Amtsgericht Hannover
Urt. v. 07.10.2009, Az.: 442 C 4595/09
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 07.10.2009
- Aktenzeichen
- 442 C 4595/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 44758
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2009:1007.442C4595.09.0A
Fundstelle
- ZMR 2010, 239-240
In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Hannover - Abt. 442 -
auf die mündliche Verhandlung vom 12.08.2009
durch die Richterin am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die auf dem Balkon der Wohnung Nr. ... installierte Parabolantenne im Innenraum des Balkons so aufzustellen, dass ... sie nicht über die Metallreling der Balkonbrüstung hinausragt.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.800,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) nimmt die Beklagten auf Entfernung einer Parabolantenne in Anspruch.
Die WEG entstand durch Teilungserklärung vom 15.03.1996. Die Beklagten sind seit 1976 Mieter der im Tenor näher bezeichneten Wohnung. Der Mietvertrag besteht inzwischen mit dem jetzigen Eigentümer der Wohnung, dem Sohn und Prozessbevollmächtigten der Beklagten.
Die Beklagte zu 2) stammt aus Polen; sie spricht und versteht die deutsche Sprache kaum, weil sie seit ihrem Umzug nach Deutschland Kontakte ganz überwiegend nur mit polnisch sprechenden Bekannten gepflegt hat.
An der Balkonbrüstung der Wohnung (Hausrückseite) ist eine Parabolantenne befestigt, die nach vorn und nach oben über die Balkonbrüstung hinausragt. Die Installation erfolgte im Jahre 1994, nachdem die damalige Eigentümerin der Wohnanlage, die Hannoversche Lebensversicherung a.G. mit Schreiben vom 15.09.1994 (Blatt 65 d.A.) dem Beklagten zu 1) eine Genehmigung des Inhalts bestätigt hatte, dass dieser eine Parabolantenne derart installieren dürfe, dass diese sich innerhalb des Balkons befindet und somit nach außen nicht auffällig sichtbar sei.
Mit E-Mail vom 05.12.2002 (Blatt 29 d.A.) meldete der damalige Hauswart die Installation der Parabolantenne an die damalige Verwalterin.
Aufgrund der Beschlusslage der WEG dürfen nach außen sichtbar keine Parabol- oder Funkantennen installiert werden; bereits sichtbar angebrachte solche Antennen sind zu beseitigen; die Durchsetzung soll erforderlichenfalls durch Klage der WEG erfolgen (Beschluss vom 02.12.1997, Protokoll Blatt 13 d.A.). Mit Beschluss vom 03.07.2007 (Protokoll Blatt 14 R d.A.) wurde der vorgenannte Beschlussinhalt auch ausdrücklich bezüglich des Eigentümers festgestellt. Ergänzend wurde in der Eigentümerversammlung vom 12.06.2008 (Protokoll Blatt 16 "TOP 11" d.A.) beschlossen, dass die Verwalterin außergerichtlich und gerichtlich gegen die Mieter der Wohnung Herrmann vorgehen darf wegen der Entfernung der Parabolantenne. Alle vorgenannten Beschlüsse sind bestandskräftig. Wegen des Inhalts der Teilungserklärung in Ansehung von baulichen Veränderungen wird auf deren § 6 (Blatt 10 R f d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagten wurden mit Schreiben vom 20.01.2003 (Blatt 38 = 67 d.A.) von der damaligen Mietverwalterin zur Entfernung der Parabolantenne aufgefordert so wie zuletzt durch außergerichtliches Schreiben vom 20.08.2008 (Blatt 39 d.A.). Die Beklagten änderten an der Anbringung ihrer Parabolantenne nichts.
Die Liegenschaft verfügt über einen Breitbandkabelanschluss, über den mittels eines Kabeldigitalreceivers und bei Buchung des entsprechenden Senderpakets zwei polnische Sender (TV Polonia und iTVN) empfangen werden können.
Die Klägerin trägt vor:
Aufgrund der eindeutigen Beschlusslage, an die auch der Eigentümer gebunden sei, müsse die Parabolantenne entfernt bzw. in den Innenraum des Balkons zurückversetzt werden. Auch die Genehmigung der Hannoverschen Lebensversicherung vom 15.09.1994 sei mit der Maßgabe erteilt worden, dass die Anbringung innerhalb des Balkons stattfinden müsse.
Die Beklagte zu 2) könne ihr Informationsbedürfnis nicht nur über den vorhandenen Breitbandkabelanschluss befriedigen, sondern auch über Internetfernsehen; ferner sei auch die Anbringung der Parabolantenne auf dem Dach möglich und zulässig. Außerdem gebe es leistungsstärkere kleinere Flachantennen. Es zeige sich also, dass die Klägerin nicht beabsichtige, das Informationsbedürfnis der Beklagten zu 2) zu beeinträchtigen. Sie wolle nur ihr Interesse an einer von Parabolantennen freien Hausfassade gewahrt wissen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die auf dem Balkon der Wohnung Nr. 46 ATP, ... Hannover
installierte Parabolantenne zu entfernen,
hilfsweise, wie erkannt zu entscheiden.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie sind der Ansicht, aufgrund der am 15.09.1994 erteilten Genehmigung zur Entfernung der Parabolantenne nicht verpflichtet zu sein. Durch den damaligen Hausmeister und einen Techniker der Hannoverschen Lebensversicherung a.G. sei am 29.09.1994 der Standort der Antenne überprüft worden; Standort und (fachgerechte) Anbringung seien nicht beanstandet worden. Die Wohnanlage sei dann am 01.10.1994 von der ALWO AG erworben worden, die die Antenne ebenfalls nicht beanstandet habe. Schließlich habe auch die jetzige WEG die Parabolantenne sieben Jahre lang geduldet, weshalb ein Anspruch auf Entfernung verwirkt und verjährt sei.
Die Anbringung der Parabolantenne an einer anderen Stelle des Balkons sei aufgrund des Strahlungswinkels des Sateliten nicht möglich, weil das Haus das Satelitensignal verschatte; die Antenne müsse daher über den Balkon hinausragen. Dies gelte auch für eine Flachantenne. Die Installation auf dem Dach komme nicht in Betracht, weil sie unverhältnismäßig teuer und aufwendig sei. Den Umgang mit einem Computer könne die 76-jährige Beklagte zu 2) nicht mehr erlernen, weshalb Internetfernsehen für sie keine Alternative darstelle. Auf die nur zwei polnischen Programme im Kabelnetz brauchten sich die Beklagten angesichts der fortwirkenden Genehmigung vom 15.09.1994 nicht verweisen zu lassen. Auch der jetzige Wohnungseigentümer als Vermieter sei an diese Genehmigung gebunden.
Im Übrigen sei die Antenne kaum sichtbar, weil sie den überwiegenden Teil des Jahres von Blattwerk verdeckt sei.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen und Weiteren wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen (insbesondere die eingereichten Fotos) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im Umfang des Hilfsantrages begründet.
Die derzeit angebrachte Satelitenempfangsanlage widerspricht der Beschlusslage der WEG, weil sie von außen sichtbar ist. Davon, dass sie auch vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar ist, hat sich das Gericht aufgrund des Fotos (Blatt 105 d.A.) überzeugt.
Die WEG kann die dadurch entstandene optische Eigentumsbeeinträchtigung gemäß § 1004 BGB abwehren. Dabei kommt es nicht auf den Inhalt des Mietvertrages an, weil dieser (naturgemäß) nicht mit der WEG geschlossen worden ist und eine Bindung der WEG an Mietverträge, welche einzelne ihrer Mitglieder schließen oder übernehmen rechtlich nicht vorgesehen ist.
Die Anbringung der Parabolantenne in der vorgenommene Art ist den Beklagten auch nicht mit Schreiben vom 15.09.1994 von der damaligen Eigentümerin genehmigt worden. Der Text dieses Schreibens deckt die von außen sichtbare Anbringung eindeutig nicht.
Soweit sich die Beklagten darauf berufen, dass der damalige Hausmeister und ein Techniker der damaligen Eigentümerin die Installation der Antenne zeitnah überprüft und nicht beanstandet hätten, lässt sich daraus schon angesichts des eindeutigen Widerspruchs zum schriftlich dargelegten Genehmigungsumfang keine konkludente Genehmigung ableiten. Im Übrigen ist die mangelnde Vertretungsbefugnis eines Hausmeisters und eines Technikers bezüglich der Erteilung einer Genehmigung auch vom Empfängerhorizont eines rechtlichen Laien offensichtlich.
Eine einfache Duldung ist jederzeit widerruflich, wenn nicht die Voraussetzungen der Verwirkung vorliegen.
Verwirkung des Beseitigungsanspruchs ist nicht gegeben. Die Beklagten konnten sich nicht darauf verlassen, dass die Entfernung der Parabolantenne von der WEG nicht mehr verfolgt würde. Selbst wenn man das sogenannte Zeitmoment des aus § 242 BGB folgenden Verwirkungstatbestandes als erfüllt ansehen würde, fehlt es an einem Umstand, der das Vertrauen der Beklagten in das Behaltendürfen ihrer Parabolantenne rechtfertigen könnte. Ein von der WEG ausgehendes Verhalten in dieser Richtung ist nicht ersichtlich. Die einzig aussagekräftige Willensbetätigung in dieser Angelegenheit stammt aus dem Jahre 1994 und besteht in einer Genehmigung der damaligen Eigentümerin für eine nach außen nicht sichtbare Anbringung der Antenne. Wegen § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB, der nach der Rechtsauffassung des Gerichts auf die vorliegende Situation anwendbar ist, können sich die Beklagten auch nicht auf Verjährung berufen.
Die Beklagten können dem Anspruch auf Beseitigung der optischen Beeinträchtigung auch nicht das verfassungsrechtlich verankerte Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Beklagten zu 2) entgegenhalten. Dieses Recht geht lediglich dahin, einen Bewohner ausländischer Herkunft nicht vollständig von heimatlichen Fernsehprogrammen auszuschließen. Es geht demgegenüber nicht dahin, Zugang zum gesamten Spektrum heimatlicher Programme, insbesondere auch zu Unterhaltungsprogrammen, kostenlos oder kostengünstig zu gewährleisten. Da die Beklagte zu 2) über den vorhandenen Kabelanschluss zwei polnische Sender empfangen kann und darüber hinaus auch weitergehende Möglichkeiten (Dachinstallation; Internetfernsehen) bestehen, die lediglich aus in der Sphäre der Beklagten liegenden Gründen für sie nicht in Betracht kommen, ist dem verfassungsrechtlich geschützten Informationsbedürfnis genüge getan. Die Beklagten haben daher die Beschlüsse der WEG derart umzusetzen, dass die Parabolantenne die Balkonbrüstung weder nach oben noch nach außen überragt.
Die Beklagten sind daher gemäß dem Hilfsantrag zu verurteilen. Mit dem weitergehenden Hauptantrag auf vollständige Entfernung der Parabolantenne ist die Klägerin indes abzuweisen, weil dieses Begehren von ihrer eigenen Beschlusslage nicht gedeckt ist. Im Kostenpunkt erscheint es angemessen, die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 92 Abs. 1 ZPO gegeneinander aufzuheben.
Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 708 Ziffer 11, 711 ZPO.