Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.12.2012, Az.: 7 LA 163/12
Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung und eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 06.12.2012
- Aktenzeichen
- 7 LA 163/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 28813
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:1206.7LA163.12.0A
Rechtsgrundlagen
- § 60 Abs. 7 AufenthG
- § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG
Fundstellen
- AUAS 2013, 21-22
- InfAuslR 2013, 313
Amtlicher Leitsatz
Zu den Voraussetzungen einer Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung und eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG
Gründe
I.
Mit dem im Tenor bezeichneten Urteil hat das Verwaltungsgericht die auf Anerkennung als Asylberechtigter sowie auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - gerichtete Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Asyl bereits deshalb nicht gewährt werden könne, weil der Kläger über einen sicheren Drittstaat eingereist sei. Die Voraussetzungen von § 60 Abs. 1 AufenthG lägen nicht vor, weil das Vorbingen des Klägers unglaubwürdig sei und deshalb eine erlittene Bedrohung nicht festgestellt werden könne. Der Kläger unterfalle auch keinem der übrigen Abschiebungsverbote der Vorschrift. Insbesondere lägen in seinem Fall auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nicht vor. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne der Vorschrift bestehe in Kabul nicht. Auch dann, wenn man einen solchen annähme, bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr, wie erforderlich, gesteigert bedroht oder - trotz der sehr schlechten Sicherheits- und Versorgungslage - allein aufgrund seiner Anwesenheit derart extremen Gefahren ausgesetzt würde, dass er alsbald den sicheren Tod oder schwerste Verletzungen befürchten müsste.
Der Kläger begehrt dagegen die Zulassung der Berufung, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukomme.
II.
Der Zulassungsantrag ist unbegründet. Die dargelegten Gründe rechtfertigen es nicht, die Berufung nach § 78 Abs. 4 S. 4, Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zuzulassen.
Die Zulassung würde danach voraussetzen, dass eine obergerichtlich klärungsbedürftige Frage aufgeworfen wird, die neben ihrer Bedeutsamkeit über den Einzelfall hinaus auch entscheidungserheblich ist.
Das ist bei der vom Verwaltungsgericht verneinten und vom Kläger für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltenen Frage, ob in Afghanistan oder zumindest in Kabul ein "innerstaatlicher bewaffneter Konflikt" im Sinne von § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG bzw. Art. 15 c QRL besteht, nicht der Fall. Denn unabhängig davon musste das Verwaltungsgericht für die Feststellung des Abschiebungshindernisses weiter und als zusätzliche Voraussetzung prüfen, ob die für die Herkunftsregion des Klägers ermittelte Gefahrendichte ein Ausmaß erreicht, dass dort praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer konkreten indivudiuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (vgl. EuGH, Urt. v. 17.02.2009 - C - 465/07 -, [...]). Das hat es mit ausführlicher Begründung verneint (UA Bl. 11 f.).
Dies versucht der Kläger damit anzugreifen, dass er es für grundsätzlich bedeutsam und - in seinem Sinne - klärungsbedürftig hält, "ob Kabul eine interne Fluchtalternative darstellt". Dies hat das Verwaltungsgericht indessen nicht festgestellt. Vielmehr hat es bei der Subsumtion zu § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG, ob "der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen des Konflikts ausgesetzt ist und nicht Schutz in einem anderen Landesteil finden kann" bereits das Vorliegen der ersten Alternative verneint. Damit brauchte es sich mit der zweiten Alternative, die eine Fluchtalternative anspricht, nicht zu beschäftigen. Damit ist auch diese vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage nicht entscheidungserheblich.
Bezöge man seine Ausführungen zur Sicherheitssituation in Kabul wortlautunabhängig auf die erste Alternative, also das Vorliegen einer akuten Gefahrensituation, bestünde ebenfalls kein Klärungsbedarf im bezeichneten Sinne. Das Verwaltungsgericht hat seinen Befund auf der Grundlage aktueller Erkenntnismittel und auch quantitativer Feststellungen über Niveau und Stärke der "willkürlichen Gewalt" getroffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360 <374><375>; Urt. v. 14.07.2009 - 10 C 9.08 -, BVerwGE 134 <188>). Dies vermag der Kläger mit seiner Schilderung von individuell in Kabul gewonnenen Einblicken und der - zweifellos bestehenden - Angst von Teilen der Bevölkerung nicht in einer Weise in Frage zu stellen, die grundlegend neue Untersuchungen und Bewertungen erforderlich machen würde (vgl. auch Nds.OVG, Beschl. v. 25.04.2012 - 7 LA 14/12 -, AuAS 2012, 130).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig
(§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).