Amtsgericht Hannover
Urt. v. 30.07.2009, Az.: 414 C 3239/09

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
30.07.2009
Aktenzeichen
414 C 3239/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 50505
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Der Kläger macht restliche Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall gelten, der sich am 25.07.2008 in Hannover ereignet hat. Die grundsätzliche Haftung der Beklagten für die Schäden, die durch den Unfall dem Kläger entstanden sind, ist zwischen den Parteien unstreitig.

2

Der Kläger hat ein Sachverständigengutachten des Sachverständigen P. eingeholt, dieses kommt zu Reparaturkosten ohne Mehrwertsteuer in Höhe von 2.190,20 €. Der Sachverständige hat dabei einen Stundenrechnungssatz von 93,00 € pro Stunde zugrunde gelegt. Die Beklagte zahlte lediglich einen Teilbetrag von 1.843,28 € auf die Reparaturkosten und wies den Kläger in der Anlage zum Abrechnungsschreiben darauf hin, dass die Lohnkosten auf der Basis von einem Stundensatz netto 75,00 € für Reparaturarbeiten und Lackierungskosten von 90,00 € kalkuliert habe, wobei das Lackiermaterial im Lackierlohn enthalten ist. Die Klägerin wurde zugleich darauf hingewiesen, dass die Reparatur „zu den ausgewiesenen Korrekturbeträgen z. B. bei der Firma VW-Autohaus R. (Adresse und Ansprechpartner) “ durchgeführt werden könne. Dem Kläger wurde weiter mitgeteilt, dass der Fachbetrieb „eine qualitativ hochwertige Reparatur entsprechend den Richtlinien des Fahrzeugherstellers gewährleistet und mindestens 2 Jahre Garantie auf die ausgeführten Arbeiten übernimmt“. Zugleich wurde mitgeteilt, „zusätzlich wird ein kostenloser Hohl- und Bringservice angeboten“.

3

Zwischen den Parteien ist im Laufe des Rechtsstreites Einigkeit darüber erzielt worden, dass es sich bei dem Autohaus R. um eine markengebundene Fachwerkstatt handelt.

4

Der Kläger behauptet, dass das Autohaus R. zu den angegebenen Stundenverrechnungssätzen die Reparatur nicht durchführen würde, eine Nachfrage bei der Werkstatt R. habe einen Arbeitslohn je nach Lohnstufe zwischen 87,00 € und 96,00 € pro Stunde für Reparaturarbeiten und für Lackierungsarbeiten von 96,00 € ergeben. Der Kläger ist der Ansicht, dass sie in jedem Falle fiktiv den Schaden nach den Werten in dem eingeholten Gutachten abrechnen könne.

5

Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 376,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.04.2009 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

9

Sie ist der Ansicht, der Kläger müsse sich auf die konkret benannte Fachwerkstatt verweisen lassen.

10

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Inhabers des Autohauses R.. Wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2009 (Bl. 49 ff d. A.) Bezug genommen.

11

Wegen des weitren Parteivortrages wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Dem Kläger steht kein weiterer Schadensersatzanspruch zu.

13

Das Gericht teilt zwar den Grundansatz des Klägers, dass der Geschädigte eines Verkehrsunfalls gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Anspruch auf Erstattung der Kosten der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt auch bei fiktiver Abrechnung hat. Der Kläger kann sich insoweit bei einer fiktiven Abrechnung auch eines eingeholten Sachverständigengutachtens bedienen, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, den konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlichen Betrachters gerecht zu werden (vgl. BGHZ 155, 1, 4). Ein derartiges Gutachten stellt das von dem Kläger eingeholte Gutachten des Sachverständigen P. dar, dieses wird auch von der Beklagten nicht angegriffen.

14

Gleichwohl ist im vorliegenden Fall der Kläger unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) gehalten, dass ihm von der Beklagten unterbreitete Reparaturangebot der Firma R. anzunehmen.

15

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich bei diesem Autohaus um eine markengebundene Fachwerkstatt handelt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht auch zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger einen vollständige Reparatur des Fahrzeuges in dem vorgenannten Autohaus zu Stunden-verrechnungssätzen von 75,00 € für Reparaturarbeiten und 96,00 € für Lackierungen inklusive Material durchführen lassen kann. Der Geschäftsführer des Autohauses hat in seiner Vernehmung eindeutig bekundet, dass dem Kläger diese Stundenverrechnungssätze gewährt würden, da eine entsprechende Reparatur durch die Beklagte vermittelt worden ist. Zwar hat der Zeuge eingeräumt, dass er „normalen“ Kunden deutlich höhere Stundenverrechnungssätze in Rechnung stellt, sich aufgrund eines Kooperationsabkommens mit der Beklagten aber verpflichtet hat, bei von dieser vermittelte Kunden lediglich die vorgenannten günstigeren Stundenverrechnungssätzen zu berechnen. Im konkreten Fall hätte dieses bedeutet, dass der Kläger bei einer entsprechenden Reparatur ebenfalls diese günstigeren Verrechnungssätze bekommen hätte, da die Beklagte bereits zuvor mit dem Autohaus Kontakt aufgenommen hat und der Kläger daher als von der Beklagten vermittelter Kunde registriert war.

16

Bei dieser Sachlage wäre der Kläger im Falle einer beabsichtigten Reparatur zu einer Annahme dieses Angebotes aus den Grundsätzen der Schadensminderungspflicht verpflichtet. Es handelt sich bei der von der Beklagten angebotenen Reparatur in der Werkstatt R um eine solche in einer markengebundenen Fachwerkstatt, so dass diese Reparatur vollständig gleichwertig ist zu der Reparatur, welche der Sachverständige P in seinem Gutachten zugrunde legte - was sich im Übrigen bereits daraus ergibt, dass die normalen Stundenverrechnungssätze dieser Werkstatt sogar noch über denen liegen, die der Sachverständige P in seinem Gutachten angegeben hat. Konkrete Einwände gegen die Kompetenz der Fachwerkstatt wurden von dem Kläger nicht erhoben, sie sind auch nicht ersichtlich. Das Gericht teilt nicht die in der Rechtsprechung vereinzelt (LG Bonn, 5 S 96/08 vom 28.08.2008; AG Nürtingen, NJW 2007, 1143 f [AG Nürtingen 14.12.2006 - 12 C 1392/06]) vertretene Ansicht, dass auch eine Verweisung auf eine markengebundene Fachwerkstatt unter dem Aspekt der Schadensminderungspflicht dem Geschädigten nicht zuzumuten ist. Der vom Landgericht Bonn erwogene Einwand, dass die mit der Versicherung kooperierende Werkstatt geneigt sein könnte, den Schaden im Interesse der Versicherung gering zu halten, ist ersichtlich rein hypothetisch und hat daher außer Betracht zu bleiben. Zumindest im vorliegenden Fall hat die Autowerkstatt R lediglich geringere Stundenverrechnungssätze angegeben, die Schadensabrechnung erfolgt ansonsten auf der Basis des vom Kläger eingeholten Gutachtens, also auch vollständig in jenem Umfang, welches das Gutachten als erforderlich ansieht.

17

Dem Kläger wird mit der Verweisung auf eine andere markengebundene Fachwerkstatt auch nicht eine Reparatur in Eigenregie abgeschnitten. Der Kläger kann weiterhin fiktiv abrechnen und über den erhaltenen Geldbetrag frei verfügen. Allerdings sind beide Abrechnungsarten gleichwertig, so dass der Kläger im Falle einer fiktiven Abrechnung keinen höheren Betrag verlangen kann, als im Falle einer konkreten Abrechnung, da dieses einen Verstoß gegen das schadensrechtliche Bereicherungsverbot darstellt. Ist der Kläger daher gehalten im Falle einer konkreten Abrechnung das Reparaturangebot der Beklagten anzunehmen, stellt der hierfür erforderliche Betrag auch die Obergrenze einer fiktiven Abrechnung dar.

18

Unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht ist der Geschädigte nämlich auch verpflichtet den Schaden möglichst gering zu halten, und muss daher eine ihm ohne weiteres mühelos zugängliche günstige und gleichwertige Reparaturmöglichkeit annehmen (BGHZ 155, 1, 5). Um eine derartig vollständig gleichwertige Reparaturmöglichkeit handelt es sich bei der von der Beklagten genannten Fachwerkstatt R. Zwar muss sich der Kläger nicht auf jede Fachwerkstatt verweisen lassen, der Verweis auf eine andere markengebundene Fachwerkstatt ist indes zulässig, da der Geschädigte hier nicht befürchten muss, auf eine freie Fachwerkstatt verwiesen zu werden, von welcher er nicht weiß, ob diese über die gleichen Fähigkeiten und Kenntnisse wie eine markengebundene Fachwerkstatt verfügt.

19

Da das Autohaus R das Fahrzeug des Klägers auch kostenfrei bei ihm abholt und ihm wieder zurück bringt, muss der Kläger darüberhinaus keinerlei eigene Aktivitäten für die Reparatur entfalten. Wie sich aus der Zeugenvernehmung ergab, erfolgt die Abrechnung auch unmittelbar mit der Beklagten, so dass der Kläger insoweit sogar in die weitere Schadensabwicklung nicht eingebunden ist und auch keine eigenen Gelder für die Instandsetzung aufwenden muss. In einem derartigen Fall ist der Kläger verpflichtet, ein entsprechendes Angebot anzunehmen und kann bei einer fiktiven Abrechnung auch nur diese Sätze zugrunde legen.

20

Eine derartige Auslegung der Schadensminderungspflicht entspricht auch der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes im Bereich der Restwertabrechnungen (vgl. BGHZ, 143, 189, 196; OLG Düsseldorf VersR. 2006, 1657; OLG Hamm VersR. 2000, 1122). Nach Ansicht des Gerichtes lässt sich diese Rechtssprechung auch auf die Reparaturkostenabrechnung übertragen, da es in beiden Fällen darum geht, das Spannungsverhältnis zwischen Dispositionsfreiheit des Geschädigten und Schadensminderungspflicht zu lösen. Angesichts der dargestellten Tatsache der absoluten Vergleichbarkeit der Reparaturmöglichkeiten ist das Gericht auch nicht der Ansicht, dass die beiden Konstellationen sich im Hinblick auf das Integritätsinteresse des Geschädigten unterscheiden. Wobei sich diese Frage ohnehin nicht bei einer fiktiven Abrechnung stellt, bei welcher der Geschädigte überhaupt kein Interesse daran zeigt, sein Fahrzeug in der im Gutachten dargestellten Weise reparieren zu lassen.

21

Die prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundladen in §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

22

Das Gericht hat die Berufung zugelassen (§ 511 Abs. 4 ZPO). Zwar ist die Entscheidung nicht von den inzwischen beim BGH anhängigen Revisionsverfahren zur Frage der grundsätzlichen Möglichkeit der Verweisung auf nicht markengebundene Fachwerkstätten abhängig, gleichwohl ist die Frage unter welchen Voraussetzungen eine Verweisung auf eine andere markengebundene Fachwerkstatt möglich ist, soweit ersichtlich noch nicht im vorgenannten Sinne entschieden, so dass eine Entscheidung des Berufungsgerichtes sowohl zur Fortbildung des Rechtes als auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung erforderlich ist.