Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.10.2014, Az.: 5 Ta 373/14
Ordnungsgeld; unentschuldigtes Ausbleiben
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 14.10.2014
- Aktenzeichen
- 5 Ta 373/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 24063
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2014:1014.5TA373.14.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Oldenburg - 02.09.2014 - AZ: 6 Ca 48/14
Rechtsgrundlagen
- ArbGG § 51
- ZPO § 380
- ZPO § 141
Fundstelle
- AE 2015, 99
Amtlicher Leitsatz
Zweck der gerichtlichen Anordnung zum persönlichen Erscheinen ist auch die Anleitung der Parteien zur Abgabe wahrheitsgemäßer und vollständiger Erklärungen. Fehlt eine Partei unentschuldigt und wird der Zweck der wahrheitsgemäßen Sachverhaltsaufklärung erschwert, ist die Verhängung eines Ordnungsgeldes nicht ermessensfehlerhaft, auch wenn das Gericht wegen fehlender Substantiierung des Vorbringens die Instanz durch Urteil beenden kann.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 2.09.2014 - 6 Ca 48/14 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer zu tragen.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer ist Beklagter im Ausgangsrechtsstreit. Er wendet sich gegen die Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen Nichterscheinens in der Kammerverhandlung.
Die Parteien des Ausgangsrechtsstreites streiten über Vergütungsansprüche, insbesondere darüber, ob der Beklagte diese Vergütungsansprüche durch Barzahlung erfüllt hat.
Mit Beschluss vom 4.03.2014 gab das Gericht dem Beklagten auf, bis zum 15.04.2014 auf die Klage zu erwidern und alle Einwendungen betreffend die Klageforderung hinsichtlich Grund und Höhe unter Beweisantritt darzulegen. Soweit sich der Beklagte auf die Erfüllung berufe, sei hierzu konkret unter Angabe von Ort und Zeit und Benennung der Zeugen die Barzahlung darzulegen. Gleichzeitig bestimmte das Arbeitsgericht die Anordnung zum persönlichen Erscheinen beider Parteien und wies auf die Folge des Ordnungsgeldes hin.
In einem am 24.04.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Beklagte unter Beweisantritt behauptet, dem Kläger den streitgegenständlichen Nettobetrag in Höhe von 819,79 Euro in bar übergeben zu haben. Nähere Angaben, wo die Übergabe stattgefunden habe und zu welchem Zeitpunkt sie erfolgt sei, waren dem Schriftsatz nicht zu entnehmen.
Zum Kammertermin am 14.08.2014 fehlte der Beklagte unentschuldigt. Der Beklagtenvertreter konnte die Nachfrage der Vorsitzenden, wann und wo genau der Geldbetrag an den Kläger übergeben worden sei, nicht antworten. Auf Grundlage dessen verkündete das Arbeitsgericht zu Lasten des Beklagten ein der Klage stattgebendes Urteil. In den Entscheidungsgründen führte es aus, der Einwand der Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB sei nicht hinreichend substantiiert worden. Eine Erfüllung könne von der Kammer nicht zugrunde gelegt werden.
Mit Beschluss vom 2.09.2014 hat das Arbeitsgericht gegen den unentschuldigt ausgebliebenen Beklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 Euro verhängt und zur Begründung ausgeführt, er sei trotz ordnungsgemäßer Ladung im Gütetermin am 4.03.2014 nicht der Anordnung des persönlichen Erscheinens nachgekommen. Dies sei ohne Angabe von Gründen geschehen. Der Beklagtenvertreter habe ausweislich des Protokolls erklärt, einen Vergleich nicht abschließen zu können, da ein solcher erst mit dem Beklagten abgesprochen werden müsse. Zudem habe sich der Sachverhalt im Kammertermin nicht weiter aufklären lassen. Die Kammer habe entgegen ihrer Absicht keine weitere Auskunft vom Beklagten erhalten und seinen Sachvortrag, den der Kläger bestreitet, nicht mit ihm besprechen können.
Gegen diesen am 5.09.2014 zugestellten Beschluss hat der Beklagte und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 6.10.2014 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur weiteren Entscheidung vorgelegt.
II.
A
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 51 Abs. 1, 78 S. 1 ArbGG, 141 Abs. 3, 380 Abs. 3, 567 ff. ZPO).
B
Das Rechtsmittel ist unbegründet. Die Voraussetzungen, unter denen ein Ordnungsgeld verhängt werden durfte, sind gegeben.
1.
Das Arbeitsgericht hat wirksam gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 ArbGG und § 141 Abs. 3 ZPO das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet. Der Zweck der Anordnung ist dem Sitzungsprotokoll der Güteverhandlung zu entnehmen (Sachverhaltsaufklärung bezüglich sämtlicher streitigen Fragen, insbesondere des Umstandes der behaupteten Barzahlung) und entspricht vollauf dem einer Vorsitzenden gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 ArbGG eingeräumten Ermessen.
2.
Der Beschwerdeführer hat diese Ladung zum persönlichen Erscheinen auch erhalten. Dies lässt sich dem gesamten Akteninhalt entnehmen. Etwas gegenteiliges wird von ihm weder in der Beschwerde dargelegt noch ist es zuvor irgendwann in dem Prozess eingewandt worden.
3.
Der Beschwerdeführer fehlte unentschuldigt.
4.
Auch unter Berücksichtigung der im pflichtgemäßen Ermessen stehenden Entscheidung, ob die Festsetzung eines Ordnungsgeldes angebracht ist, wobei der Sinn und Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens zu berücksichtigen ist, ist die Festsetzung des Ordnungsgeldes durch das Arbeitsgericht unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt fehlsam.
a)
Wie allgemein anerkannt ist, muss bei der Frage, ob ein Ordnungsgeld bei unentschuldigtem Fehlen verhängt wird, der Sinn und Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens berücksichtigt werden. Diesbezüglich hat das Arbeitsgericht einen Ermessensspielraum, welcher in vollem Umfang vom Beschwerdegericht überprüft und durch eine eigene Ermessensentscheidung korrigiert werden kann. Im Ausgangspunkt sind sich Rechtsprechung und Literatur darüber einig, dass bei der Ermessensentscheidung der Verhängung eines Ordnungsgeldes regelmäßig maßgeblich nicht auf den Aspekt der Nichtachtung des Gerichtes abgestellt werden darf (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2.07.2010, Az.: 12 Ta 1069/10; G/M/P-Germelmann, 8. Aufl., § 51 Rn. 22 m.w.N.). Gefordert wird eine prozessuale Wirkung des Ausbleibens der Partei, wobei regelmäßig das unentschuldigte Ausbleiben eine Erschwerung der Sachverhaltsfeststellung zumindest als möglich erscheinen lässt (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3.03.2014, Az.: 21 Ta 102/14 m.w.N.).
Weite Teile der Rechtsprechung und Literatur ziehen daraus die Konsequenz, ein Ordnungsgeld dürfe nicht verhängt werden, wenn trotz Nichterscheinens der Partei der Rechtsstreit entschieden werden kann (G/M/P-Germelmann aaO.; Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 7.08.2002, Az.: 10 Ta 306/02).
b)
Das Beschwerdegericht teilt in vollem Umfang den Ausgangspunkt der zuvor dargestellten herrschenden Rechtsmeinung. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes ist kein Selbstzweck und dient nicht ausschließlich der Bestrafung einer "ungehörigen" Partei. Soweit daraus allerdings die Konsequenz gezogen wird, die Verhängung eines Ordnungsgeldes geschehe ermessensfehlerhaft, wenn man trotz oder möglicherweise sogar wegen des unentschuldigten Ausbleibens der Partei den Rechtsstreit für die Instanz beenden könne, teilt das Beschwerdegericht diese Rechtsauffassung nicht und meint, dass diese Auffassung nicht interessengerecht alle mit der Anordnung des persönlichen Erscheinens verbundenen Zwecke berücksichtigt.
Richtig ist vielmehr folgendes: Die Anordnung des persönlichen Erscheinens gemäß §§ 51 Abs. 1 S. 1 ArbGG, 141 Abs. 1 ZPO ergänzt regelmäßig die Verpflichtung des Gerichtes zur materiellen Prozessleitung gemäß § 139 ZPO und zur Sachverhaltsaufklärung unter besonderer Berücksichtigung des § 138 ZPO, nämlich der Verpflichtung der Parteien, über tatsächliche Umstände wahrheitsgemäß und vollständig Erklärungen abzugeben (§ 138 Abs. 1 ZPO).
Von diesem Zweck ließ sich das Arbeitsgericht sowohl bei der prozessleitenden Anordnung des persönlichen Erscheinens als auch bei der Verhängung des Ordnungsgeldes leiten. Dies zeigt die Begründung des Ordnungsgeldbeschlusses. Der erkennbare Sinn und Zweck der Sachverhaltsaufklärung, nähere Einzelheiten zu erfragen um sie sodann mit der Gegenpartei zu erörtern, ist vereitelt worden.
Es ist für das Beschwerdegericht nicht auszuschließen, liegt möglicherweise durchaus nahe, dass bei persönlicher Anwesenheit des Beschwerdeführers und näherer Schilderung der Geldübergabe der Kläger hiermit konfrontiert, hätte einräumen müssen, dieses entspräche der Wahrheit. Ganz allgemein führt die Sachverhaltsaufklärung durch die persönliche Stellungnahme der Parteien und die sofortige Konfrontation der Gegenpartei mit den Äußerungen der darlegungs- und beweispflichtigen Partei dazu, eine materiell richtige Tatsachengrundlage für ein Urteil zu schaffen. Ein ums andere Mal ist in einer derartigen Fallkonstellation bereits Vorbringen, welches durch die Anwaltsschriftsätze höchst streitig war, entweder ganz oder jedenfalls teilweise unstreitig geworden. Hierzu tragen die gesamte Verhandlungsatmosphäre vor der Kammer und auch die Art der Befragung durch den Berufsrichter, der die Verhandlung leitet, bei. Vorstehendes entspricht der langjährigen Erfahrung der Beschwerdekammer.
Darüber hinaus hat die fehlende Sachverhaltsaufklärung, die zwar zu einem abschließenden Urteil in dieser Instanz führt, weitere Konsequenzen für den Instanzenzug. Ein lediglich auf den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast beruhendes Urteil wird von den Parteien erfahrungsgemäß viel seltener akzeptiert als ein Urteil, welches nach gründlicher Sachaufklärung ergeht. Die Wahrscheinlichkeit eines Rechtsmittels ist in jenem Fall größer als in diesem. Auf die fehlende Klärung entscheidungserheblicher Rechtsfragen stellt beispielsweise auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 20.08.2007, Az.: 3 AZB 50/05 - Juris) ab, ohne dass es danach darauf ankommen kann, ob der Rechtsstreit in dieser Instanz rechtskräftig abgeschlossen wird oder nicht.
c)
Nach alledem war die Beschwerde gegen Ordnungsgeldbeschluss zurückzuweisen, wobei sich die Höhe des Ordnungsgeldes im gesetzlich festgelegten Rahmen hält. Weder hat der Beschwerdeführer Einwände vorgebracht noch ist für das Beschwerdegericht irgendeine Form des Ermessensfehlgebrauches durch das Arbeitsgericht ersichtlich.
C
Gemäß § 97 Abs. 1 ZPO hat der Beschwerdeführer die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen. Gegen diesen Beschluss findet ein Rechtsmittel nicht statt, weil es im Gesetz nicht vorgesehen ist und vom Landesarbeitsgericht nicht zugelassen wird.