Amtsgericht Hannover
Urt. v. 26.05.2009, Az.: 484 C 15729/08

Jahresabrechnung; Negativbeschluss

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
26.05.2009
Aktenzeichen
484 C 15729/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 44768
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2009:0526.484C15729.08.0A

Fundstelle

  • ZMR 2009, 958-959

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1..

    Fehlen die Positionen Instandhaltungskosten und Instandssetzungskosten komplett zu der Jahresabrechnung, kann die gesamte Abrechnung auf Anfechtung für ungültig erklärt werden.

  2. 2..

    Die isolierte Anfechtung eines Negativbeschlusses ist bereits unzulässig (hier: Teil- Ablehnung eines Antrags)

In dem Rechtsstreit

...

hat das Amtsgericht Hannover - Abt. 484 -durch den Richter am Amtsgericht Dr. Löffler auf die mündliche Verhandlung vom 26.05.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Beschlüsse zu TOP 2 a und 2 b der Eigentümersammlung vom 10.11.2008 werden für ungültig erklärt.

  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen

  3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

  4. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Parteien bilden die Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft in Hannover.

2

Auf der Eigentümerversammlung vom 10.11.2008 wurde zu TOP 2 a die Jahresabrechnung 2007 (B l. 36 d. A.) und zu TOP 2 b die Entlastung der Hausverwaltung beschlossen. In dem Beschluss zu TOP 7 wurde im Hinblick auf die Beschlussvorlage des Klägers (Bl.42 d A.), mit der er einen Beschluss darüber herbeiführen wollte, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft bei der Firma W ... einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 10.391,52 Euro geltend machen wird, mehrheitlich beschlossen, dass lediglich ein Pauschalbetrag in Höhe von 500,00 Euro verlangt werden soll und damit sämtliche Ansprüche der WEG soweit abgegolten sein sollen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Versammlungniederschrift (BL 30 d.R.) Bezug genommen.

3

Der Kläger hält die Abrechnung im Hinblick auf Kosten der Malerfirma ... Rechnung vom 06.06.2007 (BL. 60 d.A.) über 18.415,85 Euro für fehlerhaft, weil die um 4.815,55 Euro teurer ist als das ursprüngliche Angebot. Der Kläger führt dies darauf zurück, dass auch die Innenseiten der Balkone gestrichen worden seien, ohne dass hierfür seitens der Gemeinschaft ein ordnungsgemäßes Mandat vorgelegen habe bzw. ein solcher Auftrag ohne Ermächtigung seitens der Hausverwaltung erteilt worden sei.

4

Er behauptet, die Innenseiten der Balkone seien noch ordnungsgemäß gewesen. Er ist der Auffassung, dass bezüglich der Abrechnung kein ordnungsmäßiger Beschluss über die Mehrkosten ergehen könne, wenn zuvor überhaupt kein ordnungsmäßiger Beschluss über die Maßnahme an sich gefasst worden sei. Zudem vertritt er die Auffassung, dass die Innenseiten der Balkone Sondereigentum seien, so dass es insoweit der erforderlichen Beschlusskompetenz fehle. Weiter verweist er darauf, dass es eine Position "Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungskosten" in der Jahresabrechnung überhaupt nicht gebe. Jedenfalls seien die Kosten falsch nach Quadratmetern statt Miteigentumsanteilen verteilt worden. Wegen der falschen Abrechnungen widerspräche auch Entlastungsbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung. Er hält auch den Beschluss zu TOP 7 für rechtswidrig, weil, er keinen Grund sieht, im Wesentlichen auf Ersatzansprüche gegen die Hausverwaltung zu verzichten. Wegen der Einzelheiten wird auf den gesamten Vortrag des Klägers Bezug genommen.

5

Der Kläger beantragt,

  1. die Beschlüsse zu TOP 2 a, 2 b und 7 der Wohnungseigentümerversammlung vom 10.11.2008 für ungültig zu erklären.

6

Die Beklagten beantragen,

  1. die Klage abzuweisen.

7

Sie sind der Auffassung, dass selbst eine rechtswidrige Auszahlung der 18.415,85 Euro an den Maler L. nichts an der Richtigkeit der Abrechnung ändere. Sie behaupten, die zusätzlichen Arbeiten und Kosten seien allein durch Betonsanierungsarbeiten gemäß der Position 3 in der Rechnung verursacht worden. Insoweit beträfe es Arbeiten am Gemeinschaftseigentum. Mit den Betonsanierungsarbetten sei ein weiterer Schutzanstrich erforderlich geworden. Im Hinblick auf den Kostenverteilungsschlüssel verweisen sie auf § 8 der Teilungserklärung (Bl. 85 d. A.), wonach die Ansammlung der Entstandhaltungsrücklage nach Quadratmeterwohnfläche zu erfolgt habe. Im Hinblick auf die Anfechtung des Beschlusses zu TOP 7 rügen sie das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers mangels des insoweit fehlendenden Verpflichtungsantrages. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen gesamten Vortrag der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

8

Die Anfechtungsklage gemäß §§ 43 Nr. 4 und 46 Abs. 1 WEG ist hinsichtlich der Anfechtung des Beschlusses zu TOP 7 bereits unzulässig, hinsichtlich der Beschlüsse zu TOP 2 a. und 2 b zwar zulässig,, jedoch unbegründet.

9

1.

Die Beschlüsse zu TOP 2 a und 2 b der Wohnungseigentümerversammlung vom 10.11.2008 waren für ungültig zu erklären, weil sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung gemäß § 21 Abs. 3 WEG widersprechen. Denn die Abrechnung 2007 ist fehlerhaft, so dass auch eine wirksame Entlastung der Hausverwaltung nicht in Betracht kam.

10

Unabhängig von dem primären Streitpunkt der Parteien, ob die höheren Kosten von 4.815,85 Euro hätten richtigerweise in die Jahresabrechnung 2007 eingestellt werden dürfen, leidet die Abrechnung insbesondere daran, dass die Gesamtkosten von 18.415,85 Euro in der Jahresabrechnung nicht ordnungsgemäß verbucht sind.

11

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass den Beklagten insofern Recht zu geben ist, als sie darauf hinweisen, dass eine Auszahlung mit 18.414,85 Euro auch dann in der Jahresabrechnung einzubuchen gewesen wäre, wenn der fragliche Mehrbetrag von 4.815,85 Euro zu Unrecht ausgezahlt worden wäre. Denn nach allgemeiner Meinung handelt es sich bei der Jahresabrechnung (lediglich) um eine geordnete und übersichtliche, innerlich zutreffende und vollständige Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben, die aus sich heraus ohne Hinzuziehung einer sachkundigen Person verständlich sein muss. Aus der Jahresabrechnung müssen also die gesamten Einnahmen und gesamten Ausgaben erkennbar sein, was auch für möglicherweise zu Unrecht getätigter Ausgaben des Verwalters gilt (vgl. etwa Jennißen, WEG, 2008, § 28 Rnn. 67 ff. m. w. N.). Zu der reinen Einnahmen- und Ausgabendarstellungen muss eine ordnungsgemäße Abrechnung auch die Darstellung der Kontenentwicklung und der Instandhaltungsrücklage enthalten (a. a. O. Rn. 91). Gemessen an diesen Grundsätzen widerspricht vorliegend Einnahmen- und Ausgabendarstellung für das Jahr 1997 dennoch den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, da es insoweit an der erforderlichen ordnungsmäßigen Darstellung der Ausgabenposition Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten fehlt.

12

Die Abrechnung weist lediglich im Rahmen der Darstellung der Instandhaltungsrücklage (Bl.38 d. A.) den fraglichen Betrag in Höhe von 18.415,85 Euro aus. Die Einnahmen- und Ausgabendarstellungen (Bl.36 d. A.) dagegen nicht. Hier taucht lediglich ein Betrag in Höhe von 20.955,72 Euro auf, der sich auf der weiteren Kostenübersicht (Bl.37 d. A.) wiederfindet. Insoweit hat jedoch der Hausverwalter in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass es sich insoweit nicht um Abflüsse, d. h. Zahlungen, sondern um Bezahlungen seitens der Eigentümer zur Instandhaltungsrückstellung, d. h. um Zuflüsse handelt. Entsprechend ist insoweit auch in der Einnahmen- und Ausgabendarstellung (Bl.38 d. A.) eine Kostenverteilung nach Quadratmeterwohnfläche angegeben. Dies ist zwar im Hinblick auf Zufluss zur Rücklage zutreffend, ändert jedoch nichts daran, dass es an der Darstellung der Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung gänzlich in der Einnahmen-Ausgaben-Übersicht fehlt. Diese Kosten hätten dann tatsächlich gemäß § 4 der Teilungserklärung (Bl.84 d. A.) nach Miteigentumsanteilen umgelegt werden müssen. Soweit der Hausverwalter in der mündlichen Verhandlung eine Information über Steuererklärung vorgelegt hat, aus der sich neben den Zinsen auch die Beträge für geringfügig Beschäftigte, Dienstleistungen- und Handwerkerleistungen ergeben, finden sich insoweit ebenfalls nicht die Gesamtzahlungen für die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten wieder, die im Jahre 2007 seitens der Gemeinschaft geleistet wurden, da in der mündlichen Verhandlung Einigkeit darüber bestand, dass in diesen Beträgen die Materialkosten nicht enthalten sind, was im Hinblick auf die Geltendmachung von sogenannten haushaltsnahen Dienstleistungen auch in Betracht kam. Im Gegensatz zu den sonst üblichen Anfechtungsklagen, mit denen eine bestimmte Kostenposition als falsch verbucht angefochten wird, fehlt hier die nicht unerheblichen Kostenpositionen Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten als Ausgabenposition gänzlich. Der Kläger konnte die Anfechtung nicht auf eine bestimmte Kostenposition beschränken, da es diese Kostenposition überhaupt nicht gab. Mithin hat er zu Recht die gesamte und nach den vorstehenden Ausführungen fehlerhafte Abrechnung angefochten.

13

Da die Abrechnung falsch ist, ist nicht auszuschließen, dass insoweit Ersatzansprüche gegen die Hausverwaltung in Betracht kommen, so dass dieser durch den Beschluss zu TOP 2 b nicht in ordnungsmäßiger Weise Entlastung hätte erteilt werden dürfen.

14

2.

Dagegen ist die Anfechtung des Beschlusses zu TOP 7 bereits unzulässig, weil es insoweit an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

15

Zwar bedarf die Anfechtung eines Beschlusses mittels Anfechtungsklage grundsätzlich keines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses. Dies ist jedoch anders bei sogenannten Negativbeschlüssen. Ein solcher liegt vor, wenn ein Beschlussantrag keine Mehrheit findet, weil ihn die Wohnungseigentümer mehrheitlich ablehnen. Ein solcher Negativbeschluss hat Beschlussqualität. Durch diesen Beschluss wird der Gemeinschaftswille festgelegt, dass das mit dem Beschlussantrag erfolgte Ziel, sein Zweck, nicht eintreten soll. Ein Negativbeschluss lässt die Rechtslage grundsätzlich unverändert. Einem Negativbeschluss kommt mithin keine materielle Bindungswirkung zu, vielmehr steht ein Negativbeschluss einem erneuten Beschlussantrag mit gleichem Inhalt nicht entgegen. Einem Negativbeschluss kommt nur eine formelle Bindungswirkung in dem Sinne zu, dass die Wohnungseigentümer den zur Abstimmung gestellten Antrag ablehnend beschieden haben. Die Bestandskraft des Negativbeschlusses kann der Durchsetzung der begehrten, aber abgelehnten Regelung in einem Verfahren nach § 43 Nr. 1 WEG nicht entgegenstehen. Deshalb fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine bloße Anfechtungsklage gegen einen Negativbeschluss, weil der Negativbeschluss einen Antragsteller regelmäßig eben nicht in seinen Rechten beeinträchtigt, namentlich für eine erneute Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über den selben Gegenstand keine Sperrwirkung entfaltet. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist deshalb nur dann zu bejahen, wenn der Anfechtende eine materiellrechtlichen Anspruch auf eine positive Beschlussfassung hat, etwa weil sich das den Wohnungseigentümern in Verwaltungsangelegenheiten grundsätzlich zustehende Ermessen im konkreten Einzelfall auf die Durchführung der begehrten Maßnahme und damit auf einen positiven Beschluss reduziert hat und der negative Beschluss sich damit als ermessensfehlerhaft und nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechend herausstellt. Der Wohnungseigentümer kann und muss deshalb grundsätzlich die Anfechtungsklage mit einem Antrag verbinden, der auf gerichtliche Feststellung eines positiven Beschlussergebnisses gerichtet ist. Im Falle einer solchen Klagehäufung im Sinne von § 260 ZPO fehlt es dann für die Anfechtungsklage des Negativbeschlusses nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse (a. a. O. §§ 23 bis 25 Rnn. 122 ff. m. w. N.).

16

Ein solcher Feststellungsantrag fehlt hier jedoch. Dieser war erforderlich, da es sich bei dem Beschluss zu TOP 7 um einen Negativbeschluss im dargestellten Sinne handelt. Zwar ist in dem Beschluss eine Regelung dahin getroffen worden, dass an den Verwalter im Hinblick auf die zugrunde liegende Hausmeister-Problematik lediglich ein Pauschalbetrag in Höhe von 500,00 Euro zu zahlen ist. Jedoch handelt es sich nur um einen Bruchteil des vom Kläger errechneten Betrages gemäß seiner Beschlussvorlage vom 18.07.2008. Zwar heißt es in der Vorlage, dass die Wohnungseigentümer über die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Hausverwaltung entscheiden sollen (Bl.42 d.A.) dies ist jedoch allein so zu verstehen, dass der Kläger eine Beschlussfassung begehrt, dass Schadensersatzansprüche von insgesamt 10.391,52 Euro gegenüber der Hausverwaltung geltend gemacht werden sollen. Dieser Antrag ist jedoch im Wesentlichen abschlägig bzw.negativ beschieden worden. Mithin handelt es sich im Kern um einen Negativbeschluss im dargestellten Sinne. Der Beschluss zu TOP 7 entfaltet auch keine Bindungswirkung, denn es steht jedem Eigentümer frei, in zukünftigen Versammlungen erneut Beschussanträge zu diesen Thema zu stellen und hierüber ggf. abstimmen zu lassen.

17

3.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.