Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.12.2012, Az.: 10 LB 163/10
Uneingeschränkte Nutzung für den landwirtschaftlichen Betrieb als Voraussetzung für das Erhalten eines Betriebs oder eines Betriebsteils nach Art. 20 Abs. 1 VO Nr. 795/2004/EG; Vorliegen der Voraussetzungen für den Erhalt eines Betriebs oder eines Betriebsteils nach Art. 20 Abs. 1 VO Nr. 795/2004/EG bei Bestehen eines Nießbrauchsrechts
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 12.12.2012
- Aktenzeichen
- 10 LB 163/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 29725
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:1212.10LB163.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Osnabrück - 15.12.2009 - AZ: 1 A 18/07
Rechtsgrundlagen
- Art. 20 Abs. 1 VO 795/2004/EG
- Art. 42 Abs. 4 VO 1782/2003/EG
- Art. 63 Abs. 4 VO 1782/2003/EG
Amtlicher Leitsatz
Ein Erhalten eines Betriebs oder eines Betriebsteils nach Art. 20 Abs. 1 VO (EG) Nr. 795/2004 setzt voraus, dass der Übernehmende aufgrund der Übernahme den Betrieb oder Betriebsteil - abgesehen von dem in Art. 20 Abs. 1 VO (EG) Nr. 795/2004 geregelten Umstand der Verpachtung des Betriebs oder Betriebsteils an einen Dritten - uneingeschränkt für seine landwirtschaftliche Tätigkeit nutzen kann. Dies ist bei einem uneingeschränkten Fortbestehen eines Nießbrauchs an dem Betrieb oder Betriebsteil zugunsten einer anderen Person als den Übernehmer zu verneinen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zuteilung von Zahlungsansprüchen nach der Betriebsprämien-regelung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003.
Er erwarb gemeinsam mit seiner Ehefrau mit Vertrag vom 31. Mai 1995 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge die frühere Hofstelle nebst landwirtschaftlichen Nutzflächen seines Schwiegervaters, des im Februar 1935 geborenen Herrn A. B., jeweils zur ideellen Hälfte. In diesem Vertrag unter Ziffer VIII bewilligten die Übernehmer - der Kläger und dessen Ehefrau - zugunsten des Übergebers - Herrn A. B. - und dessen Ehefrau ein unentgeltliches lebenslängliches Nießbrauchsrecht u.a. an den Flurstücken 1 und 6 der Flur 134, Gemarkung C., zur Größe von rd. 12 ha. Zuvor hatte der Übergeber diese Flächen bis 1972 selbst landwirtschaftlich genutzt. Danach hatte er sie von 1972 bis Anfang 1997 als Ackerland an den Landwirt D. E. in F. verpachtet. Mit Pachtvertrag vom 29. Januar 1997 verpachteten die Eheleute A. und G. B. (als Nießbrauchsberechtigte) die vorgenannten Flurstücke an den Landwirt D. E. für die Zeit vom 1. Februar 1997 bis 31. Januar 2006. Der Kläger und seine Ehefrau bestätigten diesen Pachtvertrag als Eigentümer der Flurstücke.
Seit Auslaufen des Pachtvertrages und Rückgabe der Pachtflächen zum 1. Februar 2006 bewirtschaftet der Kläger diese Flächen. Er beantragte am 15. Mai 2006 bei der Beklagten u.a. die Zuweisung von Zahlungsansprüchen in 2006 aus der nationalen Reserve wegen Übernahme von Flächen oder Betrieben bzw. Betriebsteilen nach Art. 20 Verordnung (EG) Nr. 795/2004 (Teil II Ziffer 4.3 des Sammelantrags Agrarförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen 2006). Im Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis (Anlage 1a zum Sammelantrag) meldete er die Feldblöcke DENILI 03 3109 0264 und -0265 zur Größe von zusammen 12,07 ha an. Im Vordruck I zum Sammelantrag erklärte er, er habe vor dem 17. Mai 2005 von einem Betriebsinhaber, der vor diesem Datum seine landwirtschaftliche Tätigkeit eingestellt habe oder verstorben sei und der keinen eigenen Antrag auf Festsetzung der Zahlungsansprüche gestellt habe, mit Wirkung vom 31. Mai 1995 einen Betrieb bzw. Betriebsteil durch Vererbung oder im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge erhalten; der Alteigentümer habe mit Hofübergabe seine landwirtschaftliche Tätigkeit eingestellt.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 18. Dezember 2006 den Antrag auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Die Hofübergabe an den Kläger sei am 31. Mai 1995 erfolgt. Der Pachtvertrag sei am 29. Januar 1997 für die Zeit vom 1. Februar 1997 bis 31. Januar 2006 geschlossen worden. Da der Kläger zum Zeitpunkt der Verpachtung bereits Eigentümer der Fläche gewesen sei, sei die Bedingung aus Art. 20 Verordnung (EG) Nr. 795/2004 nicht erfüllt, dass die Zahlungsansprüche nur für Flächen zu gewähren seien, die vom Alteigentümer über den Pächter auf den Erben gelangten.
Der Kläger hat am 18. Januar 2007 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen: Die Beklagte verkenne die Rechtswirkungen des Nießbrauchsrechts. Seine Schwiegereltern hätten die Flächen (mit Pachtvertrag vom 29. Januar 1997) aufgrund des ihnen zustehenden Nießbrauchsrechts verpachtet. Hierauf habe er keinen Einfluss gehabt. Dass der Pachtvertrag auch von den Eigentümern der Flächen mit unterschrieben worden sei, sei ohne rechtliche Bedeutung. Nach Ablauf des Pachtvertrages hätten seine Schwiegereltern im Rahmen ihres Nießbrauchsrechts zu seinen Gunsten über die Flächen verfügt bzw. habe sein Schwiegervater die Flächen "nunmehr" auf Dauer auf ihn - den Kläger - zur Bewirtschaftung übertragen. Zwischen "den Parteien" sei vertraglich vereinbart worden, dass die Flächen nunmehr auf Dauer von ihm bewirtschaftet würden. Sinn und Zweck der Regelungen nach EG-Recht sei, dass Erben, die nach Ablauf des Referenzzeitraums Flächen anträten, hierfür Prämien erlangen sollten, um ihnen den Start auf den landwirtschaftlichen Flächen zu ermöglichen, jedenfalls soweit sie keinen Einfluss darauf hätten, dass ihnen die Flächen während des Referenzzeitraums noch nicht zur Verfügung gestanden hätten.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Dezember 2006 zu verpflichten, ihm Zahlungsansprüche für 12,0343 ha zuzuweisen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die dem angefochtenen Bescheid beigegebenen Gründe Bezug genommen und diese vertieft. Ergänzend hat sie im Wesentlichen erwidert: Die Voraussetzungen des Art. 20 Verordnung (EG) Nr. 795/2004 lägen nicht vor, weil hier der Pachtvertrag vom Januar 1997 erst eineinhalb Jahre nach der Übergabe des Grundbesitzes an den Kläger abgeschlossen worden sei. Seit dem Zeitpunkt der Grundbesitzübergabe im Mai 1997 hätten dem Kläger die Flächen bereits zur Verfügung gestanden; er hätte schon damals die Möglichkeit gehabt, die Flächen selbst zu bewirtschaften. Daneben schließe der auf den Flächen lastende Nießbrauch eine Übertragung des Betriebs auf den Kläger aus. Zwar scheine es so, dass die Parteien des Grundstücksübergabevertrages mündlich vereinbart hätten, dass die Nießbrauchsberechtigten auf die Ausübung ihres Nießbrauchsrechts verzichtet hätten. Da dieses dingliche Recht jedoch nicht aus dem Grundbuch gelöscht worden sei, bestehe es weiterhin und stelle somit ein umfassendes Nutzungsrecht dar.
Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen A. B. über dessen landwirtschaftliche Tätigkeit, den Zeitraum der Verpachtung seiner landwirtschaftlichen Flächen und die Einzelheiten der Weiterverpachtung an den Kläger sowie die Ausnutzung des auch dem Zeugen zustehenden Nießbrauchsrechts. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der Sitzung des Verwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2009 Bezug genommen (Bl. 52 ff. der Gerichtsakte).
Das Verwaltungsgericht hat mit aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2009 ergangenem Urteil der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 18. Dezember 2006 verpflichtet, dem Kläger Zahlungsansprüche für 12,0434 ha nach Maßgabe seines Antrags vom 15. Mai 2006 aus der nationalen Reserve zuzuweisen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe nach Art. 20 Verordnung (EG) Nr. 795/2004 in Verbindung mit § 14 BetrPrämDurchfV einen Anspruch auf "Zahlungsansprüche für 12,0343 ha" wegen des Erwerbs - gemeinsam mit seiner Ehefrau - des auch im Jahr 2005 fremd verpachteten landwirtschaftlichen Betriebs von seinem Schwiegervater im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Nach dem notariellen Vertrag zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau sowie seinen Schwiegereltern sei die Übergabe der zum Hof gehörenden Flächen gerade zum Zwecke der vorweggenommenen Erbfolge erfolgt. Der Kläger sei Betriebsinhaber im Sinne des Art. 20 Verordnung (EG) Nr. 795/2004, weil er den Hof mit Ablauf des Pachtverhältnisses des früheren Pächters E. am 31. Januar 2006 - und damit im ersten Anwendungsjahr der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 - im Sinne dieser Vorschrift "erhalten" habe. Infolge des Hofübergabevertrages vom Mai 1995 sei der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer an den landwirtschaftlichen Flächen geworden. Dieses Eigentum sei ihm jedoch zunächst nicht unbeschränkt zugewachsen, sondern sei schon in der Übergabeüberlassung mit einem "Nießbrauchsrecht der Übergeber" belastet gewesen. Der Kläger habe die Flächen auch im ersten Anwendungsjahr der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 erhalten. Der vom Zeugen B. erläuterte Übergang der Flächen zur Bewirtschaftung habe entgeltlich und auch in mündlicher Form erfolgen können. Er wäre als Aufgabe des Rechts an einem Grundstück zu werten, machte das Grundbuch - mit der Berichtigungsfolge - unrichtig und wäre formlos wirksam. Kein zwingendes Indiz sei dabei die Höhe der ausbedungenen jähr-lichen Zahlung für die Überlassung der Nutzung der Flächen, die durch den Verzicht auf die Ausübung des Nießbrauchsrechts möglich sei. Denkbar wäre auch, die Überlassung der Flächen nach Ende des Pachtverhältnisses am 31. Januar 2006 als Rückpacht des Eigentümers vom Nießbrauchsberechtigten zu verstehen. Welche der rechtlichen Würdigungen von den Beteiligten tatsächlich gewollt und getroffen worden sei, könne hier offen bleiben. Beide Varianten führten dazu, dass die vom Nießbrauch unbeeinträchtigte landwirtschaftliche Nutzung der Flächen zum 1. Februar 2006 jedenfalls bewirke, dass die landwirtschaftlichen Flächen nunmehr dem Kläger zur Verfügung gestanden hätten. Dass dies der maßgebende Umstand sei, auf den Art. 20 der Verordnung (EG) 795/2004 abstelle, ergebe sich aus den Erwägungen unter Ziffer 16 dieser Verordnung. Wenn in den Fällen des unverpachteten Betriebsübergangs die Zahlungsansprüche wie der Betriebsprämienanspruch übergehe, bliebe der Hofübernehmer eines verpachteten Betriebes ohne diese Regelung ohne Zahlungsansprüche und habe er allenfalls unter erschwerten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Betriebstätigkeit selbst aufnehmen können. Dies wolle nach dem Erwägungsgrund Nr. 16 die Härtefallregelung auch in Art. 20 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 verhindern. So gesehen, sei die vorliegende Konstellation nur durch vorübergehende Übertragung (Bewilligung) des Nießbrauchsrechts von der typischen Übertragung eines verpachteten Betriebs verschieden.
Die Beklagte führt die vom Senat mit Beschluss vom 26. Oktober 2010 wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zugelassene Berufung. Zur Begründung vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor: Dem Kläger könnten keine Zahlungsansprüche zugewiesen werden, weil er die betreffenden Flächen (in der Zeit von 1995 bis Januar 2006) nicht bewirtschaftet habe, denn nach dem Hofübergabevertrag habe er die Flächen dem Erblasser zum Nießbrauch überlassen müssen. Aufgrund des weiterhin bestehenden Nießbrauchsrechts seien die Flächen nach Ablauf der Pacht nicht an den Erben, sondern an die Nießbrauchs-berechtigten zurückgefallen, so dass diese die Flächen dem Erben nur (noch) hätten verpachten können.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Erwiderung auf die Berufung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren. Ergänzend führt er aus: Sinn und Zweck der Härtefallregelung sei, dass Junglandwirte, an die fremdverpachtete Flächen unter Bezug auf eine Erbregelung zurückfielen, für die sie vom Erblasser wegen der Fremdverpachtung keine Betriebsprämien hätten erhalten können, mit Betriebsprämien ausgestattet würden, um den am Markt konkurrierenden Berufskollegen in etwa gleichgestellt zu werden. Sofern sichergestellt gewesen sei, dass die Anpachtung landwirtschaftlicher Flächen unter Bezug auf eine zukünftige Erbenregelung erfolgt sei, seien Härtefälle von der Beklagten anerkannt worden. Das möge unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten auch hier geschehen. Zum Zeitpunkt des Auslaufens des Pachtverhältnisses zwischen dem Inhaber des Nießbrauchsrechts und Herrn E. hätten die Beteiligten die Aufhebung des Nießbrauchsrechts vereinbart. Er habe mit dem Inhaber des Nießbrauchsrechts mündlich die Aufhebung des Nießbrauchsrechts vereinbart. Der Nießbrauch sei nach Angaben des Inhabers des Nießbrauchsrechts durch eine Versorgungsleistung in Höhe von 4000 EUR jährlich abgelöst worden. Wegen der schuldrechtlichen formfreien Aufhebung des Nießbrauchsrechts habe er die betr. Flächen für seine landwirtschaftliche Tätigkeit unmittelbar nach Beendigung des Pachtverhältnisses zwischen dem Hofübergeber und Herrn E. uneingeschränkt nutzen können und er habe dies auch getan. Es liege auch kein Fall der Rückpacht vor. Sein nießbrauchsberechtigter Schwiegervater habe bei der Vernehmung als Zeuge ausdrücklich angegeben, dass er für seine Verzichtserklärung eine Ersatzzahlung in Höhe von 4.000 EUR jährlich erhalte und daher diese Zahlung nicht als Pachtzahlung ansehe.
Die Beteiligten sind zu der Absicht des Senats angehört worden, nach § 130a VwGO der Berufung der Beklagten durch Beschluss stattzugeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Senat trifft diese Entscheidung durch Beschluss, weil er die zulässige Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 130a Satz 1 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2006 ist rechtmäßig. Die Beklagten hat den Antrag des Klägers auf Zuteilung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve mangels Anspruchs zu Recht abgelehnt.
1.
Der Entscheidung des Rechtsstreits sind die Vorschriften zugrunde zu legen, die sich für das Antragsjahr 2006 Geltung beilegten. Hiernach beurteilt sich der geltend gemachte Anspruch nach Art. 63 Abs. 4, Art. 42 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für die Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. Nr. L 270 S. 1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 319/2006 des Rates vom 20. Februar 2006 (ABl. Nr. L 58 S. 32) - im Folgenden: VO (EG) Nr. 1782/2003 - in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 795/2004 der Kommission vom 21. April 2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Betriebsprämien-regelung (ABl. Nr. L 141 S. 1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 658/2006 der Kommission vom 27. April 2006 (ABl. Nr. L 116 S. 14), im Folgendem: VO (EG) Nr. 795/2004.
Nach der letztgenannten Vorschrift erhält ein Betriebsinhaber Zahlungsansprüche, der vor dem Zeitpunkt der Antragstellung auf Teilnahme an der Betriebsprämienregelung in deren erstem Anwendungsjahr von einem Betriebsinhaber, der die landwirtschaftliche Tätigkeit eingestellt hat oder verstorben ist, durch kostenlose oder zu einem symbolischen Preis erfolgte Übertragung im Rahmen eines Verkaufs oder einer Pacht für sechs oder mehr Jahre oder durch Vererbung bzw. vorweggenommene Erbfolge einen im Bezugszeitraum an einen Dritten verpachteten Betrieb oder Betriebsteil erhalten hat; dabei werden die Zahlungsansprüche berechnet, indem der vom Mitgliedstaat nach objektiven Kriterien unter Gewährleistung der Gleichbehandlung der Betriebsinhaber und unter Vermeidung von Markt- und Wettbewerbsverzerrungen festgestellte Referenzbetrag durch eine Hektarzahl geteilt wird, die die Hektarzahl des von ihm erhaltenen Betriebs oder Betriebsteils nicht übersteigt. Nähere Bestimmungen zur Berechnung des Referenzbetrages in Fällen der Beantragung von Zahlungsansprüchen ab dem Jahr 2006 enthält § 14 Abs. 4 Betriebsprämiendurchführungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung vom 26. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2376) - im Folgenden: BetrPrämDurchfV, und zwar hinsichtlich der Ermittlung des betriebsindividuellen Betrags in den Sätzen 1 bis 4 und im Hinblick auf den - hier allein in Betracht kommenden - flächenbezogenen Betrag in Satz 5 dieser Vorschrift.
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht:
Er hat nicht vor dem Zeitpunkt der Antragstellung auf Teilnahme an der Betriebsprämienregelung in deren erstem Anwendungsjahr - nach Art. 34 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1782/2003 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Betriebsprämiendurchführungsgesetz vom 26. Juli 2004 (BGBl. I S. 1763) - BetrPrämDurchfG - und § 11 Abs. 1 InVeKoS-Verordnung vom 3. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3194) mithin vor dem 17. Mai 2005 - einen Betrieb oder Betriebsteil erhalten. Allenfalls später, nämlich nach dem 31. Januar 2006 hat er die von ihm angemeldeten Flächen (Betriebsteile) vom früheren Betriebsinhaber erhalten.
Zwar haben der Kläger und dessen Ehefrau jeweils zur ideellen Hälfe das Eigentum der früheren Hofstelle seines Schwiegervaters bzw. ihres Vaters nebst landwirtschaftlichen Nutzflächen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge durch Übergabevertrag vom Mai 1995 erworben. Allerdings bewilligten der Kläger und dessen Ehefrau - die Übernehmer der Hofstelle - mit dem Übergabevertrag dem Übergeber und dessen Ehefrau als Gesamtberechtigte zugleich einen Nießbrauch u.a. an den vom Kläger im Antragsverfahren 2006 angemeldeten Flächen. Ein Erhalten eines Betriebs oder eines Betriebsteils nach Art. 20 Abs. 1 VO (EG) Nr. 795/2004 setzt aber voraus, dass der Übernehmende aufgrund der Übernahme den Betrieb oder Betriebsteil - abgesehen von dem in Art. 20 Abs. 1 VO (EG) Nr. 795/2004 geregelten Umstand der Verpachtung des Betriebs oder Betriebsteils an einen Dritten - uneingeschränkt für seine landwirtschaftliche Tätigkeit nutzen kann. Dies ist bei einem uneingeschränkten Fortbestehen eines Nießbrauchs an dem Betrieb oder Betriebsteil zugunsten einer anderen Person als dem Übernehmer zu verneinen. Denn die nach § 1030 Abs. 1 BGB erfolgte Belastung eines Grundstücks mit einem Nießbrauch hat zur Folge, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen der Sache zu ziehen. Damit konstituiert diese Vorschrift den Nießbrauch als umfassendes Sachnutzungsrecht des Nießbrauchers. Diese Auslegung des Art. 20 Abs. 1 VO (EG) Nr. 795/2004 steht im Einklang mit Sinn und Zweck der Bestimmung. Nach dem 16. Erwägungsgrund der Verordnung sollte für den Fall, dass sich ein Betriebsinhaber zur Ruhe setzt oder stirbt und seinen Betrieb ganz oder teilweise auf ein Familienmitglied oder einen Erben überträgt, der die landwirtschaftliche Tätigkeit in diesem Betriebs fortsetzen will, sichergestellt werden, dass die Übertragung des Betriebs oder Betriebsteils innerhalb der Familie reibungslos erfolgen kann, insbesondere, wenn die übertragene Fläche während des Bezugszeitraums an einen Dritten verpachtet war, ohne der Möglichkeit vorzugreifen, dass der Erbe die landwirtschaftliche Tätigkeit fort-setzen kann. Behält sich der Übergeber im Falle der Übertragung eines Betriebs oder Betriebsteil an den Übernehmer das umfassende Recht vor, die Nutzungen des Betriebs oder Betriebsteils selbst zu ziehen, oder hat er dieses Recht auf eine andere Person (mit-) übertragen, ist eine landwirtschaftliche Nutzung des Betriebs oder Betriebsteils durch den Übernehmer trotz Übereignung im Wege der Erbfolge oder der vorweggenommenen Erbfolge (ohne Zustimmung des Berechtigten) nicht möglich; in diesem Fall verbleibt bei der gebotenen wirtschaftlichen und rechtlichen Betrachtung die Möglichkeit der landwirtschaftlichen Nutzung des Betriebs oder des Betriebsteils beim Nießbrauchsberechtigten, gelangt hingegen nicht an den Übernehmer des Betriebs oder Betriebsteils.
Das auf den hier streitigen Flächen lastende Nießbrauchsrecht bestand jedenfalls über den maßgeblichen Zeitpunkt des 17. Mai 2005 hinaus. Schon nach dem Vorbringen des Klägers bestand der Nießbrauch an den von ihm angemeldeten Flächen bis zum Ablauf des in 1997 vereinbarten Pachtverhältnisses mit dem Landwirt E., mithin bis zum 31. Januar 2006 fort. So hat der Kläger vorgetragen, er habe mit seinem Schwiegervater die Aufhebung des Nießbrauchsrechts schuldrechtlich zum Zeitpunkt des Auslaufens des Pachtverhältnisses mit dem Pächter E. - mithin mit Ablauf des 31. Januar 2006 - vereinbart. Damit übereinstimmend hat der Zeuge B. in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 15. Dezember 2009 bestätigt, die betr. Flächen als Nießbraucher an den Landwirt E. ab 1997 verpachtet zu haben und nachfolgend zugunsten "seiner Kinder" auf das Nießbrauchsrecht gegen Zahlung eines Betrages von jährlich 4.000 EUR verzichtet zu haben, wobei er die Zahlung nicht als Pachtzins ansehe.
Hiernach bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob schon aufgrund der Erklärung des Schwiegervaters des Klägers der auf den betreffenden Flächen lastende Nießbrauch wirksam erloschen ist oder ob eine schuldrechtliche Verpflichtung des Nießbrauchers auf Löschung des Nießbrauchsrechts genügt, um ein Erhalten im Sinne des Art. 20 Abs. 1 VO (EG) Nr. 795/2004 zu bewirken. Allerdings erscheint bereits zweifelhaft, ob die behauptete mündliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und dessen Schwiegervater Grundlage für ein Erlöschen des Nießbrauchs hätte sein können. Denn der Nießbrauch ist nicht allein zugunsten des Schwiegervaters des Klägers, sondern zugunsten der Schwiegereltern des Klägers als Gesamtberechtigte bewilligt worden. Dementsprechend konnte der Nießbrauch nur durch Erklärung aller Gesamtberechtigten (§ 428 BGB) zum Erlöschen gebracht werden. Denn der Verzicht durch einen Gesamtberechtigten setzt seine Verfügungsbefugnis über das gesamte Schuldverhältnis voraus (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1986 - VI ZR 234/94 -, NJW 1986, 1861; Bydlinski, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 429 Rdnr. 5). Eine solche Verfügungsbefugnis des Schwiegervaters des Klägers über das Nießbrauchsrecht (auch zugunsten der Schwiegermutter des Klägers) ergibt sich nicht aus dem Übergabevertrag vom Mai 1995.
Aber selbst wenn man annehmen wollte, dass die Berechtigten wirksam gegen Zahlung eines Betrags von 4.000 EUR jährlich auf den Nießbrauch an den betreffenden Flächen verzichtet hätten, lägen die Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 1 VO (EG) Nr. 795/2004 nicht vor. Nach dem Wortlaut werden allein Übertragungen von Betrieben oder Betriebsteilen erfasst, die durch kostenlose oder zu einem symbolischen Preis im Rahmen eines Verkaufs oder einer Pacht für sechs oder mehr Jahre oder durch Vererbung bzw. vorweggenommene Erbfolge erfolgt sind. Die Übereignung eines Betriebs oder eines Betriebsteils im Wege der vorweggenommenen Erbfolge bei gleichzeitiger Bewilligung eines Nießbrauchs hieran genügt den Anforderungen des Art. 20 Abs. 1 VO (EG) Nr. 795/2004 - wie bereits aufgezeigt - nicht. Der Verzicht auf den Nießbrauch durch den Berechtigten gegen eine jährliche Zahlung eines Betrages ist daher dem Fall einer Übertragung im Wege eines Verkaufs oder einer Pacht im Sinne dieser Vorschrift zuzuordnen. Doch liegen die weiteren Voraussetzungen dieser Fallgestaltung nicht vor, weil die hier auf den Verzicht auf den bewilligten Nießbrauch beruhende Übertragung des Betriebs weder kostenlos noch zu einem symbolischen Preis erfolgt ist. Die Zahlung eines Betrags von 4.000 EUR jährlich für Flächen zur Größe von rd. 12 ha ist nicht lediglich symbolisch, sondern dient als "Versorgungsleistung" weiterhin (auch) der Sicherung des Lebensunterhalts der Nießbrauchsberechtigten, mag auch anderweitig eine höhere Pacht erzielbar gewesen sein.