanlage ("K-Rechner") verbieten. Diese Datenverarbeitungsanlage wird aufgrund von Gebrauchsüberlassungsverträgen in Arztpraxen aufgestellt. Sie ermöglicht Patienten, mithilfe von Krankenversicherungskarte und Rezept Medikamente in der Apotheke zu bestellen, wo sie abgeholt werden können oder von wo sie dem Patienten übersandt werden. Die Medikamente können bei denjenigen Apotheken bestellt werden, die Bestellungen im Netz entgegennehmen und zugleich aufgrund vertraglicher Einigung mit A freigeschaltet sind, das heißt mittels des K-Rechners erreicht werden können. Die Klägerin erblickt darin einen Verstoß gegen Bestimmungen des Berufsrechts der Ärzte und Apotheker und beantragt,
die Beklagte unter Androhung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft zu verurteilen, es zu unterlassen, zu Wettbewerbszwecken Ärzten und/oder Apothekern das Angebot der Nutzung eines Systems wie den K-Rechner zu unterbreiten, das vorsieht, dass der Rechner in der Arztpraxis installiert wird und der Patient seine Rezeptdaten aus der Arztpraxis zu den an diesem System beteiligten Apotheken übertragen kann und/oder einen derartigen K-Rechner in Arztpraxen zu installieren.
Die Beklagte beantragt,
Klagabweisung.
Sie tritt einer Inanspruchnahme entgegen. Die vertriebene Datenverarbeitungsanlage sei berufs- und damit wettbewerbsrechtlich unbedenklich. Der Sache nach sei die Freischaltung mit einem Eintrag in den Gelben Seiten vergleichbar. Es sei auch unbedenklich, wenn ein Arzt in seiner Praxis einen Rechner mit Netzanschluss aufstelle, auf diese Weise seinen Patienten ermögliche, Medikamente bei einer Versandapotheke zu bestellen.
Wegen aller Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die Klageschrift vom 6. Februar 2006 mit den Anlage K1 und K2 sowie auf den weiteren Schriftsatz der Klägerin vom 8. Mai 2006 mit den Anlagen K3 und K4 sowie auf die Klageerwiderung vom 3. März 2006 mit den Anlagen KE1 bis 3 und die weiteren Schriftsätze der Beklagten vom 17. März und 10. Mai 2006.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat teilweise Erfolg. Die Klägerin kann von der Beklagten verlangen, dass der K-Rechner nur mit der Maßgabe vertrieben wird, dass die Patienten apothekenpflichtige Medikamente bei sämtlichen Apotheken im Geltungsbereich des Apothekengesetzes bestellen können, die Bestellungen im Netz entgegennehmen. Die weitergehende Klage ist unbegründet. Im einzelnen gilt folgendes:
1. Die Klägerin ist anspruchsberechtigt. Das bestimmt § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
2. Anspruchsgrundlage ist § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. mit den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG. Die Klägerin hat Anspruch auf Unterlassung, soweit die Beklagte den K-Rechner mit der Maßgabe anbietet, dass apothekenpflichtige Medikamente nur bei den Apotheken bestellt werden können, die bei A die Freischaltung erworben haben. Der Gebrauch einer solchen Datenverarbeitungsanlage ist unlauter. Er verstößt gegen eine gesetzliche Vorschrift im Sinn von § 4 Nr. 11 UWG.
a) Verletzte gesetzliche Vorschriften ist § 34 Abs. 5 der Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen vom 11. Februar 2004 (nachfolgend immer nur Berufsordnung Ärzte). Diese Bestimmung lautet:
"Dem Arzt ist nicht gestattet, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken, Geschäfte oder Anbieter von gesundheitlichen Leistungen zu verweisen."
b) Diese Vorschrift gilt nicht nur im Land Niedersachsen. Sie entspricht § 34 Abs. 5 der Musterberufsordnung. Sie hat Eingang in die Berufsordnung sämtlicher Ärztekammern Deutschlands gefunden. Darüber streiten die Parteien nicht.
c) § 34 Abs. 5 der Berufsordnung Ärzte ist gesetzliche Vorschrift im Sinn von § 4 Nr. 11 UWG. Gesetzliche Vorschrift in diesem Sinn ist jede Rechtsnorm. Das folgt aus Art. 2 EGBGB. Zu den Rechtsnormen gehören mithin auch das von Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Zuständigkeit gesetzte Recht.
d) Ein Arzt, der den K-Rechner in der bislang vertriebenen Weise in seiner Praxis aufstellt und seinen Patienten zum Gebrauch überlässt, verstößt gegen § 34 Abs. 5 Berufsordnung Ärzte. Denn er verweist seine Patienten auf bestimmte Apotheken ohne hinreichenden Grund.
aa) Indem der Arzt seinen Patienten die Möglichkeit anbietet, Medikamente in der von der Beklagten beworbenen Weise zu bestellen, verweist er seine Patienten. Ein Verweisen im Sinn von § 34 Abs. 5 Berufsordnung Ärzte setzt weder ein ausdrückliches Auffordern noch ein Empfehlen voraus. Es genügt, dass der - eingeschränkte - Patientenkreis, der von der Möglichkeit Gebrauch machen will, Medikamente bereits aus der Arztpraxis heraus im Netz zu bestellen, dies nicht bei jeder beliebigen Apotheke tun kann, die Bestellungen im Netz entgegennimmt, sondern nur bei solchen, die bei Alpha Networks gegen Entgelt die Möglichkeit erworben haben, auf dem von der Beklagten beworbenen K-Rechner aufgerufen werden zu können.
bb) Die Patienten werden damit an einen bestimmten und nicht an einen unbestimmten Kreis von Apotheken verwiesen. Die Anzahl der Apotheken, die von Alpha Networks gegen Entgelt die Möglichkeit erworben haben, über den von der Beklagten beworbenen K-Rechner Bestellungen im Netz entgegenzunehmen, ist bestimmt.
cc) Dafür, dass der Kreis der Apotheken, auf die verwiesen wird, bestimmt ist, gibt es keinen hinreichenden Grund. Ein hinreichender Grund ist weder, dass diese Apotheken A eine Vergütung gezahlt haben, noch dass A den Ärzten, die das Gerät aufstellen, dafür eine Vergütung zahlt.
3. Bei der Fassung des Urteilsauspruchs ist zu berücksichtigen, dass es unbedenklich wäre, wenn Patienten bei jeder beliebigen Apotheke, die Bestellungen im Netz entgegennehmen, über die von der Beklagten beworbene Anlage bestellen könnten. Zwar wäre auch in diesem Fall die Anzahl der Apotheken, auf die verwiesen wird, bestimmt. Dafür gäbe es aber einen hinreichenden Grund. Dieser läge darin, dass die verbleibenden über die von der Beklagten beworbene Datenverarbeitungsanlage nicht erreichbaren Apotheken Bestellungen im Netz nicht entgegennehmen. Ebenso war zu berücksichtigen, dass Bestellungen ohne einen Zusammenhang mit ausgeübter ärztlicher Tätigkeit ebenso unbedenklich sind, wie Bestellungen durch den Arzt selbst sowie Bestellungen nicht apothekenpflichtiger Artikel.
4. Der weitergehende Klageantrag hat deshalb eine Teilabweisung mit der sich aus § 92 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenaufhebung zur Folge. Er entzieht zugleich einem auf Aufwendungsersatz gerichteten Anspruch die Grundlage. Die Nebenentscheidungen im Übrigen beruhen auf den §§ 890 und 709 Satz 1 und 2 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswerts entspricht der Rechtsprechung der nordwestdeutschen Kammern für Handelssachen in wettbewerbsrechtlichen Hauptsacheverfahren mit Verbandsbeteiligung.