Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.12.2012, Az.: 14 PS 2/12

Vorliegen eines Geheimhaltungsbedürfnisses zum Zwecke des Quellenschutzes bzgl. des Inhalts oder der Art eines Dokuments

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.12.2012
Aktenzeichen
14 PS 2/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 32092
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:1214.14PS2.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 20.08.2012 - AZ: 10 A 2968/11

Fundstellen

  • NVwZ-RR 2013, 5-6
  • NVwZ-RR 2013, 556-557
  • NdsVBl 2013, 223-225

Amtlicher Leitsatz

Erlaubt ein Dokument nach seinem Inhalt oder seiner Art, etwa der Zusammenstellung oder dem Zeitpunkt der Erlangung, keine plausiblen Rückschlüsse darauf, aus welchem abgrenzbaren Kreis von Informationsquellen oder gar von welcher konkreten Informationsquelle es stammt, ob es überhaupt durch verdeckte Erkenntnisquellen gewonnen worden ist oder auf welchem Wege es zu den Sachakten der Verfassungsschutzbehörde gelangt ist, besteht ein Geheimhaltungsbedürfnis zum Zwecke des Quellenschutzes nicht.

Gründe

1

I.

In dem diesem Zwischenverfahren zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht Hannover - 10 A 2968/11 - begehrt die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten, ihr Einsicht in die über sie geführten Akten zu gewähren und vollständige Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten zu erteilen.

2

Die Klägerin ist seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages.

3

Anlässlich eines im Magazin "Der Spiegel" (Heft 23/2006, S. 47: "Verdichteter Verdacht") erschienenen Berichts zu Beobachtungen der Partei "Die Linke" durch Verfassungsschutzbehörden forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 30. Juni 2006 zur Auskunft über die Sammlung und Speicherung personenbezogener Daten und zur Gewährung vollständiger Akteneinsicht auf.

4

Hierauf teilte der Beklagte mit Bescheid vom 5. Oktober 2006 mit, dass zur Person der Klägerin neben allgemeinen biographischen Daten auch aus parteieigenen bzw. parteinahen Publikationen entnommene allgemeine Informationen zu ihrem parteipolitischen Werdegang in der PDS, der Teilnahme an Parteiveranstaltungen und ihrer Berufung in Bundesgremien der Partei vorlägen. Auch das Innehaben eines Bundestagsmandats sei aktenkundig. Eine Erhebung und Speicherung von Daten im Zusammenhang mit der Mandatsausübung werde aber nicht vorgenommen. Über die der Klägerin bekannten, in den Verfassungsschutzberichten des Landes Niedersachsen genannten Informationen hinaus seien auch folgende Erkenntnisse gespeichert:

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7

Darüber hinaus bestünden Erkenntnisse über extremistische Aktivitäten, über die aus den in § 13 Abs. 2 Niedersächsisches Verfassungsschutzgesetz genannten Gründen keine Auskunft erteilt werden könne.

8

Der daraufhin von der Klägerin angerufene Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen teilte der Klägerin mit Schreiben vom 23. Oktober 2006 mit, dass der Beklagte zu drei weiteren Sachverhalten Auskunft erteilen werde, im Übrigen die Verweigerung der Auskunft datenschutzrechtlich aber nicht zu beanstanden sei. Mit Schreiben vom 13. November 2006 ergänzte der Beklagte seine Auskunft über die zur Person der Klägerin gespeicherten Daten um folgende Erkenntnisse:

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Am 6. November 2006 hat die Klägerin bei dem Verwaltungsgericht Hannover Klage - 10 A 8049/06 - erhoben, mit der sie die Verpflichtung des Beklagten begehrt, ihr Einsicht in die über sie geführten Akten zu gewähren, vollständige Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten zu erteilen und sodann die Akten und gespeicherten Daten zu löschen. Sie macht geltend, die nachrichtendienstliche Überwachung und Erfassung von Daten zu ihrer Person beeinträchtige sie in der ungehinderten Ausübung ihres Bundestagsmandats, der Wahrnehmung der damit verbundenen Rechte und der Erfüllung der sich daraus ergebenden Pflichten. Auch werde der Grundsatz der Chancengleichheit verletzt, da die nachrichtendienstliche Überwachung und Publikation im Verfassungsschutzbericht zu einer massiven Rufschädigung bei den Wählern führen würde. Die Rechtmäßigkeit derartiger Überwachungsmaßnahmen könne nur überprüft und in der Folge effektiver Rechtsschutz gewährt werden, wenn Auskunft über den Inhalt der bei dem Beklagten geführten Verwaltungsvorgänge erteilt werde.

12

Mit Verfügung vom 7. November 2006 hat der Vorsitzende der 10. Kammer des Verwaltungsgerichts den Beklagten zur vollständigen Vorlage der dort geführten Vorgänge aufgefordert. Hierauf hat der Beklagte mit seiner Klageerwiderung vom 29. Januar 2007 lediglich einen Teil der bei ihm geführten Akten (Beiakten A bis C im Hauptsacheverfahren vor dem VG Hannover - 10 A 2968/11 -) vorgelegt und mit ergänzendem Schriftsatz vom 30. Januar 2007 erklärt, dass die Vorlage der vollständigen bei ihm geführten Akten nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht erfolgen dürfe (Sperrerklärung).

13

Mit Schriftsatz vom 9. November 2009 hat die Klägerin sinngemäß beantragt,

im Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO festzustellen, dass die Verweigerung der Vorlage der vom Verwaltungsgericht angeforderten vollständigen Akten durch den Beklagten rechtswidrig ist.

14

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 14. Juli 2011 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren abgetrennt, soweit die Klägerin Einsicht in Akten und Auskunft über Dateien begehrt und dieses Verfahren unter dem gerichtlichen Aktenzeichen 10 A 2968/11 weitergeführt. Der Vertreter des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung am 14. Juli 2011 erklärt, dass die Klägerin als Person nicht beobachtet werde, sondern nur die Partei "Die Linke". Der Beklagte führe daher auch keine Personenakten über die Klägerin, sondern Sachakten. Dabei seien auch über das Jahr 2005 hinaus Informationen über die Klägerin erhoben und gespeichert worden. Eine Erhebung und Speicherung von Daten in Bezug auf die Abgeordnetentätigkeit der Klägerin finde indes nicht statt. Das Verwaltungsgericht hat daraufhin den Beklagten mit Beschluss vom 14. Juli 2011 aufgefordert, binnen sechs Wochen sämtliche Akten und Aktenteile, die personenbezogene Daten über die Klägerin enthalten, insbesondere sämtliche ab September 2005 angelegten Vorgänge und die Vorgänge, die Gegenstand der Sperrerklärung vom 30. Januar 2007 sind, vorzulegen.

15

Im verbliebenen Verfahren - 10 A 8049/06 - hat das Verwaltungsgericht die Klage der Klägerin auf Löschung der Daten abgewiesen. Die Verpflichtungsklage sei schon unzulässig, weil die Klägerin einen erforderlichen Löschungsantrag vorab nicht an den Beklagten gerichtet habe.

16

Mit Schriftsatz vom 14. September 2011 legte der Beklagte einen weiteren Teil der bei ihm geführten Akten (Beiakte D im Hauptsacheverfahren vor dem VG Hannover - 10 A 2968/11 -) vor und bestätigte im Übrigen seine Sperrerklärung. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass nach Durchsicht der Akten und Ausübung des Ermessens davon ausgegangen werden müsse, dass ein Bekanntwerden des Inhalts der nicht vorgelegten Aktenteile dem Wohl des Landes Niedersachsen Nachteile bereiten würde, da durch die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde einschließlich der Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschwert wäre. Der Schutz verfassungsschutzdienstlicher Informationen und Informationsquellen, Arbeitsweisen und Methoden der Erkenntnisgewinnung gebiete es, die fraglichen Dokumente geheim zu halten. Weiter begründete der Beklage für die einzelnen zurückgehaltenen Aktenstücke jeweils konkret das Vorliegen der Geheimhaltungsgründe des Schutzes der Funktionsfähigkeit des Verfassungsschutzes, der Informationsquellen und der Persönlichkeitsrechte und sonstiger Belange Dritter. Dieses Geheimhaltungsinteresse werde durch das entgegen stehende Informationsinteresse der Klägerin nicht überwogen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Abgeordnetentätigkeit der Klägerin, da keine Erkenntnisse in Bezug auf ihre Abgeordnetentätigkeit erhoben oder gespeichert worden seien.

17

Nachdem die Klägerin ihren Antrag auf Durchführung des Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO mit Schriftsatz vom 23. Mai 2012 bestätigt hatte, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. August 2012 das Verfahren gemäß §§ 99 Abs. 2 Satz 4, 189 VwGO zur Durchführung eines Zwischenverfahrens an den zuständigen Fachsenat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts abgegeben.

18

Auf Aufforderung des Senats hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 7. September 2012 zunächst die als Beiakte E geführten Akten (nach § 99 Abs. 2 Satz 5 VwGO nur für den Senat) vorgelegt. Nachdem der Senat mit Verfügung vom 12. September 2012 auf die Unvollständigkeit dieser vorgelegten Akten hingewiesen hatte, hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 26. September 2012 weitere als Beiakte F geführte Akten (nach § 99 Abs. 2 Satz 5 VwGO wiederum nur für den Senat) beigebracht.

19

Mit als "VS-Vertraulich amtlich geheim gehalten" überschriebenem Schriftsatz vom 20. November 2011 hat der Beklagte Auszüge aus den Beiakten E und F, die er gegenüber der Klägerin offen legen will (Beiakte G), und eine Dokumentation der angenommenen Geheimhaltungsgründe (Beiakte H) dem Senat vorgelegt. Dem Antrag des Beklagten, ihm den Schriftsatz vom 20. November 2012 nebst Anlagen wegen Vorliegens von Geheimhaltungsgründen zurückzugeben, hat der Senat mit Beschluss vom 27. November 2012 unter Ablehnung im Übrigen hinsichtlich der Rückgabe des Schriftsatz vom 20. November 2012 stattgegeben.

20

Mit Schriftsatz vom 27. November 2012 hat der Beklagte erneut Auszüge aus den Beiakten E und F, die er gegenüber der Klägerin offen legen will (Blatt 199 bis 227 der Gerichtsakte), und eine Dokumentation der angenommenen Geheimhaltungsgründe (Blatt 228 der Gerichtsakte) übersandt. Zudem hat er seine Sperrerklärungen hinsichtlich der mit Schriftsatz vom 27. September 2012 nachgereichten Vorgänge (Beiakte F) ergänzt.

21

II.

Der Antrag der Klägerin, im Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO die Rechtswidrigkeit der Weigerung des Beklagten zur Vorlage der vollständigen vom Verwaltungsgericht angeforderten Akten festzustellen, ist zulässig (1.) und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet (2.).

22

1.

Der Antrag auf Durchführung des Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich nur dann zulässig, wenn eine förmliche Verlautbarung des Gerichts der Hauptsache vorliegt, wonach es die von der obersten Aufsichtsbehörde zurückgehaltenen Akten, Unterlagen oder Dokumente für die Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts benötigt. Das Gericht der Hauptsache muss dabei durch Angabe des Beweisthemas deutlich machen, dass es die Unterlagen oder Dokumente als erheblich ansieht. Je nach Fallkonstellation darf sich das Hauptsachegericht dabei nicht allein auf die Angabe des Beweisthemas und der als entscheidungserheblich erachteten Aktenteile (Beweismittel) beschränken, sondern muss in den Gründen des Beschlusses zur Entscheidungserheblichkeit im konkreten Fall - sei es mit Blick auf die Zulässigkeit des Rechtsschutzbegehrens, sei es unter Darlegung der materiellrechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs sowie der fachgesetzlichen Ablehnungsgründe - Stellung nehmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.11.2010 - 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233 f. m.w.N.). Eine solche förmliche Verlautbarung des Gerichts der Hauptsache zur rechtlichen Erheblichkeit des Akteninhalts für die Entscheidung des Rechtsstreits ist nur ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn die zurückgehaltenen Unterlagen zweifelsfrei rechtserheblich sind. Das ist dann der Fall, wenn die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten bereits Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache ist und die dortige Entscheidung von der allein anhand des Inhalts der umstrittenen Akten zu beantwortenden Frage abhängt, ob die Akten, wie von der Behörde geltend gemacht, geheimhaltungsbedürftig sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.4.2010 - 20 F 13.09 -, BVerwGE 136, 345, 347 f. m.w.N.).

23

Ungeachtet der Frage, ob hier ein solcher Ausnahmefall vorliegt, hat das Verwaltungsgericht mit dem Beschluss vom 20. August 2012 eine den dargestellten Anforderungen genügende förmliche Verlautbarung zur rechtlichen Erheblichkeit des Akteninhalts für die Entscheidung des Rechtsstreits getroffen. Das Verwaltungsgericht hat hinreichend klar das Beweisthema und die als entscheidungserheblich erachteten Aktenteile (Beweismittel) bezeichnet. Eine noch weitergehende Konkretisierung oder Differenzierung war ohne Kenntnis der Akten selbst nicht möglich. Das Verwaltungsgericht hat auch die Entscheidungserheblichkeit der bezeichneten Aktenteile im konkreten Fall nachvollziehbar begründet und darauf hingewiesen, dass das tatsächliche Vorliegen der vom Beklagten behaupteten Geheimhaltungsgründe nach § 13 Abs. 2 Niedersächsisches Verfassungsschutzgesetz - NVerfSchG - in der Fassung vom 6. Mai 2009 (Nds. GVBl. S. 154), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Oktober 2010 (Nds. GVBl. S. 465), nur anhand der zurückgehaltenen Aktenteile überprüft werden könne.

24

An diese nachvollziehbare Begründung der rechtlichen Erheblichkeit des Akteninhalts für die Entscheidung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist der Fachsenat gebunden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.7.2009 - 20 F 4.09 -, Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 54). Eine andere Beurteilung durch den Fachsenat käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Hauptsache offensichtlich fehlerhaft, das heißt nicht vertretbar wäre (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.8.2009 - 20 F 10.08 -, NVwZ 2010, 194, 195). Hierfür bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte.

25

2.

Der Antrag der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg.

26

Die Sperrerklärungen des Beklagten vom 30. Januar 2007 und 14. September 2011 in der Fassung der Ergänzung vom 27. November 2012 (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Ergänzung: BVerwG, Beschl. v. 18.4.2012 - 20 F 7.11 -, [...] Rn. 12 f.) und die damit verbundene Weigerung des Beklagten, die vom Verwaltungsgericht Hannover - 10. Kammer - mit Beschluss vom 14. Juli 2011 erbetenen Akten vollständig vorzulegen, ist rechtswidrig, soweit sie sich auf Blatt ... Beiakte ... bezieht. Im Übrigen sind die Sperrerklärungen und die damit verbundene Weigerung des Beklagten rechtmäßig.

27

Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften an das Gericht verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten oder Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der Urkunden oder Akten oder die Erteilung der Auskünfte verweigern (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO).

28

Bereitet das Bekanntwerden des Inhalts zurückgehaltener Dokumente dem Wohl des betroffenen Landes oder dem Bund Nachteile, ist ihre Geheimhaltung ein legitimes Anliegen des Gemeinwohls (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.10.1999 - 1 BvR 385/90 -, BVerfGE 101, 106, 127 f.; BVerwG, Beschl. v. 7.11.2002 - 2 AV 2.02 -, NVwZ 2003, 347, 348), das eine Verweigerung der Vorlage gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigen kann. Ein Nachteil in diesem Sinne ist unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen gefährden würde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.7.2009, a.a.O.; Beschl. v. 5.2.2009 - 20 F 24.08 -, [...] Rn. 4).

29

Derartige Geheimhaltungsgründe hat der Beklagte hier geltend gemacht. Er hat in den Sperrerklärungen und unter Vorlage einer auf die konkreten Blattzahlen der verweigerten Akten bezogenen Zuordnung der angenommenen Geheimhaltungsgründe (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerwG, Beschl. v. 18.4.2012, a.a.O., Rn. 9) ausgeführt, dass ein Bekanntwerden des Inhalts der nicht vorgelegten Aktenteile dem Wohl des Landes Niedersachsen Nachteile bereiten würde, da durch die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde einschließlich der Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschwert wäre. Der Schutz verfassungsschutzdienstlicher Informationen und Informationsquellen, Arbeitsweisen und Methoden der Erkenntnisgewinnung gebiete es, die fraglichen Dokumente geheim zu halten. Diese seien auch ihrem Wesen nach geheim zu halten. Es handele sich um Dokumente, die bis zum Verschlussgrad "Vertraulich" eingestuft seien.

30

Der Senat hat die von dem Beklagten vorgelegten Aktenteile (Beiakten E und F im Zwischenverfahren 14 PS 2/12) auf das tatsächliche Vorliegen der mit den Sperrerklärungen geltend gemachten Geheimhaltungsgründe überprüft.

31

Dabei hat er die Überzeugung gewonnen, dass die als Blatt ... Beiakte ... enthaltenen Unterlagen geeignet sind, die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden zu erschweren. Dies sind zunächst Dokumente, die den Erkenntnisstand der Verfassungsschutzbehörde und deren Art und Weise der Informationserhebung wiedergeben. Dies sind aber auch solche Dokumente(nteile), wie Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen. Denn diese sind geeignet, vor allem im Rahmen einer hier möglichen umfangreicheren Zusammenschau, die künftige Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden zu erschweren und Rückschlüsse auf Arbeitsweisen und Methoden der Erkenntnisgewinnung zu ermöglichen. Sie lassen Rückschlüsse auf geheime Einschätzungen und Entscheidungsbildungen der Sicherheitsbehörde auch in Sachfragen zu (vgl. BVerwG, Beschl. v. 1.8.2007 - 20 F 10.06 -, [...] Rn. 8; Beschl. v. 7.11.2002, a.a.O., S. 347). Dies sind schließlich solche Dokumente(nteile), die sich auf natürliche Personen zurückführen lassen. Insoweit besteht ein Geheimhaltungsbedürfnis aus Gründen der persönlichen Sicherheit dieser Personen oder zum Schutz deren beruflich gebotener Anonymität (vgl. BVerwG, Beschl. v. 1.8.2007, a.a.O., Rn. 9; Beschl. v. 4.5.2006 - 20 F 2.05 -, [...] Rn. 4).

32

Desweiteren hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass Blatt ... Beiakte ... mit Quellenberichten und nicht anonymisierten Zusammenfassungen von Quellenberichten Unterlagen enthalten, deren Bekanntgabe zum einen die Gesundheit von Personen gefährden könnte. Aus diesen Unterlagen sind Einzelheiten zu Treffen, Zeitpunkten und Teilnehmern erkennbar, die jedenfalls den Beteiligten eine Eingrenzung oder sogar Konkretisierung der für den Beklagten operierenden Informationsquellen ermöglichen und so die Gefahr von körperlichen Übergriffen begründen. Zum anderen wäre der Bruch einer zugesagten dauerhaften Vertraulichkeit gegenüber den Informanten generell geeignet, die effektive Aufgabenwahrnehmung des Beklagten als niedersächsische Verfassungsschutzbehörde zu beeinträchtigen, indem die künftige Anwerbung von Informanten erschwert würde (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 10.1.2012 - 20 F 1.11 -, [...] Rn. 26; Beschl. v. 6.4.2011 - 20 F 20.10 -, [...] Rn. 12 jeweils m.w.N.).

33

Hinsichtlich der als Blatt ... Beiakte ... vorhandenen Unterlagen konnte der Senat indes nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass objektiv ein Geheimhaltungsgrund im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO vorliegt.

34

Die genannten Unterlagen müssen nicht nach einem Gesetz geheim gehalten werden. Das Vorliegen dieses Geheimhaltungsgrundes hat auch der Beklagte in seinen Sperrerklärungen nicht geltend gemacht.

35

Die genannten Unterlagen müssen entgegen der Annahme des Beklagten in der Sperrerklärung vom 30. Januar 2007 auch nicht ihrem Wesen nach geheim gehalten werden. Denn Akten sind nicht schon wegen einer Einstufung als Verschlusssache ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig. Die Geheimhaltungsbedürftigkeit richtet sich vielmehr allein nach den materiellen Maßstäben des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.4.2010, a.a.O., S. 354 m.w.N.).

36

Das Bekanntwerden des Inhalts der genannten Unterlagen würde auch dem Wohl des Bundes oder des Landes Niedersachsen keinen Nachteil bereiten. Dass das Bekanntwerden des Inhalts die künftige Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Rückschlüsse auf Arbeitsweisen und Methoden der Erkenntnisgewinnung ermöglichen würde, hat der Beklagte nicht geltend gemacht. Dies ist auch für den Senat nicht ersichtlich. Entgegen der Darstellung des Beklagten vermag der Senat auch nicht zu erkennen, dass das Bekanntwerden des Inhalts Informationsquellen gefährden könnte.

37

Dies gilt zunächst für Blatt ... Beiakte ..., soweit diese Erkenntnisse enthalten, die ausweislich des Vorbringens der Klägerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegenüber ihr bereits offengelegt worden sind. Ein Bedürfnis für eine weitere Geheimhaltung dieser Erkenntnisse gerade durch den Beklagten ist nicht erkennbar.

38

Dies gilt aber auch für Blatt ... Beiakte .... Dies sind sämtlichst Unterlagen, denen ein Bezug zu persönlichen Daten fehlt. Aus diesen Unterlagen allein ist auch nicht zu erkennen, aus welcher Informationsquelle sie stammen, auf welchem Wege sie vom Beklagten beschafft wurden und zu welchem Zeitpunkt sie zu den Sachakten des Beklagten gelangten. Auch wenn es sich dabei nicht um allgemein zugängliche Unterlagen handeln sollte, waren sie jedenfalls nicht an einen konkreten Adressaten gerichtet, sondern von vorneherein einem größeren Personenkreis zugänglich. Dieser Personenkreis mit Zugang zu den genannten Unterlagen dürfte sich zudem im Laufe der vergangenen Zeit noch erheblich vergrößert haben. Auch Rückschlüsse auf einen abgrenzbaren Kreis oder gar eine von mehreren in Betracht kommenden Informationsquellen erscheinen daher jedenfalls heute nicht mehr möglich. Erlaubt damit aber weder die Unterlage selbst noch ihre Art, etwa die Zusammenstellung oder der Zeitpunkt ihrer Erlangung (vgl. zu diesem Aspekt: BVerwG, Beschl. v. 5.4.2012 - 20 F 1.12 -, [...] Rn. 5; Beschl. v. 7.1.2010 - 20 F 5.09 -, NVwZ 2010, 706, 707), auch nur plausible Rückschlüsse darauf, aus welchem abgrenzbaren Kreis von Informationsquellen oder gar von welcher konkreten Informationsquelle sie stammt (vgl. zu diesem Aspekt: BVerwG; Beschl. v. 21.8.2012 - 20 F 5.12 -, [...] Rn. 10; Beschl. v. 8.3.2010 - 20 F 11.09 -, NJW 2010, 2295, 2297), ob sie überhaupt durch verdeckte Erkenntnisquellen gewonnen worden ist (vgl. zu diesem Aspekt: BVerwG, Beschl. v. 16.12.2010 - 20 F 15.10 -, NVwZ-RR 2011, 261, 262) oder auf welchem Wege sie zu den Sachakten des Beklagten gelangt ist (vgl. zu diesem Aspekt: BVerwG, Beschl. v. 5.4.2012, a.a.O.), ist eine Geheimhaltung zum Zwecke des Quellenschutzes nicht gerechtfertigt. Dies gilt umso mehr, als selbst der Beklagte vergleichbare Unterlagen gegenüber der Klägerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als Anlage zum Schriftsatz vom 27. November 2012 bereits offengelegt hat.

39

Die in den zurückgehaltenen Akten weiter befindlichen Unterlagen, für die ein Geheimhaltungsbedarf auch vom Beklagten verneint worden ist, sind gegenüber der Klägerin bereits als Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 27. November 2012 offengelegt worden. Insoweit besteht keine Weigerung des Beklagten, die in diesem Zwischenverfahren noch festgestellt werden könnte.

40

Eine nähere Begründung zum Vorliegen und Nichtvorliegen von Geheimhaltungsgründen muss hier unterbleiben, weil die Entscheidungsgründe nach § 99 Abs. 2 Satz 10 VwGO Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten nicht erkennen lassen dürfen.

41

Die Entscheidung über die Verweigerung der Aktenvorlage erfordert schließlich grundsätzlich eine Ermessensausübung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Durch die Ermessenseinräumung wird der obersten Aufsichtsbehörde die Möglichkeit eröffnet, dem öffentlichen Interesse und dem individuellen Interesse der Prozessparteien an der Wahrheitsfindung in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess den Vorrang vor dem Interesse an der Geheimhaltung der Schriftstücke zu geben. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO regelt die Auskunftserteilung und Aktenvorlage im Verhältnis der mit geheimhaltungsbedürftigen Vorgängen befassten Behörde zum Verwaltungsgericht, das in einem schwebenden Prozess für eine sachgerechte Entscheidung auf die Kenntnis der Akten angewiesen ist. In diesem Verhältnis stellt das Gesetz die Auskunftserteilung und Aktenvorlage in das Ermessen der Behörde, lässt dieser also die Wahl, ob sie die Akten oder die Auskunft wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit zurückhält oder ob sie davon um des effektiven Rechtsschutzes willen absieht. Die oberste Aufsichtsbehörde muss in ihrer Sperrerklärung in nachvollziehbarer Weise erkennen lassen, dass sie gemessen an diesem Maßstab die Folgen der Verweigerung mit Blick auf den Prozessausgang gewichtet hat (vgl. BVerwG, Beschl. 31.1.2011 - 20 F 18.10 -, [...] Rn. 9 m.w.N.).

42

Die Sperrerklärungen des Beklagten genügen diesen Anforderungen von vorneherein nicht, soweit sie hinsichtlich der als Blatt ... Beiakte ... vorhandenen Unterlagen einen überwiegenden Geheimhaltungsbedarf angenommen haben. Wie dargestellt fehlt es insoweit bereits weitgehend am Vorliegen von Geheimhaltungsgründen. Soweit Blatt ... Beiakte ... darüber hinaus in geringem Umfang Erkenntnisse enthalten, die gegenüber der Klägerin noch nicht offengelegt worden sind, oder Informationsquellen und -wege sowie Arbeitsweisen der Verfassungsschutzbehörden erkennen lassen oder vom Beklagten auf den genannten Unterlagen Bemerkungen, insbesondere Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen angebracht worden sind, kann der Beklagte einem etwaigen Geheimhaltungsbedarf durch teilweise Schwärzungen Rechnung tragen. Eine vollständige Geheimhaltung der genannten Unterlagen ist insoweit nicht ermessensgerecht.

43

Soweit im Übrigen für die nicht offengelegten Aktenteile ein objektiver Geheimhaltungsbedarf bejaht worden ist, genügen die Sperrerklärungen den dargestellten Anforderungen an die Ermessensausübung. Der Beklagte hat - in Abgrenzung zu der nach der fachgesetzlichen Bestimmung des § 13 Abs. 2 NVerfSchG zu treffenden Ermessensentscheidung über die Ablehnung der Auskunftserteilung (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerwG, Beschl. v. 18.6.2008 - 20 F 44.07 -, Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 49) - das ihm nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO eingeräumte Ermessen erkannt und die Interessen des Landes an der Geheimhaltung mit den gegenläufigen privaten und öffentlichen Interessen an effektivem Rechtsschutz und umfassender Aufklärung des Sachverhalts abgewogen. Dabei hat er auch die Tätigkeit der Klägerin als Bundestagsabgeordnete berücksichtigt und nachvollziehbar dargestellt, dass keine die Abgeordnetentätigkeit der Klägerin betreffenden Erkenntnisse gehoben und gespeichert worden seien und diese daher im Rahmen der Abwägung keine gesteigerte Bedeutung erlangen, also das öffentliche Geheimhaltungsinteresse nicht überwiegen könne. Diese Ausführungen sind bezogen auf die individuellen Umstände des vorliegenden Falles zwar kurz gehalten, genügen aber noch den Anforderungen an eine Ermessensausübung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Ermessensfehler sind insoweit nicht zu erkennen.

44

Auf den im Hauptsacheverfahren von der Klägerin erhobenen Einwand, die Erhebung und Speicherung von auf Abgeordnete des Deutschen Bundestages bezogenen Daten durch Verfassungsschutzbehörden stelle eine Beeinträchtigung der Amtsführung eines Mitglieds eines Verfassungsorgans dar und sei rechtswidrig, kommt es für dieses Zwischenverfahren nicht an. Der Senat hat nur darüber zu entscheiden, ob die Sperrerklärungen des Beklagten gemessen an den dargestellten Maßstäben des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtmäßig sind, nicht hingegen darüber, ob die Datenerhebung und Speicherung durch den Beklagten die fachgesetzlich und gegebenenfalls verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen beachtet hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 9.3.2010 - 20 F 16.09 -, Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 57; Beschl. v. 5.2.2009, a.a.O., Rn. 13).

45

Einer eigenständigen Kostenentscheidung bedarf es im Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht. Denn es handelt sich im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren um einen unselbstständigen Zwischenstreit, für den das Gerichtskostengesetz einen Ansatz von Gerichtsgebühren nicht vorsieht und besondere anwaltliche Vergütungsansprüche nicht entstehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.12.2010, a.a.O., S. 263). Auch ein Streitwert ist daher nicht festzusetzen.