Landgericht Osnabrück
Urt. v. 12.12.2006, Az.: 18 O 732/05
Ersatz der aus den Pflichtverletzungen eines Notars im Zusammenhang mit der Abwicklung von Grundstücks-Kaufverträgen erwachsenen Schäden ; Bestehen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ; Umfang der Pflicht eines Kreditinstituts zur Überwachung eines Treuhänders ; Verpflichtung des Treugebers zur Überwachung des Treuhänders; Auslösung einer automatischen Nachforschungspflicht bei einem Kreditinstitut bei Vorliegen von Anhaltspunkten für einen Missbrauch
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 12.12.2006
- Aktenzeichen
- 18 O 732/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 32737
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2006:1212.18O732.05.0A
Rechtsgrundlagen
- § 823 Abs. 2 BGB
- § 826 BGB
- § 830 BGB
- § 246 StGB
- § 263 StGB
Fundstellen
- WM 2007, 212-215 (Volltext mit amtl. LS)
- WuB 2007, 173-174
- ZBB 2007, 150 (red. Leitsatz)
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist die Vertrauensschadensversicherung der Notarkammer X und gewährt dieser Versicherungsschutz für Schadensersatzansprüche aus vorsätzlichen Pflichtverletzungen eines Notars, welche die Geschädigten gemäß § 67 Abs. 3 Ziff. 3 BNotO an die betreffende Notarkammer richten. Sie verlangt von der Beklagten Schadensersatz aus abgetretenem Recht von Kaufvertragsparteien, welche der ehemalige Notar H. mit Amtssitz in M. dadurch geschädigt hat, dass er Fremdgelder unter Verstoss gegen grundlegende Notarpflichten über bei der Beklagten geführte Konten abgewickelt und durch Verfügungen zu eigenen Gunsten zweckwidrig verwendet hat.
Der am 06.07.1943 geborene Notar H. war im Jahre 1977 zum Notar bestellt worden und führte in der Stadt M. ein gut gehendes Notariat mit erheblich überdurchschnittlichem Beurkundungsaufkommen. Da er durchgehend mehr Geld ausgab als er einnahm, versuchte er, seinen Verpflichtungen durch den Einsatz von Fremdgeldern aus dem Notariat nachzukommen. Zu diesem begann der Notar spätestens in den Jahren 1998/1999, Notariatsgeschäfte pflichtwidrig über ein sogenanntes "Rechtsanwaltssonderkonto" - und nicht über Notaranderkonten - abzuwickeln. Das daraufhin eingeleitete förmliche Disziplinarverfahren mündete in Entscheidungen des OLG X. vom 5.9.2002 (Anlage K1) und des BGH vom 14.7.2003 (Anlage K3). Da es dem Notar seinerzeit gelungen war, in den der Entscheidung zugrundeliegenden Fällen die eingegangenen Gelder auch wieder auszuzahlen, wurde statt der von der Dienstaufsichtsbehörde beantragten zeitweisen Entfernung des Notars aus dem Amt, mit der dann vom BGH bestätigten Entscheidung des OLG lediglich eine Geldbusse von 10.000.- EUR verhängt. Das OLG führte zur Begründung seiner Entscheidung u.a. aus, dass "einerseits weder zu befürchten noch zu erwarten ist, dass der Notar sein pflichtwidriges Verhalten beibehalten wird, andererseits die Verstösse des Notars im Vergleich zu sonstigen Verstössen gegen die Pflichten im Umgang mit Fremdgeldern nicht derart schwer wiegen, dass eine höhere Sanktion in Betracht kommt".
Im Verfahren vor dem OLG hatte der Notar u.a. ausgesagt: "Ich selbst habe seit Beginn meiner Notartätigkeit auch aufgrund der örtlichen Lage meiner Kanzlei (sie befand sich anfänglich im Gebäude der Beklagten und lag später in der Nähe) eng mit den dortigen Kreditsachbearbeitern zusammengearbeitet. Im Rahmen solcher Gespräche ist auch die Möglichkeit erörtert worden, wie man im Interesse der Kostenersparnis der Kaufvertragsparteien Zahlungen kostengünstiger abwickeln könnte. Auf diese Weise ist dann der Gedanke über die Nutzung des Rechtsanwaltssonderkontos entstanden."
Ungeachtet der vorgenannten Verfahren führte der Notar wegen seiner fortdauernden wirtschaftlichen Probleme die Praxis der Abwicklung von Grundstückskaufverträgen über seine Privat- und Geschäftskonten fort. So wurde u.a. von ihm am 16.12.2003 unter der UR-Nr. 1228/03 ein Kaufvertrag zwischen den Eheleuten C. als Verkäufer und N. als Käufer über Grundbesitz in B. zum Kaufpreis von 140.000,- EUR beurkundet (Anlage K12). Die Käufer finanzierten die Kaufpreiszahlung durch ein Darlehen der Commerzbank. Mit Schreiben vom 14.01.2004 übersandte der Notar der Z.-Bank eine beglaubigte Kopie der Kaufvertragsurkunde und führte darin aus, dass der Kaufpreis fällig sei. Durch Beifügung eines vorbereiteten Überweisungsauftrags mit der Nr. 109561 veranlasste der Notar die Überweisung des Kaufpreises auf dieses Konto, bei dem es sich um eines seiner Konten, welches seit dem Jahre 2002 bei der Beklagten mit dem Verwendungszweck "Fremdgelder" geführt wurde. Das Konto wurde für verschiedenste Verfügungen des Zeugen H. verwendet und teils im Haben, teils aber auch im Soll geführt. Bei Eingang der Überweisung von der Z.-Bank am 30.01.2004 stand das Konto des Notars mit 65.289,73 EUR im Soll. Nach dem Eingang der EUR 140.000,00 wies es ein Guthaben von 74.710,27 EUR aus. Über dieses Guthaben verfügte der Notar zu eigenen Zwecken bis hin zur Löschung des Kontos und Überweisung des Restguthabens auf sein Privatkonto im April 2005.
Im Rahmen der Abwicklung des von ihm am 25.11.2002 unter der UR-Nr. 1046/2002 beurkundeten Kaufvertrags über landwirtschaftliche Flächen zwischen Herrn S. und der Stadt M. zum Kaufpreis von 131.129,30 EUR (Anlage K8) verwendete der Notar den auf das Notaranderkonto Nr. 128819 bei der Beklagten eingezahlten Kaufpreis vom 16.1.2003 durch Barabhebung von 10.000.- EUR, Überweisung von 51.129,18 am auf das Konto Nr. 114355 der Anwaltssozietät H. bei der Beklagten und Überweisung von 16.567,55 EUR an die Y.-Versicherung. Am 31.1.2003 überwies er weitere 50.000.- EUR auf das Sozietätskonto und entnahm dann im Februar 2003 das restliche Guthaben.
Nachdem die Geldeingänge nicht mehr ausreichten, die vereinnahmten Fremdgelder wieder auszuzahlen, wurde pflichtwidrige Umgang des Notars mit Fremdgeldern aufgrund von Beschwerden von Urkundsbeteiligten dienstaufsichtlich festgestellt. Am 23.04.2004 wurde der Notar H. auf eigenen Antrag aus dem Notaramt entlassen. Am 22.06.2004 stellte er Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Auf die Inanspruchnahme durch die Geschädigten hat die Klägerin als Vertrauensschadenversicherung den Betrag von 131.330,43 EUR (131.129,30 EUR zzgl. Abwicklungskosten 201,13 EUR) bzw. von 140.000,00 EUR die Geschädigten bzw. den Notariatsverwalter geleistet und im Gegenzug deren Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte abgetreten erhalten. Auf die Abtretungserklärungen der Eheleute C. vom 03.08.2004 und der N. vom 04.08.2004 und der Z.-Bank vom 18.08.2004 (Anlagen K16 - K18) bzw. des Herrn S. und der Stadt M. vom 12./16.09.2004 (Anlagen K10 - K11) wird verwiesen.
Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe gegenüber dem Notar angeregt, vom ihm beurkundete Kaufverträge aus Kostengründen nicht über Notaranderkonten, sondern unter Verstoss gegen die Bundesnotarordnung über Sammel- bzw. Sonderkonten abzuwickeln. Der Beklagten sei zudem aus der Einvernahme von zwei ihrer Mitarbeiter, der Zeugen K. und Herr S., im förmlichen Disziplinarverfahren am 21.12.2000 bekannt gewesen, dass der Notar über Fremdgelder zweckwidrig verfügte.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass die Beklagte sowohl aus einem Vertrag zugunsten Dritter, als auch aus der Verletzung von Schutzpflichten zugunsten Dritter, d.h. hier jeweils zugunsten der Parteien der Kaufverträge, für die eingetretenen Schäden hafte. Die Beklagte habe durch ihre Anregung, Kaufverträge über Sonderkonten abzuwickeln und die Zusage, Verfügungen des Notars auch bei Sollständen dieser Konten auszuführen, ihren Willen bekundet, Dritte in den Schutzbereich ihrer Vertragsbeziehung zum Notar einzubeziehen. Besondere Schutzpflichten der Beklagten ergäben sich darüberhinaus aus der Gefährdung der Interessen der Kaufvertragsparteien durch die Abwicklung über die im Soll stehenden Sonderkonten des Notars. Diese Schutzpflichten habe die Beklagte durch das Unterlassen einer Überwachung der Kontoführung des Notars H. verletzt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 271.330,43 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1.7.2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet, dass ihr die Verwendung der nicht als Anderkonten geführten Fremdgeldkonten des Notars für die Abwicklung von Grundstückskaufverträgen bekannt gewesen sei. Insbesondere habe es keine diesbezügliche Anregung oder Absprache gegenüber dem Notar gegeben. Es sei ihr ohne besondere Hinweise auf ein Fehlverhalten des Notars auch nicht möglich gewesen, dessen Kontoverfügungen zu überwachen. Weder habe es Hinweise auf problematische wirtschaftlichen Verhältnissen des Notars gegeben, noch habe sie aus dem Disziplinarverfahren, in dem ihre Mitarbeiter vernommen wurden, auf zweckwidrige Verfügungen des Notars schliessen können. Vielmehr habe sie sich angesichts des Verbleibens des Notars in seinem Amt darauf verlassen, dass in dem Disziplinarverfahren keine schwerwiegenden Verfehlungen festgestellt worden seien.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, sie habe sich bei dem Zeugen H., der in seinen Funktionen als Rechtsanwalt und Notar ständig mit Fremdgeldern in Berührung kam, keine Gedanken machen müssen, für welche Zwecke und Geschäftsvorfälle er sein Fremdgeldkonto einsetzte. Sie habe sich auf die Einhaltung der Berufspflichten durch den Zeugen verlassen können. Es gehöre auch nicht zu ihren Pflichten, Nachforschungen über die ihr nicht mitgeteilten Verpflichtungen des Notars im Innenverhältnis zu seinen Treugebern anzustellen.
Auch die zu eigenen Zwecken erfolgten Verfügungen des Notars über das Anderkonto 128819 im Rahmen des Kaufvertrages S./Stadt M. habe sie ohne eigene Prüfungspflichten ausführen müssen. Sowohl Barverfügungen als auch Scheckverfügungen und Überweisungen auf die eigenen Konten seien nicht a priori pflichtwidrig, sondern abhängig von den erteilten Verwahrungsanweisungen und Treuhandaufträgen, die der kontoführenden Bank nicht bekannt seien.
Das Gericht hat Beweis erhoben gem. Beschluss vom 12.9.2006 (Bd. 1 Bl. 224 ff.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24.10.2006 (Bd. 2 Bl. 1 ff.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Die Beklagte ist weder aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt, d.h. weder aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter noch wegen der Verletzung von Schutzpflichten, zum Ersatz des aus den Pflichtverletzungen des Notars H. im Zusammenhang mit der Abwicklung der Grundstücks-Kaufverträge Nr. 1046 der Urkundenrolle für 2002 und Nr. 1228 der Urkundenrolle für 2003 erwachsenen Schäden verpflichtet.
I.
Vertrag C. - N.
Wie auch die Klägerin einräumt, ist eine Pflicht eines Kreditinstituts zur Überwachung eines Treuhänders grundsätzlich zu verneinen und scheidet folgerichtig eine vertragliche Schadensersatzpflicht gegenüber dem Treugeber regelmässig schon deshalb aus. Es gehört zur Risikosphäre des Treugebers, darüber zu wachen, dass der Treuhänder sich nach den Anweisungen der Treuhandverhältnisses richtet (vgl. z.B. BGH WM 87, 1416, 1418). Selbst wenn dem Kreditinstitut Anhaltspunkte für einen Missbrauch vorliegen, wird damit noch keine automatische Nachforschungspflicht ausgelöst. Das Kreditinstitut braucht sich zunächst nur nach den Weisungen aus dem zugrunde liegenden Kontovertrag zu richten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Kreditinstitut vorsätzlich und kollusiv mit dem Treuhänder zusammenwirkt, um den Treugeber zu schädigen. In diesem Fall ist das Kreditinstitut zum Schadensersatz gemäß § 826 BGB verpflichtet, ggf. auch aus den §§ 823 Abs. 2, 830 i.V.m. §§ 27, 246, 266 StGB. Ferner ist eine vertragliche Haftung denkbar, wenn der Treugeber durch besondere Vereinbarung in den Schutzbereich des Kontovertrags einbezogen wurde und das Kreditinstitut zu erkennen gegeben hat, dass es insoweit besondere Überwachungspflichten übernehmen will (vgl. Gößmann, Bankrecht und Bankpraxis 06/02 Rz. 2/247).
Vorstehendes gilt auch bei Notaranderkonten. Angesichts der besonderen Qualifikation des Kontoinhabers und der Kontrolle durch das Standesrecht darf die Bank davon ausgehen, dass Anderkonten ordnungsgemäss geführt und dass die spezifisch standesrechtlichen Pflichten eingehalten werden. Letztlich ist der Bank eine Prüfung auch unmöglich, weil sie die Abreden zwischen dem Kontoinhaber und seinem Treugeber grundsätzlich nicht kennt und die Rechtmässigkeit der Verfügung daher nicht beurteilen kann. Auch nach allgemeinen Grundsätzen hat sich die Bank stets innerhalb der Grenzen des ihr erteilten formalen Auftrags zu halten und muss bei der Abwicklung von Aufträgen die zugrunde liegende Rechtsbeziehung der Beteiligten nicht beachten (Gößmann, Bankrecht und Bankpraxis 06/02 Rz. 2/303 m.w.N..).
Nach diesen Grundsätzen kommt eine Schadensersatzpflicht der Beklagten gegenüber den Beteiligten am Grundstückskaufvertrag UR 1228/03 (Vertrag C. - N.) nicht in Betracht. Die Beklagte hatte keine realistische Möglichkeit, die zweckwidrige Verwendung des seitens der Z.-Bank als finanzierender Bank auf das offene Treuhandkonto Nr. 109561 eingezahlten Kaufpreises zu verhindern. Denn dieser Zahlung war ihre Funktion als Kaufpreiszahlung nicht anzusehen. Die Zahlung war auch nicht zu treuen Händen des Notars geleistet worden. Vielmehr ging die leistende Z.-Bank - aufgrund der pflichtwidrigen Angabe eines eigenen Kontos des Notars für die Zahlung des Kaufpreises an Stelle des gem. § 4 der Urkunde (Anlage K12) anzugebenden Kontos der verkaufenden Partei - von einem Verbleib des Geldes auf dem angegebenen Konto zur Verfügung des Kontoinhabers aus. Die Schädigung der Vertragsbeteiligten hätte daher seitens der Beklagten nur dann verhindert werden können, wenn sie entweder sämtliche Einzahlungen auf das Konto Nr. 109561 auf das zugrundeliegende Rechtsverhältnis überprüft oder aber Verfügungen des Notars über seine bei ihr unterhaltenen Konten generell unterbunden hätte.
Für derartig drastische Massnahmen gab es jedoch vorliegend keinen Anlass. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob und in welchem Umfang die Beklagte über das mit der Entscheidung des BGH vom 14.7.2003 abgeschlossene Disziplinarverfahren gegen den Notar H. unterrichtet war. Denn wenn weder der Notarsenat des OLG Celle noch der Bundesgerichtshof in Kenntnis sämtlicher Ermittlungsergebnisse des Verfahrens eine Gefährdung der Vermögensinteressen der Beteiligten zu erkennen vermochten, dann ist der Beklagten nicht anzulasten, dass sie ihrerseits aufgrund des Disziplinarverfahrens keine Veranlassung sah, Verfügungen des Notars über seine Konten zu hinterfragen oder gar zu unterbinden.
Auch aus der von der Klägerin behaupteten Abrede zur kostengünstigen Abwicklung von Grundstückskaufverträgen lässt sich eine gesteigerte Sorgfaltspflicht der Beklagten gegenüber den an dem Vertrag C. - N. beteiligten Personen nicht herleiten.
Denn einerseits hat die Klägerin eine derartige Absprache zwischen der Beklagten und dem Notar nicht zu beweisen vermocht. Zwar hat der Notar im Verfahren vor dem OLG angegeben, er sei aufgrund einer Anregung seitens der Beklagten zur kostengünstigen Abwicklung über Sonderkonten an Stelle von Notar-Anderkonten auf die ihm seinerzeit vorgeworfenen Pflichtwidrigkeiten verfallen. In seiner Aussage in diesem Verfahren hat der Notar diese Angaben jedoch nicht bestätigt, sondern eine Absprache über die Verwendung von Sonderkonten nur auf die Abwicklung von Verträgen bezogen, bei denen die Beklagte sowohl Neu- als auch Altgläubigerin war und demnach den Kaufpreis zur Ablösung von Grundpfandrechten an sich selbst zu zahlen hatte. Das Gericht verkennt nicht, dass die nunmehrigen Angaben des Notars wenig überzeugend sind, da es in den von ihm geschilderten Fällen einer Absprache nicht bedurft hätte, sondern die Beklagte mit internen Verrechnungskonten hätte arbeiten können. Die Zweifel an den nunmehrigen Angaben führen aber nicht dazu, die Aussage des Notars vor dem OLG als glaubhaft zu werten. Denn die seinerzeitige Darstellung bis hin zur Behauptung eines "Black-Outs" bezüglich des Verbleibs für ihn kritischer Akten verfolgte ersichtlich den Zweck, den Notarsenat über die wahren Umstände zu täuschen und seine Handlungsweise - erfolgreich - als reinen Formfehler im Kosten-Interesse der Beteiligten darzustellen. Auch die weiteren Zeugen haben den Vortrag der Klägerin nicht bestätigt.
Darüberhinaus hätte die von dem Notar geschilderte Absprache, in einzelnen Fällen ein Sonderkonto statt eines Anderkontos zu verwenden, nicht dazu führen können, sämtliche Verfügungen des Notars über seine Konten zu überprüfen oder zu unterbinden. Denn die Vereinbarung betraf nach der protokollierten Aussage des Notars (Anlage K4) einzelne Fälle, die jeweils auf seinen Vorschlag hin von der Beklagten über ein bestimmtes "Rechtsanwaltssonderkonto" (Konto-Nr. 114348) abgewickelt wurden. Demnach hätten sich zwar einerseits für die Beklagte Rückschlüsse auf ein verringertes Pflichtbewusstsein des Notars ergeben können und möglicherweise auch besondere Sorgfaltspflichten in den über Sonderkonten abgewickelten Verwahrungsgeschäften; nicht aber die Verpflichtung, die Geschäftsverbindung mit dem Notar zu blockieren oder zu beenden, wie dies zur Verhinderung der unberechtigten Verfügung über den von der Z.-Bank eingezahlten Betrag erforderlich gewesen wäre. Die Beklagte hätte angesichts der Bewertung des Verhaltens des Notars als reinen Formverstoss durch ein OLG und den BGH mit der Unwirksamkeit einer Kündigung der Geschäftsbeziehung und daraus resultierenden Schadensersatzverpflichtungen rechnen müssen.
II.
Vertrag S./Stadt M.
Auch in der Kaufvertragsangelegenheit S./Stadt M. kann eine Pflichtverletzung seitens der Beklagten gegenüber den Urkundsbeteiligten nicht festgestellt werden.
Allerdings handelte es sich bei den Verfügungen des Notars über das Anderkonto Nr. 128819 um nicht alltägliche Vorgänge im Zusammenhang mit notariellen Verwahrungsgeschäften. Das gilt insbesondere für die Barabhebung vom 16.1.2003 in Höhe von 10.000.- EUR, aber auch die Überweisungen von über 100.000.- EUR auf eigene Konten. Diese Verfügungen waren daher geeignet, bei den Mitarbeitern der Beklagten Aufmerksamkeit zu erregen, da auch die Überweisungen nicht maschinell abgewickelt wurden, sondern gem. § 27 Abs. 3 Satz 3 DONot die schriftliche Bestätigung des beauftragten Kreditinstituts erforderlich war, dass es den Überweisungsauftrag jedenfalls in seinem Geschäftsbereich ausgeführt hat. Die Mitarbeiter der Beklagten mussten daher erkennen können, dass ungewöhnlicherweise der Grossteil des dem Notar zu treuen Händen überantworteten Geldes diesem selbst zufloss. Ungeachtet dieser Umstände ist aber die Ausführung der eigennützigen Aufträge des Notars der Beklagten nicht als Pflichtverletzung anzulasten.
Der Umstand der Barverfügung muss die Bank nicht zu erhöhter Sorgfalt veranlassen. Barverfügungen sind zwar selten und stossen deswegen auf Misstrauen weil sie im Zusammenhang mit betrügerischen Anlagegeschäften stehen könnten, kommen aber dennoch im ordnungsgemässen Geschäftsgang vor. Sie sind damit per se unauffällig, zumal der Notar über jeden Vorgang Auskunft geben können muss (§ 10 DONot). Auch § 54a Abs. 1 BeurkG steht der Zulässigkeit von Barverfügungen nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift darf der Notar kein Bargeld zur Aufbewahrung oder Ablieferung an Dritte entgegennehmen. Der Wortlaut dieser Vorschrift erfasst gerade nicht die Barabhebung vom Anderkonto und die Vorschrift hat überdies einen ausschliesslich geldwäscherechtlichen Hintergrund (vgl. Gößmann a.a.O.. Rz. 2/305). Demgegenüber lässt § 54 b Abs. 3 Satz 5 ff. BeurkG die Auszahlung in bar oder mittels Bar- oder Verrechnungsscheck ausdrücklich vor, sofern besondere berechtigte Interessen der Beteiligten dies gebieten Die Ausführung der Barverfügung vom 16.1.2003 war damit als solche nicht geeignet, eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten zu begründen, da sich der Notar H. im Rahmen seiner gesetzlichen Befugnisse hielt.
Auch bei Überweisungen auf Eigenkonten darf die Bank sich grundsätzlich darauf verlassen, dass der Kontoinhaber die dienstrechtlich und standesrechtlich gebotenen Gegebenheiten beachtet. Die Bank trifft keine Prüfungspflicht, weil diese Verfügung grundsätzlich von der Kontoinhaberschaft gedeckt ist und das Dienstrecht die Überweisung auf ein Eigenkonto nicht verbietet (vgl. Gößmann a.a.O.. Rz. 2/306). Zwar bestand im konkreten Fall die Besonderheit, dass die Überweisungen des Notars deutlich über den von § 54 b Abs. 3 Satz 8 BeurkG gesteckten Rahmen hinausgingen, wonach Verfügungen zugunsten von Privat- oder Geschäftskonten des Notars lediglich zur Bezahlung von Kostenforderungen aus dem zugrundeliegenden Amtsgeschäft zulässig sind. Da aber einerseits der Auszahlungsberechtigte sein Einverständnis mit einem über die Beschränkungen des § 54b Abs. 3 S. 8 hinausgehenden Einbehalt erklären kann (vgl. Eylmann/Vaasen/Hertel § 54 b BeurkG Rz. 28) und es sich andererseits um Überweisungen handeln kann, mit denen der Kontoinhaber seiner Trennungspflicht nachkommen will (vgl. Gößmann a.a.O.. Rz. 2/306 aE.), war eine offensichtliche Gesetzwidrigkeit nicht gegeben, die eine Ablehnung der einzelnen Verfügungen hätte begründen können.
Es lagen auch keine besonderen Umstände vor, die ein Abweichen von dem Grundsatz, dass sich die Banken bei Überweisungen streng innerhalb der Grenzen des ihnen erteilten formalen Auftrags halten und die den Überweisungen zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse der Beteiligten grundsätzlich nicht beachten (vgl. BGH WM 86, 875), hätten begründen können.
Für ein kollusives Zusammenwirken der Beklagten zum Nachteil der Urkundsbeteiligten im konkreten Fall ergibt sich kein Anhaltspunkt. Ein Interesse der Beklagten an einer Mitwirkung hätte sich allenfalls dann ergeben können, wenn die bevorstehende Insolvenz des Notars erkennbar gewesen wäre. Dies haben die dazu befragten Zeugen jedoch in Abrede gestellt. Angesichts des ständigen Zuflusses von Geldern im Rahmen der regen Urkunds- und Vollzugstätigkeit des Notars waren die finanziellen Probleme von diesem auch über einen längeren Zeitraum erfolgreich verschleiert worden und kann von einer Offenkundigkeit für die Beklagte auch im Zeitpunkt der hier fraglichen Verfügungen nicht ausgegangen werden.
Der Beklagten kann auch nicht angelastet werden, dass sie eine besondere Gefahrensituation durch die Förderung einer Abwicklung von Verwahrungsgeschäften über Sonderkonten geschaffen hätte. Denn einerseits erfolgte die Abwicklung in der Vertragssache S./Stadt M. gerade nicht über ein Sonderkonto, sondern durch dass gem. § 54 a BeurkG nur bei besonderen Sicherungsinteressen zulässige Anderkonto. Andererseits hat die Klägerin - wie oben zu I. ausgeführt - eine Absprache der Beklagten mit dem Notar zur Verwahrung auf Sonderkonten nicht bewiesen.
Das Disziplinarverfahren stellte ebenfalls keinen Umstand dar, der eine besondere Gefahrenlage signalisiert und besondere Sorgfaltspflichten der Beklagten hätte begründen können. Insoweit wird auf die Ausführungen unter oben I. verwiesen.
Letztlich lässt sich auch bei kumulativer Betrachtung der ungewöhnlichen Verfügungen in Bar oder per Überweisung auf Eigenkonten sowie der Tatsache des Disziplinarverfahrens keine Verpflichtung der Beklagten zu Nachforschungen oder Nichtausführung der Aufträge des Notars feststellen. Auch wenn im konkreten Fall angesichts der Erschöpfung nahezu des gesamten Kaufpreises durch Verfügungen zugunsten des Notars für aufmerksame und sachkundige Bankmitarbeiter eine Nachfrage bei der Käuferin, der mit der Beklagten verbundenen Stadt M., oder der Dienstaufsichtsbehörde unproblematisch möglich gewesen wäre und zur Vermeidung auch der späteren Schäden beigetragen hätte, handelt es sich dabei nicht um eine Rechtspflicht. Über die normale Risikoverteilung zu Lasten der Treugeber hinaus, bei der eine Nachforschungspflicht der vom Treuhänder eingeschalteten Bank selbst dann nicht besteht, wenn diese sich den einen Missbrauch die Treuhandbefugnisse naheliegenden Tatsachen verschliesst (Gößmann a.a.O.. Rz. 2/247), die auch gegenüber Banken und deren Mitarbeitern wirkende besondere Vertrauensstellung der staatlichen Institution des Notars zu berücksichtigen ist, deren Förderung und Erhaltung gerade auch die Institution des Vertrauensschadensfonds und der Versicherung der dort anfallenden Risiken bei der Klägerin dient. Da ein Notar der staatlichen Dienstaufsicht gem. § 93 BNotO unterliegt, in deren Rahmen gerade die Verwendung der im anvertrauten und auf Anderkonten verwahrten Gelder anhand von Verwahrungs- und Massenbüchern überwacht wird, kann die kontenführende Bank gerade bei Anderkonten prima facie auch bei ungewöhnlicheren Aktionen von einer den Vorgaben der Beteiligten entsprechenden Verwendung ausgehen. Demgemäss wäre ein diskretes Einschreiten hier zwar Ausdruck besonderer Qualifikation und Aufmerksamkeit der Beklagten gewesen, aber über ihre rechtliche Verpflichtung hinausgegangen.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 709 ZPO.