Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.06.2014, Az.: 13 Sa 1327/13

AGB-Kontrolle; Betriebsvereinbarung; Lohnabtretungsverbot; Sittenwidrigkeit; Verweisungsklausel

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
16.06.2014
Aktenzeichen
13 Sa 1327/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42407
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG - 06.11.2013 - AZ: 1 Ca 280/13

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ein in einer Betriebsvereinbarung/Arbeitsordnung geregeltes umfassendes Lohn- und Gehaltsabtretungsverbot kann unabhängig von seiner normativen Wirksamkeit über eine formulararbeitsvertraglich vereinbarte Geltung dieser Betriebsvereinbarung Bestandteil des Arbeitsvertrages werden.

2. Einer AGB-Kontrolle gem. §§ 305 ff BGB unterliegt in diesem Fall nur die Verweisungsklausel selbst, nicht jedoch die eine Abtretung ausschließende Vorschrift der Betriebsvereinbarung (§ 310 Abs. 4 S. 1 BGB).

3. § 399, 2. Alternative BGB lässt auch die Vereinbarung eines Lohn- und Gehaltsabtretungsausschlusses zwischen Gläubiger und Schuldner zu. Ein solcher Ausschluss schränkt den Arbeitnehmer nicht in einer seine Kreditfähigkeit grundlegend beeinträchtigenden, sittenwidrigen Weise (§ 138 Abs. 1 BGB) in seiner Dispositionsfreiheit über sein Arbeitsentgelt ein.

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 06.11.2013 (1 Ca 280/13) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Drittschuldnerin auf Zahlung abgetretener Arbeitsvergütung in Anspruch.

Der Ehemann der Klägerin trat auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 02./11.09.1981 (Bl. 173 f d.A.) in die Dienste der Beklagten. Unter der Überschrift „Schlußbestimmungen“ des Vertrages heißt es im 2. Absatz:

Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Manteltarifvertrages, des Gehaltstarifvertrages sowie der Arbeitsordnung der Volkswagenwerk AG in den jeweils geltenden Fassungen.

In der bei der Beklagten geltenden Betriebsvereinbarung „Arbeitsordnung“ vom 03.06.1977, gültig ab 01.08.1977 (Anlage B1 = Bl. 22 - 27 d.A.) ist unter anderem Folgendes geregelt:

§ 1 Geltungsbereich

Diese Arbeitsordnung gilt

1. räumlich:       für alle Werke der VOLKSWAGEN AG

2. persönlich:      für alle Werksangehörigen, auf die das Betriebsverfassungsgesetz Anwendung findet.

Die Arbeitsordnung ist Bestandteil des Arbeitsvertrages.

§ 2 Bekanntmachung der Arbeitsordnung

Die Arbeitsordnung erhält jeder neueintretende Werksangehörige zur Kenntnisnahme und Beachtung gegen Empfangsbestätigung. Änderungen und Ergänzungen werden als Nachtrag ausgehändigt.

(…)

§ 7 Regelung der Lohn- und Gehaltszahlung

(…)

Abtretung

Die Abtretung von Lohn- oder Gehaltsforderungen oder sonstiger im Zusammenhang mit der Werkszugehörigkeit erwachsener Forderungen an Dritte ist ausgeschlossen.

Nach dem Inhalt eines in Kopie zur Gerichtsakte gereichten Vertrages mit Datum 01.06.2003 (Anlage K1 = Bl. 6 d.A.) gewährte die Klägerin der Firma H., deren Geschäftsführer ihr Ehemann war, ein Darlehen über 150.000,00 €. In dem von der Klägerin und ihrem Ehemann unterzeichneten Vertrag heißt es u.a.:

Sollte die Firma H. zahlungsunfähig oder insolvent sein, tritt Herr A. als persönlicher Bürge in diesen Darlehensvertrag ein und tritt zur Absicherung der Gesamtforderung hiermit den pfändbaren Teil seines Lohn/oder Gehaltsanspruchs gegen seinen jeweiligen Arbeitgeber einschließlich Einkommens aus Sozialleistungen sowie Rentenansprüche oder Leistungen des Arbeitsamtes an die Gläubigerseite ab.

Mit Beschluss vom 30.11.2004 eröffnete das Amtsgericht Gifhorn über das Vermögen der H. das Insolvenzverfahren. Infolge dessen wurde im Handelsregister die Auflösung der Gesellschaft eingetragen.

Aufgrund eines notariellen Schuldanerkenntnisses ihres Ehemannes vom 22.03.2005 über einen Betrag von 56.000,- € brachte die Klägerin den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 14.07.2005 aus, auf den die Beklagte nach Zustellung pfändbare Gehaltsansprüche des Ehemannes an die Klägerin auskehrte.

Aufgrund eines weiteren notariellen Schuldanerkenntnisses ihres Ehemannes vom 03.02.2012 über 98.000,00 € erwirkte die Klägerin gegen die Beklagte einen dieser am 22.05.2012 zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 14.05.2012 bezüglich weiterer Gehaltsansprüche.

Mit Drittschuldnererklärung vom 29.05.2012 (Anlage K2 = Bl. 7 - 9 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Gehaltsforderungen ihres Ehemannes zwischenzeitlich für weitere Gläubiger gepfändet worden seien. Daraufhin wies die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 07.06.2012 auf die Lohnabtretung im Darlehensvertrag hin.

Für April 2013 rechnete die Beklagte gemäß Anlage B 1 zur Berufungserwiderung (Bl. 123 d.A.) zugunsten des Ehemanns der Klägerin ein Nettoentgelt in Höhe von 3.072,07 € ab. Von dem pfändbaren Anteil der Bezüge in Höhe von 1.428,78 € zahlte sie an die Klägerin noch 17,16 € in Ansehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 14.07.2005, der damit insgesamt erledigt war. Die restliche pfändbare Vergütung zahlte sie an das Hauptzollamt Braunschweig aufgrund zweier am 04.09.2007 zugestellter Forderungstitel.

Mit der am 19.06.2013 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin von der Beklagten die Zahlung weiterer 1.411,62 € für April 2013 gefordert. Ihrem Ehemann hat sie den Streit verkündet. Dieser ist dem Rechtsstreit nicht beigetreten.

Die Klägerin hat geltend gemacht, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der H. greife die Vorausabtretung der Gehaltsansprüche.

Sämtliche in der Drittschuldnererklärung vom 29.05.2012 aufgeführten Forderungen seien gegenüber der Vorausabtretung der Gehaltsansprüche durch den Darlehensvertrag vom 01.06.2003 nachrangig. Das Lohnabtretungsverbot in der Arbeitsordnung sei unwirksam.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.411,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.05.2013 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat bestritten, dass zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann am 01.06.2003 ein Darlehensvertrag über 150.000,00 € abgeschlossen worden ist. Ihre Zweifel an einer im Jahr 2003 vereinbarten Abtretung ergäben sich daraus, dass die Klägerin bislang nur aus zeitlich nachfolgenden Schuldanerkenntnissen vollstreckt habe. Erst nachdem die Klägerin erkannt habe, dass sie mit der neuerlichen Forderungspfändung nicht zum Zuge kommt, habe sie sich auf eine Abtretung aus 2003 berufen. Die Klägerin habe auch nicht zu Erkennen gegeben, in welcher Höhe die Darlehensforderung aktuell noch bestehe.

Das Arbeitsgericht hat mit einem der Klägerin am 28.11.2013 zugestellten Urteil vom 06.11.2013 (Bl. 56 - 62 d.A.), auf dessen Inhalt wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und seiner Würdigung durch das Arbeitsgericht verwiesen wird, die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Zulässigkeit kollektivrechtlich vereinbarter Abtretungsverbote zu folgen. Hiergegen richtet sich die am 19.12.2013 eingelegte und am 28.01.2014 begründete Berufung der Klägerin.

Die Klägerin macht geltend, für das Lohnabtretungsverbot in der Arbeitsordnung habe den Betriebsparteien die Regelungskompetenz gefehlt, weil es die Arbeitnehmer unzulässig in ihrer Vertragsfreiheit einschränke. Insbesondere Arbeitnehmer, denen andere Sicherungsmittel nicht zur Verfügung stünden, würden faktisch außer Stande gesetzt, Kredite aufzunehmen. Nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes hätten Arbeitgeber und Betriebsrat die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Es bestünden keine schützenswerten überwiegenden betrieblichen Interessen der Beklagten an dem Lohnabtretungsverbot. Die Gestaltung der eigenen Vermögensangelegenheiten der Arbeitnehmer wirke sich weder auf die Art und Weise der Arbeitsleistung noch auf das betriebliche Zusammenwirken aus.

Das kollektivrechtlich unwirksame Abtretungsverbot habe auch nicht wirksam arbeitsvertraglich vereinbart werden können, weil dies zu einer unzulässigen Umgehung führe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 06.11.2013 (1 Ca 218/13) abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen unter Verteidigung des angefochtenen Urteils als zutreffend nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 27.03.2014 (Bl. 113 - 122 d.A.). Zweifel an dem rechtswirksamen Zustandekommen der Abtretung ergäben sich auch daraus, dass eine unzulässige Übersicherung der Klägerin nicht per se ausgeschlossen werden könne. Jedenfalls aber sei der bisherigen Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sowie der herrschenden Literaturmeinung zur Wirksamkeit kollektivrechtlicher Abtretungsverbote weiterhin zu folgen.

Wegen der Einzelheiten des im Berufungsverfahren gewechselten Vorbringens wird ergänzend auf die Berufungsbegründung vom 28.01.2014 (Bl. 93 - 97 d.A.), den Schriftsatz der Klägerin vom 06.06.2014 (Bl. 159 - 162 d.A.) sowie auf die Schriftsätze der Beklagten vom 12.06.2014 (Bl. 172 d.A.) und 13.06.2014 (Bl. 194 - 196 d.A.) jeweils nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll vom 16.06.2014 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die gem. § 64 Abs. 1 und Abs. 2 b ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus abgetretenem Recht (§ 398 BGB) auf Zahlung pfändbarer Vergütung ihres Ehemannes in Höhe von 1.411,62 € für April 2013. Die Abtretung verstößt gegen das in § 7 der Arbeitsordnung geregelte umfassende Abtretungsverbot. Es kann dahinstehen, ob Betriebsparteien ein Lohn- und Gehaltsabtretungsverbot kollektivrechtlich wirksam vereinbaren können, wovon die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgegangen ist. Das Abtretungsverbot ist über die einzelvertraglich vereinbarte Geltung der Arbeitsordnung jedenfalls auch Bestandteil des Arbeitsvertrages zwischen der Beklagten und dem Ehemann der Klägerin geworden. Als arbeitsvertragliche Regelung ist es wirksam und hat verhindert, dass die Klägerin Forderungsinhaberin geworden ist.

a) In den Schlussbestimmungen des Anstellungsvertrages vom 02./11.09.1981 hat die Beklagte mit dem Ehemann der Klägerin u. a. die Geltung der Arbeitsordnung in der jeweils gültigen Fassung vereinbart. Diese arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel ist wirksam. Sie hält einer AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB stand.

aa) Die fragliche Vertragsklausel unterliegt den Regelungen der §§ 305 ff. BGB. Bei dem vom Ehemann der Klägerin mit der Beklagten abgeschlossenen Anstellungsvertrag vom 02./11.09.1981 handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen. Dies ergibt sich bereits aus der äußeren Gestaltung des Vertrages. Der Anwendung der §§ 305 ff. BGB steht nicht entgegen, dass der Anstellungsvertrag schon lange vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001 (BGBl. I, 3138) geschlossen wurde. Seit dem 01.01.2003 gelten nach der Übergangsregelung in Artikel 229 § 5 Satz 2 EGBGB die §§ 305 ff. BGB auch für die vor dem 01.01.2002 abgeschlossenen Verträge über Dauerschuldverhältnisse ohne Einschränkung.

bb) Die Verweisungsklausel ist Vertragsbestandteil. Sie ist keine überraschende Klausel im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB. Weder aus der äußeren Form noch aus der inhaltlichen Gestaltung der Klausel lässt sich ein Überraschungsmoment ableiten. Ein Arbeitnehmer, der einen Arbeitsvertrag mit einem Großunternehmen, wie der Beklagten, abschließt, muss damit rechnen, dass sein Vertragspartner die für ihn geltenden Tarifverträge und eine für sämtliche Werke geltende Arbeitsordnung in ihrer jeweils geltenden Fassung zum Gegenstand des Arbeitsverhältnisses machen will und dies in einer unter der Überschrift „Schlussbestimmungen“ enthaltenen Verweisungsklausel am Vertragsende auch zum Ausdruck bringt. Dies gilt umso mehr, als der gesamte vorangehende Vertragsinhalt von wenig mehr als einer Seite lediglich aus 5 knapp gehaltenen Regelungen zu den Punkten Tätigkeit, Vergütung, Kündigung, Nebenbeschäftigungen und Geheimhaltung besteht.

cc) Die Verweisungsklausel ist dahin auszulegen, dass die Bestimmungen der Arbeitsordnung unabhängig von deren normativer Wirksamkeit Bestandteil des Arbeitsvertrages werden sollten.

(1) Formularmäßige Klauseln in Arbeitsverträgen sind nach den Regelungen über allgemeine Geschäftsbedingungen, d.h. nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (vgl. BAG, Urt. v. 06.07.2011 - 4 AZR 706/09 - = NZA 2012, 100).

(2) Nach dem Inhalt des Anstellungsvertrages hat die Beklagte mit dem Ehemann der Klägerin die Geltung der Arbeitsordnung in der jeweils geltenden Fassung vereinbart. Im Wortlaut der Klausel findet sich kein Anhaltspunkt dafür, die Beklagte habe lediglich deklaratorisch einen (einseitigen) Hinweis auf das geben wollen, was ohnehin schon gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar und zwingend für alle Mitarbeiter gilt, die dem Geltungsbereich der Arbeitsordnung unterfallen. Zum einen enthält die Klausel auch eine Bezugnahme auf die für die Beklagte geltenden Tarifverträge, was angesichts der unstreitig bereits bei Vertragsschluss bestehenden Tarifgebundenheit der Beklagten als sogenannte Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren, aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf die vor dem 01.01.2002 abgeschlossenen Arbeitsverträge anzuwendenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu verstehen ist (vgl. BAG, Urt. v. 06.07.2011 - 4 AZR 706/09 - = NZA 2012, 100). Damit soll die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrages zu kommen und damit - bei deren genereller Verwendung - zu dessen Geltung für alle Beschäftigten. Zum anderen war es gemäß §§ 1 und 2 der Arbeitsordnung bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages verlautbarter Wille der Betriebsparteien, dass die Arbeitsordnung stets Bestandteil neuabzuschließender Arbeitsverträge sein soll und jeder neu eintretende Werksangehörige diese zur Kenntnisnahme und Beachtung gegen Empfangsbestätigung ausgehändigt erhält. Es ist mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, dass die Beklagte entsprechend ihrer Verpflichtung gemäß § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG die Betriebsvereinbarung bei Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Ehemann der Klägerin regelmäßig so durchgeführt hat. Daraus ergibt sich die allen neu eintretenden Arbeitnehmern erkennbare Interessenlage der Beklagten. Auch der Ehemann der Klägerin hat mit der Einstellmeldung vom 02.09.1981 (Bl. 175 d.A.) den Erhalt der Arbeitsordnung bestätigt. Eine Einschränkung dahin, die Arbeitsvertragsparteien hätten den Inhalt der Betriebsvereinbarung nur insoweit zum Bestandteil des Arbeitsvertrages machen wollen, als diese betriebsverfassungsrechtlich wirksam ist, enthält der Wortlaut der Klausel nicht. Vielmehr entspricht es dem erkennbaren Willen der Beklagten, dem Inhalt der Arbeitsordnung auch arbeitsvertraglich umfassend Geltung zu verschaffen, auch unwirksame Bestimmungen der Betriebsvereinbarung Vertragsbestandteil werden zu lassen, soweit nicht deren inhaltliche Festlegungen als arbeitsvertragliche Regelungen ebenfalls nichtig bzw. unwirksam sind. Dies ist zulässig. Die Arbeitsvertragsparteien sind grundsätzlich frei, ein kollektives Regelwerk in Bezug zu nehmen, ohne das es auf dessen normative Wirksamkeit ankommt. Auch auf nichtige oder nicht mehr wirksame Kollektivregelungen kann Bezug genommen werden, soweit nicht deren inhaltliche Festlegungen auch als arbeitsvertragliche Regelungen nichtig sind (vgl. etwa BAG, Urteil vom 25.09.2013 – 5 AZR 815/12 – Juris unter Rdnr. 11; Urteil vom 14.12.2011 - 4 AZR 26/10 - = AP Nr. 59 zu § 1 TVG Altersteilzeit unter Rdnr. 43). Eine derartige Abrede scheidet nur aus, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, nur eine wirksame Kollektivregelung habe vereinbart werden sollen (BAG, Urteil vom 25.09.2013, aaO; Urteil vom 14.12.2011, aaO unter Rdnr. 44).

dd) Die Bezugnahmeklausel ist in dieser Auslegung nicht wegen fehlender Transparenz nach § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB i. V. m. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

(1) Eine Verweisung auf die Vorschriften eines anderen Regelungswerkes ist grundsätzlich zulässig und führt für sich genommen nicht zur Intransparenz, wenn sich für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume eröffnen. Sinn des Transparenzgebotes ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Erst in der Gefahr, dass der Arbeitnehmer wegen unklar abgefasster allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB (vgl. BAG, Urteil vom 10.12.2008 – 4 AZR 801/07 - = NZA-RR 2010, 7).

(2) Die Bezugnahmeklausel ist auch nicht deswegen unverständlich, weil sie dynamisch ausgestaltet ist. Dynamische Bezugnahmeklauseln entsprechen einer üblichen Regelungstechnik und dienen den Interessen beider Parteien. Dies ergibt sich aus der Zukunftsgerichtetheit von Arbeitsverhältnissen. Es ist ausreichend, wenn die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung in Bezug genommenen Regelungen bestimmbar sind (vgl. BAG, Urteil vom 10.12.2008, aaO).

(3) Das Objekt der Bezugnahme ist hinreichend deutlich bezeichnet. Der aufgeführte Manteltarifvertrag, der Gehaltstarifvertrag und die Arbeitsordnung der Beklagten in der jeweils geltenden Fassung sind jedenfalls hinreichend bestimmbar.

ee) Einer weitergehenden Inhaltskontrolle unterliegt die Verweisungsklausel mangels eigenem kontrollfähigen Inhalt nicht. Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB können Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen nur dann nach §§ 308, 309 BGB sowie uneingeschränkt nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam sein, wenn durch sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Der Regelungsgehalt einer Bezugnahmeklausel beschränkt sich jedoch lediglich auf die (dynamische) Verweisung als solche. Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses wird nahezu ausschließlich durch die Regelungen des Bezugnahmeobjekts – vorliegend die Arbeitsordnung der Beklagten sowie die tariflichen Regelungen - bestimmt. Eine Abweichung von Rechtsvorschriften kann sich daher lediglich aus den in Bezug genommenen Regelungen, nicht jedoch aus der Verweisungsklausel selbst ergeben (vgl. BAG, Urteil vom 10.12.2008, aaO. unter Rdnr. 46).

ff) Das in Bezug genommene Regelwerk selbst, insbesondere das in § 7 Abs. 4 der Arbeitsordnung geregelte Abtretungsverbot, unterliegt nicht der Vertragskontrolle. Die Arbeitsordnung ist als Betriebsvereinbarung ergangen. Gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB finden die §§ 305 ff. BGB keine Anwendung auf Betriebsvereinbarungen.

b) Jedenfalls als arbeitsvertragliche Regelung ist das Abtretungsverbot wirksam. Es stellt weder eine unzulässige rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkung im Sinne des § 137 Satz 1 BGB dar, noch verstößt es gegen die guten Sitten (§ 138 BGB).

aa) Das Abtretungsverbot als solches ist nicht mit grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung unvereinbar. Gläubiger und Schuldner können vielmehr im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit die Abtretbarkeit einer pfändbaren Forderung gemäß § 399, 2. Alternative BGB wirksam ausschließen. Die Vorschrift enthält insoweit eine Ausnahme von § 137 Satz 1 BGB. Für pfändbare Lohnforderungen ist nichts anderes bestimmt.

bb) Eine Sittenwidrigkeit des Abtretungsverbots ergibt sich auch nicht aus einer Gesamtwürdigung des Rechtsgeschäfts unter Berücksichtigung dessen Inhalts, seines Beweggrundes und Zwecks einschließlich der Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben sowie der Motive der Parteien.

(1) Zu dem für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit maßgeblichen Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts ist die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung (vgl. BAG, Urteil vom 20.12.1957 - 1 AZR 237/56 - AP Nr. 1 zu § 399 BGB; Urteil vom 05.06.1960 - 1 AZR 509/57 - AP Nr. 4 zu § 399 BGB, Urteil vom 02.06.1966 - 2 AZR 322/65 - AP Nr. 8 zu § 399 BGB; LAG Tübingen, Urteil vom 18.04.1967 - 7 Sa 8/67 - DB 1967, 1094; LAG Berlin, Urteil vom 25.06.1979 - 9 Sa 10/79 - EzA § 399 BGB Nr. 4; LAG Hamm, Urteil vom 05.10.1989 - 4 Sa 700/89 - LAGE § 399 BGB Nr. 2) trotz Kritik in der Literatur von der grundsätzlichen Wirksamkeit von Lohnabtretungsverboten ausgegangen. Soweit diese Rechtsprechung im Anschluss an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18.07.2006 zu Bearbeitungsgebühren bei Lohn- oder Gehaltspfändungen (- 1 AZR 578/05 - = NZA 07, 462 [BAG 18.07.2006 - 1 AZR 578/05]) vermehrt Kritik erfahren hat (etwa ArbG Hamburg, Urteil vom 31.08.2010 - 21 Ca 176/10 - Juris), betrifft diese die Frage, ob nicht nur der Gläubiger des Lohnanspruchs selbst, einzelvertraglich, sondern auch die Betriebsparteien ohne Mitwirkung des Gläubigers mit normativer Wirkung ein Lohnabtretungsverbot wirksam regeln können (zum Meinungsstand vgl. etwa Kreutz in GK-BetrVG, 10. Aufl. (2014), § 77 Rn. 358; Richardi, BetrVG, 13. Aufl. (2012), § 77 Rn. 106, jeweils mit umfangreichen Nachweisen).

(2) Aufgrund des weitreichenden, nicht nur Lohnansprüche erfassenden Inhalts des in der Arbeitsordnung enthaltenen Abtretungsverbots, ist unter Berücksichtigung der zitierten Rechtsprechung im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass mit dem Abtretungsausschluss neben der Lohnsicherung auf Seiten des Arbeitnehmers in erster Linie dem Interesse der Beklagten an einer klaren, übersichtlichen und möglichst reibungsfreien Vertragsabwicklung in der Lohnbuchhaltung Rechnung getragen werden sollte. Dieses Interesse der Beklagten ist berechtigt, denn ihr als Großunternehmen werden durch Lohnabtretungen ganz erhebliche Risiken aufgebürdet. Sie muss ohne gerichtliche Prüfung und ohne Erteilung eines vollstreckbaren Schuldtitels Forderungen einziehen. Unsicherheiten ergeben sich, wenn es um die Rangfolge zwischen Lohnabtretungen und Lohnpfändungen geht. Nicht selten führen Streitigkeiten um die Rangfolge zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, wie der vorliegende Fall zeigt. Sie erlangen besondere Schärfe, wenn der Verdacht von Rückdatierungen im Raum steht. Schwierigkeiten sieht sich ein Arbeitgeber auch dann gegenüber, wenn Mehrfachabtretungen vorliegen. Das gilt insbesondere bei undatierten Erklärungen oder Abtretungen mit gleichen Datum (zu alledem zutreffend: LAG Hamm, Urteil vom 05.10.1989, aaO). Zu den rechtlichen Risiken kommt der mit der Bearbeitung verbundene Zeit- und Kostenaufwand.

(3) Dem Interesse des Arbeitgebers wird im Wesentlichen entgegengehalten, dem Arbeitnehmer, der nicht über Vermögen verfügt, werde durch ein Lohnabtretungsverbot eine wesentliche Grundlage seiner Kreditfähigkeit entzogen, was ihn in sittenwidriger Weise in seiner Dispositionsfreiheit über sein Arbeitsentgelt einschränke.

(4) Das berechtigte Interesse des Arbeitnehmers an der Befugnis, im Voraus über den pfändbaren Teil seiner Vergütung zu verfügen, überwiegt nach Auffassung der Kammer jedenfalls nicht das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an einem vertraglichen Verdienstabtretungsausschluss. Der Kredit des Arbeitnehmers erleidet keine erhebliche Einbuße. Dem Arbeitnehmer wird nicht die Verfügung über bereits erworbene Rechte genommen, sondern der Verdienstanspruch entsteht von Anfang an als nicht abtretbares Recht. Nach Erhalt der Vergütung kann der Arbeitnehmer uneingeschränkt über sie verfügen (vgl. BAG, Urteil vom 20.12.1957, a.a.O.). Auch angesichts der Gefahr von Mehrfachabtretungen wird in der Praxis der Kreditvergabe der Lohnabtretung als Sicherungsmittel nur eine eingeschränkte Bedeutung beigemessen (vgl. BAG, Urteil vom 20.12.1957, a.a.O.; Preis, Der Arbeitsvertrag, 4. Aufl. (2011), A II 10 Rn. 8 m.w.N.). Auf der anderen Seite schlägt bei einem Lohnabtretungsverbot zugunsten des Arbeitnehmers zu Buche, dass er seinen Verdienst ungeschmälert ausgezahlt erhält und bei Inanspruchnahme durch einen Gläubiger regelmäßig ein gerichtliches Verfahren erforderlich wird, in welchem er die Möglichkeit hat, Einwendungen gegen die Forderung zu erheben und Vollstreckungsschutz zu beantragen (vgl. BAG, Urteil vom 20.12.1957, aaO; Preis, aaO, Rn. 9).

c) Das vertragliche Abtretungsverbot erfasst die streitgegenständliche Lohnforderung aus April 2013. Der am 11.09.1981 vereinbarte Abtretungsausschluss konnte auch hinsichtlich zukünftiger Forderungen wirksam vereinbart werden (vgl. RGZ 97, 76 (78); Palandt-Grünberg, BGB, 73. Aufl., § 399 Rn. 8). Es kann dahinstehen, ob er auch eine zuvor vereinbarte Vorausabtretung erfasst. Die hier streitige Vorausabtretung ist nach dem Vorbringen der Klägerin erst 2003 vereinbart worden.

d) Anhaltspunkte dafür, dass die Berufung der Beklagten auf das vereinbarte Abtretungsverbot gegenüber der Klägerin treuwidrig im Sinne des § 242 BGB erfolgt, bestehen nicht.

2. Zutreffend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der streitgegenständliche Anspruch der Klägerin nicht aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 14.05.2012 besteht. Dieser geht angesichts der in der Drittschuldnererklärung aufgeführten, ihm gegenüber zeitlich unbestritten vorrangigen Forderungen ins Leere.

II.

Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung haben sowohl die Frage der Reichweite der arbeitsvertraglich vereinbarten Geltung der Arbeitsordnung als auch die Frage, ob ein umfassendes Lohnabtretungsverbot wirksam arbeitsvertraglich, ggf. kollektivrechtlich vereinbart werden kann.