Amtsgericht Hannover
Urt. v. 09.10.2007, Az.: 483 C 9800/07

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
09.10.2007
Aktenzeichen
483 C 9800/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 62677
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2007:1009.483C9800.07.0A

Fundstelle

  • ZMR 2009, 150-151 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Rechtsstreit

...

wegen Beschlussanfechtung

hat das Amtsgericht Hannover - Abt 483 -

auf die mündliche Verhandlung vom 09. Oktober 2007

durch den Richter am Amtsgericht Dr. Löffler

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Der Beschluss zu TOP 4 der Eigentümerversammlung vom 12. Juni 2007 wird für ungültig erklärt.

  2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  4. Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger ist als Eigentümer in einer Wohnung im Erdgeschoss links Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft Lutherstraße 60 in Hannover.

2

Auf der Eigentümerversammlung vom 12. Juni 2007, zu der mit Schreiben vom 06. Juni 2007 eingeladen wurde (Blatt 4 d.A.), heißt es zu TOP 4 gemäß dem Versammlungsprotokoll (Blatt 6 d.A.) wie folgt:

"TOP 4: Entlastung und Neuwahl bzw. Wiederwahl des Verwaltungsbeirates

Herr R.... und Frau C.... werden für ihre Tätigkeit einstimmig entlastet.

Für die anschließende Neuwahl stellen sich Frau B...., Herr K.... und Herr R.... zur Verfügung. Bei der anschließenden Wahl entfallen fünf Stimmen auf Frau B...., eine Stimme auf Herrn K.... und fünf Stimmen auf Herrn R..... Frau B.... und Herr R.... nehmen die Wahl an."

3

Der Kläger hält diesen Beschluss für rechtswidrig und verweist auf § 29 Abs. 1 Satz 2 WEG, wonach Verwaltungsbeirat aus 3 Mitgliedern zu bestehen habe. Er ist der Auffassung, eine Abweichung hiervon sei durch einen Mehrheitsbeschluss nicht möglich.

4

Wegen der weiteren Ausführung wird auf den übrigen schriftsätzlichen Vortrag des Klägers Bezug genommen.

5

Der Kläger beantragt,

  1. wie erkannt.

6

Die Beklagten beantragen,

  1. die Klage abzuweisen.

7

Sie sind der Auffassung, die Wahl von 2 Verwaltungsbeiräten sei korrekt gewesen. Nur die Miteigentümer Beyer und Rückriem seien mit jeweils 5 Ja-Stimmen von insgesamt 9 Stimmen mehrheitlich gewählt worden, dagegen nicht der Kläger, der nur eine Ja-Stimme, nämlich seine eigene erhalten habe. Im Übrigen stehe es den Wohnungseigentümern prinzipiell frei, keinen, einen, zwei oder drei Miteigentümer durch entsprechenden Mehrheitsbeschluss zu Verwaltungsbeiräten zu bestellen. Weiterhin würde die Wahl des Klägers in den Verwaltungsbeirat nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, da der Kläger mit sämtlichen übrigen Wohnungseigentümern extrem zerstritten sei und sie einschüchtere. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf den übrigen schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

8

Die gemäß §§ 43 Nr. 4 und 46 Abs. 1 WEG zulässige Anfechtungsklage ist begründet.

9

Der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 12. Juni 2007 zu TOP 2 war soweit angefochten für ungültig zu erklären, nämlich soweit zu TOP 4 allein die Miteigentümer Beyer und Rückriem mehrheitlich zu Verwaltungsbeiräten bestellt wurden. Denn dieser Beschluss widerspricht § 29 Abs. 1 Satz 2 WEG.

10

Nach dieser Vorschrift besteht der Verwaltungsbeirat aus einem Wohnungseigentümer als Vorsitzender und zwei weiteren Wohnungseigentümern als Beisitzern. Zwar trifft die Auffassung der Beklagten zu, dass es grundsätzlich den Wohnungseigentümern frei steht, ob ein Verwaltungsbeirat gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 WEG bestellt wird, da es sich um ein fakultatives Organ handelt (Bärmann/Pick/Merle, Wohnungseigentumsgesetz 9. Auflage, § 29 Randnummer 1). Hiervon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, wie sich der Verwaltungsbeirat zusammenzusetzen hat. Hierzu gibt es in § 29 Abs. 1 Satz 2 WEG eine klare gesetzliche Vorgabe, nämlich dass der Verwaltungsbeirat aus 3 Wohnungseigentümern zu bestehen hat.

11

Diese Vorschrift ist zwar nicht zwingend, kann also abbedungen werden. Die Anzahl der Mitglieder kann deshalb durch Vereinbarung aller Wohnungseigentümer vermindert oder erhöht werden. Durch bloßen Mehrheitsbeschluss können die Wohnungseigentümer die Anzahl der Mitglieder grundsätzlich nicht generell abweichend von § 29 Abs. 1 Satz 2 WEG regeln. Sofern nicht eine Vereinbarung eine entsprechende Beschlusskompetenz einräumt, fehlt den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz für eine solche Regelung. Ein Beschluss über eine generelle Änderung der Beiratsgröße ist wegen der absoluten Beschlussunzuständigkeit sogar nichtig. Da den Wohnungseigentümern darüber hinaus jedoch die Beschlusskompetenz eingeräumt ist, einen Verwaltungsbeirat individuell zu bestellen, ist ein Mehrheitsbeschluss gültig, d.h. nicht nichtig, durch den die Wohnungseigentümer einen konkreten Beirat mit mehr oder weniger als 3 Mitgliedern bestellen. Dieser damit jedoch gesetzeswidrige Beschluss ist allerdings anfechtbar (a.a.O. Randnummer 16 mit weiteren Nachweisen).

12

Zwar handelt es sich hier um keine generelle, sondern um eine individuelle Verwalterbestellung, jedoch ergibt sich aus dem Vorstehenden eindeutig, dass der angefochtene Beschluss zu TOP 4 zwar nicht nichtig, jedoch anfechtbar ist aufgrund seiner Gesetzeswidrigkeit im Hinblick auf § 29 Abs. 1 Satz 2 WEG. Da unstreitig von der gesetzlichen Vorgabe abgewichen wurde und nicht ersichtlich ist, dass die Teilungserklärung eine anderweitige Regelung enthält war der Beschluss für ungültig zu erklären. Da bereits nach dem Vorstehenden der Beschluss für ungültig zu erklären war, kommt es auf die weitere Frage, ob die Bestellung des Klägers zum Verwaltungsbeirat ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, weil die Parteien extrem verstritten sind, nicht weiter an.

13

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

Dr. Löffler