Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 23.04.2007, Az.: 72 II 89/07
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 23.04.2007
- Aktenzeichen
- 72 II 89/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 62688
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2007:0423.72II89.07.0A
Fundstelle
- ZMR 2008, 670-671 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
...
wegen: Forderung gegen einen Wohnungseigentümer
hat das Amtsgericht Hannover - Abteilung 72 für Wohnungseigentumssachen -
auf die mündliche Verhandlung vom 05.03.2007
sowie dem anschließenden Ortstermin vom 20.04.2007
durch den Richter am Amtsgericht ...
am 23.04.2007
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller haben die Gerichtskosten zu tragen, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert wird festgesetzt auf 3 909,20 Euro.
Gründe
Die Antragstellerin verlangt vom Antragsgegner die von ihr verauslagten Kosten für die Durchführung einer Gasleitungsdichtigkeitsprüfung und einer Abdichtung der Gasleitungen seiner Wohnung...
Am 18.05.2005 wurde in dem Nachbarhaus, ...eine Undichtigkeit an der Verteilungs- und Verbrauchsleitung festgestellt. Daraufhin beauftragte die Verwalterin die ... mit der Gasdichtigkeitsprüfung in allen drei Häusern. Die am 31.08.2005 im Hause ...durchgeführte Dichtigkeitsprüfung ergab eine Undichtigkeit der Verteilungsleitungen für die Wohnung des Antragsgegners mit einem Gasverlust von 5,5 Litern pro Stunde. Die ...führte daraufhin die notwendigen Dichtungsarbeiten, Reinigung der Gasleitung und anschließender Innenversiegelung mit Kunststoff durch und rechnete ihre Arbeiten mit Rechnungen vom 30.08.2005 und 08.09.2005 mit insgesamt 3 909,20 Euro ab.
Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, für diese Kosten habe der Antragsgegner aufzukommen, da gemäß § 3 Nr. 2 Lit.G "die Versorgungsleitungen für Gas und Strom von die Abzweigung ab Zähler" zum Sondereigentum gehören. Außerdem habe "Gefahr in Verzug" bestanden und eine sofortige Beauftragung der ... durch die Antragsteller sei unumgänglich gewesen.
Die Antragsteller beantragen,
dem Antragsgegner aufzugeben, an die Antragstellerin 3 909,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz 01.09.2006 zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
wie erkannt.
Er vertritt die Auffassung, die Wohnungseigentümergemeinschaft sei nicht berechtigt gewesen, quasi "über seinen Kopf" die Arbeiten eigenmächtig der ... in Auftrag zu geben. Die Maßnahmen seien nicht so dringend gewesen, dass diese nicht auch durch ihn selbst bzw. seine Bekannten hätten nach entsprechender Aufforderung durchgeführt werden können. Aufgrund seiner guten Beziehungen zu Fachleuten aus der Baubranche habe er dieselben Arbeiten mit einem Bruchteil der Kosten selbst durchführen können.
Wegen des weiteren Sachvortrags der Beteiligten wird verwiesen auf den Inhalt der vorliegenden Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 05.03.2007 sowie 20.04.2007.
Das Gericht hat Beweis erhoben und einen Ortstermin durchgeführt. Wegen des Ergebnisses dieses Ortstermins wird verwiesen auf die Protokollniederschrift vom 20.04.2007.
Der Antrag der Antragstellerin ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Die Regelung in der Teilungserklärung, wonach die Versorgungsleitungen ab Zähler bis in die Wohnung des jeweiligen Wohnungseigentümers zum Sondereigentum zählen, ist nichtig. Die unabänderlichen Grenzen für die Bildung von Sondereigentum und die Abgrenzung zum Gemeinschaftseigentum werden durch § 5 des Wohnungseigentumsgesetzes bestimmt. Danach sind Gegenstand des Sondereigentums die zu den einzelnen Wohnungen gehörenden Bestandteile des Gebäudes, die verändert, beseitigt oder eingefügt werden können, ohne dass dadurch das gemeinschaftliche Eigentum oder ein auf Sondereigentum beruhendes Recht eines anderen Wohnungseigentümers über das nach § 14 Wohnungseigentumsgesetz zulässige Maß hinaus beeinträchtigt oder die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wird.
Ergebnis des Ortstermins war, dass sich der Zähler für die Wohnung des Antragsgegners nicht in einem Gemeinschaftskeller befindet und auch nicht in einem zum Sondereigentum des Antragsgegners gehörenden Keller. Die zwei Gasleitungen, die vom Zähler für die Wohnung des Antragsgegners abgehen, werden durch Decken und Wände geführt, die im Gemeinschaftseigentum stehen, zudem durch Wände der Wohnung im ersten Geschoss bis sie dann in der Küche bzw. im Bad im zweiten Obergeschoss in der Wohnung des Antragsgegners enden. Danach steht nicht nur die Hauptversorgungsleitung für Gas im Gemeinschaftseigentum, sondern auch die Leitungen, die von der Hauptleitung abzweigen, aber durch das Gemeinschaftseigentum und durch fremdes Sondereigentum verlaufen, bis sie die im Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers stehende Zapfstelle erreichen (vgl. KG WuM 1994, 38sowie 1989, 89;BayObLG WuM 1989, 35 [BayObLG 04.08.1988 - BReg. 2 Z 57/88] sowie WE 1994, 21).
Da der Antragsgegner weder Zugriff auf den Gaszähler noch auf die von dem Gaszähler abzweigenden Gasleitungen hätte, ohne fremdes Sondereigentum oder das Gemeinschaftseigentum zu beeinträchtigen, können die Versorgungsleitungen ab Gaszähler für seine Wohnungen nicht seinem Sondereigentum "zugeschlagen" werden. Zudem wäre es nicht sachgerecht, dem Antragsgegner zu gestatten, Arbeiten an "seiner Gasleitung" aufgrund der allgemein bekannten Gefahr, die von undichten Gasleitungen ausgeht, zu gestatten, und Arbeiten an dieser Gasleitung in Eigenregie mit von ihm ausgewählten Fachleuten zu ermöglichen. Im Interesse aller Eigentümer muss die Vergabe und Überwachung der an der Gasleitung durchzuführenden Arbeiten ausschließlich dem Verwalter als berechtigten Vertreter der Eigentümergemeinschaft obliegen. Da der Verwalter aufgrund der Undichtigkeit der Gasleitung im Haus 29 hinreichend Veranlassung hatte, in den drei anderen Häusern die Gasdichtigkeit überprüfen zu lassen ggfs. die Instandsetzung defekter Gasleitungen herzustellen, durfte er auch sogleich die notwendigen Arbeiten in Auftrag geben, ohne vorher einen Eigentümerbeschluss herbeizuführen. Es handelte sich um einen Akt der Notgeschäftsführung im Interesse der Wohnungseigentümergemeinschaft. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass die Rechnungen der Firma Reimann überhöht sind. Die Kosten hat nach dem Vorgesagten jedoch nicht der Antragsgegner zu tragen, sondern vielmehr die Eigentümergemeinschaft, da nicht Sondereigentum, sondern Gemeinschaftseigentum in Stand gesetzt wurde. Eine Umdeutung der im genannten Punkt nichtigen Teilungserklärung in eine Kostentragungspflicht kommt vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, da der Sondereigentümer, hier also der Antragsgegner, auf die Versorgungsleitung, anders als z.B. auf Wohnungsfenster, keine Zugriffsmöglichkeit hatte.
Die für die Instandsetzung der Gasleitungen vom Zähler bis in die im zweiten Obergeschoss gelegene Wohnung des Antragsgegners angefallenen Kosten von 3 712,00 Euro hat somit die Eigentümergemeinschaft zu tragen. Die Kosten sind dann entsprechend zu verteilen wie in der Teilungserklärung vorgesehen, nach Miteigentumsanteilen (§ 14 der Teilungserklärung).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, wobei es billigem Ermessen entspricht, dass die unterlegenen Antragsteller die Gerichtskosten zu tragen haben, wobei es bei den außergerichtlichen Kosten bei dem im Wohnungseigentumsrecht herrschenden Grundsatz zu verbleiben hat, dass diese Kosten nicht zu erstatten sind.
Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 48 WEG.