Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.11.2014, Az.: 5 Sa 980/14
Unbegründete Klage auf Abgabe einer förmlichen Erklärung zur Rücknahme einer zu Unrecht ergangenen Abmahnung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 20.11.2014
- Aktenzeichen
- 5 Sa 980/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 29444
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2014:1120.5SA980.14.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 20.05.2014 - AZ: 13 Ca 231/13
Rechtsgrundlagen
- BGB § 1004
- BGB § 242
- § 611 Abs. 1 BGB
Fundstellen
- AE 2015, 75
- AUR 2015, 238
- ArbR 2015, 79
- AuUR 2015, 238
- EzA-SD 5/2015, 13
- RDV 2015, 101
Amtlicher Leitsatz
Ein Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Abgabe einer förmlichen Rücknahmeerklärung einer zu Unrecht ergangenen Abmahnung, wenn zuvor der Arbeitgeber erklärt hat, er werde diese Abmahnung nicht für etwaige personelle Konsequenzen gegenüber dem Arbeitnehmer verwenden. Dies gilt auch, wenn er erklärt, er halte an der sachlichen Richtigkeit der dort erhobenen Vorwürfe fest.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 20.05.2014 - 13 Ca 231/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Rücknahme einer Abmahnung und einer Ermahnung hat, die jeweils per E-Mail am 21.03.2013 ausgesprochen und nicht zur Personalakte genommen worden sind.
Die am 00.00.1951 geborene Klägerin ist langjährig bei dem Beklagten als Arbeitnehmerin beschäftigt. Am 21.03.2013 erhielt sie um 16.58 Uhr eine E-Mail, in der ihr das alleinvertretungsberechtigte Vorstandsmitglied S. vorwarf, den angeforderten Sachbericht noch nicht fertig gestellt zu haben. Diese E-Mail enthielt den Hinweis auf unmittelbare Konsequenzen, die geeignet sind, das Missfallen des Dienstgebers deutlich zu dokumentieren. Unter der Rubrik "Cc" waren die Namen weiterer Arbeitskollegen bzw. Vorgesetzten der Klägerin genannt. Wegen der genauen Einzelheiten des Wortlautes wird auf die erste Anlage zur Klageschrift, Bl. 6 der Gerichtsakte, verwiesen.
Ebenfalls am 21.03.2013 erhielt sie um 19.52 Uhr eine weitere E-Mail vom vertretungsberechtigten Vorstandsmitglied S., in welcher u. a. er sein Befremden über die Terminabsagen der Klägerin zum Ausdruck brachte und wörtlich formulierte: ... "... leider warte ich bis heute noch auf die Nennung unserer spanischen Ansprechpartner bezüglich des Centro de dia und beim Konsulat ...". Unter der Rubrik "Cc" waren weitere Empfänger (Arbeitskollegen und Vorgesetzte) benannt. Wegen der genauen Einzelheiten des Wortlautes dieser E-Mail wird auf die Anlage zur Klageschrift, Bl. 9 der Gerichtsakte, verwiesen.
Diese E-Mail-Schreiben sind nicht zur Personalakte der Klägerin gelangt.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin erstinstanzlich - soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung - u. a. die Zurücknahme und Entfernung aus der Personalakte dieser beiden E-Mails beantragt. Sie hat im Einzelnen dargestellt, dass die ihr gegenüber erhobenen Vorwürfe unzutreffend seien.
Der Beklagte hat zu Protokoll der Kammerverhandlung vom 20.05.2014 erklärt, dass sämtliche in den streitgegenständlichen E-Mails und Schriftstücken evtl. erhobenen Rügen und behauptete arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen zukünftig nicht für etwaige personelle Maßnahmen gegenüber der Klägerin verwandt würden. Nichts desto trotz halte er an der sachlichen Richtigkeit der dort erhobenen Vorwürfe weiter fest.
Ergänzend wird zur weiteren Sachdarstellung auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen, welcher den erstinstanzlichen Sach- und Streitstand wiedergibt.
Mit Urteil vom 20.05.2014 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Wegen der genauen Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils (dort Bl. 2 und 3 desselben, Bl. 159 und 160 der Gerichtsakte) verwiesen.
Gegen dieses, ihr am 16.06.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 10.07.2014 teilweise Berufung eingelegt und diese sogleich begründet. Mit ihrer Berufung begehrt sie die Zurücknahme der Abmahnung vom 21.03.2013 übermittelt per E-Mail um 16.58 Uhr sowie die Zurücknahme der Ermahnung vom 21.03.2013 übermittelt per E-Mail um 19.52 Uhr. Sie rügt, das arbeitsgerichtliche Urteil habe zu Unrecht ihren Anträgen das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen. Vielmehr habe sie angesichts des Umstandes, dass der Beklagte an der sachlichen Richtigkeit der Vorwürfe festhalte und verschiedene Personen von der E-Mail in Kenntnis gesetzt worden seien, einen Anspruch auf Zurücknahme. Ihrer Auffassung nach sei der Anspruch auf Zurücknahme mit der Beseitigung der Beeinträchtigung gleichzusetzen. Der Erklärende dieser als Abmahnung bzw. Ermahnung zu qualifizierenden E-Mail Schreiben müsse in der Form, die er bei der Rügeerteilung gewählt habe, nunmehr gegenüber der Klägerin erklären, dass er diese Ermahnung/Abmahnung ihr gegenüber zurücknehme.
Die Klägerin beantragt,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils, den Beklagten zu verurteilen, die Abmahnung vom 21.03.2013 übermittelt per E-Mail vom 16.58 Uhr sowie die Ermahnung vom 21.03.2013 übermittelt per E-Mail um 19.52 Uhr zurückzunehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufung wird auf ihre Schriftsätze vom 09.07., 22.07., 31.07. und 18.11.2014 sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 20.11.2014 verwiesen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG und 519, 520 ZPO).
B.
Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht das Klagebegehren abgewiesen.
I.
Die Klage ist zulässig.
Die Klage - auch in der in der Berufungsinstanz anhängigen Fassung - ist als Leitungsklage auf Vornahme einer Handlung gerichtet. Leistungsklagen ist ein Rechtsschutzbedürfnis immanent. Ist das, worauf die Klägerin einen Anspruch hat, bereits gemäß § 362 BGB erfüllt, dann ist die Klage (allenfalls) unbegründet.
II.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rücknahme der von ihr genannten Erklärungen, die der Beklagte am 21.03.2013 ihr gegenüber per E-Mail geäußert hat.
1.
Wie allgemein anerkannt ist, kann sich jeder Arbeitnehmer gegen missbilligende Äußerungen, die seinem beruflichem Fortkommen hinderlich sind, zur Wehr setzen. Insbesondere kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Ermahnung oder Abmahnung aus der Personalakte verlangen. In ständiger Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht in einem solchen Fall nicht nur eine Entfernung sondern auch eine Rücknahme einer erteilten Abmahnung bzw. Ermahnung als sachdienlich anerkannt (BAG, Urteil vom 19.07.2012 - 2 AZR 782/11 Randnummer 15 m.w.N. - Juris). Abgesehen von der zuvor genannten Entscheidung fehlten dem Bundesarbeitsgericht erkennbar Gelegenheit und Veranlassung, sich mit dem Inhalt des Anspruches "Rücknahme" auseinanderzusetzen. In der bereits zitierten Entscheidung wird regelmäßig davon ausgegangen, dass das Begehren auf Rücknahme einer Abmahnung neben dem auf ihre Entfernung aus der Personalakte abzielenden Antrag zumeist nicht eigenständig verfolgt werde. Dementsprechend sei eine mit dem Klageantrag verlangte "Rücknahme und Entfernung" der Abmahnung als einheitlicher Anspruch auf Beseitigung der durch die Abmahnung erfolgten Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechtes zu verstehen. Daneben könne neben einer begehrten Entfernung auch der Widerruf der darin enthaltenen Äußerungen gemeint sein und so könne ein Antrag auf Rücknahme ebenfalls auszulegen sein.
2.
Das Klagebegehren der Klägerin lässt sich nicht als Widerruf der in den beiden als Ermahnung und Abmahnung bewerteten E-Mails enthaltenen Äußerungen auslegen. Wie die Klägerin zu Protokoll der Berufungsverhandlung klargestellt hat, geht es hier um eine Erklärung bezüglich dieser Schreiben insgesamt und nicht lediglich um bestimmte in diesen E-Mail Schreiben enthaltene Äußerungen, welche einen ehrverletzenden Charakter haben könnten. Hierbei erschöpft sich der Gehalt der beiden E-Mails keineswegs ausschließlich in irgendwelchen Rügen, insbesondere die E-Mail vom 21.03.2013, 19.52 Uhr enthält lediglich nebenbei eine Kritik und darüber hinaus seinem wesentlichen Inhalt nach eine Information betreffend einer neuen Arbeitsaufgabe und eines neuen Dienstsitzes. Auch ist die Klägerin mit Hinweisbeschluss des Landesarbeitsgerichtes vom 11.11.2014 ausdrücklich auf die Problematik des richtigen Klageziels hingewiesen worden. Ihre Reaktion hierauf lässt erkennen, dass ein Widerruf nicht gewollt war, vielmehr Klagebegehren die Abgabe einer Erklärung des zu Protokoll der Berufungsverhandlung genommenen Inhaltes ist.
3.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Abgabe der von ihr geforderten Erklärung. Eine solche Erklärung geht zu weit und ist nicht erforderlich, um den Rechtsschutzinteressen eines Arbeitnehmers effektiv Rechnung zu tragen. Im vorliegendem Streitfall ist dem in unserer Rechtsordnung anerkannten Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer gemäß §§ 242, 1004 BGB ausreichend dadurch Rechnung getragen worden, dass die Beklagte verbindlich erklärt hat, sie werde keinerlei Konsequenzen aus den beiden E-Mail Schreiben herleiten, diese nicht für irgendeine personelle Konsequenz zu Lasten der Klägerin nutzen.
Hieran ändert auch der Hinweis der Klägerin auf die unstreitig erfolgte Weiterleitung der E-Mails an Arbeitskollegen und Vorgesetzte nichts. Wenn sie denn der Meinung ist, eine besondere Persönlichkeitsrechtsverletzung liege gerade in der Bekanntgabe missbilligenswerter und ehrverletzender Äußerungen gegenüber diesen Außenstehenden, dann hätte sie ihnen gegenüber den Widerruf einzelner in diesen E-Mail Schreiben enthaltener Äußerungen (nicht aber Widerruf des gesamten Schreibens) verlangen können. Ein hiervon abweichender, von der Klägerin verfolgter Anspruch besteht nicht.
C.
Gemäß § 97 Abs. 1 ZPO hat die Klägerin als unterlegende Partei die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. Gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG war die Revision zum Bundesarbeitsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zuzulassen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist insbesondere die offensichtlich noch nicht geklärte Frage, welchen Inhalt ein isolierter Antrag auf "Rücknahme einer Ermahnung/Abmahnung" nach dem vom Bundesarbeitsgericht entwickelten System des Rechtsschutzes eines Arbeitnehmers gegen missliebige Äußerungen seitens des Arbeitgebers hat bzw. haben kann.