Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 22.06.2007, Az.: 70 II 265/07

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
22.06.2007
Aktenzeichen
70 II 265/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 62687
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2007:0622.70II265.07.0A

Fundstelle

  • ZMR 2008, 338-339 (Volltext mit red. LS)

Tenor:

  1. 1.

    Die Anträge werden zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Gerichtskosten trägt der Antragsteller, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

  3. 3.

    Der Geschäftswert wird auf 6 000,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller sowie die Antragsgegner zu 2) bilden die oben angegebene Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Verwalterin die Antragsgegnerin zu 3) ist.

2

In der Eigentümerversammlung vom 30.03.2006 wurde zu TOP 8 mit 48 Ja-Stimmen gegen 4 Nein-Stimmen bei 7 Enthaltungen beschlossen, die bisherige Gas-Heizkesselanlage durch eine Pellets-Heizungsanlage mit zwei Blockheizkraftwerken zu ersetzen.

3

Der Beschluss wurde nicht angefochten, beinhaltet nach Ansicht des Antragstellers aber eine bauliche Veränderung nach § 22 Abs. 1 WEG, der er nicht zugestimmt habe.

4

Deshalb müsse er sich gemäß § 16 Abs. 3 Halbsatz 2 WEG an den Kosten auch nicht beteiligen.

5

Der zum selben Tagesordnungspunkt gefasste Beschluss über die Finanzierung der Maßnahme sei nichtig, weil der Eigentümerversammlung dazu die Beschlusskompetenz gefehlt habe.

6

Da die Eigentümerversammlung den Beschluss über die Erneuerung der Heizungsanlage aber nicht gefasst hätte, wenn sie gewusst hätte, dass diejenigen Wohnungseigentümer,

7

die nicht für die Erneuerung gestimmt haben, die Kosten nicht mittragen müssten, sei der Beschluss gemäß § 139 BGB insgesamt nichtig.

8

Der Antragsteller beantragt,

  1. festzustellen, dass der in der Wohnungseigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft Lehrter Straße 16 bis 24, 30559 Hannover, am 30.03.2006 zu TOP 8 gefasste Beschluss in seinem gesamten Umfang nichtig ist.

9

Hilfsweise beantragt er,

  1. festzustellen, dass der Antragsteller nicht verpflichtet ist, diejenigen Mehrkosten anteilig mitzutragen, die dadurch entstanden sind bzw. noch entstehen, dass die vormals vorhandene Heizungsanlage (Gasheizkesselanlage) der Wohnungseigentümergemeinschaft Lehrter Str. 16-24, Hannover, nicht repariert bzw. saniert bzw. durch eine artgleiche Heizungsanlage ausgetauscht worden ist, sondern vielmehr durch eine völlig andere Heizungsanlage (Pellets-Heizungsanlage mit zwei Blockheizkraftwerken) ersetzt worden ist.

10

Die Antragsgegner beantragen,

  1. die Antrag zurückzuweisen.

11

Hilfsweise beantragen sie

  1. festzustellen, dass der Antragsteller verpflichtet ist, in Zukunft seine Heiz- und Warmwasserkosten nach den jeweils aktuellen Gaspreisen ohne Berücksichtigung der eingesparten Energiekosten zu entrichten, und für die Kosten der Wassererwärmung des Schwimmbades einen Aufschlag auf die tatsächlich entstandenen Kosten zu zahlen in Höhe der prozentualen Abweichung zwischen dem Durchschnittspreis der Energiekosten der Liegenschaft und den jeweils aktuellen Gaspreisen. Die Kosten der Vornahme der Berechnungen hat der Antragsteller zu tragen.

12

Sie begründen dies damit, dass der Beschluss vom 30.03.2006 zu TOP 8 keine bauliche Veränderung beinhalte sondern eine modernisierende Instandsetzungsmaßnahme. Denn die Amortisation der Kosten würde in weniger als 10 Jahren erfolgt sein.

13

Die Freistellung des Antragstellers von den Kosten nach § 16 Abs. 3 WEG ließe sich auch nicht durchführen, weil der Antragsgegner nicht von der Nutzung der neuen Heizung ausgeschlossen werden könnte. Er müsste den messbaren Vermögensvorteil, den er dann durch die Partizipation an den eingesparten Energiekosten durch die neue Anlage erführe, an die Eigentümergemeinschaft herausgeben.

14

Darüber hinaus sei es auch treuwidrig, sich auf § 16 Abs. 3 WEG zu berufen, weil der Antragsteller die Möglichkeit gehabt habe, den ursprünglichen Beschluss innerhalb der Monatsfrist anzufechten. Dann wäre die - inzwischen weitestgehend fertiggestellte - neue Heizung möglicherweise gar nicht eingebaut worden.

15

Letztendlich habe aber auch die Finanzierung der Heizungserneuerung als Einzelfallmaßnahme bestandskräftig beschlossen werden können.

16

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

17

Die Anträge des Antragstellers sind nicht begründet.

18

Der Beschluss über die Erneuerung der bisherigen Gasheizkesselanlage durch eine Pellets-Heizungsanlage mit zwei Blockheizkraftwerken vom 30.03.2006 zu TOP 8 ist nicht gemäß § 23 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz nichtig.

19

Dabei kann dahinstehen, ob der Beschluss über die Erneuerung der Heizkesselanalge eine bauliche Veränderung oder eine modernisierende Instandhaltungsmaßnahme beinhaltete.

20

Denn der Beschluss ist nicht innerhalb der Monatsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 WEG angefochten worden. Damit ist er bestandskräftig geworden.

21

Das gilt auch nach der Entscheidung des BGH vom 20.09.2000 ( BGH NJW 2000, 3500 ff [BGH 20.09.2000 - V ZB 58/99]).

22

Denn danach sind bestandskräftige Mehrheitsbeschlüsse gültig, die die Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 22 WEG) betreffen, auch wenn der Regelungsgegenstand den Abschluss einer Vereinbarung oder Einstimmigkeit erfordert hätte, weil die Instandsetzungsmaßnahme eine bauliche Veränderung beinhaltete und nicht nur eine modernisierende Instandsetzungsmaßnahme.

23

Dem Antragsteller ist in diesem konkreten Fall auch nicht dahingehend zu folgen, dass er deshalb, weil er der Maßnahme nicht zugestimmt hat, an den Kosten dafür nicht zu beteiligen sei.

24

Zwar wird diese Ansicht in der Literatur vertreten, mit der Folge, dass er dann die Vorteile, die er zwangsläufig aus der Heizungsmodernisierung hätte, nach den Grundsätzen der ungerechtfertigen Bereichung an die Wohnungseigentümer herauszugeben hätte. In der obergerichtlichen Rechtsprechung findet sich nach der Entscheidung des BGH im Jahre 2000 dazu keine Entscheidung. Es liegt lediglich die Entscheidung des OLG Düsseldorf, NZM 2006, 109 vor, wonach die Kosten für die Errichtung eines Wintergartens von den übrigen Wohnungseigentümern nicht mitzutragen sind. Das betrifft aber den hier nicht vorliegenden Fall, dass ein Sondereigentümer bauliche Veränderungen im Bereich seines Sondereigentums am gemeinschaftlichen Eigentum vornimmt, und die übrigen Wohnungseigentümer an den Kosten dafür nicht beteiligt werden sollen, weil sie auch an den Nutzungen nicht teilhaben.

25

Hier liegt der Fall aber so, dass die Maßnahme das von allen genutzte Gemeinschaftseigentum betrifft.

26

Die Herausgabe der ungerechtfertigten Bereichung durch den Antragsteller an die Antragsgegner ließe sich auch kaum durchführen, weil jedes Jahr bei der Heizkostenabrechnung eine gesonderte Abrechnung zu erstellen wäre, in der die Energiekosten berücksichtigt werden müssten, die bei einer schlichten Erneuerung der Gaskesselheizung angefallen wären. Das aber würde jedes Jahr den Einsatz eines Sachverständigen erfordern, der wiederum nur gegen Kostenerstattung tätig würde.

27

Im Hinblick darauf, und auch im Hinblick darauf, dass weder der Antragsteller noch andere Wohnungseigentümer den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 30.03.2006 angefochten haben, ist hier die Bestandskraft des Beschlusses auch auf die Finanzierungs regelung, die in demselben Beschluss enthalten ist, auszudehnen.

28

Denn es wurde nicht der Verteilungsschlüssel der Teilungserklärung generell abgeändert, es wurde lediglich für die konkret beschlossene Einzelfallmaßnahme eine Finanzierung festgelegt, unter Einbeziehung aller Wohnungseigentümer, und unter Zugrundelegung des in der Teilungserklärung vereinbarten Verteilungsschlüssels.

29

Da auch der BGH im letzten Absatz seines Beschlusses vom 20.09.2006 ausgeführt hat. dass nur Beschlüsse über die Abänderung des generellen Kostenverteilungsschlüssels nichtig seien, nicht dagegen Beschlüsse über konkrete Abrechnungen, in denen ein falscher Kostenverteilungsschlüssel zugrunde gelegt worden war, ist dieser Rechtsgedanke auch auf den vorliegenden Beschluss aus dem Jahre 2006 anzuwenden.

30

Daraus folgt, dass der Beschluss aus dem Jahre 2006 insgesamt nicht nichtig ist, und der Antragsteller sich ebenso wie die übrigen Wohnungseigentümer an der Finanzierung der Maßnahme zu beteiligen hat.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, dass der unterlegene Antragsteller die Gerichtskosten zu tragen hat. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten hatte es bei dem im WEG vorherrschend Grundsatz zu verbleiben, wonach jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selber zu tragen hat.

Streitwertbeschluss:

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 48 WEG wobei die vom Antragsteller geschätzten Mehrkosten für ihn zugrunde gelegt wurden.

Eichloff-Burbließ