Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 06.04.2006, Az.: 7 T 293/06

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
06.04.2006
Aktenzeichen
7 T 293/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 53187
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 20.03.2006 - AZ: 70 XVII 356/01
nachfolgend
OLG - AZ: 5 W 90/06

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Betreuers ... gegen den Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 20.3.2006 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 338,80 Euro

Gründe

1

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht für die Tätigkeit des Berufsbetreuers in der Zeit vom 01.10.2005 bis zum 13.2.2006 eine pauschale Vergütung von 690,80 € festgesetzt und dabei zugrundegelegt, dass er eine Vergütung wie ein Berufsbetreuer für die Betreuung eines mittellosen Nichtheimbewohners ab dem 2. Jahr erhält (3,5 Stunden pro Monat, § 5 I, II VBVG). Hiergegen wendet sich der Betreuer, der die Pauschalen für das 1. Jahr einer Betreuung begehrt.

2

Der Betreute ist pakistanischer Staatsbürger und wurde seit dem 05.06.2002 ehrenamtlich durch einen Landsmann betreut. Am 12.05.2005 hat das Amtsgericht den Berufsbetreuer und Beschwerdeführer zunächst nur für den Bereich der Behördenangelegenheiten und danach am 06.06.05 insgesamt anstelle des ehrenamtlichen Betreuers bestellt.

3

Der Beschwerdeführer begründet seinen Antrag damit, dass der Betreute zwar schon seit 2002 unter einer ehrenamtlichen Betreuung stehe, dass nach dem Gesetzeswortlaut des VBVG aber nur der erstmalige Zeitpunkt einer Berufsbetreuung massgeblich für die Einordnung nach § 5 VBVG sein könne.

4

Die Beschwerde ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet.

5

Die Auffassung des Beschwerdeführers, ihm stünden die Pauschalen für das erste Jahr einer Betreuung zu, wird von der Kammer nicht geteilt. Zwar ist der in § 5 VBVG verwendete Begriff der Betreuung auslegungsbedürftig. Damit könnte sowohl die Berufsbetreuung als auch die Betreuung insgesamt gemeint sein.

6

Aber bei der Auslegung derartig unbestimmter Gesetzesbegriffe ist vorrangig auf den Willen des Gesetzgebers abzustellen. Dieser wird in den Gesetzesmaterialien erläutert. In der massgeblichen Bundestagsdrucksache 15/2494 ist der Fall des Wechsels von einem ehrenamtlichen auf einen Berufsbetreuer ausdrücklich erwähnt. Auf Seite 34 heißt es dazu:

7

„Um den mit der Pauschalierung verfolgten Zweck der Vereinfachung und Streitvermeidung nicht zu vereiteln, müssen Ausnahmen von dem vorgeschlagenen Pauschalierungsmodell so weit wie möglich begrenzt werden. Zudem sind in den vom ISG ausgewerteten Akten die Fälle besonderer Betreuungssituationen enthalten und somit in die gebildeten Pauschalen eingeflossen.

8

Im einzelnen gilt Folgendes:

9

Betreuerwechsel:

10

Aus den oben dargestellten Gründen enthält der Entwurf im Fall eines Betreuerwechsels keine Ausnahme von dem vorgeschlagenen Pauschalierungsmodell. Der mit einem Betreuerwechsel regelmäßig einhergehende Mehrbedarf ist in den vom ISG erhobenen Zahlen enthalten.

11

Maßgebend für die Anwendung der Pauschalen ist daher die erstmalige Bestellung eines Betreuers. Dies soll auch dann gelten, wenn es sich hierbei um einen ehrenamtlichen Betreuer handelt und später ein Berufsbetreuer bestellt wird. Geschieht dies z.B. im 3. Jahr einer Betreuung, kann der Berufsbetreuer nur die Pauschale für den Zeitraum ab dem 2. Jahr beanspruchen.“

12

Damit ist festzustellen, dass der Gesetzgeber den Fall des Wechsels vom ehrenamtlichen Betreuer auf den Berufsbetreuer ausdrücklich bedacht hat und in dem aus der Gesetzesbegründung ersichtlichen Sinne regeln wollte. Die ursprünglich vorgesehene Vorschrift des § 1908l Abs. 1 BGB-E (nachzulesen in der genannten Bundestagsdrucksache, S. 7), auf die sich die Gesetzesbegründung bezieht, ist nahezu identisch mit dem verabschiedeten § 5 VBVG. Dass der Zusatz „wird die Betreuung berufsmäßig geführt“ in der verabschiedeten Fassung nicht enthalten ist, liegt allein daran, dass diese Vorschrift nicht mehr im Bürgerlichen Gesetzbuch, sondern im ausdrücklich so benannten Vormünder- und Betreuungsvergütungsgesetz Eingang gefunden hat. Dieses Gesetz befasst sich nur mit den Vergütungsansprüchen der Berufsbetreuer.

13

Der für die Höhe der Pauschale maßgebliche Zeitpunkt kann demnach nur die erstmalige Bestellung eines Betreuers überhaupt sein. Für eine anderslautende Interpretation des Gesetzesbegriffes ist angesichts der eindeutigen Gesetzesbegründung kein Raum (mehr).

14

Die im Falle der Übernahme einer zunächst ehrenamtlichen Betreuung unzweifelhaft gegebene Mehrbelastung des Berufsbetreuers rechtfertigt keine andere Betrachtung, denn der Gesetzgeber war sich dieses Umstandes bewusst, wie sich aus der Bundestagsdrucksache ergibt. Eine entsprechende Mehrbelastung des Berufsbetreuers ist beispielsweise auch bei einer Erweiterung der Betreuung gegeben. Auch für diesen Fall –so die Bundestagsdrucksache - werden die zeitlich an den Beginn der Betreuung anknüpfenden Pauschalen nicht geändert. Dies ist unter der Prämisse, zur Vereinfachung des Vergütungssystems möglichst wenig Ausnahmen zuzulassen und vor dem Hintergrund, dass derartige Fallgestaltungen bei der Bildung der Pauschalen berücksichtigt wurden, unbedenklich.

15

Die Kammer übersieht nicht, dass es aufgrund der dargestellten Vergütungsregelung für den Fall des Wechsels zu einer berufsmäßig geführten Betreuung in der Praxis möglicherweise Schwierigkeiten geben wird, geeignete Berufsbetreuer zu finden, die bereit sind, das Amt zu übernehmen. Ob dies tatsächlich so ist, wird die Praxis zeigen müssen. Allerdings wäre es dann die Aufgabe des Gesetzgebers, hierauf angemessen zu reagieren.

16

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Einzelfrage hat die Kammer antragsgemäß die weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht zugelassen.

17

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 KostO. Die Kostenentscheidung folgt aus § 131 Absatz 1 Satz 1 KostO.