Amtsgericht Hannover
v. 12.11.2007, Az.: 447 C 5647/07

Anspruch eines Insolvenzverwalters auf Zinsen bzgl. eines zurückgewährten Betrages und Auskunftsanspruch hinsichtlich gezogener Nutzungen gegen eine Einzugsstelle von Sozialversicherungsbeiträgen; Möglichkeit eines Mitverschuldens eines Insolvenzverwalters

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
12.11.2007
Aktenzeichen
447 C 5647/07
Entscheidungsform
Teilurteil
Referenz
WKRS 2007, 45494
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2007:1112.447C5647.07.0A

Verfahrensgegenstand

Forderung

In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Hannover Abt. 447
im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO
auf den Termin vom 15.10.2007
durch
den Richter am Amtsgericht Luedtke
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.763,40 Euro zu zahlen,

  2. 2.

    die Beklagte wird verurteilt, Auskunft darüber zu geben, in welcher Höhe ausgedrückt in Prozent sie Nutzungen aus Geldanlagen vom 31.01.2006 bis 27.06.2006 gezogen hat sowie Schuldzinsen auf eigene Verbindlichkeiten vom 31.01.2006 bis 27.06.2006 zu leisten hatte.

    Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Auf Antrag vom 10.05.2006 würde mit Beschluss des Amtsgerichts Marburg vom 28.06.2006 (Az.: xxx) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der xxx eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Beklagte erhielt von der Insolvenzschuldnerin am 31.01.2006 und 01.02.2006 Beträge von 19.000,-- Euro bzw. 12.000,-- Euro, die am 11.04.2007 ohne Zinsen zurückgezahlt wurden, nachdem der Kläger am 15.02.2007 die Beklagte unter Fristsetzung bis 28.02.2007 zur Rückgewähr aufgefordert hatte.

2

Der Kläger verlangt mit der Klage Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die anfechtbar geleisteten Beträge für den Zeitraum zwischen Insolvenzeröffnung und Zahlung, d.h. 1.763,40 Euro. Er ist der Auffassung, dass die Beklagte auch für die Zeit vor Insolvenzeröffnung in der anfechtbaren Weise gezahlten Leistung Nutzungen aus Geldanlagen bzw. in Form ersparter Schuldzinsen auf eigene Verbindlichkeiten herausgeben müsse und darüber Auskunft zu erteilen habe.

3

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höeh von 1.763,40 Euro zu zahlen,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen,

    1. a)

      Auskunft darüber zu geben, in welcher Höhe ausgedrückt in Prozent sie Nutzungen aus Geldanlagen vom 31.01.2006 bis 27.06.2006 gezogen hat sowie Schuldzinsen auf eigene Verbindlichkeiten vom 31.01.2006 bis 27.06.2006 zu leisten hatte,

    2. b)

      an den Kläger Zinsen i. H. d der sich aus der erteilten Auskunft ergebenden Nutzunge, jedenfalls i. H. v. 4% aus 19.000,- Euro vom 31.012006 bis 27.06.2006 sowie aus 12.000,-- Euro vom 01.02.2006 bis 27.06.2006 zu zahlen.

4

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Die Beklagte bestreitet eine Verpflichtung zur Zinszahlung ab Insolvenzeröffnung, da sie mit einem böswilligen Gläubiger nicht gleichzustellen sei. Im Übrigen habe die Beklagte auch keine Vorteile gehabt, da die Beitragseinnahmen insgesamt nicht genügten, um die Ausgaben der Beklagten zu decken.

6

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

7

Die Klage ist in Form des Zahlungsantrags und Auskunftsantrages begründet. Über den im Wege der Stufenklage geltend gemachten Antrag zu 2 b) kann erst nach Erteilung der Auskunft entschieden werden.

8

Der Kläger besitzt gegen die Beklagte gemäß §§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291, 288 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag von 31.000,--Euro für die Zeit vom 28.06.2006 bis 11.04.2007, d.h. in Höhe von 1.763,40 Euro.

9

Die Zinszahlungspflicht ergibt sich als Rechtsfolge aus § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO mit Verweisung auf § 819 Abs. 1 BGB. Der Anfechtungsgegner ist der verschärften Haftung des § 819 Abs. 1 BGB unterworfen und wird somit einem böswilligen Bereicherungsschuldner gleichgestellt. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte hier vorwerfbar handelte oder nicht. Die Höhe der vom Kläger berechneten Zinsforderung ist im Übrigen unstreitig.

10

Es liegen keine ausreichende Gründe vor, die die Beklagte als Einzugsstelle für Sozialversicherungsbeiträge anders zu behandeln als andere Gläubigergruppen, da dieses im Gesetz, das eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung regelt, nicht vorgesehen ist. Ein Mitverschulden ist dem Kläger nicht anzulasten, da § 254 BGB eine Verschuldenshaftung voraussetzt, die hier nicht vorliegt. Auch die Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben führt nicht zu einer Einschränkung des Zinsanspruchs der Klägerin, zumal hier nicht von einer vorwerfbaren Benachteiligung der Beklagten durch den Kläger ausgegangen werden kann. Auch die Differenzierung der zunächst vereinnahmten Beträge im Hinblick auf Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Pflegeversicherung und Krankenversicherung ist rechtlich unerheblich, was sich schon daraus ergibt, dass die Beklagte ja auch die gesamte Zahlung der Insolvenzschuldnerin zurückerstattet hat. Die Beklagte, die sich wie ein bösgläubiger Bereicherungsschuldner behandeln lassen muss, muss sich auch entgegenhalten lassen, dass die Möglichkeit zur Erzielung von Nutzungen nicht genutzt worden ist (§ 987 Abs. 2 BGB).

11

Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Auskunft in Bezug auf Verzinsungen aus Geldanlagen bzw. Schuldzinsen auf eigene Verbindlichkeiten für die Zeit ab Zahlung der Beträge durch die Insolvenzschuldnerin bis zur Insolvenzeröffnung (§§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 987 BGB). Der Kläger hat keine ausreichende Kenntnis über die tatsächlich gezogenen Nutzungen. Auch angesichts des vorgelegten Jahresberichtes 2006 steht nicht fest, dass überhaupt keine Nutzungen gezogen worden sind und hätten gezogen werden können, so dass die Beklagte zu einer entsprechenden Auskunft zu verurteilen war.

12

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Luedtke, Richter am Amtsgericht