Landgericht Osnabrück
Urt. v. 02.06.2006, Az.: 5 O 1065/06

Anspruch gegen die Gemeinde auf Ersatz der durch einen Unfall entstandenen materiellen und immateriellen Schäden wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht während eines Volksfestes; Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos bei der freiwilligen Teilnahme an einem sportlichen Wettkampf

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
02.06.2006
Aktenzeichen
5 O 1065/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 35287
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2006:0602.5O1065.06.0A

Amtlicher Leitsatz

Kein Schadensersatzanspruch bei sportlichen Spielen, wenn sich durch einen Sturz eine ohne weiteres offensichtliche, dem Spielverlauf erkennbar immanente Gefahr verwirklicht

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Klägerin träg die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die beklagte Gemeinde wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht in Anspruch.

2

Am 26.4.2003 fand auf dem Schützenplatz ....... das "Maibaum-Aufstellen" statt. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde u.a. ein "Maibock-Packen" als Mannschaftswettkampf durchgeführt. Bei diesem Spiel ging es darum, in einer Wettkampfsituation 1 gegen 1, geknotet an ein Seil, an dessen Ende zur Länge von 4 - 5 m ein "Bungee-Seil" befestigt war, möglichst weit in Richtung des "Maibocks" zu laufen, um sodann einen Hula-Hupp-Reifen um den Maibock zu werfen. Die Klägerin nahm für die Katholische Frauengemeinschaft Deutschland an diesem Spiel teil. Ihr wurde das Seil am Hüftbereich angelegt und im Rückenbereich angeknotet. Auf das Startkommando hin lief sie in Richtung des "Maibocks" los. Durch die Zugwirkung des "Bungee-Seiles" bedingt wurde sie abgebremst, stürzte zu Boden und wurde ca. 5 m rücklings am Boden liegend zurückgezogen. Hierdurch erlitt sie schwere Verletzungen.

3

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe für diese Verletzungen einzustehen. Denn sie habe die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht schuldhaft durch die Schaffung einer Gefahrenlage verletzt. Der Wettkampf habe nicht - wie geschehen - auf einem Kieselbelag ausgeführt werden dürfen. Dieser berge nämlich die Gefahr schwerer Verletzungen bei Stürzen in sich. Darüber hinaus habe sie ein Bungee-Seil der "Marke Eigenbau" verwandt, dessen Gefährlichkeit offenbar unterschätzt worden sei.

4

Dementsprechend habe die Beklagte den der Klägerin entstandenen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen.

5

Sie habe eine Fraktur des ersten Lendenwirbels erlitten. Hierdurch bedingt habe sie langwierige stationäre und ambulante therapeutische Maßnahmen über sich ergehen lassen müssen, weshalb sie der Auffassung ist, gegen die Beklagte einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 10.000,-- EUR zu haben. Ihren Erwerbsschaden beziffert sie mit 800,-- EUR. Darüber hinaus habe die Beklagte ihr den Haushaltsführungsschaden in Höhe von 5.173,64 EUR zu ersetzen. Schließlich habe sie Aufwendungen für ärztliche Behandlungen, Krankengymnastik etc. in Höhe von 286,30 EUR gehabt, womit sie unter Berücksichtigung einer Kostenpauschale einen materiellen Schaden in Höhe von insgesamt 6.284,94 EUR erlitten habe. Da noch nicht absehbar sei, ob in Zukunft weitere Krankenhausaufenthalte und Behandlungen erforderlich werden, habe sie zudem ein Interesse an der Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, den zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden der Klägerin zu ersetzen.

6

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 6.284,94 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

  3. 3.

    festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus dem Unfall vom 26.4.2003 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder auf Dritteübergegangen ist.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie bestreitet zum einen, Veranstalter des "Maibock-Packens" gewesen zu sein. Ausrichter seien vielmehr die örtlichen Vereine gewesen. Dementsprechend treffe sie auch keine Verkehrssicherungspflicht, die sie verletzt haben könnte.

9

Darüber hinaus sei ihre Haftung auch deshalb ausgeschlossen, dass sich die Klägerin freiwillig in Kenntnis des Risikos zur Teilnahme an dem "Maibock-Packen" entschieden habe. Auch sei der von den Veranstaltern verwendete Kiesbelag nicht ungeeignet gewesen. Schließlich bestreitet die Beklagte die Schadenshöhe und den Umfang der Verletzungen der Klägerin mit Nichtwissen.

10

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der Lichtbilder Blatt 10, 11 der Akte.

11

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der gerichtlichen Niederschrift vom 29.5.2006 (Blatt 74, 75 d.A.) verwiesen.

12

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes - insbesondere im Hinblick auf den von der Klägerin behaupteten Schaden - wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Die Klage ist unbegründet.

14

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch gemäß § 839 BGB i.V.m. Artikel 34 GG. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beklagte überhaupt Veranstalter des "Maibaum-Aufstellens" in ........ gewesen ist:

15

Grundsätzlich trifft den Betreiber einer Sportanlage zwar die Verpflichtung, die Benutzer vor Gefahren zu schützen, die über das übliche Risiko der Anlagenbenutzung hinausgehen und von den Beteiligten nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar sind (vgl. dazu Palandt-Thomas, BGB, 65. Auflage, § 823, Rdnr. 121 m.w.N.). Eine Verletzung dieser Verpflichtung ist jedoch auch unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrages zu verneinen. Durch den Sturz der Klägerin hat sich eine ohne weiteres offensichtliche, dem Spielverlauf erkennbar immanente Gefahr verwirklicht. Es war erkennbar Sinn und Zweck des Spieles, dass die auf den "Maibock" zulaufenden Spieler durch das Bungee-Seil abgebremst und in ihrem Fortkommen behindert werden sollten. Dass ein Bungee-Seil eine starke Zugwirkung entfaltet, war für jeden Teilnehmer ohne weiteres ersichtlich. Dass das in Rede stehende Bungee-Seil schadhaft gewesen ist, behauptet auch die Klägerin nicht. Allein die Tatsache, dass es sich um ein Seil "Marke Eigenbau" gehandelt hat, bedeutet nicht, dass es fehlerhaft gewesen wäre. Auch der Umstand, dass die Veranstaltung auf einem Kiesuntergrund stattfand, war für die Klägerin erkennbar und konnte dementsprechend Eingang in ihre Entscheidung darüber finden, ob sie an dem betreffenden Spiel teilnehmen wollte oder nicht. Im übrigen ist auch nicht nachvollziehbar, inwieweit gerade der Kiesbelag zu den Verletzungen der Klägerin geführt haben könnte. Mithin hat sich durch den Sturz das allgemeine Lebensrisiko der Klägerin verwirklicht, sich bei der Teilnahme an einem sportlichen Wettkampf zu verletzten, hier infolge eines unglücklichen Aufkommens auf den Untergrund. Damit aber war die Klage abzuweisen.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

17

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 709 Satz 1,Satz 2 ZPO.