Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.12.2012, Az.: 19 LD 3/12
Einstellung der Zeitspanne zwischen Dienstvergehen und Einleitung des Disziplinarverfahrens sowie eine den Beamten belastende Presseberichterstattung über das Dienstvergehen in die Abwägung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 05.12.2012
- Aktenzeichen
- 19 LD 3/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 34829
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:1205.19LD3.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 08.02.2012 - AZ: 10 A 89/11
Rechtsgrundlagen
- § 14 Abs. 1 S. 1-4 NDiszG
- § 34 S. 2, 3 BeamtStG
Fundstelle
- SchuR 2013, 138-141
Amtlicher Leitsatz
Bei Ausübung der Disziplinarbefugnis sind unter Beachtung des Gebots der Verhältnismäßigkeit auch die Zeitspanne zwischen Dienstvergehen und Einleitung des Disziplinarverfahrens sowie eine den Beamten belastende (auch unsachliche) Presseberichterstattung über das Dienstvergehen in die Abwägung mit einzustellen. Die Disziplinarbehörde hat nicht nur belastende sondern, auch zu Gunsten des Beamten sprechende Umstände (hier: Art der Presseberichterstattung) zu dokumentieren.
Gründe
I.
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die vom Verwaltungsgericht auf Antrag der Klägerin ausgesprochene Zurückstufung in das Amt einer Realschullehrerin (Nds. BesO, Bes-Gruppe A 13).
Die 19 geborene Beklagte erlangte 19 das Abitur und schloss im September 19 den Studiengang der einphasigen Lehrerausbildung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen ab. In der folgenden Zeit war sie zunächst als angestellte Lehrkraft beschäftigt. Im März 19 wurde sie als Lehrerin z. A. in den niedersächsischen Landesdienst übernommen und im Dezember 19 unter Verleihung der Eigenschaft einer Beamtin auf Lebenszeit zur Lehrerin ernannt.
Im Februar 19 wurde sie zum Laufbahnwechsel in das Lehramt an Realschulen zugelassen und im Oktober 19 ihr die Befähigung für die Laufbahn des Lehramtes an Realschulen zuerkannt.
Ab August 19 arbeitete sie an der Orientierungsstufe im Schulzentrum F., G..
Am 15. Dezember 19 erfolgte die Ernennung zur Realschullehrerin (Bes-Gruppe A 13).
Zum 1. August 19 wurde sie mit der kommissarischen Wahrnehmung der Dienstgeschäfte einer Schulleiterin an jener Orientierungsstufe beauftragt. Zum 12. Juli 20 wurde ihr der Dienstposten einer Rektorin an jener Schule übertragen und sie in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 plus Amtszulage eingewiesen, aus der sie zunächst weiterhin Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe A 13 erhielt. Mit Wirkung vom 12. Oktober 20 wurde ihr das Amt einer Rektorin an jener Schule übertragen. Sie erhielt nunmehr Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe A 14 zuzüglich der o.a. Amtszulage.
Ab dem 1. Februar 20 , eventuell auch schon ab August 20 wurde sie zusätzlich mit der kommissarischen Wahrnehmung der Dienstgeschäfte einer Leiterin an der Hauptschule (ebenfalls) F., G. beauftragt. In diesem Zusammenhang wurde unter dem 3. Juli 20 von der Klägerin festgehalten, die Beklagte leite "seit August 20 " zusätzlich kommissarisch die im Hause (der Orientierungsstufe) befindliche Hauptschule; bei der Erfüllung ihrer Aufgaben habe sich die Beklagte voll bewährt (BA F Bl. 108).
Vom 1. August 20 bis zum 31. Juli 20 wurde die Beklagte von der Orientierungsstufe G. an die Hauptschule G. abgeordnet (BA F Bl. 109).
In diesem Zeitraum, nämlich am 3. und 4. März 20 , kam es an der Hauptschule zu den dem Disziplinarverfahren zugrunde liegenden Vorfällen.
Ausweislich der Feststellungen im deswegen gegen die Beklagte ergangenen Strafurteil geschah an jenen Tagen Folgendes:
"Im Jahre 20... war die Angeklagte als kommissarisch amtierende Rektorin der Hauptschule H. in G. tätig. Sie strebte an, dort zur Rektorin ernannt zu werden. Diese Schule wurde von zahlreichen sogenannten Russlanddeutschen .... besucht; so besuchten in der Klasse 8 c auch die drei befreundeten Schülerinnen I., J. und K. diese Schule ...(die zuständige Klassenlehrerin) ... hatte erhebliche Disziplinschwierigkeiten in der Klasse .... Ein Teil der Schüler, so auch I., waren ...... wohl auch überdurchschnittlich undiszipliniert und störten damit auch des Öfteren den Unterricht. Deshalb bat die (Klassenlehrerin) die Angeklagte, im Unterricht zu hospitieren ..... (am 3. März 20 setzte sich die Angeklagte hinten in den ...... Klassenraum und verfolgte den Unterricht .....). Am Ende der 5. Stunde zur kurzen Pause verließ die Angeklagte die Klasse.
Zu Beginn der folgenden Stunde äußerte I. gegenüber der (Klassenlehrerin) sinngemäß, dass sie den Unterricht soeben gut gefunden habe und warum sie, die Lehrerin, denn nicht immer so einen Unterricht mache. Diese Äußerung empfand die (Klassenlehrerin) als völlig unpassend ..... Sie verließ ...... zusammen mit I. den Klassenraum und ging mit ihr schräg über den Flur zu einer anderen Klasse, wo die Angeklagte nun hospitierte. Sie bat die Angeklagte aus dem Klassenraum, worauf es zwischen den dreien zunächst zu einem von der Angeklagten teils lautstarken Gespräch kam. In dessen Verlauf äußerte die Angeklagte sinngemäß I. gegenüber, sie solle tun, was man ihr sage. I. antwortete darauf, möglicherweise auch in etwas heftigerem und als aufmüpfig empfundenen Tonfall, dass sie das doch tue. Dabei ging sie möglicherweise auch einen kleinen Schritt auf die Angeklagte zu. In dieser Situation stieß die Angeklagte, die nun ebenfalls verärgert und wütend über die Schülerin geworden war, I. vor die Brust, so dass diese nach rückwärts und mit dem Hinterkopf gegen die .... Garderobenstange oder einen daran angebrachten Kleiderhaken geriet und sich dadurch eine Beule zuzog. Dieser Vorgang wurde von den neugierig gewordenen Zeuginnen J. und K. durch die einen Spalt geöffnete Klassenzimmertür beobachtet, ohne dass das von den dreien bemerkt worden wäre ..... Am folgenden Morgen ...... (bekam I.) ..... überrascht mit, dass die anderen beiden (den Vorfall vom Vortag) beobachtet hatten. ..... (Gegen 9.00 Uhr erschienen alle drei bei der Polizei und zeigten den Vorgang an.)
Noch während die Schülerinnen bei (der Polizei) waren oder unmittelbar danach rief der Zeuge (Polizist), der die Schilderung für glaubhaft hielt, in der Schule an und teilte der Angeklagten mit, dass die drei Schülerinnen soeben Anzeige gegen sie erstattet hätten. Dabei erläuterte er ihr, dass es um ein Schubsen gegangen sei und dass "etwas auf sie zukomme". Darüber erbost, äußerte die Angeklagte zunächst ihren Unmut im Lehrerzimmer und empfing sodann die zur Schule zurückkehrenden Mädchen bereits im Eingangsbereich, machte ihnen sogleich Vorwürfe und erklärte, dass sie die Anzeige zurücknehmen müssten. Dabei äußerte sie, dass sie ihnen "das Leben zur Hölle" machen werde. (Die deswegen aufgelösten und verunsicherten Mädchen gingen zu der an der Schule tätigen Sozialpädagogin, diese schickte sie in den sogenannten SV-Raum. Dort suchte die Angeklagte sie kurz danach auf und verlangte erneut die Rücknahme der Anzeige.) Dabei äußerte sie erneut, dass sie ihnen das Leben zur Hölle mache, sie drohte ihnen mit schlechten Noten, damit, dass sie keinen Abschluss bekämen, von der Schule verwiesen würden, an einen Lügendetektor angeschlossen würden, zur psychologischen Untersuchung geschickt würden und schließlich ihre Gerichtskosten, die durch diese Anzeige nun entstünden, tragen müssten. Hiervon eingeschüchtert suchten (die drei Mädchen) am nächsten Tag, den 5. März 20 , erneut die Polizei auf und erklärten ... , dass sie die Anzeige zurücknehmen wollten."
Am 18. März 20 gab es wegen des Vorfalls eine Klassenkonferenz, deren Verlauf von den beteiligten Lehrkräften unterschiedlich geschildert wurde und die ohne Ergebnis blieb.
Am 19. April 20 kam es unter Beteiligung der Schulaufsichtsbehörde (damals noch Bezirksregierung L., nunmehr Landesschulbehörde, im Folg.: Klägerin) zu einem Dienstgespräch mit dem Ziel einer Befriedung der Situation. Da die Schulelternratsvorsitzende an ihrer bereits zuvor erhobenen Dienstaufsichtsbeschwerde festhielt und wohl auch im Hinblick auf Beschwerden des damaligen Beratungslehrers an jener Schule u.a. über Art und Ablauf der Klassenkonferenz, holte die Klägerin Stellungnahmen der beteiligten Lehrer ein.
Unter dem 25. Mai 20 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen Körperverletzung gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein.
Zum 1. August 20 wurde die Beklagte nach Auflösung der Orientierungsstufen im Rahmen der niedersächsischen Schulreform aus dienstlichen Gründen an die Haupt- und Realschule H. in G. versetzt. (Dabei handelt es sich um die Hauptschule, an der die Beklagte bereits kommissarisch tätig war; diese Schule ist um einen Realschulzweig erweitert worden und insgesamt in die H. umgezogen). Gleichzeitig wurde ihr das Amt einer Realschulrektorin als Leiterin einer zusammengefassten Schule mit Realschulzweig mit einer Schülerzahl von 180 bis zu 360 und einer Gesamtschülerzahl bis 540 übertragen. Sie erhielt weiterhin Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe A 14 (nunmehr NBesO) zuzüglich einer Amtszulage (BA F Bl. 119).
Unter dem 5. Oktober 20 teilte die Klägerin der Schulelternratsvorsitzenden mit, aufgrund der unterschiedlichen Angaben der angehörten Personen zu den Vorfällen könne ein dienstrechtlich relevantes Fehlverhalten nicht festgestellt werden. Dienstrechtliche Schritte gegen die Beklagte würden daher nicht eingeleitet.
Unter dem 22. November 20 erstattete der (ehemalige) Beratungslehrer an jener Schule gegenüber der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen die Beklagte, u.a. weil diese die drei Schülerinnen genötigt habe, ihre Anzeige vor der Polizei zurückzunehmen.
Es wurde daraufhin ein weiteres Ermittlungsverfahren eingeleitet und das bereits eingestellte Verfahren wegen Körperverletzung wieder aufgenommen. Erneut wurden etliche Zeugen vernommen. Der Anregung der Staatsanwaltschaft M., das Verfahren gemäß § 153 a StPO vorläufig gegen eine Geldauflage von 2.000,-- Euro einzustellen, stimmte die Beklagte nicht zu. Nachdem im November 20 Anklage vor dem Amtsgericht G. erhoben worden war und nach Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens hinsichtlich der drei beteiligten Schülerinnen verurteilte das Amtsgericht G. ( ) am 22. August 20 nach einer Beweisaufnahme die Beklagte wegen einer fahrlässigen Körperverletzung im Amt (§ 340 Abs. 1 und 3 StGB) sowie einer Nötigung in einem besonders schweren Fall (§ 240 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 3 StBG) zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten und 1 Woche auf Bewährung.
Dagegen legte die Beklagte Berufung ein. Die Staatsanwaltschaft hat ihre ebenfalls eingelegte Berufung wieder zurückgenommen.
Ab 19. Juni 20 wurde die Beklagte aus dienstlichen Gründen an die Haupt- und Realschule N. in O. abgeordnet (unterwertige Beschäftigung als Realschullehrerin unter Beibehaltung der Bezüge aus der Besoldungsgruppe A 14 plus Zulage).
Mit Urteil vom 15. Dezember 20 ( ) verwarf das Landgericht M. die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe, dass der Ausspruch "in einem besonders schweren Fall" entfällt (BA D Bl. 1). Es folgte nach erneuter Beweisaufnahme im Wesentlichen der Bewertung des Amtsgerichts und vertrat lediglich die Auffassung, der Ausspruch, es liege eine Nötigung "im besonders schweren Fall" vor, gehöre als Strafzumessungsregelung nicht in den Tenor des Strafurteils.
Auf die hiergegen von der Beklagten eingelegte Revision hob das Oberlandesgericht M. ( ) das Urteil des Landgerichts mit Beschluss vom 14. Juli 20 (nur) im Strafausspruch auf und verwies die Sache zurück, weil das Landgericht hinsichtlich der Verurteilung wegen Nötigung nicht in zureichendem Maße eine Einzelstrafe ausgeworfen und bei der Strafzumessung die lange Verfahrensdauer nicht berücksichtigt habe. Die weitergehende Revision wurde dagegen als unbegründet verworfen, so dass der Schuldausspruch rechtskräftig geworden ist (BA D Bl. 197).
Anfang Dezember 20 regte die Beklagte über ihren Rechtsanwalt die Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens gemäß § 153 a StPO an. Zur Begründung verwies sie auf die lange Verfahrensdauer und auf die Strafempfindlichkeit steigernde Umstände, nämlich eine während der früheren Hauptverhandlungen teilweise gröblich entstellende Berichterstattung auch in der überregionalen Presse sowie auf den Aspekt, dass sie aufgrund ihrer Tätigkeit als Realschulrektorin bei einem Anstieg der Gesamtschülerzahl mit einem Aufstieg in die Besoldungsgruppe A 15 hätte rechnen dürfen, diese Aussicht ihr durch das Strafverfahren aber genommen worden sei. Die Staatsanwaltschaft stimmte einer Einstellung nicht zu.
Das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie erkannte mit Bescheid vom 4. Januar 20 bei der Beklagten eine MdE von 40 % (u.a. auch wegen Depression) an.
Nach Gesprächen im Dezember 20 /Januar 20 wurde der Beklagten einvernehmlich zum 2. März 20 das Amt einer 2. Konrektorin an der Haupt- und Realschule, P. -Schule Q., übertragen und sie dorthin versetzt. Sie erhält seitdem Bezüge nach A 14 zuzüglich einer nicht aufzehrbaren Ausgleichszulage. Bis Ende Juli 20 (Ende des Schuljahres) war sie allerdings noch im Wege der Abordnung weiterhin an der Haupt- und Realschule O. als Realschullehrerin (unterwertig) tätig (BA I Bl. 119, 132, 141,143).
Mit Urteil vom 25. Februar 20 ( ) änderte das Landgericht M. auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Amtsgerichts im Strafausspruch und verurteilte sie zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten und 1 Woche, wobei die Vollstreckung (erneut) zur Bewährung ausgesetzt wurde. Unter anderem heißt es in diesem nur die Strafzumessung betreffenden Urteil
zu der Körperverletzung:
"Letztendlich handelte es sich aber um eine spontane Entgleisung der Angeklagten in einer emotional aufgeheizten Atmosphäre, die jedenfalls auch von der Geschädigten durch ihr Verhalten mitverursacht worden ist. Darüber hinaus hat die Kammer berücksichtigt, dass die Tat lange zurückliegt, das Verfahren lange gedauert hat und die Angeklagte durch ihre Entgleisung in der Folgezeit sowohl gesundheitliche als auch berufliche Nachteile hat hinnehmen müssen. Zu Lasten der Angeklagten fiel aber ins Gewicht, dass sie die Tat als Amtsträgerin an einer ihr zugewiesenen Schülerin begangen hat ....."
und zu der Nötigung:
"Die von der Angeklagten begangene Nötigung, die richtigerweise als Nötigung in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen hätte tenoriert werden müssen, stellt sich als besonders schwerer Fall im Sinne von § 240 Abs. 4 Nr. 3 StGB dar ..... hat sie ihre Befugnisse und ihre Stellung als Schulleiterin und damit als Amtsträgerin missbraucht, was ihr selbstverständlich auch bewusst war .... Zwar hat die Kammer durchaus zahlreichende entlastende Umstände in die Waagschale werfen können. So war nicht zu verkennen, dass die Tat nunmehr erhebliche Zeit zurückliegt und die Angeklagte auch unter der Dauer des Verfahrens gelitten haben wird. Sie musste berufliche Nachteile in Kauf nehmen, weil sie die von ihr angestrebte Stelle als Schulrektorin letztlich nicht behalten konnte ..... Auch nimmt die Kammer es ihr ab, dass sie unter dieser Situation und darunter, dass es zu einer Polarisierung innerhalb der Kollegenschaft gekommen ist, persönlich und gesundheitlich gelitten hat und noch leidet. Insbesondere hat die Kammer dabei berücksichtigt, dass ihr mit dem Zeugen (ehemaliger Beratungslehrer an der Schule) innerhalb des Kollegiums ein besonderes "kritischer Kollege" gegenüberstand, dem es in ganz besonderer Weise ein Anliegen war, die geschehenen Dinge nicht auf sich beruhen zu lassen und auch die Medien für seine Sicht der Dinge zu interessieren ..... Die Kammer geht davon aus, dass gerade auch seine Kontakte zur Presse die mediale Aufmerksamkeit für diesen Fall verstärkt und zu teils unsachlicher Berichterstattung geführt haben. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die Angeklagte sich durch die völlig überzogene Reaktion auf die - ihre berufliche Planung möglicherweise gefährdende - Anzeige der drei Schülerinnen ... die beruflichen Nachteile zu einem gewichtigen Teil auch selbst zuzuschreiben hat, weil sie sich damit als Schulleiterin in gewisser Weise selbst disqualifiziert hat.
Dass die Angeklagte eine weitere Sanktion im Disziplinarverfahren zu erwarten hätte, ist zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich. Immerhin ist sie nach rechtskräftig gewordenem Schuldspruch in eine Stelle als Konrektorin eingewiesen worden, so dass weitergehende berufliche Nachteile für die Zukunft jedenfalls nicht zu erwarten sind.
Den insgesamt entlastenden Umständen stehen aber belastende Gesichtspunkte gegenüber, die einer Reduzierung des Strafrahmens entgegenstehen ..... Schließlich konnte auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Angeklagte in dem Bestreben, berufliche Nachteile als Folge des Schubsers abzuwenden, über die Nötigung der Schülerinnen hinaus ihre Kollegin (die Sozialpädagogin) in unlauterer Weise zu vereinnahmen versucht hat, indem sie ihr wider besseren Wissens vorzugeben versucht hat, den Vorfall auf dem Flur beobachtet und einen Stoß nicht gesehen zu haben."
Die dagegen erneut von der Beklagten eingelegte Revision verwarf das Oberlandesgericht M. ( ) mit Beschluss vom 30. Juni 20 als unbegründet.
Nachdem die Klägerin am 3. August 20 von der Rechtskraft der strafrechtlichen Verurteilung Kenntnis erlangt hatte, leitete sie unter dem 8. September 20 disziplinarrechtliche Ermittlungen gegen die Beklagte ein. Die Beklagte gab im Disziplinarverfahren zunächst keine weiteren Erklärungen ab. Auf den Hinweis der Klägerin, wegen des Fehlverhaltens werde eine Zurückstufung als angemessen angesehen, verwies die Beklagte auf die überlange Dauer des Verfahrens und die in beruflicher Hinsicht bereits erlittenen Nachteile. Insbesondere habe sie als (damalige) Leiterin der Haupt- und Realschule, G. aufgrund steigender Schülerzahlen mit einer Höhergruppierung rechnen dürfen. Diese Option habe sich aufgrund des Strafverfahrens nicht verwirklicht. Die erwogene Rückstufung nach A 13 stelle daher faktisch eine doppelte Bestrafung dar.
Die Klägerin hat am 13. Januar 2011 Disziplinarklage erhoben mit dem Ziel der Zurückstufung der Beklagten in das Amt einer Realschullehrerin (Besoldungsgruppe A 13).
Sie hat auf die tatsächlichen Feststellungen in dem rechtskräftig gewordenen Urteil des Landgerichts M. verwiesen, die für das Disziplinarverfahren maßgeblich seien. Durch die fahrlässige Körperverletzung und die Nötigung habe die Beklagte die ihr obliegende Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten verletzt, wobei die Nötigung deutlich schwerer wiege. Die Nötigung sei massiv gewesen, es habe sich dabei nicht nur um eine spontane Entgleisung gehandelt. Sie habe vielmehr, obgleich seit der Körperverletzung bereits ein Tag vergangen gewesen sei, überzogen und unangemessen reagiert. Zudem habe sie ihre Pflichten dadurch verletzt, dass sie - um für sich berufliche Nachteile abzuwenden - über die Nötigung der Schülerinnen hinaus auch die damalige Sozialpädagogin an der Schule in unlauterer Weise zu vereinnahmen versucht habe; denn sie habe ihr wider besseren Wissens vorzugeben versucht, den Schubs-Vorfall auf dem Flur beobachtet und einen Stoß nicht gesehen zu haben. Es liege mithin ein schuldhaft begangenes schweres Dienstvergehen vor. Bei der Festlegung der Disziplinarmaßnahme sei zu berücksichtigen, dass die betroffene Schülerin (I.) bezüglich der Körperverletzung an der Art der Auseinandersetzung nicht unschuldig gewesen sei und die Beklagte sich unbesonnen zu dem Übergriff habe hinreißen lassen und dass die Beklagte sich bezogen auf die Nötigung wegen ihrer Bewerbung für das Amt einer Rektorin an jener Schule in einer besonderen Situation befunden habe. Andererseits sei zu bedenken, dass die jugendlichen Schülerinnen in erheblichem Maße von ihr genötigt worden seien. Die Beklagte habe unter Ausnutzung ihrer hervorgehobenen Amtsstellung ein sozialschädliches und besonders verwerfliches Verhalten gezeigt. Das Vertrauensverhältnis sei mithin gestört, aber noch nicht endgültig zerstört. Angemessen und ausreichend sei eine Zurückstufung. Das beinhalte, dass sie mindestens fünf Jahre lang nicht mehr in der Funktion als Schulleiterin tätig sein dürfe. Die lange Dauer des Strafverfahrens stelle keinen Milderungsgrund dar. Das Disziplinarverfahren als solches sei Anfang September 20 eingeleitet und zügig durchgeführt worden. Unerheblich sei, dass die Beklagte (seit März 20 ) bei der Haupt- und Realschule Q. als zweite Realschulkonrektorin eingesetzt sei. Dieses sei nur erfolgt, um eine (weitere) unterwertige Beschäftigung als Realschullehrerin (wie bei ihrer Tätigkeit in O.) zu vermeiden. Mit Aufgaben der Schulleitung sei die Beklagte in ihrem Amt als zweite Konrektorin nicht beauftragt. Soweit das Landgericht in seinen Urteilsgründen davon ausgegangen sei, dass disziplinarrechtliche Maßnahmen nicht (mehr) ergriffen würden, stelle dies in seiner Begründung nur einen Unterpunkt dar.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte in das Amt einer Realschullehrerin (Besoldungsgruppe A 13, NBesO A) zurückzustufen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, die beantragte Zurückstufung sei aufgrund der Dauer des gesamten Verfahrens einschließlich des Strafverfahrens unverhältnismäßig. Selbst die Klägerin nehme nicht an, dass sie zur Pflichtenerfüllung angehalten werden müsse. Dies zeige sich daran, dass sie nach Rechtskraft des Schuldausspruches mit der zweiten Konrektoren-Stelle bei der Haupt- und Realschule P. -Schule, Q. betraut worden sei. Zu berücksichtigen sei weiter ihre - auch bei der Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit einbezogene - depressive Störung, die auf der langen Belastung durch das Strafverfahren beruhe.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat das Verwaltungsgericht die Beklagte in das Amt einer Realschullehrerin (A 13 NBesO) zurückgestuft.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie verweist im Wesentlichen erneut auf die lange Dauer des gesamten Verfahrens sowie auf die Einschätzung des Strafgerichts, dass weitere berufliche Nachteile nicht zu erwarten seien.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft ihre bisherigen Ausführungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts war zu ändern und die Klage abzuweisen.
1. Allerdings hat sich die Beklagte eines innerdienstlichen Dienstvergehens (§ 85 NBG a.F., nunmehr § 87 Abs. 1 BeamtStG) schuldig gemacht.
Dabei ist in tatsächlicher Hinsicht von dem Sachverhalt auszugehen, den auch das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Dies folgt mit Blick auf die Bindungswirkung (§§ 52 Abs. 1 Satz 1, 60 Abs. 1 Satz 1 NDiszG) aus dem rechtskräftig gewordenen Urteil des Landgerichts M. vom 25. Februar 20 iVm. dem vorangegangenen Urteil des Landgerichts vom 15. Dezember 20 .
Die Bindungswirkung erstreckt sich auf den inneren und äußeren Tatbestand der Straftat, also auch auf Vorsatz sowie die (volle) Schuldfähigkeit, wobei diese Feststellungen sich auch mittelbar aus dem Strafurteil ergeben können (vgl. Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand: April 2012, § 23 Rnr. 7 ff.; Bieler/Lukat, NDiszG, Stand: März 2012, § 24 Rnr. 6 f.; Sen., Urt. v. 28.8.2012 - 19 LD 6/10 -, jeweils mwN.).
Danach hat die Beklagte Anfang März 20 gegenüber einer Schülerin eine fahrlässige Körperverletzung im Amt und gegenüber dieser Schülerin und zwei weiteren am nachfolgenden Tag eine Nötigung unter Ausnutzung ihrer Amtsstellung begangen und zudem versucht, die Sozialpädagogin an der Schule in unerlaubter Weise als Zeugin zu vereinnahmen (wobei dieser Umstand strafrechtlich nicht eigenständig gewertet worden ist).
Die Voraussetzungen für einen Lösungsbeschluss gemäß §§ 52 Abs. 1 Satz 2, 60 Abs. 1 Satz 1 NDiszG liegen nicht vor. Eine derartige Lösung kommt nur in Betracht, wenn ohne weitere Beweisaufnahme zweifelsfrei erkennbar ist, dass eine entscheidungserhebliche Feststellung im Strafurteil falsch ist (BVerwG, Urt. v. 25.3.1982 - 1 D 80.80 -, ZBR 1983, 208; Bieler/Lukat, NDiszG, Stand: März 2012, § 24 Rnr. 8). Derartige Umstände werden von der Beklagten nicht geltend gemacht und sind auch nicht offensichtlich.
Durch ihr Verhalten hat die Beklagte gegen ihre Dienstpflicht zur uneigennützigen und rechtmäßigen Amtsführung sowie zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb des Dienstes (§ 62 Sätze 2 und 3 NBG a.F., nunmehr § 34 Sätze 2 und 3 BeamtStG) verstoßen.
2. Das einheitlich zu bewertende innerdienstliche Dienstvergehen erfordert indes aufgrund einer Würdigung aller Umstände nicht die Zurückstufung.
Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 NDiszG). Sie ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 NDiszG). Diese beurteilt sich nach den objektiven und subjektiven Handlungsmerkmalen der Verfehlung, den besonderen Umständen der Tatbegehung und den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Zudem ist das Persönlichkeitsbild des Beamten einschließlich seines bisherigen dienstlichen Verhaltens angemessen zu berücksichtigen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 NDiszG). Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit beeinträchtigt hat (§ 14 Abs. 1 Satz 4 NDiszG).
Vorliegend ist das Verwaltungsgericht aufgrund der erheblichen Verfehlungen der Beklagten zu Recht von einem schweren Dienstvergehen ausgegangen, da insbesondere die Nötigungshandlung mit der Leitungs- und Vorbildfunktion einer Rektorin nicht in Einklang zu bringen ist. Mag dem Grunde nach für ein derartiges Verhalten auch eine Zurückstufung (§§ 6 Abs. 1 Nr. 4, 10 NDiszG) in Betracht kommen, so ist gleichwohl stets zu prüfen, ob im Einzelfall Umstände, z.B. Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild, zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung oder sonstige Besonderheiten derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist (BVerwG, Urt. v. 7.2.2008 - 1 D 4.07 -, [...]). Bei Ausübung der Disziplinarbefugnis unter Beachtung des Gebots der Verhältnismäßigkeit sind mithin alle im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Umstände zu berücksichtigen, einschließlich entlastender Umstände, die die Voraussetzungen eines anerkannten Milderungsgrundes nicht erfüllen (BVerwG, Beschl. v. 6.9.2012 - 2 B 31.12 -, v. 1.6.2012 - 2 B 123.11 -, v. 2.3.2012 - 2 B 8.11 -, jeweils [...], Urt. v. 23.2.2012 - 2 C 38.10 -, NVwZ-RR 2012, 479, v. 25.3.2010 - 2 C 83.08 -, BVerwGE 136, 173, v. 20.10.2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252; Sen., Urt. v. 24.11.2011 - 19 LD 18/08 -). Derartige besondere entlastende Umstände sind vorliegend gegeben.
Mit einer Zurückstufung gehen alle Rechte aus dem bisherigen Amt einschließlich der damit verbundenen Bezüge und der Befugnis, die bisherige Amtsbezeichnung zu führen, verloren. Der betreffende Beamte darf frühestens fünf Jahre nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung befördert werden, wobei der Zeitraum abgekürzt werden kann (§ 10 Abs. 5 NDiszG). Die Zurückstufung ist mithin zum einen eine "entfernende Maßnahme" (Entfernung aus dem Beförderungsamt, weil der Beamte zwar im Beamtenverhältnis als solchem, nicht aber in dem konkreten statusrechtlichen Amt seiner Laufbahn noch tragbar ist, vgl. Bieler/Lukat, NDiszG, Stand: März 2012, § 19 Anm. 1 sowie Einl. B Rnr. 86 ff; Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand: April 2012, § 9 Rnr. 1), und dient zum anderen (auch) der "Pflichtenmahnung" (BVerwG, Urt. v. 24.6.1998 - 1 D 23.97 -, BVerwGE 113, 229; Hummel/Köhler/Meyer, BDG, 5. Aufl., S. 116 Rnr. 86). Unter beiden Aspekten ist eine Zurückstufung ebenso wie eine Zurückstufung mit der Maßgabe, dass die Beklagte lediglich ein Jahr (statt wie im Regelfall fünf Jahre) nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung nicht befördert werden darf (§ 10 Abs. 5 Satz 2 NDiszG), indes nicht geboten.
a. Ein Anlass für eine "teilweise entfernende" Maßnahme besteht nicht. Bei zusammenfassender Bewertung ist davon auszugehen, dass die Vorgänge vom März 20 einmalig waren und auf den damaligen besonderen Konstellationen an jener Schule, möglicherweise in Verbindung mit der besonderen Belastung der Beklagten durch die Leitung der Orientierungsschule und der gleichzeitigen kommissarischen Leitung der Hauptschule beruhten. Die Befürchtung, die Beklagte werde in einer vergleichbaren Situation in einem leitenden Amt erneut unangemessen reagieren, vermag der Senat aufgrund des aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlichen Persönlichkeitsbildes der Beklagten und des von ihr in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks nicht zu teilen. Auch die Klägerin geht hiervon letztlich - zu Recht - nicht aus, was sich u.a. daraus ableiten lässt, dass die Beklagte seit März 20 , also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Feststellungen des Landgerichts zum Schuldspruch bereits rechtkräftig waren, als 2. Konrektorin an der Haupt- und Realschule, P. -Schule in Q. eingesetzt und damit wieder mit - wenn auch nur im Vertretungsfall auszuübenden - Leitungsaufgaben betraut ist. Allerdings meint die Klägerin, organisatorisch abgesichert zu haben, dass Leitungsaufgaben bei der Beklagten nicht anfallen. Auch die Beklagte selbst betont, dass sie sich aus solchen Aufgabenbereichen zurückhält. Das ändert jedoch nichts daran, dass sie Verantwortung für gesamtschulische Angelegenheiten hat und übernimmt. Gegenteiliges lässt sich auch nicht den Verwaltungsvorgängen entnehmen. Sie belegen zudem, dass die Beklagte an der Haupt- und Realschule, P. -Schule in Q. allgemein anerkannt ist und sich durch Kollegialität, Offenheit und Hilfsbereitschaft auszeichnet (BA H Anlage 3).
b. Soweit es um eine "Pflichtenmahnung" geht, sind zu Gunsten der Beklagten die Art der Presseberichterstattung zum Strafverfahren, die fehlenden Beförderungsmöglichkeiten und ihre zeitweise unterwertige Beschäftigung in die Abwägung mit einzustellen. Da die Vertrauensbasis gerade nicht endgültig zerstört ist, ist bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zudem auch die Dauer des Verfahrens mit zu berücksichtigen (vgl. allg. BVerfG, Beschl. v. 9.8.2006 - 2 BvR 1003/05 -, DVBl 2006, 1372, [...]; BVerwG, Beschl. v. 1.6.2012 - 2 B 123.11 -, [...] mwN., v. 16.5.2012 - 2 B 3.12 -, NVwZ-RR 2012, 609, [...], Urt. v. 29.3.2012 - 2 A 11.10 -, [...], v. 24.6.1998 - 1 D 23.97 -, BVerwGE 113, 229, [...]).
Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit kommt vorliegend der Zeitspanne zwischen dem Dienstvergehen (März 20 ) und der Einleitung des Disziplinarverfahrens (September 20 ) erhebliche Bedeutung zu. Allerdings ist der Klägerin nicht vorzuhalten, dass sie das Disziplinarverfahren verspätet eingeleitet hat. Zwar sollen gem. § 18 NDiszG disziplinarische Ermittlungen so früh wie möglich im Rahmen des gesetzlich geordneten Verfahrens geführt werden, andererseits darf ein Disziplinarverfahren wegen seiner stigmatisierenden Wirkung auch nicht vorschnell eingeleitet werden (BVerwG, Urt. v. 29.3.2012 - 2 A 11.10 -, [...]; Weiss, in: GKÖD, Stand: November 2012, Bd. II, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Teil 4 BDG, M § 17 Rnr. 32). Angesichts der auch aus dem Umfang des Strafverfahrens abzuleitenden schwierigen Beweislage hinsichtlich der der Beklagten vorgehaltenen Dienstpflichtverletzungen konnte die Klägerin unter Beachtung auch des Fürsorgeprinzips die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zunächst zurückstellen und den Ausgang des strafrechtlichen Verfahrens abwarten. Soweit dies im Einzelfall bei den Strafgerichten dahin (miss-)verstanden wird, eine disziplinarrechtliche Verfolgung sei nicht zu erwarten, und es auf dieser Grundlage im Einzelfall zu einem höheren Strafmaß kommt, als wenn das Disziplinarverfahren parallel geführt worden wäre, kann dies ggf. bei der Auswahl der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme Berücksichtigung finden. Im Übrigen war bei der Einleitung des auf eine Zurückstufung ausgerichteten Disziplinarverfahrens die in § 16 Abs. 3 NDiszG genannte Frist von sieben Jahre nach Vollendung des Dienstvergehens noch nicht abgelaufen.
Gleichwohl ist in die Abwägung einzustellen, dass schon das sich über einen langen Zeitraum erstreckende Strafverfahren als solches pflichtenmahnend auf die Beklagte eingewirkt hat. Gleiches gilt für die während des Strafverfahrens für längere Zeit erfolgte unterwertige Beschäftigung als Realschullehrerin an der Haupt- und Realschule O. (vgl. Hummel/Köhler/Meyer, BDG, 5. Aufl., S. 127 Rnr. 120, S. 128 Rnr. 124). Die Beklagte hat zwar während jener Tätigkeit in O. ihre Bezüge aus der Besoldungsgruppe A 14 plus Zulage weiter erhalten; in der Beschäftigung als Realschullehrerin anstelle einer Rektorin lag jedoch ein erheblicher Ansehensverlust. Weiter hatte die Beklagte seit den Vorfällen vom März 20 keine Chancen auf eine Beförderung und würde durch die von der Klägerin beantragte Zurückstufung auch für die Zukunft keine Beförderungsaussichten mehr haben. Vorliegend fällt zudem ins Gewicht, dass die Beklagte durch die Berichterstattung in der Presse im Zusammenhang mit dem Strafverfahren erheblichen Belastungen ausgesetzt war. In dem Urteil des Landgerichts M. vom 25. Februar 20 ( ) wird hierzu festgehalten:
"...dass ihr (der Beklagten) mit dem Zeugen (Anm: damaliger Beratungslehrer) innerhalb des Kollegiums ein besonders "kritischer" Kollege gegenüberstand, dem es in ganz besonderer Weise ein Anliegen war, die geschehenen Dinge nicht auf sich beruhen zu lassen und auch die Medien für seine Sicht der Dinge zu interessieren...Die Kammer geht davon aus, dass gerade auch seine Kontakte zur Presse die mediale Aufmerksamkeit für diesen Fall verstärkt und zu teils unsachlicher Berichterstattung geführt haben."
Diese Presseberichte sind zwar in den dem Senat vorgelegten Disziplinarakten nicht enthalten, obgleich die Klägerin als Disziplinarbehörde - wie bereits oben ausgeführt - jegliche zu Gunsten des jeweiligen Beamten sprechenden Umstände, selbst wenn diese keinen anerkannten Milderungsgrund darstellen, zu berücksichtigen (vgl. aktuell BVerwG Beschl. v. 6.9.2012 - 2 B 21.12 -, [...], v. 2.3.2012 - 2 B 8.11 -, [...], Urt. v. 23.2.2012 - 2 C 38.10 -, NVwZ-RR 2012, 479) und damit auch zu dokumentieren hat. Sie hat in ihrer Klagschrift indes hierzu selbst ausgeführt:
"Zudem hat der Strafprozess dazu geführt, dass die mediale Aufmerksamkeit mit zunehmender Dauer des Verfahrens zugenommen hat. In den regionalen Printmedien wurde ständig und ausführlichst, oftmals auch unsachlich über den Prozess berichtet. Das persönliche Ansehen der Beamtin und das Ansehen in ihrer Funktion als Schulleiterin haben hierdurch sowohl in der Schule als auch in der Öffentlichkeit ebenfalls stark gelitten".
Die Beklagte war mithin über längere Zeit in einer über das übliche Maß hinausgehenden Weise einer öffentlichen und insbesondere teilweisen auch unsachlichen Berichterstattung ausgesetzt, was nicht nur ihre Strafempfindlichkeit erheblich erhöht, sondern ebenfalls deutlich mahnend auf sie eingewirkt hat.
Unter Berücksichtigung dieser Aspekte erweist sich eine Zurückstufung trotz des schweren Dienstvergehens nicht als verhältnismäßig. Auch eine Zurückstufung mit der Maßgabe, dass die Beklagte lediglich ein Jahr (statt wie im Regelfall fünf Jahre) nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung nicht befördert werden darf (§ 10 Abs. 5 Satz 2 NDiszG), ist aufgrund der Belastungen, denen die Beklagte seit den Vorfällen vom März 20 ausgesetzt war, als unverhältnismäßig anzusehen.
3. Die in Betracht kommende Gehaltskürzung (§§ 6 Abs. 1 Nr. 3, 9 NDiszG) kann im vorliegenden Fall nicht verhängt werden. Dem steht schon § 16 Abs. 2 NDiszG entgegen. Danach kann eine Kürzung der Dienstbezüge nicht ausgesprochen werden, wenn seit der Vollendung eines Dienstvergehens mehr als drei Jahre vergangen sind. Bei der Einleitung des Disziplinarverfahrens im September 20 waren seit dem Dienstvergehen (März 20 ) indes mehr als drei Jahre vergangen. Unabhängig davon wäre eine Gehaltskürzung auch nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 NDiszG nicht zulässig, da die dafür erforderliche Wiederholungsgefahr (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.3.2004 - 1 D 23.03 -, DÖV 2004, 746, v. 23.2.2005 - 1 D 13.04 -, ZBR 2005, 252; erk. Gericht, Urt. v. 29.8.2006 - 20 LD 7/06 -, [...]; allg. zu § 16 NDiszG auch Sen. Beschl. v. 24.6.2011 - 19 AD 7/10 - ) nicht besteht, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt.