Amtsgericht Hannover
Urt. v. 11.10.2007, Az.: 504 C 4712/07
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 11.10.2007
- Aktenzeichen
- 504 C 4712/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 62678
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2007:1011.504C4712.07.0A
Fundstelle
- RRa 2008, 131-132 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
...
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Hannover - Abt. 504 -
im schriftlichen Verfahren
durch den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) und an den Kläger zu 2) jeweils 1 113,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.03.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger 35 % und die Beklagte 65 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für die Kläger nur gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
Den Klägern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 3 409,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger buchten bei der Beklagten eine Flugpauschalreise nach Gran Canaria für die Zeit vom 08.11. bis zum 22.11.2006 mit Unterbringung in dem Fun-Club "Las Vegas Golf" und Vollverpflegung (all inclusive) für 1 932,- €. In dem Reisekatalog der Beklagten heißt es u.a.:
"Die gepflegte im Sommer 2006 renovierte Bungalowanlage."
Die Kläger wandten sich mit Schreiben vom 25.11. und 01.12.2006 an die Beklagte und baten um großzügige Entschädigung. Die Beklagte übersandte vorprozessual Schecks über insgesamt 140,- €, die die Kläger nicht einlösten.
Mit der Klage werden 70 % des Reisepreises zurückverlangt und weitere 980,- € als Schadensersatz wegen vertanen Urlaubs geltend gemacht.
Die Beklagte ist durch Teilurteil vom 26.06.2007 zur Zahlung von 140,- € verurteilt worden.
Die Kläger tragen vor, entgegen der Zusicherung der Beklagten sei die Anlage nicht fertig gewesen. Es seien an über 60 Bungalows, am Pool, am/im Restaurant von morgens 07.00 Uhr bis spät in die Nacht unter Einsatz von Maschinen gehämmert, gesägt, geschliffen und gemauert worden. An zahlreichen Tagen hätten die Reinigungsarbeiten bereits um 05.00 Uhr morgens beginnen. Die Arbeiten hätten zu starker Staubbelästigung geführt. Überall hätte Bauschutt herumgelegen. Der Pool sei wegen der Arbeiten nicht benutzbar gewesen. Sonnenschirme und Liegen hätten gefehlt. Sauna und Billard seien nicht angeboten worden. Die im Prospekt angekündigten Unterhalts- und Animationsprogramme hätten nicht stattgefunden. Die Bettwäsche sei nicht gewechselt worden. Der Boiler sei erst am dritten Reisetag und das TV-Gerät erst am fünften Reisertag angeschlossen worden. Kakerlaken und Ameisen hätten die Kläger selbst durch Gift bekämpfen müssen. Selbst im Restaurant sei es staubig und laut gewesen. Der versprochene Nachmittagskaffee mit Gebäck sei ausgefallen. An einem Tag hätten Getränke nicht gekühlt werden können. Es habe keine Poolbar gegeben. Die Tischdecken seien dreckig gewesen.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) 1 634,50 € und an den Kläger zu 2) 1 634,50 € jeweils zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10.03.2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor, sie habe in Höhe des Anerkenntnisses keine Veranlassung zur Klage gegeben. Die berechtigten Ansprüche der Kläger seien damit abgegolten. Es seien in der Anlage nur noch vereinzelte Fertigstellungsarbeiten durchgeführt worden. Nur gelegentlich hätten noch Geräusche wahrgenommen werden können. Die Freizeiteinrichtungen hätten im Wesentlichen zur Verfügung gestanden. Auf Wunsch hätten die Reisenden an der Animation in der Nachbaranlage Parque Christobal teilnehmen können. Ein fehlender Wäschewechsel sei nicht gerügt worden. Mängel an Boiler und TV ebenfalls nicht. Mit Ameisen und Kakerlaken hätten die Reisenden in südlichen Ländern zu rechnen. Nur an einem Tag hätte die Terrasse nicht genutzt werden können. Die Verpflegung sei ordnungsgemäß erbracht worden. Mängel hätten die Kläger insoweit nicht gerügt. Der Pool habe zur Verfügung gestanden. Es hätten nur einige Baugeräte noch beiseite geschafft werde müssen. Die Kläger hätten sich erst am 20.11.2006 an die Reiseleitung gewandt. Bei rechtzeitiger Anmeldung ihrer Mängel hätten die Kläger in die Anlage Parque Christobal umziehen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die schriftlichen Aussagen der Zeugen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise begründet.
Die Kläger können von der Beklagten jeweils Zahlung von 1 113,- € aus §§ 651d, 651f Abs. 2 BGB verlangen.
Die Parteien haben einen Reisevertrag geschlossen. Inhalt des Vertrages war u.a. die Unterbringung in einer im Sommer 2006 renovierten Bungalowanlage. Die von der Beklagten veranstaltete Reise war fehlerhaft (§ 651c BGB). Denn die Anlage war nicht fertiggestellt. Es wurden in der Anlage während des Aufenthalts der Kläger erhebliche Fertigstellungsarbeiten ausgeführt, so dass die Kläger Rückzahlung der Hälfte des Reisepreises verlangen können.
Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Anlage zum Zeitpunkt des Eintreffens der Kläger noch nicht fertiggestellt war. Das haben alle Zeugen übereinstimmend ausgesagt. Der Reiseleiter, der Zeuge ..., hat ausgeführt, dass die Kläger während des gesamten Zeitraumes ihres Aufenthalts durch Lärm belästigt worden seien, die hauptsächlich aus Geräuschen wegen Fliesenschneidens, Hämmerns, Schreinerarbeiten, Sägearbeiten und Schleifarbeiten bestanden hätte. Entgegen seiner Aussage beschränkten sich die Arbeiten aber nicht auf den Zeitraum von 9.00 bis ca. 18.00 Uhr. Denn die Zeugen ... und ... haben bekundet, dass die Bauarbeiten oft bereits um 07.00 Uhr begonnen und teilweise bis 23.30 Uhr angedauert hätten. Sonntags sei mit den Reinigungsarbeiten sogar um 05.20 Uhr begonnen worden. Während dieser Bauarbeiten habe auch der Pool nicht benutzt werden können. Überall hat Bauschutt herumgestanden. Es sei schmutzig gewesen. Die Zeugen haben ferner bekundet, dass von den Bauarbeiten auch das Restaurant nicht ausgenommen gewesen sei. Es seien weder Sonnenschirme noch Liegen und Auflagen vorhanden gewesen. Sauna und Billardtisch hätten gefehlt. Es habe kein Unterhaltungsprogramm stattgefunden. Boiler und TV-Gerät hätte nicht von Anfang an zur Verfügung gestanden. Einen Nachmittagskaffee habe es nicht gegeben. Mindestens einmal auch keine gekühlten Getränke.
Die Aussagen der Zeugen ... sind glaubhaft. Denn sie decken sich weitgehend mit denen der Zeugen ... und ....
Wegen dieser Mängel können die Kläger den Reisepreis von 966,- € pro Peson mindern. Dagegen stellt das gelegentliche Auftreten von Insekten keinen Reisemangel dar. Damit muss der Reisende in südlichen Ländern rechnen.
Die Höhe des durch diesen mängelbedingten Minderwertes kann das Gericht gemäß § 287 ZPO schätzen. Es hat dabei berücksichtigt, dass die Reise in erheblichem Maße beeinträchtigt war. Ein Aufenthalt in der Anlage war tagsüber nur mit erheblichen Einschränkungen möglich. Unter diesen Umständen hält das Gericht eine Reisepreisminderung in Höhe von 50 % für angemessen aber auch für ausreichend. Die Kläger können daher jeweils 483,- € zurückverlangen. Zweimal 70,- € hat die Beklagte bereits anerkannt, so dass noch eine Reisepreisminderung in Höhe von 413,- € verbleibt.
Die Reise ist im Sinne von § 651f Abs. 2 BGB auch vereitelt worden. Die Kläger waren gezwungen, dem gebuchten Fun-Club tagsüber fern zu bleiben, wenn sie dem Lärm entfliehen und überhaupt Urlaub machen wollten. Die Minderungsansprüche betragen 50 %, so dass auch nach der Rechtsprechung des Landgerichts Hannover alle Anspruchsvoraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch der Kläger nach § 651f Abs. 2 BGB erfüllt sind. Die Kläger haben wegen der erheblichen Beeinträchtigung der Reise die aufgewendete Urlaubszeit ganz überwiegend vertan. Die Höhe der Entschädigung liegt im Ermessen des Gerichts. Als Bemessungskriterium kommt nach der Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 11.01.2005 (Az.: X ZR 118/03 ) der Reisepreis in Betracht. Angesichts des Umstandes, dass nicht die gesamte Reisezeit von den Mängeln beeinträchtigt war und die Kläger außerhalb der Anlage den üblichen Urlaubsaktivitäten nachgehen konnten, hält das Gericht eine Entschädigung in Höhe von 50,- € pro Tag für angemessen aber auch ausreichend.
Daraus errechnet sich ein Anspruch von jeweils 700,- €.
Diese Ansprüche sind nicht nach § 651d Abs. 2 BGB ausgeschlossen.
Der Zeuge ... hat allerdings sehr detailliert bekundet, den Klägern noch im Anschluss an die Info-Veranstaltung einen kostenlosen Hotelwechsel in eine höherwertige Bungalowanlage angeboten zu haben. Die Kläger hätten ihm allerdings mitgeteilt, dazu nicht bereit zu sein. Die Kläger hätten geäußert, die Anlage gefalle ihnen; sie würden sowieso die meiste Zeit außerhalb der Anlage verbringen. Das Gericht vermag sich indes von der Aussage des Zeugen ... nicht zu überzeugen. Die Zeugen ... haben ausgesagt, sich mehrfach bei der Reiseleitung beschwert zu haben, ohne dass ihnen eine Abhilfe angeboten worden sei. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die Zeugen in dem Parallelverfahren mit dem Geschäftszeichen 504 C 4711/07 selbst Kläger sind. Ihre Aussagen decken sich jedoch mit der Aussage der am Verfahren unbeteiligten Zeugin .... Sie hat ausgesagt, wegen des Lärms hätten sich die Kläger bei der Reiseleitung und mehrfach bei der Rezeption beschwert. Es ist daher kaum mit ihrer Aussage zu vereinbaren, dass die Kläger den Reiseleiter nur freundlich gegrüßt, aber nicht mehr auf die Mängel angesprochen haben sollen. Vielmehr spricht einiges dafür, dass der Zeuge ..., der als Reiseleiter nicht nur für die Kläger zuständig war, möglicherweise die Reisenden miteinander verwechselt haben könnte. Die Zeugen ... haben ausgesagt, die Mängel angezeigt zu haben. Von der Richtigkeit dieser Aussage ist das Gericht auch auf Grund der Schwere der aufgetretenen Mängel überzeugt. Dafür, dass die Kläger ein ihnen zumutbaren Ersatzangebot abgelehnt hätten, ist die Beklagte beweispflichtig. Diesen Beweis hat sie auf Grund der verbleibenden Zweifel nicht geführt.
Die Forderung der Kläger ist auch nicht nach § 651g Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Reiseende war der 22.11.2006. Bereits mit Schreiben vom 25.11. und 01.12.2006 haben sich die Kläger an die Beklagte gewandt und um eine großzügige Entschädigung gebeten.
Auf die Klageforderung können die Kläger die geltend gemachten Zinsen gemäß §§ 286, 288 BGB beanspruchen.
In Höhe von jeweils 70,- € haben die Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie den ihr von der Beklagten vorprozessual übersandten Scheck nicht eingelöst haben (§ 93 ZPO).
Im Übrigen ergeben sich die Nebenentscheidungen aus §§ 92, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.