Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.12.2022, Az.: 11 LA 280/21

"acte clair"; Asyl; Asylverfahrensrichtlinie; Divergenz; Folgeantrag; Generalanwalt; grundsätzliche Bedeutung; sicherer Drittstaat

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.12.2022
Aktenzeichen
11 LA 280/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59810
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 06.07.2021 - AZ: 3 A 141/20

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Frage, ob die Anwendung des § 71 a AsylG mit Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 vereinbar ist, wenn ein früherer Antrag desselben Antragstellers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gestellt wurde, ist offenkundig zu bejahen und bedarf daher keiner weiteren grundsätzlichen Klärung in einem Berufungsverfahren.

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - Einzelrichter der 3. Kammer - vom 6. Juli 2021 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Verwaltungsgericht die Klage der Klägerin auf Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 7. August 2020, mit dem der von der Klägerin gestellte (weitere) Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, und den hilfsweisen Antrag, die Beklagte zur Feststellung zu verpflichten, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, abgewiesen. Der dagegen gerichtete Zulassungsantrag der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (1.) und der Divergenz (2.) liegen nicht vor bzw. sind nicht hinreichend dargelegt.

1. Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) kommt nicht in Betracht.

Eine Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich bislang noch nicht beantwortete Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf (vgl. Seeger, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1.1.2022, § 78 AsylG Rn. 18; Berlit, in: GK-AsylG, Stand: Juli 2022, § 78 Rn. 88 ff., jeweils m.w.N.). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum sie im angestrebten Berufungsverfahren klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren. Des Weiteren muss substantiiert dargetan werden, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren anders als im angefochtenen Urteil zu entscheiden sein könnte und - im Falle einer Tatsachenfrage - welche neueren Erkenntnismittel eine anderslautende Entscheidung nahelegen (OVG BB, Beschl. v. 24.3.2022 - OVG 3 N 294.19 - juris Rn. 12; BayVGH, Beschl. v. 8.3.2022 - 15 ZB 22.30228 - juris Rn. 26, jew. m.w.N.; Berlit, in: GK-AsylG, Stand: Juli 2022, § 78 Rn. 591 ff.). Im Rahmen dieser Darlegung ist eine konkrete und im Einzelnen begründete Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geboten (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 26.8.2022 - 4 LA 67/22 - juris Rn. 3; OVG BB, Beschl. v. 13.10.2020 - OVG 6 N 89/20 - juris Rn. 5, jew. m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen der Klägerin nicht.

Die Klägerin hält folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:

„1. ob die Anwendung des § 71 a AsylG mit Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 vereinbar ist und

2. ob die Subsumtion der EU-Mitgliedstaaten unter das Tatbestandsmerkmal des § 71 a AsylG „sicherer Drittstaat (§ 26 a AsylG)“ mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot und/oder Europarecht vereinbar ist.“

Die Klägerin hat die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen nicht in einer den dargelegten Anforderungen entsprechenden Art und Weise dargelegt.

a) Dies gilt zunächst hinsichtlich der ersten Frage. Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Grundsatzrüge im Wesentlichen vor, dass die Gleichstellung von Zweitantrag und Folgeantrag europarechtswidrig sei. Der Zweitantrag, wie ihn das deutsche Asylgesetz regele, sei in der Verfahrensrichtlinie nicht vorgesehen; weder die Legaldefinition in Art. 2 lit. q noch die Regelung in Art. 33 Abs. 2 lit. d der Verfahrensrichtlinie zur Unzulässigkeit eines Folgeantrags äußerten sich zur erneuten Antragstellung in anderen Mitgliedstaaten. Art. 40 Abs. 1 der Verfahrensrichtlinie beziehe sich ausdrücklich auf Folgeanträge in „demselben Mitgliedstaat“; für solche sei in der Verfahrensrichtlinie eine vorgeschaltete Wiederaufnahmeprüfung vorgesehen. Auch der Zuständigkeitsübergang nach der Dublin-III-Verordnung solle die theoretische Ausnahme darstellen, so dass es nicht notwendig erschienen sei, diesen Sachverhalt weiter zu regeln. Gegen die Behandlung eines Zweitantrags wie einen Folgeantrag spreche vor allem, dass die asylrechtliche Entscheidung eines anderen Staats in der Praxis einer deutschen nicht gleichgestellt werden könne, da dem Bundesamt die erforderlichen Informationen zur vorherigen Antragsprüfung nicht vorlägen; es fehle die notwendige Vergleichsbasis, um die Wiederaufnahme prüfen zu können.

Mit diesen Ausführungen ist die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit der von der Klägerin unter 1. formulierten Frage nicht hinreichend dargelegt. Dies folgt bereits daraus, dass es an einer im Einzelnen begründeten Auseinandersetzung mit den diesbezüglich sehr umfangreichen Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts fehlt (aa)). Einer grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit steht zudem entgegen, dass die von der Klägerin unter 1. aufgeworfene Frage in der Rechtsprechung des Senats bereits dahingehend geklärt ist, dass § 71 a AsylG in der hier vorliegenden Fallkonstellation mit Unionsrecht zu vereinbaren ist und dass dies auch der ganz überwiegenden Ansicht in der sonstigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur entspricht (bb)). Schließlich bedarf es auch deshalb keiner (weitergehenden) grundsätzlichen Klärung, weil sämtliche von der Klägerin in ihrem Zulassungsantrag angeführten Gesichtspunkte, die aus ihrer Sicht gegen eine Unionsrechtskonformität des § 71 a AsylG sprechen, durch die Ausführungen des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof in seiner Stellungnahme vom 18. März 2021 im Rahmen des Verfahrens C-8/20 entkräftet sind (cc)).

aa) Das Verwaltungsgericht hat im Zusammenhang mit der ersten von der Klägerin formulierten Frage Folgendes ausgeführt: Die Beklagte habe den Asylantrag der Klägerin zu Recht gemäß §§ 71 a Abs. 1, 29 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt. Die Vorschrift des § 71 a AsylG stehe aus Sicht des Einzelrichters offensichtlich mit EU-Recht, insbesondere mit Art. 33 Abs. 2 lit. d und Art. 2 lit. q der Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie), im Einklang, sodass es eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV nicht bedürfe. Die Asylverfahrensrichtlinie erfasse mit ihrem Art. 33 Abs. 2 lit. d, der es den Mitgliedstaaten unter den dort geregelten Voraussetzungen erlaube, Folgeanträge nach einer ersten Prüfung als unzulässig zu betrachten, nach Wortlaut, Systematik und Regelungszweck offenkundig nicht nur Folgeanträge, die in demselben Mitgliedstaat gestellt werden wie die jeweiligen Erstanträge, sondern gelte mitgliedstaatsübergreifend. Nach Art. 33 Abs. 2 lit. d der Richtlinie 2013/32/EU könnten die Mitgliedstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig betrachten, wenn es sich um einen Folgeantrag handele, bei dem keine neuen Umstände oder Erkenntnisse zu der Frage, ob der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen sei, zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden seien. Nach der Begriffsbestimmung des Art. 2 lit. q der Asylverfahrensrichtlinie bezeichne der Begriff des „Folgeantrags“ dabei einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, der nach Erlass einer bestandskräftigen Entscheidung über einen früheren Antrag gestellt werde. Eine Beschränkung auf Folgeanträge in demselben Mitgliedstaat enthalte diese Legaldefinition jedoch offenkundig nicht. Auch aus dem Wortlaut des Art. 40 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU könne nicht hergeleitet werden, dass Folgeanträge im Sinne dieser Richtlinie nur Anträge seien, die im selben Mitgliedstaat wie der frühere Antrag gestellt worden seien. Die einzelnen Bestimmungen der Art. 40, 41 und 42 der Richtlinie 2013/32/EU differenzierten dabei klar zwischen Vorgaben und Regelungsermächtigungen, die nur für Fälle gelten würden, in denen der frühere Antrag auf internationalen Schutz und der Folgeantrag im selben Mitgliedstaat gestellt würden (Art. 40 Abs. 1, Art. 41 Abs. 1 Satz 1 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU) und den allgemeinen Vorgaben und Regelungsermächtigungen, für die eine solche Einschränkung nicht vorgesehen sei. Auch die Bestimmung des Art. 40 Abs. 7 der Richtlinie 2013/32/EU zeige eindeutig, dass die Richtlinie von der Möglichkeit einer mitgliedstaatsübergreifenden Anwendung des Konzepts des Folgeantrags ausgehe. Dem von der Klägerin herausgestellten Art. 40 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU könne hingegen keine allgemeine Bedeutung für das Verständnis des Richtlinienkonzepts des Folgeantrags zugemessen werden. Eine Beschränkung des unionsrechtlichen Begriffs „Folgeantrag“ auf solche Folgeanträge, die in demselben Mitgliedstaat gestellt werden, widerspräche überdies dem Sinn und Zweck des mit den unionsrechtlichen Vorschriften zum Asylrecht angestrebten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Das GEAS solle danach einerseits gewährleisten, dass ein in einem Mitgliedstaat gestellter Antrag auf internationalen Schutz von den Behörden eines Mitgliedstaats geprüft werde, andererseits aber auch sicherstellen, dass diese Prüfung, solange keine neuen Umstände vorlägen, nur einmal erfolge. Hiermit sei es unvereinbar, wenn ein Mitgliedstaat einen Folgeantrag, der nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat gestellt werde, diesen Antrag nur deshalb erneut vollumfänglich prüfen müsste, weil das vorangegangene Asylverfahren nicht in demselben Mitgliedstaat durchgeführt worden sei. Das von der Klägerin zugrunde gelegte Verständnis würde den Sinn und Zweck eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems vollständig konterkarieren. Nach alledem sei der Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 lit. d. der Richtlinie 2013/32/EU - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht auf Folgeanträge, die in demselben Mitgliedstaat gestellt wurden, beschränkt. Vielmehr umfasse diese Vorschrift, ebenso wie es das nationale Recht in § 71 und § 71 a AsylG vorsehe, zwei Arten von Folgeanträgen, nämlich zum einen den Folgeantrag nach einem Antrag in demselben Mitgliedstaat (§ 71 AsylG) und zum anderen den Folgeantrag nach einem Antrag in einem anderen Mitgliedstaat (§ 71 a AsylG).

Mit diesen umfangreichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts hat sich die Klägerin - anders als es für den Erfolg eines auf § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG gestützten Zulassungsantrags erforderlich wäre (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 27.7.2020 - 5 A 638/19.A - juris Rn. 23) - in ihrem Zulassungsantrag in keiner Weise auseinandergesetzt. Ihr diesbezügliches Zulassungsvorbringen (s. S. 2, letzter Absatz sowie S. 3 ihres Zulassungsantrags vom 30.8.2021) beschränkt sich vielmehr ganz überwiegend auf eine wortgleiche Wiedergabe einer von ihrer Prozessbevollmächtigten in einem Kommentar zu § 71 a AsylG veröffentlichten Rechtsansicht (B., in: Huber/Mantel, Aufenthaltsgesetz/Asylgesetz, 3. Aufl. 2021, § 71 a AsylG Rn. 2). Derartige allgemein gehaltene Ausführungen entbehren jedoch naturgemäß der geforderten, substantiierten Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung. Die weiteren Ausführungen der Klägerin auf Seite 4 ihres Zulassungsantrags stellen wiederum eine wörtliche Wiedergabe der von dem Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen dar (siehe VG Schleswig, Beschl. v. 15.9.2020 - 13 A 663/19 - juris) und enthalten somit ebenso wenig die geforderte Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Im Übrigen hat sich das Vorabentscheidungsverfahren, aus dem die Klägerin zitiert hat, zwischenzeitlich durch die auch von der Klägerin in ihrem Zulassungsantrag angeführte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Mai 2021 (C-8/20) erledigt. Dabei hat der Europäische Gerichtshof die Frage, ob der Begriff „Folgeantrag“ auf einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz anwendbar ist, der in einem Mitgliedstaat gestellt wird, nachdem ein anderer Mitgliedstaat einen früheren Antrag durch eine bestandskräftige Entscheidung abgelehnt hat - wie die Klägerin in ihrem Zulassungsantrag auf Seite 3 unten selbst anführt - ausdrücklich offen gelassen (siehe EuGH, Urt. v. 20.5.2021 - C-8/20 - juris Rn. 40).

bb) Unabhängig von einer fehlenden Auseinandersetzung mit den umfangreichen Gründen der angefochtenen Entscheidung steht der Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG auch entgegen, dass die von der Klägerin unter 1. aufgeworfene Frage in der Rechtsprechung des Senats bereits dahingehend geklärt ist, dass § 71 a AsylG in der hier vorliegenden Fallkonstellation mit Unionsrecht zu vereinbaren ist (Senatsbeschl. v. 14.4.2020 - 11 LA 44/19 - V.n.b., S. 5 f. des Beschlusses). Diese Ansicht entspricht auch der ganz überwiegenden Auffassung anderer Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte (vgl. z.B. OVG Bremen, Urt. v. 3.11.2020 - 1 LB 28/20 - juris Rn. 45 ff.; SächsOVG, Beschl. v. 27.7.2020 - 5 A 638/19.A - juris Rn. 12 ff., 15 ff.; OVG BB, Beschl. v. 22.10.2018 - OVG 12 N 70.17 - juris Rn. 7; VG Düsseldorf, Beschl. v. 28.6.2022 - 13 L 1373/22.A - juris Rn. 7 ff.; VG B-Stadt, Urt. v. 3.2.2022 - 38 K 595/21 A - juris Rn. 25 und Beschl. v. 22.9.2021 - 38 L 554/21 A - juris Rn. 24; VG Köln, Urt. v. 11.11.2021 - 15 K 5315/20.A - juris Rn. 18 ff.; VG Freiburg (Breisgau), Urt. v. 7.10.2021 - A 4 K 937/21 - juris Rn. 24; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 1.12.2021 - 10a K 5051/18.A - juris Rn. 23; VG Osnabrück, Urt. v. 27.2.2018 - 5 A 79/17 - juris Rn. 38 f.; VG Minden, Beschl. v. 31.7.2017 - 10 L 109/17.A - juris Rn. 17 ff.; VG Karlsruhe, Urt. v. 13.3.2019 - A 1 K 3235/16 - juris Rn. 26; VG Hamburg, Beschl. v. 14.7.2016 - 1 AE 2790/16 - juris Rn. 11) sowie der überwiegenden Auffassung in der Literatur (Dickten, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1.10.2022, § 71 a AsylG Rn. 1 b; Bruns, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 71 a AsylG Rn. 2; Schmidt-Sommerfeld, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2022, § 71 AsylG Rn. 1; Funke-Kaiser, in: Funke-Kaiser/Vormeier, GK AsylG, Stand: Dezember 2022, § 71 a Rn. 15; Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: August 2021, § 71a AsylG Rn. 6). Demgegenüber handelt es sich bei der von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in dem genannten Kommentar veröffentlichten und in der Begründung ihres Zulassungsantrags wiedergegebenen Ansicht um eine Mindermeinung, die - soweit ersichtlich - außer von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Ergebnis nur noch von zwei weiteren Autoren geteilt wird (Marx, AsylG Kommentar, 10. Aufl. 2019, § 71 a Rn. 3 ff.; Camerer, in: Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 2. Aufl. 2021, § 71 a Rn. 1.1.) und der der Senat - wie ausgeführt - nicht folgt. Abgesehen davon erscheint es für den Senat auch fraglich, ob diejenigen, die bisher Zweifel an der Unionsrechtskonformität des § 71 a AsylG geäußert haben, daran angesichts der jüngsten diesbezüglichen Ausführungen des Generalanwalts bei dem Europäischen Gerichtshofs (dazu sogleich unter cc)) auch zukünftig weiter festhalten.

cc) Zusätzlich zu den bereits genannten Aspekten steht der grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit auch entgegen, dass sämtliche von der Klägerin in ihrem Zulassungsantrag angeführten Gesichtspunkte, die aus ihrer Sicht gegen eine Unionsrechtskonformität des § 71 a AsylG sprechen, durch die Ausführungen des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof, Henrik Saugmandsgaardoe, in seiner Stellungnahme vom 18. März 2021 im Rahmen des Verfahrens C-8/20 entkräftet sind. Dort hat der Generalanwalt Folgendes ausgeführt (Rn. 54 ff.):

„54. Ich werde im Folgenden darlegen, weshalb ich der Ansicht bin, dass, nachdem eine abschließende negative Entscheidung über einen früheren Antrag ergangen ist, ein von demselben Antragsteller in einem beliebigen Mitgliedstaat gestellter Antrag als „Folgeantrag“ angesehen werden kann. Zuvor erscheint es mir nützlich, einige Hinweise zu dem in der Dublin-III-Verordnung vorgesehenen Mechanismus der „Wiederaufnahme“ zu geben, um zu verdeutlichen, in welchem Kontext ein Mitgliedstaat, der nicht derjenige ist, der die frühere abschließende negative Entscheidung erlassen hat, gegebenenfalls veranlasst sein kann, sich zur Zulässigkeit eines solchen Antrags zu äußern.

1. Hinweise zum „Wiederaufnahmemechanismus“ der Dublin-III-Verordnung

55. Wie ich bereits in Nr. 36 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, soll mit dem Mechanismus der „Wiederaufnahme“ im Rahmen von Art. 18 Abs. 1 Buchst. d der Dublin-III-Verordnung u. a. verhindert werden, dass ein Antrag auf internationalen Schutz von einem anderen Mitgliedstaat als dem geprüft wird, der die abschließende negative Entscheidung über einen früheren Antrag des Staatsangehörigen erlassen hat.

56. Genauer gesagt kann, wenn eine Person unter diese Vorschrift fällt, der Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wird (den ich aus Gründen der Klarheit als Mitgliedstaat B bezeichnen werde), den Mitgliedstaat, der die abschließende negative Entscheidung erlassen hat (d. h. den zuständigen Mitgliedstaat oder Mitgliedstaat A), um Wiederaufnahme des Betroffenen ersuchen.

57. Nach Stattgabe des Gesuchs durch Mitgliedstaat A setzt Mitgliedstaat B die betreffende Person von der Entscheidung in Kenntnis, sie zu überstellen und ihren Antrag auf internationalen Schutz gegebenenfalls nicht zu prüfen. Er erlässt mit anderen Worten eine Überstellungs- und Nichtprüfungsentscheidung.

58. Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung insoweit klar zwischen Überstellungs- und Nichtprüfungsentscheidungen einerseits und Unzulässigkeitsentscheidungen nach der Richtlinie 2013/32 andererseits unterschieden. Er hat insbesondere ausgeführt, dass diese Richtlinie, wie sich aus dem Wortlaut ihres Art. 33 Abs. 1, insbesondere aus der Wendung „[z]usätzlich zu den Fällen, in denen nach Maßgabe der [Dublin-III-]Verordnung … ein Antrag nicht geprüft wird“, sowie aus dem mit dieser Bestimmung verfolgten Ziel der Verfahrensökonomie ergibt, es in den in ihrem Art. 33 Abs. 2 genannten Situationen den Mitgliedstaaten gestattet, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen, ohne dass sie vorrangig auf die von der Dublin-III-Verordnung vorgesehenen Aufnahme- oder Wiederaufnahmeverfahren zurückgreifen müssen oder dürfen.

59. Folglich kann ein Antrag auf internationalen Schutz nicht Gegenstand einer Überstellungs- und Nichtprüfungsentscheidung sein und gleichzeitig für unzulässig erklärt werden.

60. Diese Schlussfolgerung wird durch Art. 40 Abs. 7 der Richtlinie 2013/32 untermauert, der vorsieht, dass Folgeanträge einer Person, gegen die ein Überstellungsbeschluss zu vollstrecken ist, vom zuständigen Mitgliedstaat (d. h. von Mitgliedstaat A) geprüft werden, so dass es für einen anderen Mitgliedstaat als diesen (d. h. für Mitgliedstaat B) nicht in Frage kommt, sich zu seiner bzw. ihrer etwaigen Unzulässigkeit zu äußern.

61. In diesem Zusammenhang trägt die Kommission vor, ein Antrag, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem gestellt wird, der eine abschließende negative Entscheidung über einen früheren Antrag des Antragstellers erlassen hat, müsse gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d der Dublin-III-Verordnung vorrangig dem Mechanismus der „Wiederaufnahme“ unterworfen werden. Nur im Fall eines Erlöschens der Zuständigkeit von Mitgliedstaat A könne sich, wenn eine Wiederaufnahme gemäß Art. 19 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung nicht möglich sei, bei Beteiligung mehrerer Mitgliedstaaten gegebenenfalls die Frage der Anwendbarkeit von Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32 auf einen solchen Antrag stellen.

62. Erstens ist, wie ich im vorherigen Abschnitt der vorliegenden Schlussanträge dargelegt habe, ein Antrag, der vom Antragsteller gestellt wird, nachdem er in sein Herkunftsland abgeschoben worden ist, meines Erachtens als „neuer Antrag“ anzusehen, wenn eine Wiederaufnahme gemäß Art. 19 Abs. 3 dieser Verordnung nicht möglich ist.

63. Zweitens scheint mir klar zu sein, dass die Frage der Anwendbarkeit von Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32 in Wirklichkeit in einem größeren als dem von der Kommission betrachteten Kontext zu sehen ist, da der Unionsgesetzgeber die Durchführungsmodalitäten für den Mechanismus der „Wiederaufnahme“ klar umschrieben hat.

64. Insoweit geht zum einen aus dem vom Unionsgesetzgeber in Art. 23 Abs. 1 der Dublin-III-Verordnung verwendeten Ausdruck „kann ersuchen“ hervor, dass die Durchführung des auf der Grundlage dieser Vorschrift eingeleiteten „Wiederaufnahmeverfahrens“ im Ermessen der Mitgliedstaaten liegt. Anstatt eine Überstellungs- und Nichtprüfungsentscheidung zu erlassen, kann Mitgliedstaat B daher ohne Weiteres davon ausgehen, dass er der Mitgliedstaat ist, der für die Prüfung eines Antrags eines Drittstaatsangehörigen zuständig ist, dem gegenüber Mitgliedstaat A bereits eine abschließende negative Entscheidung erlassen hat.

65. Zum anderen ist er für diese Prüfung jedenfalls zuständig, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach einem Treffer in der Eurodac-Datenbank ein Wiederaufnahmegesuch bei Mitgliedstaat A stellt. Das Gleiche gilt, wenn die Überstellung nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Stattgabe des Gesuchs um Wiederaufnahme durch Mitgliedstaat A durchgeführt wird.

66. Auch wenn der Mechanismus der „Wiederaufnahme“ in dem Fall, dass ein Folgeantrag bei Mitgliedstaat B gestellt wird, nachdem Mitgliedstaat A eine abschließende negative Entscheidung über einen früheren Antrag des Antragstellers erlassen hat, das von der Dublin-III-Verordnung bevorzugte Ergebnis darstellt, ist es für Mitgliedstaat B folglich weder zwingend vorgeschrieben noch überhaupt immer möglich, auf ihn zurückzugreifen. Die vorstehend beschriebenen Konsequenzen ergeben sich aus den Entscheidungen des Unionsgesetzgebers, der in bestimmten Fällen, die von Art. 18 Abs. 1 Buchst. d der Dublin-III-Verordnung erfasst werden, eine Zuständigkeitsübertragung zwischen Mitgliedstaat A und Mitgliedstaat B vorgesehen hat.

67. In diesem Kontext, der über den von der Kommission betrachteten hinausgeht, ist die Frage zu beantworten, ob sich, wenn ein Antragsteller nach einer abschließenden negativen Entscheidung eines Mitgliedstaats A einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat B stellt, dieser auf den in Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32 vorgesehenen Unzulässigkeitsgrund stützen und in seinem nationalen Recht vorsehen kann, dass ein solcher Antrag als „Folgeantrag“ unzulässig ist, wie die Bundesrepublik Deutschland und die deutsche Regierung es vorschlagen.

68. Aus den im folgenden Unterabschnitt dargelegten Gründen bin ich der Ansicht, dass diese Frage zu bejahen ist, sofern Mitgliedstaat B nach den in der Dublin-III-Verordnung festgelegten einheitlichen Kriterien (d. h., weil er sich dazu entschließt oder weil die Fristen für die Stellung des Wiederaufnahmegesuchs oder die Überstellung nicht eingehalten werden) anstelle von Mitgliedstaat A zum zuständigen Mitgliedstaat wird.

2. Möglichkeit für Mitgliedstaat B, den Antrag als „Folgeantrag“ für unzulässig zu erklären

69. In seiner Rechtsprechung hat der Gerichtshof mehrfach darauf hingewiesen, dass der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten, der dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zugrunde liegt, im Unionsrecht fundamentale Bedeutung hat, da er die Schaffung und Aufrechterhaltung eines Raums ohne Binnengrenzen ermöglicht. Insbesondere hat er ausdrücklich anerkannt, dass dieser Grundsatz in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32 zum Ausdruck kommt.

70. Die Kommission macht geltend, mangels einer ausdrücklichen Absicht des Gesetzgebers lasse sich allein aus dieser Vorschrift nicht ableiten, dass auch Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32 in einem grenzüberschreitenden Kontext innerhalb der Union Anwendung finde. Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32 sei eine Ausnahme davon, dass das Unionsrecht zwischen den Mitgliedstaaten eine gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen in Asylsachen derzeit nicht vorsehe.

71. Die Stellungnahme der Kommission liegt u. a. in der Tatsache begründet, dass der 36. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/32 deren Art. 33 Abs. 2 Buchst. d mit dem Grundsatz der Rechtskraft verknüpft. Da innerhalb der Mitgliedstaaten nur nationale Entscheidungen Rechtskraft erlangen könnten, könne sich diese Vorschrift nur auf Fälle beziehen, in denen die abschließende negative Entscheidung über einen früheren Antrag des Antragstellers aus demselben Mitgliedstaat stamme, in dem der Folgeantrag gestellt werde.

72. Ich teile ohne Weiteres die Beurteilung der Kommission, wonach, wenn ein Antragsteller in ein und demselben Mitgliedstaat mehrere Anträge stelle, die genannte Vorschrift es gemäß dem Grundsatz der Rechtskraft gestatte, einen „Folgeantrag“, bei dem keine neuen Umstände oder Erkenntnisse zu der Frage zutage getreten oder vorgebracht worden seien, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme internationalen Schutzes erfüllt seien, für unzulässig zu erklären.

73. Dagegen teile ich nicht ihre Auffassung, wonach die Bestandskraft einer negativen Entscheidung über einen früheren Antrag nur innerhalb des Mitgliedstaats der Verwaltungsbehörde, die sie erlassen habe, und nicht auch von anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden könne. Weder aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs noch aus der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Dublin-III-Verordnung und der Richtlinie 2013/32 geht nämlich hervor, dass dies der Fall sein sollte.

74. Insoweit stelle ich zunächst fest, dass Art. 33 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie, worauf der Gerichtshof in seinem Urteil Ibrahim hingewiesen hat, ermöglichen soll, einen neuen Antrag auch in den Situationen als unzulässig abzulehnen, in denen dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat nur subsidiärer Schutz gewährt worden ist, und nicht nur dann, wenn er den Flüchtlingsstatus erhalten hat. Da die Gewährung subsidiären Schutzes notwendigerweise zur Ablehnung des Antrags führt, soweit mit ihm die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt wird, ist aus meiner Sicht mit der deutschen Regierung davon auszugehen, dass der Gerichtshof den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens im Wesentlichen bereits auf teilweise negative Entscheidungen der Mitgliedstaaten ausgedehnt hat.

75. Sodann scheint mir die Tatsache, dass Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32 dahin ausgelegt wird, dass er es Mitgliedstaat B gemäß dem genannten Grundsatz und vorbehaltlich der Zulässigkeit nach nationalem Recht gestattet, einen Antrag auf internationalen Schutz als „Folgeantrag“ für unzulässig zu erklären, wenn er zu dem für seine Prüfung zuständigen Mitgliedstaat wird, mit der in Art. 2 Buchst. q dieser Richtlinie gegebenen Definition des Begriffs „Folgeantrag“, der weit genug ist, um sich der vorstehenden Auslegung anzuschließen, vereinbar zu sein.

76. Schließlich knüpft diese Lösung an die Ziele der erwähnten Richtlinie und der Dublin-III-Verordnung an.

77. Erstens ermöglicht sie es, dem Bedürfnis Rechnung zu tragen, sekundäre Migrationsbewegungen zwischen den Mitgliedstaaten, denen diese Verordnung und die Richtlinie gerade vorbeugen sollen, wirksam zu verhindern.

78. Hierzu weise ich darauf hin, dass der zuständige Mitgliedstaat, wenn ein Folgeantrag nicht gemäß Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32 als unzulässig abgelehnt wird, festlegen kann, ihn einem beschleunigten Prüfungsverfahren zu unterwerfen. Nach Abschluss dieses Verfahrens kann er den Antrag gegebenenfalls als „offensichtlich unbegründet“ ansehen. Er hat darüber hinaus die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme vom Recht des Antragstellers auf Verbleib im Hoheitsgebiet zu machen.

79. Was geschähe also, falls, wenn der Antragsteller einen Folgeantrag stellt, nur der Mitgliedstaat, der die frühere abschließende negative Entscheidung erlassen hat (d. h. Mitgliedstaat A), die vorerwähnten Vorschriften anwenden könnte, während jeder andere Mitgliedstaat als dieser gezwungen wäre, eine vollständige neue Prüfung des Antrags vorzunehmen, ohne ihn wie einen „Folgeantrag“ behandeln zu können? Ergebnis wäre sicherlich, wie die deutsche Regierung dargelegt hat, dass Staatsangehörige, nachdem ihnen gegenüber in Mitgliedstaat A eine abschließende negative Entscheidung ergangen ist, versucht wären, vermehrt ähnliche Anträge in anderen Mitgliedstaaten zu stellen, um eine vollständige neue Prüfung ihrer Situation zu erreichen, was sekundäre Migrationsbewegungen mit sich brächte, die den Zielen sowohl der Dublin-III-Verordnung als auch der Richtlinie 2013/32 zuwiderliefen.

80. Diesbezüglich stelle ich fest, dass sich der Gerichtshof im Urteil Minister for Justice and Equality (Antrag auf internationalen Schutz in Irland) unlängst auf ebendiese Ziele der Dublin-III-Verordnung gestützt hat, um es einem Mitgliedstaat, für den die Verordnung gilt, der aber nicht durch die Richtlinie 2013/32 gebunden ist, zu ermöglichen, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zu betrachten, wenn dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat der subsidiäre Schutzstatus gewährt worden ist.

81. Zweitens würde sich eine Verpflichtung zur Durchführung einer vollständigen neuen Prüfung von Folgeanträgen, die in anderen Mitgliedstaaten als dem gestellt werden, der einen früheren Antrag des Antragstellers geprüft hat, erheblich auf die Dauer der Verfahren auswirken, obwohl die Richtlinie 2013/32 als wesentlichen Grundsatz anerkennt, dass es im Interesse sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Antragsteller liegt, dass über die Anträge unbeschadet der Durchführung einer angemessenen und vollständigen Prüfung so rasch wie möglich entschieden wird.

82. Im Zusammenhang mit den vorstehend beschriebenen Zielen werden Folgeanträge für die Zwecke der gemäß Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32 zu treffenden Entscheidung über ihre Zulässigkeit gemäß Art. 40 Abs. 2 dieser Richtlinie zunächst daraufhin geprüft, ob neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind.

83. Die Tatsache, dass Mitgliedstaat B, der die abschließende negative Entscheidung über einen früheren Antrag desselben Antragstellers nicht erlassen hat, diese erste Prüfung durchführt, wirft insoweit per se keine besonderen Schwierigkeiten in Bezug auf den effektiven Zugang des Antragstellers zu einer angemessenen Prüfung seiner Situation auf.

84. Wie die deutsche Regierung hervorgehoben hat, ist ein solches Unterfangen aufgrund des im Rahmen der Dublin-III-Verordnung und insbesondere durch deren Art. 34 festgelegten Informationsaustauschs für jeden Mitgliedstaat nämlich ohne Weiteres machbar. Diese Vorschrift ermöglicht die Einholung aller sachdienlichen, relevanten und nicht über das erforderliche Maß hinausgehenden Daten für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz (u. a. zu Datum und Ort jeder früheren Antragstellung, zum Stand des Verfahrens sowie zu Tenor und Datum der getroffenen Entscheidung).

85. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen bin ich der Ansicht, dass Art. 33 Abs. 2 Buchst. d in Verbindung mit Art. 2 Buchst. q der Richtlinie 2013/32 einer nationalen Vorschrift, die es Mitgliedstaat B gestattet, einen Antrag auf internationalen Schutz als „Folgeantrag“ für unzulässig zu erklären, wenn ein anderer Mitgliedstaat die abschließende negative Entscheidung über einen früheren Antrag desselben Antragstellers erlassen hat, nicht entgegensteht. Eine solche Vorschrift muss jedoch klar erkennen lassen, dass Mitgliedstaat B einen solchen Antrag nur unter der Voraussetzung für unzulässig erklären kann, dass er, wie ich in Nr. 68 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, nach den in der Dublin-III-Verordnung festgelegten einheitlichen Kriterien zum zuständigen Mitgliedstaat geworden ist.

86. Praktische Folge des von mir befürworteten Ansatzes ist schlicht und ergreifend, dass es diesem Mitgliedstaat, wenn er zum zuständigen Mitgliedstaat wird, gestattet ist, sich auf die frühere abschließende negative Entscheidung des anderen Mitgliedstaats zu stützen und die gleichen Vorschriften anzuwenden, die dieser andere Mitgliedstaat anwenden könnte, wenn der Antrag bei ihm gestellt worden wäre.

3. Zwischenergebnis

87. Nach alledem ist es einem Mitgliedstaat im Kontext einer kombinierten Anwendung der Dublin-III-Verordnung und der Richtlinie 2013/32 gemäß dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens möglich, in sein nationales Recht eine Vorschrift aufzunehmen, die es gestattet, einen Antrag auf internationalen Schutz als „Folgeantrag“ im Sinne von Art. 33 Abs. 2 Buchst. d in Verbindung mit Art. 2 Buchst. q dieser Richtlinie für unzulässig zu erklären, wenn er nicht selbst die abschließende Entscheidung über die Ablehnung eines früheren Antrags desselben Antragstellers erlassen hat, aber zu dem für die Antragsprüfung zuständigen Mitgliedstaat geworden ist.

Diesen überzeugenden Ausführungen folgt der Senat und macht sie sich zu Eigen. Damit sind aus Sicht des Senats sämtliche von der Klägerin hinsichtlich der Unionsrechtskonformität des § 71 a AsylG vorgetragene Bedenken jedenfalls in der hier vorliegenden Fallkonstellation (siehe zu unionsrechtlichen Bedenken, wenn das erfolglose Erstverfahren in einem Drittstaat stattgefunden hat, der auf völkerrechtlicher Grundlage lediglich teilweise am Gemeinsamen Europäischen Asylsystem teilnimmt, aber weder der Richtlinie 2013/32/EU noch der Richtlinie 2011/95/EU beigetreten ist: EuGH, Urt. v. 20.5.2021 - C-8/20 - juris Rn. 39 ff.; vgl. dazu auch Dickten, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1.10.2022, § 71 a AsylG Rn. 1 c)) - als unbegründet zurückzuweisen.

Durch die zitierten Ausführungen des Generalanwalts wird zugleich deutlich, dass die von der Klägerin unter 1. formulierte Frage angesichts des Wortlauts, der Regelungssystematik und des Regelungszwecks der maßgeblichen Vorschriften im Sinne eines einer Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung entgegenstehenden sog. "acte clair" (vgl. dazu: BVerwG, Beschl. v. 17.9.2019 - 1 B 43/19 - juris Rn. 9; BVerfG, Beschl. v. 22.7.2019 - 2 BvR 1702/18 - juris Rn. 24) derart offenkundig dahingehend zu bejahen ist, dass § 71 a AsylG mit Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 vereinbar ist, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (wie hier einen „acte clair“ in Bezug auf die Unionsrechtskonformität des § 71 a AsylG bejahend auch: OVG Bremen, Urt. v. 3.11.2020 - 1 LB 28/20 - juris Rn. 45; OVG BB, Beschl. v. 13.10.2020 - OVG 6 N 89/20 - juris Rn. 24; SächsOVG, Beschl. v. 27.7.2020 - 5 A 638/19.A - juris Rn. 12; VG Köln, Beschl. v. 9. 6. 2022 - 23 L 715/22.A - juris Rn. 5 ff.; VG Wiesbaden, Beschl. v. 24.5.2022 - 5 L 244/22.WI.A - juris Rn. 24 ff.; VG Düsseldorf, Beschl. v. 28.6.2022 - 13 L 1373/22.A - juris Rn. 9 ff.).

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen erscheint es dem Senat auch nicht (mehr) angemessen, vorliegend deshalb einen „acte clair“ zu verneinen, weil die Europäische Kommission in dem Verfahren C-8/20 geltend gemacht hat, dass der weitere Antrag auf internationalen Schutz nur dann als „Folgeantrag“ i.S.v. Art. 2 lit. q und Art. 33 Abs. 2 lit. d der Richtlinie 2013/32 eingestuft werden könne, wenn er in demjenigen Mitgliedstaat gestellt werde, dessen zuständige Stellen einen früheren Antrag desselben Antragstellers mit einer bestandskräftigen Entscheidung abgelehnt hätten (so noch VG Minden, Beschl. v. 31.8.2021 - 1 L 547/21.A - juris Rn. 13 ff. mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 20.5.2021 - C-8/20 - juris Rn. 29). Denn aus Sicht des Senats ist die von der Europäischen Kommission in dem genannten Verfahren vertretene Ansicht durch die soeben zitierten Ausführungen des Generalanwalts überzeugend widerlegt worden. Vor diesem Hintergrund rechtfertigt auch der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht die Frage nach der Europarechtskonformität des § 71 a AsylG bisher offen gelassen hat (siehe Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 - juris Rn. 26), nicht die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung.

b) Auch hinsichtlich der zweiten von der Klägerin formulierten Frage besteht keine grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit. Die Klägerin trägt diesbezüglich zur Begründung ihres Zulassungsantrags im Wesentlichen Folgendes vor: Das Bundesverwaltungsgericht lege sichere Drittstaaten i.S.d. § 26 a AsylG unionsrechtlich so aus, dass sichere Drittstaaten nicht die EU-Mitgliedstaaten sein könnten. Dies folge auch aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts. Während in Art. 16 a GG vom Gesetzgeber deutlich differenziert worden sei zwischen EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten, sei dies gesetzlich in § 26 a AsylG und damit in § 71 a AsylG misslungen. Dies widerspreche dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot. Zudem habe der Europäische Gerichtshof entschieden, dass jedenfalls die sicheren Drittstaaten, die nicht EU-Mitgliedstaaten, aber in der Anlage 1 zu § 26 a AsylG aufgezählt seien und damit zu sicheren Drittstaaten i.S.d. § 26 a AsylG gezählt würden, jedenfalls nicht von dieser Norm erfasst seien.

Mit diesen Ausführungen hat die Klägerin eine grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit der von ihr unter 2. formulierten Frage nicht dargelegt. Abgesehen davon ist die zweite von der Klägerin formulierte Frage aus der maßgeblichen Sicht des Verwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich (aa)). Zudem hat sich die Klägerin auch diesbezüglich nicht mit den entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt (bb)).

aa) Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die Klägerin ohne Erfolg einwende, ein „sicherer Drittstaat“ im Sinne von § 71 a Abs. 1 i.V.m. § 26 a AsylG könne aufgrund einer unionsrechtlich gebotenen Auslegung nicht ein Mitgliedstaat der Europäischen Union - wie hier Polen - sein. Die von der Klägerin dargelegten Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschl. v. 23.3.2017 - 1 C 17/16 - juris Rn. 13) bezögen sich auf die Unzulässigkeitsnorm des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG. Die damit verbundenen unionsrechtlichen Fragestellungen seien auf die hier gegebene Fallkonstellation nicht übertragbar. Eine Unzulässigkeitsentscheidung über Zweitanträge ergehe - wie ausgeführt - auf der Grundlage von § 71 a Abs. 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 2 AsylG und beruhe unionsrechtlich auf Art. 33 Abs. 2 lit. d. der Richtlinie 2013/32/EU. Zu den hier einschlägigen Vorschriften verhielten sich weder die aufgeführte Entscheidung noch die daraufhin ergangenen Folgeentscheidungen. Damit kommt es auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage nach der hinreichenden Bestimmtheit bzw. der Europarechtskonformität des Tatbestandsmerkmals des „sicheren Drittstaats“ i.S.d. §§ 71 a Abs.1, 26 a AsylG aus der maßgeblichen Sicht des Verwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich an.

bb) Abgesehen davon setzt sich die Klägerin in der Begründung ihres Zulassungsantrags auch im Hinblick auf die zweite Frage nicht mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts in der angefochtenen Entscheidung auseinander. Sie beschränkt sich vielmehr auf eine Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Soweit die Klägerin in ihrem Zulassungsantrag auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Verfahren 1 C 4/19 verweist, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Denn auch letztgenannte Entscheidung betraf - ebenso wie das unter dem Az. 1 C 17/16 vor dem Bundesverwaltungsgericht geführte und vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil angeführte Verfahren - eine andere als die hier vorliegende Fallkonstellation, nämlich eine auf § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG (und nicht wie hier auf § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG) gestützte Entscheidung des Bundesamtes (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.3.2017 - 1 C 17/16 - juris Rn. 13 ff. und Urt. v. 21.4.2020 - 1 C 4/19 - juris Rn. 18 ff.). Nur im Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ist im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 lit. b und c der der Richtlinie 2013/32/EU eine unionsrechtskonforme Auslegung dahin geboten, dass sichere Drittstaaten nur solche sind, die keine Mitgliedstaaten der Union sind. Diese Rechtsprechung ist auf den hier in Rede stehenden Fall eines im Unionsrecht als "Folgeantrag" (siehe Art. 33 Abs. 2 lit. d der Richtlinie 2013/32/EU) und im nationalen Recht als "Zweitantrag" bezeichneten wiederholten Asylantrags (siehe § 71 a AsylG) nicht übertragbar, weil für solche Anträge die in Art. 33 Abs. 2 lit. b und c der der Richtlinie 2013/32/EU aufgestellte Vorgabe, dass es sich um einen Staat handelt, "der kein Mitgliedstaat ist", in Art. 33 Abs. 2 lit. d der Richtlinie 2013/32/EU gerade nicht gefordert ist (vgl. VG Köln, Urt. v. 11.11.2021 - 15 K 5315/20.A - juris Rn. 24 ff.; VG B-Stadt, Urt. v. 3.2.2022 - 38 K 595/21 A - juris Rn. 26).

Dass ein „sicherer Drittstaat“ i.S.d. §§ 71 a, 26 a AsylG auch ein Mitgliedstaat der Europäischen Union - wie hier Polen - sein kann, folgt dabei auch aus dem insofern eindeutigen Wortlaut des § 26 a Abs. 2 AsylG und wird auch ansonsten, soweit ersichtlich, außer von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht in Frage gestellt (vgl. VG B-Stadt, Urt. v. 3.2.2022 - 38 K 595/21 A - juris Rn. 26; Marx, AsylG Kommentar, 10. Aufl. 2019, § 71 a Rn. 8; Dickten, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1.10.2022, § 71 a AsylG Rn. 1 ff.; Hadamitzky/Senge, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: Juni 2022, § 71 a AsylG Rn. 1; Bruns, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 71 a AsylG Rn. 2; Schmidt-Sommerfeld, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2022, § 71 AsylG Rn. 1; Camerer, in: Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 2. Aufl. 2021, § 71 a AsylG Rn. 3; a.A. B., in: Huber/Mantel, Aufenthaltsgesetz/Asylgesetz, 3. Aufl. 2021, § 71 a AsylG Rn. 6).

Etwas anderes folgt auch nicht aus der von der Klägerin in ihrem Zulassungsantrag in diesem Zusammenhang erneut angeführten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in dem Verfahren C-8/20 -. Denn in letztgenanntem Verfahren ist der vorherige Asylantrag nicht - wie hier in Polen - in einem anderen Mitgliedstaat, sondern in Norwegen gestellt worden (vgl. EuGH, Urt. v. 20.5.2021 - C-8/20 - juris Rn. 18 ff.), das weder ein Mitgliedsstaat der Union noch der Richtlinie 2013/32/EU oder der Richtlinie 2011/95/EU beigetreten ist. In der genannten Entscheidung hat der Europäische Gerichthof entschieden, dass Art. 33 Abs. 2 lit. d der Richtlinie 2013/32 i.V.m. deren Art. 2 lit. q dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der ein Antrag auf internationalen Schutz i.S.v. Art. 2 lit b dieser Richtlinie als unzulässig abgelehnt werden kann, wenn er im betreffenden Mitgliedstaat von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellt worden ist, der zuvor in einem Drittstaat, der die Dublin-III-Verordnung gemäß dem Übereinkommen zwischen der Union, Island und Norwegen umsetzt, einen erfolglosen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gestellt hat (EuGH, Urt. v. 20.5.2021 - C-8/20 - juris Rn. 48). Dass die zweite von der Klägerin formulierte Frage in einem Berufungsverfahren einer grundsätzlichen Klärung bedürfte, lässt sich auch dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht entnehmen. Abgesehen davon kann der genannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für die hier vorliegende Fallkonstellation gerade keine Aussagen zur Unionsrechtskonformität des § 71 a AsylG entnommen werden, da der Europäische Gerichtshof diese Frage, wie bereits oben ausgeführt, ausdrücklich offen gelassen hat (siehe EuGH, Urt. v. 20.5.2021 - C-8/20 - juris Rn. 40).

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass eine Gesamtbetrachtung der von der Klägerin im vorliegenden Verfahren vertretenen Rechtsansichten offenbart, dass diese kaum miteinander in Einklang zu bringen sind. Denn es erscheint denklogisch ausgeschlossen, dass § 71 a Abs. 1 AsylG einerseits - wie von der Klägerin im Rahmen der erstgenannten Frage vertreten - nur den gleichen Mitgliedstaat meint, in dem bereits der frühere Antrag gestellt wurde und andererseits - wie von der Klägerin im Zusammenhang mit der von ihr unter 2. formulierten Frage angeführt - keine Mitgliedstaaten, sondern nur sonstige sichere Drittstaaten erfasst.

2. Die Divergenzrüge gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung führen.

Die Darlegung einer Abweichung nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz benennt, mit dem das Verwaltungsgericht einem in der Rechtsprechung eines in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Divergenzgerichts aufgestellten entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz widersprochen hat. Dabei muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied deutlich werden, weil die bloße unrichtige oder unterbliebene Anwendung eines obergerichtlichen Rechts- oder Tatsachensatzes den Zulassungsgrund der Divergenz nicht erfüllt (BVerwG, Beschl. v. 19.8.1997 - 7 B 261/97 - juris Rn. 3; Berlit, in: GK-AsylG, Stand: Juli 2022, § 78 Rn. 179 ff. m.w.N.). Die Darlegung der Divergenz, die § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG verlangt, erfordert daher die Angabe des obergerichtlich entwickelten Rechts- oder Tatsachensatzes, von dem das Verwaltungsgericht abgewichen sein soll, die Angabe des vom Verwaltungsgericht aufgestellten divergierenden Rechts- oder Tatsachensatzes und Erläuterungen dazu, worin die Abweichung im Einzelnen bestehen soll (BVerwG, Beschl. v. 19.8.1997 - 7 B 261/97 - juris Rn. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

a) Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Divergenzrüge zunächst geltend, dass das angegriffene Urteil mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. April 2020 divergiere, in dem entschieden worden sei, dass eine nationale Drittstaatenregelung unionsrechtlich auszulegen sei. Da § 71 a AsylG auf eine nationale Drittstaatenregelung explizit Bezug nehme, nämlich § 26 a AsylG, müsse für § 71 a AsylG auch das Verständnis lauten, dass sichere Drittstaaten keine Mitgliedstaaten der Europäischen Union seien, auch wenn § 26 a Abs. 2 AsylG es anders legal definiere.

Mit diesem - bereits inhaltlich wenig stringenten - Vorbringen hat die Klägerin weder dargelegt, mit welchem entscheidungstragenden Rechtssatz das Verwaltungsgericht von der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen sein soll, noch welchem Rechtssatz des Divergenzgerichts das erstinstanzliche Gericht widersprochen haben soll. Eine unrichtige Anwendung eines Rechtssatzes wäre, wie vorstehend ausgeführt worden ist, zudem nicht geeignet, eine Divergenz i.S.d. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG darzulegen.

b) Auch der weitere Vortrag der Klägerin, das angefochten Urteil weiche von dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Mai 2021 (C-8/20) ab, in dem der Europäische Gerichtshof indirekt die Europarechtswidrigkeit des § 71 a AsylG bestätigt habe, rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG. Dies folgt bereits daraus, dass der Europäische Gerichtshof in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG nicht erwähnt wird und daher als Divergenzgericht nicht in Betracht kommt (vgl. BayVGH, Beschl. v. 9.1.2017 - 13 a ZB 16.30516 - juris Rn. 3). Zudem hat die Klägerin auch diesbezüglich weder dargelegt, mit welchem entscheidungstragenden Rechtssatz das Verwaltungsgericht von der zitierten Rechtsprechung Europäischen Gerichtshofs abgewichen sein soll, noch welchem Rechtssatz das erstinstanzliche Gericht widersprochen haben soll. Schließlich betrifft die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Mai 2021 (C-8/20) - wie bereits mehrfach angeführt - eine andere als die hier vorliegende Fallkonstellation.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 83 b AsylG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).