Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.12.2022, Az.: 11 LA 133/22

Bedürfnis; Freilandrinder; Interessen, persönliche; Interessen, wirtschaftliche; Jäger; Landwirt; Nachweis; Schießerlaubnis; Tötung; Verwertung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.12.2022
Aktenzeichen
11 LA 133/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59727
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 07.03.2022 - AZ: 3 A 66/21

Fundstelle

  • NordÖR 2023, 49-52

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Einem Landwirt, der das Fleisch seiner Rinder ausdrücklich damit bewirbt, diese seien stressarm geschlachtet" worden, kann für das Schlachten von Freilandrindern auf einer Weide unter den weiteren Voraussetzungen des § 8 WaffG eine Schießerlaubnis zu erteilen sein.

2. Ein Bedürfnis für eine Schießerlaubnis nach § 10 Abs. 5 WaffG ist zu verneinen, wenn der in Aussicht genommene Schusswaffengebrauch zwingenden Rechtsvorschriften widerspricht. Die derzeitigen tierschutzrechtlichen und lebensmittelrechtlichen Regelungen begründen keinen derartigen Widerspruch gegen zwingende Rechtsvorschriften.

3. Nicht Gegenstand des waffenrechtlichen Verfahrens ist, ob die tierschutzrechtlichen und lebensmittelrechtlichen Anforderungen für die Anwendung des Kugelschussverfahrens im Einzelfall erfüllt sind. Die tierschutzrechtlichen und lebensmittelrechtlichen Vorschriften bleiben bei der Erteilung einer waffenrechtlichen Schießerlaubnis unberührt.

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - Einzelrichter der 3. Kammer - vom 7. März 2022 wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.

Der Kläger ist Jäger und Rinderhalter. Seine Rinderherde hält er ganzjährig im Freien. Er beabsichtigt, die Tiere eigenhändig durch Kugelschuss zu töten und dann zu verwerten. Zum Schießen seiner eigenen Rinder beansprucht er eine Schießerlaubnis nach § 10 Abs. 5 WaffG.

Den Antrag des Klägers vom 6. Juli 2020 auf Erteilung einer Schießerlaubnis lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 15. September 2020 ab. Auf die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Urteil den Bescheid des Beklagten vom 15. September 2020 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 6. Juni (richtig: Juli) 2020 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Zur Begründung seines Urteils hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Der Kläger habe ein Bedürfnis für die Erteilung einer Schießerlaubnis nachgewiesen. Der Nachweis eines Bedürfnisses sei erbracht, wenn gegenüber den Belangen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung besonders anzuerkennende persönliche oder wirtschaftliche Interessen und die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Waffen oder Munition für den beantragten Zweck glaubhaft gemacht seien. Bei dem Vorhaben des Klägers, die eigenen Rinder per Kugelschuss zu töten, handele es sich um ein besonders anzuerkennendes persönliches und wirtschaftliches Interesse. Die Rechtsordnung sehe die Möglichkeit vor, Rinder per Kugelschuss zu töten, so dass ein anzuerkennendes Interesse des Klägers an der Wahrnehmung seiner rechtlichen Möglichkeiten angenommen werden könne. Das Interesse sei glaubhaft gemacht, wenn belegt werde, dass das Interesse ernsthaft sei und es auch eine Realisierungschance habe. Dass das Interesse des Klägers ernsthaft sei, habe er nachdrücklich und überzeugend in der mündlichen Verhandlung dargestellt. Das Vorhaben des Klägers habe auch eine Realisierungschance. Neben den erfüllten tatsächlichen Gegebenheiten bestehe auch die Chance, das Vorhaben rechtskonform umzusetzen. Die Sache sei noch nicht spruchreif. Dem Beklagten stehe es frei, eine nähere Ausgestaltung der Schießerlaubnis vorzunehmen und sie - so dies notwendig sei - mit Nebenbestimmungen zu versehen, um den Gefahren und Belästigungen eines Schusswaffengebrauchs zu begegnen. Bei der Schießerlaubnis handele es sich um kein Standardverfahren, so dass hier nicht auf allgemeine Sicherheitsvorgaben zurückgegriffen werde. Anders als bei der Jagd könnten die Umstände der Schussabgabe nicht nur abstrakt, sondern konkret vorgegeben werden. Daher sei wie geschehen zu tenorieren.

Die von dem Beklagten dagegen geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, dazu unter 1.) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, dazu unter 2.) rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung. Diese Berufungszulassungsgründe liegen nicht vor bzw. sind nicht hinreichend dargelegt worden.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 - juris Rn. 96). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 - juris Rn. 7 ff.). § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eröffnet den Zugang zu einer inhaltlichen Überprüfung des angefochtenen Urteils in einem Berufungsverfahren somit nur in den Fällen, in denen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf. Demgegenüber reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen des Urteils bestehen, das Urteil aber im Ergebnis richtig ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 - juris Rn. 9 ff.). Eine den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (NdsOVG, Beschl. v. 17.6.2015 - 8 LA 16/15 - juris Rn. 10). Daran gemessen rechtfertigen die Einwände des Beklagten nicht die Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.

a) Soweit der Beklagte gegen das angefochtene Urteil zunächst (unter II.1.a.) seiner Zulassungsbegründung) einwendet, das Verwaltungsgericht habe die Notwendigkeit verkannt, eine Abwägung der verschiedenen Interessen, insbesondere den Belangen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorzunehmen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Das Verwaltungsgericht hat eingangs seiner Entscheidungsgründe die Voraussetzungen des § 8 WaffG zutreffend wiedergegeben. Dieser Vorschrift zufolge ist der Nachweis eines Bedürfnisses erbracht, wenn gegenüber den Belangen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung besonders anzuerkennende persönliche oder wirtschaftliche Interessen, vor allem als Jäger, Sportschütze, Brauchtumsschütze, Waffen- oder Munitionssammler, Waffen- oder Munitionssachverständiger, gefährdete Person, als Waffenhersteller oder -händler oder als Bewachungsunternehmer (Nr. 1), und die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Waffen oder Munition für den beantragten Zweck (Nr. 2) glaubhaft gemacht sind. Dass das Verwaltungsgericht diesen Maßstab in einer ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils begründenden Weise angewendet hätte, ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen des Beklagten nicht. Auch der Senat vermag nicht zu erkennen, dass die von dem Beklagten geltend gemachten grundsätzlichen Erwägungen gegen die Erteilung einer Schießerlaubnis (Gefahr von Querschlägern, restriktiver Waffenbesitz, größeres Leid für die Tiere) zu einem anderen Ergebnis hätten führen müssen. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der Gefahr des konkreten Schusswaffengebrauchs für Dritte könne aller Voraussicht nach mit Nebenbestimmungen begegnet werden, dem Beklagten bleibe die nähere Ausgestaltung der Schießerlaubnis vorbehalten. Dass dem Beklagten diese Möglichkeit offensteht, ergibt sich auch aus § 9 WaffG und Nr. 10.16.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz (WaffVwV). Letzterer sieht vor, dass Bedürfnisgründe u.a. auch im Brauchtumsbereich sowie beim Abschießen von Gehegewild oder anderen frei lebenden Tierarten vorliegen, wobei die Regelungen der Tierschutzschlachtverordnung und des Fleischhygienegesetzes, der jagd- und naturschutzrechtlichen Vorschriften sowie andere Vorschriften unberührt bleiben. Die Erlaubnis wird durch Bescheid der Waffenbehörde unter den zur Wahrung der Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlichen Auflagen erteilt (Nr. 10.16.2 Satz 3 WaffVwV).

Soweit der Beklagte einwendet, die Grundsätze, „so wenig Waffen wie möglich ins Volk gelangen zu lassen“ und den Gebrauch bereits vorhandener Waffen auf ein Mindestmaß zu begrenzen, seien nicht in ausreichendem Maße beachtet, folgt daraus kein anderes Ergebnis. Zwar trifft zu, dass auf Seiten der öffentlichen Interessen vor allem das Interesse zu berücksichtigen ist, die Zahl der in Privatbesitz befindlichen Schusswaffen auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.12.1992 - 1 C 5/92 - juris Rn. 21; BVerwG, Beschl. v. 26.3.2008 - 6 B 11/08 - juris Rn. 12; VG Hamburg, Urt. v. 10.2.2010 - 4 K 3247/08 - juris Rn. 29, jew. m.w.N.). Dieses Anliegen des Gesetzgebers ist durch die hier streitgegenständliche Ausnahmegenehmigung von vornherein nur bedingt betroffen. Der Kläger ist Jäger. Als Inhaber eines gültigen Jagdscheins befinden sich nach Maßgabe des § 13 WaffG Schusswaffen und Munition legal in seinem Besitz (vgl. auch VG Hamburg, Urt. v. 10.2.2010 - 4 K 3247/08 - juris Rn. 29).

Was den Gebrauch bereits vorhandener Waffen angeht, kommt es im Rahmen der nach § 8 WaffG vorzunehmenden Abwägung vor allem darauf an, in welcher Weise der Antragsteller mit der Waffe umgehen will (VG Hamburg, Urt. v. 10.2.2010 - 4 K 3247/08 - juris Rn. 29, m.w.N.). Wie bereits ausgeführt, hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf verwiesen, dass der Gefahr des konkreten Schusswaffengebrauchs etwa für Dritte aller Voraussicht nach mit Nebenbestimmungen begegnet werden kann, die von dem Beklagten bei der Ausgestaltung der Schießerlaubnis noch auszusprechen seien.

Soweit der Beklagte die unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (Urt. v. 25.8.2000 - 1 S 1161/98 - juris Rn. 30) gemachten Ausführungen des Verwaltungsgerichts beanstandet, das vom Kläger verfolgte Ziel einer stressfreien Tötung seiner Rinder lasse sich nicht auf andere Art und Weise als durch einen Kugelschuss erreichen, der Kläger habe überzeugend dargestellt, dass es für das betroffene Tier am stressfreisten sei, auf der Weide unvermittelt durch Kopfschuss getötet zu werden, und dazu einwendet, das Verwaltungsgericht hätte sich mit den Angaben des Klägers zu dem verfolgten Ziel einer sanften Tötung auseinandersetzen müssen, folgen daraus nicht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Das Verwaltungsgericht hat mit diesen Erwägungen das für die Annahme eines Bedürfnisses nach § 8 WaffG notwendige persönliche und wirtschaftliche Interesse des Klägers bejaht. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung des persönlichen und wirtschaftlichen Interesses des Klägers zuvörderst angeführt, die Rechtsordnung sehe die Möglichkeit vor, Rinder per Kugelschuss zu töten, so dass ein anzuerkennendes Interesse des Klägers an der Wahrnehmung seiner rechtlichen Möglichkeiten angenommen werden könne. Diese Erwägung des Verwaltungsgerichts zieht der Beklagte nicht in Zweifel. Der Senat sieht auch sonst keine Anhaltspunkte dafür, an der Richtigkeit dieser Einschätzung zu Zweifeln (vgl. dazu auch etwa Heinrich, in: Steindorf, WaffG 11. Aufl. 2022, § 10 Rn. 30, m.w.N.).

Die weiteren Erwägungen des Verwaltungsgerichts, die Voraussetzungen für eine lebensmittelrechtliche Genehmigung zur Tötung im Haltungsbetrieb könnten im Einzelfall vorliegen, nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Tier-LMHV dürften einzelne Huftiere der Gattung Rind, die ganzjährig im Freiland gehalten werden, im Haltungsbetrieb geschlachtet oder zur Gewinnung von Fleisch für den menschlichen Verzehr getötet werden, wenn die Anforderungen nach Anhang III Abschnitt II Nummer 3 Buchstabe a) bis j) der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 eingehalten würden, Anhang III Abschnitt II Nummer 3 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 stelle dabei die Voraussetzung auf, dass die Tiere zur Vermeidung eines Risikos für den Transporteur oder aus Gründen des Tierschutzes nicht transportiert werden könnten, in der mündlichen Verhandlung habe der Kläger anschaulich geschildert, dass einzelne Tiere seiner Herde sehr scheu seien und nicht ohne erheblichen Widerstand fixiert oder eingepfercht werden könnten, diese Erläuterungen genügten, um im Rahmen der waffenrechtlichen Prüfung ein anzuerkennendes Interesse des Klägers festzustellen, zieht der Beklagte ebenfalls nicht hinreichend in Zweifel. Soweit der Beklagte meint, das Verwaltungsgericht hätte sich mit den Angaben des Klägers zu dem verfolgten Ziel einer sanften Tötung auseinandersetzen müssen, es wäre genau zu prüfen, warum dies im konkreten Einzelfall anzunehmen wäre, folgt der Senat dem nicht. Die Prüfung der tierschutz- und lebensmittelrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen ist in einem eigenständigen Genehmigungsverfahren durchzuführen, das - wie sich auch aus der bereits zitierten Nr. 10.16.2 Satz 3 WaffVwV ergibt - unberührt bleibt (vgl. dazu auch VG Gießen, Urt. v. 3.5.2021 - 4 K 1353/20.GI - juris). Auf die Frage, ob der Kläger in der Lage sei, seine Rinder zu streicheln, und ob sich daraus bereits allgemein ergebe, dass Risiken für den Transporteur oder Gründe des Tierschutzes einem Transport nicht entgegenstünden (vgl. dazu auch etwa Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Leitfaden Hofnahe Schlachtung von Huftieren, Stand: Oktober 2022, S. 12 f., Umwelt- und Klimapakt Bayern – Vereinbarung zwischen der Bayerischen Staatsregierung und der bayerischen Wirtschaft, abgerufen am 30.11.2022), kommt es hiernach hier nicht entscheidend an.

Soweit der Beklagte meint, das Argument der Genehmigungsfähigkeit reiche für die Annahme eines anzuerkennenden persönlichen oder wirtschaftlichen Interesses an der Erteilung einer Schießgenehmigung nicht aus, es müsse ein darüberhinausgehendes Bedürfnis vorliegen, ergeben sich auch daraus keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts. Dass der Klägers als Eigentümer der Rinder und als Landwirt, der das Fleisch seiner Rinder ausdrücklich damit bewirbt, diese seien „stressarm geschlachtet worden“ (http://www.hof-thiede.de/, abgerufen am 29.11.2022), ein berechtigtes auch wirtschaftliches Interesse an der Erteilung einer Schießgenehmigung hat, liegt auf der Hand (vgl. dazu auch BVerwG, Urt. v. 8.12.1992 - 1 C 5/92 - juris Rn. 28; BVerwG, Urt. v. 31.5.1994 - 1 C 18/92 - juris Rn. 17; VG Hamburg, Urt. v. 10.2.2010 - 4 K 3247/08 - juris Rn. 29).

b) Die Einwände des Beklagten unter II.1.b.) seiner Zulassungsbegründung hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht angenommenen rechtskonformen Realisierungschance seines Vorhabens, eigene Rinder per Kugelschuss zu töten, um ihr Fleisch zu verwerten, führen ebenfalls nicht zu einer Zulassung der Berufung.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Bedürfnis für eine Schießerlaubnis nach § 10 Abs. 5 WaffG zu verneinen ist, wenn der in Aussicht genommene Schusswaffengebrauch zwingenden Rechtsvorschriften widerspricht, weil für ein Vorhaben, das aus Rechtsgründen nicht verwirklicht werden darf, auch kein begründetes Interesse in dem dargelegten Sinne besteht (BVerwG, Urt. v. 31.5.1994 - 1 C 18/92 - juris Rn. 18; VGH BW, Urt. v. 25.8.2000 - 1 S 1161/98 - juris Rn. 25 ff., jew. zu § 45 Abs. 1 WaffG a.F.; vgl. auch Heinrich, in: Steindorf, WaffG 11. Aufl. 2022, § 10 Rn. 30). Von diesen Maßstäben ist das Verwaltungsgericht bei seiner Prüfung von unüberwindbaren Hindernissen für die Erteilung einer tierschutzrechtlichen Erlaubnis zur Tötung durch Kugelschuss nach Anlage 1 Ziffer 2.1.2 zu § 12 Abs. 3 TierSchlV (dazu auch etwa Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, zu Anlage 1 Nr. 2 TierSchlV, Kugelschuss, Rn. 1 f.) sowie einer Genehmigung zum Töten nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Tier-LMHV bzw. Kapitel VIa der Delegierten Verordnung (EU) 2021/1374 der Kommission vom 12. April 2021 zur Änderung von Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs ausgegangen (vgl. zu Letzterem auch Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Schlachtung im Herkunftsbetrieb, Schlachtung im Herkunftsbetrieb | Nds. Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (niedersachsen.de); Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Leitfaden zur Schlachtung im Herkunftsbetrieb, Stand: 4.2.2022, S. 9, Leitfaden_zur_Schlachtung_im_Herkunftsbetrieb_Version_1.1.pdf), jew. abgerufen am 30.11.2022; Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Erlass v. 10.9.2021, Bl. 60 ff. Gerichtsakte).

Soweit der Beklagte geltend macht, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass das Kugelschussverfahren nur im Ausnahmefall vorgesehen sei, trifft das nicht zu. Wie bereits ausgeführt, ist das Verwaltungsgericht ausweislich seiner Entscheidungsgründe davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Genehmigung zur Tötung im Haltungsbetrieb („nur“) mit Einwilligung der zuständigen Behörde im Einzelfall vorliegen könnten. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen eine Einwilligung nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1099/2009 des Rates über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung i.V.m. deren Anhang I Kapitel I Tabelle 1 Nr. 3, Anlage 1 Ziffer 2.1.2 zu § 12 Abs. 3 TierSchlV (vgl. insoweit allerdings auch Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, VO (EG) 1099/2009 Art. 4 Rn. 13 ff. und zu Anlage 1 Nr. 2 TierSchlV, Kugelschuss, Rn. 1 f.) oder eine Genehmigung zum Töten nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Tier-LMHV bzw. Kapitel VIa der Delegierten Verordnung (EU) 2021/1374 der Kommission vom 12. April 2021 durch die zuständige Behörde zu erteilen ist, bedarf aus Anlass des vorliegenden, die waffenrechtliche Schießerlaubnis betreffenden Verfahrens keiner Entscheidung.

Der gegenteiligen Auffassung des Beklagten, bereits im Rahmen der waffenrechtlichen Genehmigung sei die Frage der Erteilung einer tierschutzrechtlichen Erlaubnis zur Tötung durch Kugelschuss nach Anlage 1 Ziffer 2.1.2 zu § 12 Abs. 3 TierSchlV sowie einer Genehmigung zum Töten nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Tier-LMHV bzw. Kapitel VIa der Delegierten Verordnung (EU) 2021/1374 der Kommission vom 12. April 2021 umfassend (gemeint wohl: im Einzelfall) zu prüfen, da nur dann ein berücksichtigungswürdiges Interesse an der Erteilung einer Schießgenehmigung anzuerkennen sei, folgt der Senat nicht. Wie bereits oben unter a) ausgeführt, handelt es sich jeweils um eigenständige Genehmigungstatbestände, wobei der waffenrechtliche Erlaubnistatbestand die Regelungen der Tierschutzschlachtverordnung und des Fleischhygienegesetzes unberührt lässt. Für die vom Beklagten befürwortete restriktivere Handhabung der waffenrechtlichen Vorschriften vermag der Senat auch kein Bedürfnis zu erkennen. § 8 WaffG ist für sich genommen bereits restriktiv auszulegen (näher dazu Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 8 Rn. 4). Sie nimmt bestimmte Nutzergruppen bzw. sonstige vergleichbare Interessen in den Blick, für die ein waffenrechtliches Bedürfnis anerkannt wird (Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 8 Rn. 9). Auflagen in Form von Beschränkungen können für bestimmte Gelegenheiten ausgesprochen werden (Heinrich, in: Steindorf, WaffG 11. Aufl. 2022, § 9 Rn. 7). Dazu zählt auch das Schlachten von „Freilandrindern“ auf einer Weide (vgl. Nr. 10.16.2 WaffVwV; Heinrich, in: Steindorf, WaffG 11. Aufl. 2022, § 10 Rn. 30, m.w.N.; vgl. auchPapsthart, in: Steindorf, 11. Aufl. 2022, WaffG § 8 Rn. 7).

Soweit angenommen wird, es könne ein alle Genehmigungen umfassender Bescheid erlassen werden (etwa Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Leitfaden Hofnahe Schlachtung von Huftieren, Stand: Oktober 2022, S. 19, Umwelt- und Klimapakt Bayern – Vereinbarung zwischen der Bayerischen Staatsregierung und der bayerischen Wirtschaft, abgerufen am 30.11.2022), führt dies zu keiner anderen Betrachtung. Gleiches gilt, soweit der Beklagte einwendet, aus Tierschutzgründen sei einem Verwildern der Tiere entgegenzuwirken, der Kläger sei verpflichtet, dafür zu sorgen, dass ein Transport der Tiere möglich bleibe.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn sie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist sowie im Interesse der Rechtseinheit oder der Fortentwicklung des Rechts geklärt werden muss. Der Zulassungsantrag muss eine konkrete Frage aufwerfen, deren Entscheidungserheblichkeit erkennen lassen und (zumindest) einen Hinweis auf den Grund enthalten, der das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll (W.-R. Schenke, in: Kopp/ Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 124, Rn.10, m.w.N.). Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt nicht in Betracht, wenn sich die Frage so, wie sie mit dem Antrag aufgeworfen worden ist, im Rechtsmittelverfahren nicht stellt, ferner dann nicht, wenn sich die Frage nach dem Gesetzeswortlaut ohne Weiteres eindeutig beantworten lässt oder sie in der Rechtsprechung - namentlich des Bundesverwaltungsgerichts oder des beschließenden Senats - geklärt ist. Nach diesen Maßstäben ist die Berufung hier nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Der Beklagte hat die Frage formuliert,

„welche Anforderungen an das Vorliegen eines waffenrechtlichen Bedürfnisses im Rahmen einer Schießerlaubnis für den Kugelschuss bei ganzjährig im Freien lebenden Rindern zu stellen sind.“

Zur Begründung der grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit trägt der Beklagte vor, die Frage sei für eine Vielzahl von Rinderhaltern und Behörden relevant, die sich mit Anträgen für eine Schießerlaubnis für die Durchführung des Kugelschusses auf Weiden konfrontiert sähen. Es bestünden Unklarheiten, wie streng die Kriterien für eine Ausnahmegenehmigung zu handhaben seien und inwiefern hierbei auch die europarechtlichen tierschutz- und lebensmittelrechtlichen Regelungen zur Auslegung herangezogen werden müssten.

Mit diesem Vortrag ist eine grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit nicht dargelegt. Wie sich bereits aus den Ausführungen unter 1. ergibt, hängt die nach § 8 WaffG vorzunehmende Abwägung stets auch von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab, die nicht in allgemeiner Weise klärungsfähig sind. Die Frage, inwiefern hierbei auch die tierschutz- und lebensmittelrechtlichen Regelungen zu berücksichtigen sind, lässt sich im dargestellten Sinne auch ohne die Durchführung eines Berufungsverfahrens klären.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).