Amtsgericht Hannover
Urt. v. 21.01.2009, Az.: 403 C 12441/08
Leistungsfreiheit einer Haftpflichtversicherung wegen Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers; Entfernung vom Unfallort als versicherungsrechtliche Obliegenheitsverletzung
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 21.01.2009
- Aktenzeichen
- 403 C 12441/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 36217
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2009:0121.403C12441.08.0A
Rechtsgrundlage
- § 61 VVG
Fundstelle
- SVR 2009, 387
Verfahrensgegenstand
Feststellung
In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Hannover - Abt. 403 -
auf die mündliche Verhandlung vom 18.12.2008
durch
die Richterin am Amtsgericht ...
fürRecht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Kostenvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in der selben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger hat am 28.03.2006 mit seinem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw beim Ausparken ein anderes Fahrzeug beschädigt. Die Beklagte hat dem Geschädigten den aufgrund des Unfallereignisses eingetretenen Schaden in Höhe von 1.584,99 € ersetzt und macht diesen Betrag als Regressforderung gegenüber dem Kläger geltend. Der Kläger hatte sich nämlich nach dem Unfall vom Unfallort entfernt.
Der Kläger trägt vor, er habe sich entschuldigt vom Unfallort entfernt. Er habe sich in einer notstandsähnlichen Situation befunden, da er einem todkranken Bekannten Hilfe habe leisten müssen. Dieser Bekannte sei nämlich auf die Hilfe des Klägers angewiesen gewesen. Der Bekannte, der wenige Tage nach dem Ereignis gestorben sei, habe wegen einer dringenden Krebsbehandlung durch Chemotherapie und einer notwendig gewordenen Herzbehandlung in das Klinikum ... gefahren werden müssen. Er sei darauf angewiesen gewesen, vom Kläger dort hingefahren zu werden.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte daher nicht berechtigt sei, die Regressforderung durchzusetzen, zumal das Strafverfahren gegen den Kläger gemäß §153 a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt worden sei.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger aus dem Verkehrsunfallereignis vom 27.03.2006 nicht leistungsfrei ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, im Falle eines Unfalls habe der Versicherungsnehmer an der Unfallstelle zu bleiben, bis die Polizei oder der Geschädigte eintreffe. Er habe sich damit um die Aufklärung des Tatbestandes und um die Sicherung von Spuren und Beweismitteln zu kümmern. Da der Kläger erst am nächsten Tag zur Polizei gefahren sei, habe er damit den Tatbestand des §142 StGB vorsätzlich verwirklicht. Die Beklagte sei daher von der Verpflichtung zur Leistung frei.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Unabhängig davon, dass bereits das Rechtsschutzinteresse des Klägers an der begehrten Feststellung fraglich ist, weil die Klagfrist des §12 Abs. 3 a.F. VVG nur dann relevant werden dürfte, wenn der Kläger im Aktivprozess seine Ansprüche aus der Versicherung gegen die Beklagte geltend machen will, ist die Leistungsfreiheit der Beklagten wegen des Verkehrsunfallsereignisses vom 28.03.2006 jedenfalls gegeben. Die begehrte Feststellung ist daher nicht zu treffen.
Unstreitig hat der Kläger vorsätzlich Obliegenheiten verletzt, indem er sich nach dem Unfall vom Unfallort entfernt hat, was grundsätzlich zur Leistungsfreiheit des Versicherers führt.
Der Kläger kann nicht geltend machen, die Obliegenheitsverletzung sei nicht verschuldet.
Eine notstandsähnliche Situation hat hier nicht vorgelegen. Wie der Kläger in seiner Beschuldigten-Vernehmung vor der Polizei erklärt hat, sei er, nachdem er gegen das andere Fahrzeug gefahren sei, einfach losgefahren, könne aber nicht sagen, warum. Er sei dann erst nach Hause und dann im Anschluss zu seinem Kumpel gefahren, den er dann zur Behandlung ins Klinikum gefahren habe.
Eine notstandsähnliche Situation wäre dann zu bejahen, wenn der Freund mit im Fahrzeug gesessen hätte und unverzüglich in die Klinik hätte gebracht werden müssen. Hier ist der Kläger jedoch zunächst noch nach Hause gefahren und hat dann seinen Freund abgeholt. Eine besondere Eile bestand also nicht. Der Kläger hätte dementsprechend seinen Freund telefonisch unterrichten und ihn auffordern müssen, ein Taxi zu nehmen.
Auch aus der Tatsache, dass das Strafverfahren gegen den Kläger gemäß §153 a StPO eingestellt worden ist, ergibt sich keinesfalls, dass ihm im Zivilprozess nicht der Vorwurf der vorsätzlichen Verletzung von Obliegenheiten zu machen wäre. Die Einstellung nach §153 a StPO lässt im Übrigen auch offen, ob der Beschuldigte sich nun tatsächlich strafbar gemacht hat oder nicht.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§91 Abs. 1, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.