Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 14.03.2018, Az.: 4 A 7073/17

Syrien; Verfolgung; Wehrpflicht

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
14.03.2018
Aktenzeichen
4 A 7073/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74215
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Syrern, die sich durch die illegale Ausreise aus Syrien und Asylantragstellung im Ausland dem Wehrdienst entzogen haben, droht in ihrem Herkunftsland flüchtlingsrelevante Verfolgung wegen der Zuschreibung einer regimefeindlichen Gesinnung.

Als Verweigerung des Militärdienstes im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG kann auch die bloße Entziehung von der Wehrpflicht anzusehen sein, wenn es eine rechtsförmige Möglichkeit zur Verweigerung des Militärdienstes nicht gibt oder das Beschreiten des förmlichen Weges einer Kriegsdienstverweigerung mit der reellen Gefahr verbunden wäre, sich Verfolgungshandlungen auszusetzen.

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 21. Juli 2017 wird hinsichtlich der Ziffer 2. aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger von der Beklagten über den ihm zugestandenen subsidiären Schutz hinaus die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beanspruchen kann.

Der am C. 1979 in Al-Raqqa, Syrien, geborene Kläger ist nach den Feststellungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) syrischer Staatsangehöriger kurdischer Volks- und sunnitisch-islamischer Religionszugehörigkeit.

Am 04.03.2014 reiste er mit seiner Frau mit einem Visum aus humanitären Gründen in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie erhielten am 21.03.2014 eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG. Seiner Frau wurde mit Bescheid vom 15.10.2014 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Der Kläger selbst stellte keinen Asylantrag. Er verließ die Bundesrepublik am 08.03.2015 und reiste zurück nach Syrien.

Am 01.06.2015 reiste er erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 11.04.2016 mit Schreiben vom 06.04.2016 einen Asylantrag.

Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung am 27.02.2017 vor dem Bundesamt gab er im Wesentlichen an, dass seine Frau und er zuletzt in Aleppo gelebt hätten, er aber auch beruflich viel Zeit in Kobane verbracht habe. Er habe einen Textil- und Stoffhandel geführt. Er sei weder Mitglied einer nichtstaatlichen, bewaffneten Gruppierung, noch einer sonstigen politischen Organisation gewesen und sei nicht selber Augenzeuge, Opfer oder Täter von begangenem Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Übergriffen von kämpfenden Einheiten auf die Zivilbevölkerung, Hinrichtungen oder von Einsatz von Chemiewaffen geworden. Im Februar 2014 hätten seine Frau und er Aleppo verlassen, weil die Situation immer schlimmer geworden und ihre Wohnung bei einem Bombenangriff zerstört worden sei. Nachdem er seine Frau in Deutschland in Sicherheit gewusst habe, habe er sich entschlossen zurück nach Syrien zu reisen, um die zurückgelassenen Waren und sein Geschäft zu verkaufen. Er sei vom Libanon aus offiziell auf dem Landweg nach Syrien eingereist und von der Grenzpolizei wegen seines aus seinem Pass ersichtlichen deutschen Visums dazu aufgefordert worden, binnen einer Woche bei der Sicherheitspolizei vorstellig zu werden. Ihm sei mitgeteilt worden, dass er ein Ausreiseverbot habe. Er habe die Aufforderung, sich bei der Sicherheitspolizei zu melden, ignoriert und einige Monate bei einem Freund in Aleppo gelebt. Der Verkauf seines Vermögens habe sich als schwierig erwiesen. Danach habe er erkannt, dass er in Syrien nicht weiterleben könne. Er habe Syrien erneut auf dem Landweg in Richtung Libanon verlassen und hierbei insgesamt rund 3.000,- US-Dollar an Bestechungsgeldern zahlen müssen, um von den syrischen Sicherheitskräften nicht behelligt zu werden.

Er habe von 1997 bis 2000 seine Wehrpflicht abgeleistet, sei Reservist und ausgebildeter Panzerfahrer. Im Falle einer erneuten Rückkehr nach Syrien befürchte er, dass er zum Militär eingezogen und zum Kämpfen gezwungen werde. Er befürchte auch, dass die Sicherheitskräfte ihn dafür belangen würden, dass er die Aufforderung, sich bei der Sicherheitspolizei zu melden ignoriert und das Land verlassen habe, obwohl gegen ihn ein Ausreiseverbot ausgesprochen worden sei. Sein Name sei den Sicherheitskräften nun bekannt und ihm drohe Folter, Gefangenschaft und der Tod.

Mit Bescheid vom 21.07.2017, am 24.07.2017 als Einschreiben zur Post gegeben, erkannte das Bundesamt dem Kläger unter Ziffer 1. den subsidiären Schutzstatus zu. Unter Ziffer 2. lehnte es den Asylantrag im Übrigen ab. Zur Begründung stellte das Bundesamt im Wesentlichen darauf ab, dass der Kläger selbst keine Verfolgung in Syrien erlitten habe. Eine mögliche Einberufung zum Wehrdienst sei nicht konkret dargelegt, auch die Aufforderung sich bei der Sicherheitspolizei zu melden sei ohne Konsequenzen geblieben. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass allen aus Syrien ausgereisten Flüchtlingen bereits aufgrund ihrer illegalen Ausreise und der Asylantragstellung in der Bundesrepublik mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Falle einer Rückkehr Verfolgung drohe. Der Kläger befinde sich vielmehr allein aufgrund des in Syrien herrschenden innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes außerhalb des Landes.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 08.08.2017 Klage erhoben. Zur Begründung beruft er sich im Wesentlichen darauf, dass ihm ungeachtet individueller Gründe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung drohe, weil ihm aufgrund seiner Ausreise und des längeren Aufenthalts im Ausland von den Sicherheitskräften eine oppositionelle politische Einstellung zugeschrieben werde. Ferner ist er der Auffassung, dass er über einen Anspruch auf Familienasyl verfügt, da seiner Frau der Flüchtlingsstatus bestandskräftig zuerkannt worden sei. Im Übrigen wiederholt er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und Ziffer 2. des Bescheides vom 21.07.2017 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich zur Begründung auf den angegriffenen Bescheid und ergänzt, dass die Voraussetzungen für Familienasyl nicht vorlägen, weil der Kläger seinen Asylantrag erst am 11.04.2016 gestellt habe, obwohl er am 04.03.2014 erstmals in die Bundesrepublik eingereist sei, sodass die Antragstellung nicht unverzüglich im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG erfolgt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist zulässig und begründet.

Soweit in Ziffer 2. des Bescheides des Bundesamtes vom 21.07.2017 die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt wird, ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Der Kläger hat nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG, weil er sich nach Überzeugung des Gerichts aus begründeter Furcht vor Verfolgung durch den syrischen Staat außerhalb Syriens befindet. Ob er Syrien aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat, kann dahinstehen, weil ihm jedenfalls im Falle einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne der Vorschrift droht. Durch die Ausreise aus Syrien und seinem Aufenthalt in einem westlichen Staat nebst Asylantragstellung hat sich der sich im wehrfähigen Alter befindliche Kläger der Heranziehung zum Wehrdienst entzogen, weshalb für ihn ein erhöhtes Risiko besteht, bei einer Rückkehr nach Syrien im Rahmen der Rückkehrbefragung bzw. in deren Anschluss wegen unterstellten illoyalen Verhaltens und regimefeindlicher Gesinnung einer menschenrechtswidrigen Behandlung, insbesondere Inhaftierung und Folter, ausgesetzt zu werden.

Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG und keiner der genannten Ausnahmetatbestände einschlägig ist. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Ziffer 1) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Nr. 2. a) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Nr. 2. b).

Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen. In Absatz 2 des § 3a AsylG werden besondere Beispiele für Verfolgungshandlungen genannt. Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3). Wenn eine interne Schutzmöglichkeit besteht, wird die Flüchtlingseigenschaft dem Ausländer nicht zuerkannt, vgl. § 3e AsylG. Gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist unter dem Begriff der politischen Überzeugung insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist. Zwischen den Verfolgungsgründen und Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG). Dabei ist unerheblich, ob der Ausländer tatsächlich z.B. die religiösen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger nur zugeschrieben werden, § 3b Abs. 2 AsylG (OVG Lüneburg, Urteil vom 27. Juni 2017 – 2 LB 91/17 –, Rn. 31, juris). Ebenfalls ausreichend ist, dass eine Verfolgungshandlung auf dem Verdacht einer bestimmten Gesinnung beruht oder sie erst der Ermittlung einer oppositionellen Gesinnung dient (VGH Mannheim, Beschluss vom 29.10.2013 - A 11 S 2046/13 -, juris Rn. 6; VGH Kassel, Urteil vom 06.06.2017 - 3 A 3040/16.A - juris Rn. 71; VG Köln, Urteil vom 09. August 2017 – 26 K 6740/16.A –, Rn. 19, juris).

Eine „begründete Furcht“ vor Verfolgung liegt vor, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67, Rnr. 19). Der danach maßgebliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Zu bewerten ist letztlich, ob aus Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Schutzsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in das Herkunftsland als unzumutbar erscheint; insoweit geht es also um die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat (OVG Lüneburg, Urt. vom 27.06.2017 – 2 LB 91/17 – juris, Rn. 32; BVerwG, Urt. v. 6.3.1990 - 9 C 14.89 -, juris).

Ausgangspunkt der zu treffenden Prognoseentscheidung ist das bisherige Schicksal des Schutzsuchenden. Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat beziehungsweise von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war (Vorverfolgung), ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein ernsthafter Hinweis auf die Begründetheit seiner Furcht vor Verfolgung. Dies gilt nicht, wenn stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Antragsteller im Falle der hypothetischen Rückkehr erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Die hierdurch bewirkte Beweiserleichterung setzt jedoch einen inneren Zusammenhang zwischen dem vor Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden einerseits und dem befürchteten künftigen Schaden voraus. Diese sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) orientierende, auf die tatsächliche Gefahr (real risk) abstellende, Verfolgungsprognose hat in Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie, ABl. EU L 337 vom 20. Dezember 2011, S. 9 ff.) anhand des Maßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu erfolgen (vgl. BVerwG, Urt. vom 01.03.2012 - 10 C 7.11 -, juris, Rn. 12, m.w.N.). In der Vergangenheit liegenden Umständen kommt damit Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft zu (vgl. BVerwG, Urt. vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 -, BVerwGE 136, 377, juris, Rn. 23, unter Hinweis auf: EuGH, Urt. vom 02.03.2010 - C-175/08 u.a. [Abdulla u.a.] -, NVwZ 2010, 505 [EuGH 02.03.2010 - Rs. C-175/08; C-176/08; C-178/08; C-179/08], juris, Rn. 92 ff.; VG Trier, Urt. vom 07.10. 2016 – 1 K 5093/16.TR –, Rn. 21, juris).

Der Asylsuchende muss danach bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles sein Heimatland aus Furcht vor politischer Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG verlassen haben. Aufgabe des Schutzsuchenden ist es insoweit, von sich aus unter genauer Angabe von Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung droht. Der Vortrag eines Schutzsuchenden, der sein Verfolgungsschicksal wie viele Asylbewerber nicht durch andere Beweismittel nachweisen kann, ist dabei gemäß dem Gebot der freien richterlichen Beweiswürdigung zu würdigen (§ 108 Abs. 1 VwGO). Diese bindet das Gericht dabei nicht an starre Regeln, sondern ermöglicht ihm, den jeweiligen besonderen Umständen des Einzelfalles gerecht zu werden. Im Ergebnis muss das Gericht von der Wahrheit der klägerischen Behauptung eines individuellen Verfolgungsschicksals und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit die volle Überzeugung gewinnen. Hierbei darf das Gericht jedoch insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind (vgl. BVerwG, Urt. vom 16.04.1985 - 9 C 109.84 -, BVerwGE 71, 180, juris, Rn. 16).

Die begründete Furcht vor Verfolgung kann gemäß § 28 Abs. 1a AsylG auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist. Für subjektive Nachfluchttatbestände, die bereits während eines Erstverfahrens oder durch das Erstverfahren verwirklicht worden sind, greift damit keine Einschränkung. Im Hinblick auf die Flüchtlingsanerkennung müssen diese - anders als bei der Asylanerkennung - nicht einmal auf einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung beruhen (BVerwG, Urt. vom 18.12.2008 - 10 C 27.07 -, juris, Rn. 14; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. vom 18.07.2012 - 3 L 147/12.A -, juris, Rn. 26; VG Köln, Urt. vom 09.08.2017 – 26 K 6740/16.A –, juris, Rn. 30,).

Auch soweit die begründete Furcht vor Verfolgung auf Nachfluchttatbeständen beruht, genügt es bei der Prüfung der Verfolgungsgründe, wenn der Antragsteller befürchten muss, dass ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (vgl. § 3b Abs. 2 AsylG). Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 28 Abs. 1a AsylG die entsprechenden Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 und 2 der Qualifikationsrichtlinie umgesetzt und hiermit zugleich die grundsätzliche Relevanz von Nachfluchttatbeständen klargestellt. Der beachtliche Nachfluchttatbestand ist damit kein Ausnahmetatbestand, sondern ebenso wie der Vorfluchtgrund ein Regelfall des § 3 AsylG (VG Regensburg, Urt. vom 29.06. 2016 - RO 11 K 16.30707 -, Rn. 22 juris; VG Trier, Urt. vom 07.10.2016 – 1 K 5093/16.TR –, Rn. 24, juris)

I. Nach diesen Maßstäben hat der Kläger Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Bei verständiger Würdigung droht ihm bei einer hypothetischen Rückkehr nach Syrien (1.) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung (2.) wegen einer ihm zugeschriebenen politischen Überzeugung.

1. a) Es besteht die Gefahr von Handlungen, die auf Grund ihrer Art so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG). Aufgrund des Umstands, dass die syrischen Machthaber um des Erhalts ihrer infolge der militärischen Auseinandersetzung bedrohten Herrschaft willen mit äußerster Härte gegen tatsächliche und vermeintliche Oppositionelle vorgehen und jeder, der unter dem Verdacht steht, regimekritisch zu sein, dem Risiko willkürlicher Inhaftierung, Folter und anderer Misshandlungen, des Verschwindenlassens und des Todes während der Haft unterliegt, ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 3a AsylG zu befürchten, dass die syrischen Sicherheitsbehörden auch den Kläger wegen einer vermeintlich oppositionellen Haltung einer menschenrechtswidrigen Behandlung unterziehen werden.

Als Reservist, der sich durch seine Ausreise aus Syrien sowie die Asylantragstellung und den langfristigen Aufenthalt in einem westlichen Staat der Einberufung in die syrische Armee entzogen hat, erfüllt der Kläger diejenigen Kriterien, nach denen die syrischen Sicherheitskräfte Personen eine regimefeindliche Gesinnung zuschreiben und zum Ziel besagter Repressionen machen. Das Gericht schließt sich insoweit der Rechtsprechung an, die mit überzeugender Würdigung der vorhandenen Erkenntnisse und Auskünfte dargelegt hat, dass einem syrischen Mann, der trotz Militärdienstpflicht ausgereist ist, bei einer unterstellten Abschiebung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit menschenrechtswidrige Maßnahmen, insbesondere Folter, droht (vgl. nur OVG Bautzen, Urt. vom 07.02.2018 – 5 A 1245/17.A –, juris; OVG Bremen, Urt. vom 24.01.2018 – 2 LB 194/17 –, juris; VGH München, Urt. vom 14.02.2017 – 21 B 16.31001 –, und Urt. vom 12.12.2016 – 21 B 16.30372 –, beide juris; VGH Mannheim, Urt. vom 14.06.2017 – Az. A 11 S 511/17 –, juris; VGH Kassel, Urt. vom 06.06.2017 – 3 A 3040/16.A –, juris; OVG Münster, Urt. vom 04.05.2017 – 14 A 2023/16.A -, juris; VG Göttingen, Urt. vom 23.08.2017 – 3 A 546/17 –, juris; VG Köln, Urt. vom 09.08.2017 – 26 K 6740/16.A -, juris). Ob bereits ein Einberufungsbefehl ergangen ist, ist dabei nicht entscheidend.

Das Gericht nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die ausführlichen Begründungen des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs im Urteils vom 14.02.2017 (21 B 16.31001 -, juris, Rn. 24ff), des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg im Urteil vom 14.06.2017 (A 11 S 511/17 -, juris, Rn. 34ff) sowie des Verwaltungsgerichtshofs Kassel im Urteil vom 06.06.2017 (3 A 3040/16.A -, juris, Rn. 31) und schließt sich diesen in vollem Umfang an. Aus Sicht des Gerichts lässt sich entgegen der in der Rechtsprechung vertretenen Gegenauffassung (vgl. etwa OVG Lüneburg, Urt. vom 27.06.2017 - 2 LB 91/17 -, juris Rn. 43; OVG Saarlouis, Urt. vom 06.06.2017 - 2 A 283/17 - Rn. 31 ff, juris; VG Berlin, Urt. vom 17.10.2017 – 4 K 604.16 A –, juris) aufgrund einer wertenden Gesamtschau aller Umstände bei einer hypothetischen Rückkehr mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass sich Rückkehrer nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Inhaftierungen, Folter und Misshandlungen bis hin zur Tötung, aber auch dem Fronteinsatz ohne ausreichende Ausbildung ausgesetzt sehen, wenn sie sich der Wehrpflicht entzogen und sich längerfristig im westlichen Ausland aufgehalten haben. Auch aktuelle Erkenntnismittel geben zu einer anderen Bewertung der Lage keinen Anlass und halten an den bisherigen Einschätzungen fest (vgl. UNHCR, International Protection Consideration with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic Update V/2017, S. 39ff; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Köln vom 13.09.2017; IRB Canada, Syria: Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, including failed refugee claimants, people who exited the country illegally, and people who have not completed military service; factors affecting treatment, including age, ethnicity and religion (2014-December 2015), 19.01.2016, S. 6, 8; SFH, Syrien: Rückkehr, Auskunft der SFH-Länderanalyse vom 21.03.2017, S. 7, 8).

b) Das Gericht teilt nicht die Einschätzung, dass die große Anzahl der aus Syrien geflohenen Menschen der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungshandlung entgegensteht. Zwar ist es überzeugend, bei der Betrachtung einer hypothetischen Rückkehr einen Prognosemaßstab anzulegen, der die absehbaren Umstände der Rückkehr berücksichtigt und hieraus Schlüsse auf die einzustellende Verfolgungswahrscheinlichkeit zu ziehen. Es ist jedoch unzutreffend, innerhalb dieser Prognose die zeitnahe Rückkehr aller aus Syrien geflüchteten Personen als realistisches Rückkehrszenario anzunehmen und hieraus zu folgern, dass bereits aus Kapazitätsgründen eine Verfolgung aller Rückkehrer - insgesamt rund 4,8 Millionen Menschen, von denen sich etwa 700.000 in der Bundesrepublik aufhalten - nicht realitätsnah erscheint (so aber wohl OVG Lüneburg, Urt. vom 27.06.2017 – 2 LB 91/17 –, juris, Rn. 44). Die Annahme, dass sämtliche aus Syrien geflohenen Menschen innerhalb kürzester Zeit in das Land zurückkehren ist ebenso verfehlt und nicht systemgerecht wie nur die Rückkehr des einzelnen Klägers oder kleinerer Gruppen zu unterstellen. Das OVG Lüneburg selbst stellt fest, dass davon auszugehen sei, dass eine Rückkehr für Personen wie den Kläger nur über die internationalen Flughäfen in Damaskus und eventuell Latakia möglich erscheint, und dass an diesen Flughäfen Personen, gegen die ein Verdacht auf oppositionelle Aktivitäten vorliegt oder die für die Ableistung des Kriegsdienstes gesucht werden, intensiven Kontrollen ausgesetzt werden (a.a.O.). Ist aber davon auszugehen, dass die Rückkehrer aus der Bundesrepublik über die wenigen international angebundenen Flughäfen in Syrien einreisen, muss zugleich auch berücksichtigt werden, dass diese Flughäfen ein Nadelöhr für die aus Europa zurückkehrenden Menschen bilden und die Anzahl der innerhalb eines Tages zurückkehrenden Personen durch die Kapazitäten der Flugverbindungen und Flughäfen stark eingeschränkt ist. Eine hypothetische Rückkehr des Klägers würde damit nur gemeinsam mit einer überschaubaren Anzahl anderer Rückkehrer aus westlichen Staaten am Flughafen in Damaskus erfolgen können, von denen wiederum nur die männlichen Rückkehrer als Kriegsdienstverweigerer in Betracht kommen. Dies räumt letztlich auch das OVG Lüneburg in seinen Entscheidungsgründen ein, wenn es an anderer Stelle darauf hinweist, dass „nicht außer Betracht bleiben [kann], dass die (hypothetisch) aus dem westlichen Ausland Rückkehrenden zu einem großen Teil namentlich bekannt sein und unter Beobachtung der rückführenden Staaten und/oder humanitärer Organisationen stehen werden, was für das auf seine Reputation bedachte syrische Regime Anlass für ein mäßigendes Verhalten sein dürfte und daher ebenfalls gegen die Gefahr einer Verfolgungshandlung spricht“ (a.a.O., Rn. 50, juris) und somit selbst von einer überschaubaren Anzahl an Rückkehrern ausgeht. Angesichts der Tatsache, dass die syrischen Sicherheitskräfte – insbesondere an den logistischen Knotenpunkten – weiterhin effektiv Staatsgewalt ausüben, keinen rechtsstaatlichen Beschränkungen unterliegen und darüber hinaus die hier in Rede stehende Personengruppe leicht anhand von Alter, Geschlecht und Flugroute identifizieren können, erscheint es dem Gericht überwiegend wahrscheinlich, dass die syrischen Sicherheitskräfte in einem realistischen Rückkehrszenario in der Lage sein werden die o.g. Verfolgungshandlungen gegenüber Wehrdienstverweigerern weiterhin systematisch durchzusetzen (so auch OVG Bremen, Urt. vom 24.01.2018 – 2 LB 194/17 –, Rn. 37, juris; VGH Kassel, Urt. vom 06.06.2017 – 3 A 3040/16.A - juris, Rn. 96; VG Göttingen, Urt. vom 23.08.2017 – 3 A 546/17 –, juris, Rn. 15). Diese Prognose wird auch dadurch gestützt, dass die Sicherheitskräfte bereits zum jetzigen Zeitpunkt bei aus dem Ausland zurückkehrenden Syrern nach Möglichkeit die Ableistung des Militärdienstes kontrollieren (UNHCR, a.a.O., November 2017, S. 42; IRB Canada, a.a.O., S. 6, 8; SFH, a.a.O., 21.03.2017, S. 7, 8).

c) Auch die Annahme, dass das syrische Regime bereits zum Zwecke des Erhalts der Wehrfähigkeit von der Verfolgung von Wehrdienstverweigerern abgesehen würde, überzeugt nicht. Ganz im Gegenteil lässt der Bedarf an Soldaten zur Auffüllung der Lücken und der gegenläufige Anreiz für Wehrpflichtige, sich wegen der Gefährlichkeit des Kriegseinsatzes dem Wehrdienst zu entziehen, es aus Sicht des syrischen Staates geboten erscheinen, gegen Wehrdienstentzieher aus Abschreckungsgründen harsch vorzugehen und anstelle der rechtlich vorgesehenen Haftstrafen auf zeit- und kostensparende extralegale Bestrafungen zu setzen, die die Qualität von Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG erreichen (OVG NRW, Urt. vom 04.05.2017 – 14 A 2023/16.A –, juris, Rn. 46; VGH Kassel, Urt. vom 06.06.2017 – 3 A 3040/16.A -, juris, Rn. 88; VG Köln, Urt. vom 09.08.2017 – 26 K 6740/16.A -, juris, Rn. 56; a.A. OVG Saarlouis, Urt. vom 18.05.2017 – 2 A 176/17).

d) Aber auch wenn man insoweit der o.g. gegenläufigen Auffassung in der Rechtsprechung folgt, ergibt sich im hiesigen Fall kein anderes Ergebnis, weil sich in der Person der Kläger weitere gefahrerhöhende Umstände kumulieren.

aa) Zum einen kommt verschärfend hinzu, dass bei Personen aus einer vermeintlich regierungsfeindlichen Zone Syriens die Auskunftslage zeigt, dass der syrische Staat den Bewohnern bestimmter Gebiete eine oppositionelle Haltung zuschreibt. Bei der Bestimmung der Risiken, denen der Einzelne aufgrund der Wehrdienstentziehung ausgesetzt ist, trägt u.a. der Herkunftsort/Wohnort und die konfliktbezogene Entwicklung in dieser Region (z.B. ob Proteste gegen die Regierung stattfanden, ob die Region unter der Kontrolle von regierungsfeindlichen bewaffneten Gruppen steht oder ob die Region durch die Regierung von der Opposition zurückerobert wurde) im Profil einer Person dazu bei, dass diese als nicht hinreichend loyal gegenüber der Regierung und / oder als Unterstützer der (politischen oder bewaffneten) Opposition wahrgenommen wird (vgl. hierzu VGH Kassel, Urt. vom 06.06.2017 – 3 A 3040/16.A –, juris, Rn. 64ff). Vorliegend lebte der Kläger zuletzt überwiegend in Aleppo, teilweise auch in Kobane. Beide Städte gehören zu den im syrischen Bürgerkrieg am heftigsten umkämpften Ortschaften und (ehemaligen) Hochburgen aufständischer Bürgerkriegsparteien, sodass es sich aus Sicht des Regimes um potenziell regierungsfeindliche Zonen im obigen Sinne handeln dürfte.

bb) Zum anderen ist die persönliche Fluchthistorie des Klägers nach Überzeugung des Gerichts als gefahrerhöhender Umstand zu berücksichtigen. Der Kläger hat bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt geschildert, dass er, nachdem er mit seiner Familie die Bundesrepublik erreicht hatte, über den Libanon auf dem Landweg nach Syrien zurückgekehrt ist und dabei die Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte auf sich gezogen hat. Nach seinen Angaben ist er von der Grenzpolizei konfrontiert und aufgefordert worden, sich binnen einer Frist bei den Sicherheitsbehörden in Damaskus zu melden und das Land nicht zu verlassen. Beide Anordnungen hat er übergangen, sodass jedenfalls hiernach die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Name bei den Sicherheitsbehörden bekannt ist, weil er neben der Entziehung vom Wehrdienst auch gegen ausdrückliche polizeiliche Anweisungen verstoßen und nicht zur Befragung bei den Sicherheitsbehörden erschienen ist. Dass er sich infolgedessen unbehelligt in Aleppo aufgehalten hat und Syrien erneut auf dem Landweg verlassen konnte, steht dem nicht entgegen, weil jedenfalls bei einer Rückkehr über den Flughafen in Damaskus zu befürchten ist, dass der Kläger kontrolliert und sein Sachverhalt den Sicherheitskräften auffallen wird.

2. Weiterhin ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass das syrische Regime dem Kläger als Wehrdienstflüchtling eine ablehnende politische Gesinnung zuschreibt und der Kläger aus diesem Grund ("wegen") die Verfolgungshandlung befürchten muss (OVG Münster, Urt. vom 04.05.2017 - 14 A 2023/16.A -, juris, Rn. 99; VGH München, Urt. vom 12.12.2016 – 21 B 16.30372 -, juris, Rn. 72ff; VG Köln, Urt. vom 09.08.2017 – 26 K 6740/16.A – juris, Rn. 95; VG Göttingen, Urt. vom 22.03.2017 – 3 A 25/17 –, juris, Rn. 114).

a) Unter Bezugnahme auf die in den genannten Urteilen ausgeführten Gründe schließt sich das Gericht der Auffassung an, dass die Umstände in Syrien in ihrer Gesamtschau den Schluss zulassen, dass das syrische Regime mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Personen, die sich dem Militärdienst durch Flucht ins (westliche) Ausland entzogen haben, eine illoyale, politisch oppositionelle Gesinnung unterstellt. Diese Personen haben sich dem für den Erhalt des Staates existenziell wichtigen Militäreinsatz entzogen und so aus Sicht der Machthaber gezeigt, dass sie nicht bedingungslos für den Erhalt des Staates zu kämpfen bereit sind. Dieser Umstand alleine reicht für das syrische Regime, deren Verhalten von einem „Freund-Feind-Schema“ als alles durchziehendes Handlungsmuster geprägt ist, für die Zuschreibung eines politischen, regimefeindlichen Standpunktes (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 02.05.2017 – A 11 S 562/17 –, juris, Rn. 61,). An diese unterstellte oppositionelle Gesinnung des Rückkehrers knüpft bei einer Einreise beachtlich wahrscheinlich eine Folterhandlung an, die der Einschüchterung und Bestrafung für die regimefeindliche Handlung dient. Der Wehrpflichtige soll durch die unmittelbar bei Einreise stattfindende Folter für seine in der Bürgerkriegssituation unzuverlässige Haltung und die darin zum Ausdruck kommende regimefeindliche Gesinnung diszipliniert und bestraft werden. Die wegen der Wehrdienstentziehung drohende Bestrafung dient somit nicht lediglich der Sicherstellung der Wehrdienstpflicht und der Ahndung des mit der Dienstverweigerung verbundenen kriminellen Unrechts, sondern gerade der Bekämpfung einer unterstellten regimefeindlichen Gesinnung (OVG Sachsen, Urt. vom 07.02.2018 – 5 A 1245/17.A –, juris; OVG Bremen, Urt. vom 24.01.2018 – 2 LB 194/17 –, juris; VGH München, Urt. vom 14.02.2017 – 21 B 16.31001 –, juris, Rn. 22; VGH Kassel, Urt. vom 06.06.2017 – 3 A 3040/16.A –, juris, Rn. 30; VG Göttingen, Urt. vom 23.08.2017 – 3 A 546/17 –, juris, Rn. 19). Soweit Teile der Rechtsprechung vertreten, dass keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür erkennbar seien, dass das Regime Rückkehrern eine abweichende politische Haltung unterstellt (vgl. OVG Lüneburg, Urt. vom 27.06.2017 – 2 LB 91/17 –, juris, Rn. 52ff; OVG Saarlouis, Urt. vom 18.05.2017 – 2 A 176/17 – juris, Rn. 29), vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der Einzelheiten zur Erkenntnislage abermals auf die Begründungen der o.g. Entscheidungen des Bayrischen und Hessischen Verwaltungsgerichtshofs sowie der Oberverwaltungsgerichte Bautzen und Bremen verwiesen. Aktuellere, in den dortigen Entscheidungsgründen noch nicht berücksichtigte Erkenntnisse, geben keinen Anlass dieses Ergebnis in Frage zu stellen. So geht der UNHCR (a.a.O.) weiterhin davon aus, dass Wehrdienstentziehung mit großer Wahrscheinlichkeit von der syrischen Regierung als politischer, regierungsfeindlicher Akt verstanden wird und Sanktionen nach sich zieht, die weit über das hinausgehen, was strafrechtlich vorgesehen und möglich wäre. Die Bedenken des OVG Lüneburg (a.a.O., Rn. 53) gegenüber den zitierten Quellen kann das Gericht nicht teilen (vgl. zur Rolle des UNHCR als Erkenntnisquelle abermals VG Göttingen, a.a.O., Rn. 27ff; weitere Quellenangaben bei OVG Sachsen, Urt. vom 07.02.2018 – 5 A 1245/17.A –, juris, Rn. 44).

b) Soweit Teile der Rechtsprechung (OVG Lüneburg, Urt. vom 27.06.2017 – 2 LB 91/17 –, juris, Rn. 52ff; OVG Saarland, Urt. vom 02.02.2017 – 2 A 515/16 –, juris) in den Vordergrund rücken, dass die repressiven Maßnahmen der syrischen Sicherheitskräfte willkürlich und wahllos erfolgten und daraus schließen, dass es bei etwaigen Verfolgungshandlungen durch das syrische Regime an einer Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund fehlt, überzeugt dies das Gericht nicht.

Zunächst überzeugt das Argument nicht, dass die Anwendung von Isolationshaft, Folter und Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte schon vor dem Bürgerkrieg zum Standardrepertoire des Regimes gehörte und deshalb ein Phänomen sei, das die Bevölkerung in einer Diktatur ungeachtet einer Anknüpfung an Verfolgungsmerkmale unterschiedslos erdulden müsse (OVG Lüneburg, a.a.O., Rn. 61ff). Insoweit ist zunächst dem VG Göttingen darin zuzustimmen, dass es in der Natur der Sache liegt, dass bei Regimen wie dem syrischen, die weitgehend außerhalb rechtstaatlicher und menschenrechtlicher Grundsätze operieren und bei denen eine menschenverachtende Verfolgungspraxis ein allgegenwärtiges Phänomen darstellt, Folterungen und Misshandlungen nach außen hin nicht zuverlässig und umfassend dokumentiert werden können, sondern sich weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, wenn nicht gar im Verborgenen in einer Grauzone abspielen. Vor diesem Hintergrund erscheint es wahrscheinlich, dass das syrische Regime durchaus nach Verfolgungsschemata agiert und das Verhalten allein in Anbetracht der eingeschränkten Informationslage nach außen hin willkürlich erscheint (VG Göttingen, Urt. vom 23.08.2017 – 3 A 546/17 –, juris, Rn. 16). Selbst wenn sich die menschenrechtswidrigen Verhörmethoden als „wahllos-routiniertes Fischen nach Informationen“ darstellen, mithilfe derer die den konkreten Verdacht überhaupt erst begründenden Hinweise gewonnen werden sollen (OVG Lüneburg, a.a.O., Rn. 62), so schließt dies noch nicht aus, dass es sich gleichwohl um eine Verfolgung wegen eines bestimmten zugeschriebenen Merkmales handelt. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit auch für die kausale Verknüpfung von Verfolgungsgrund und –handlung gilt und nicht erst erfüllt sein kann, wenn das Vorliegen eines Anknüpfungsmerkmals zuverlässig Verfolgungshandlungen nach sich zieht. Ausreichend für die Verknüpfung ist vielmehr, dass jedenfalls der Personenkreis, aus dem - womöglich auch ohne nachvollziehbares Schema - die Ziele für Verhöre und Folter ausgesucht werden, sich aus Personen zusammensetzt, die ein zugeschriebene Anknüpfungsmerkmal teilen, welches sie hinreichend von der Allgemeinheit abgrenzt und das Vorliegen dieses Merkmals die Gefahr einer Verfolgung auf eine beachtliche Wahrscheinlichkeit erhöht, weil die Personen von den Sicherheitskräften zu dem Kreis potenziell zu verhörender Oppositioneller gerechnet werden. Aus diesem Grund sind nach den genannten Maßgaben auch Verfolgungshandlungen, die erst der Ermittlung einer oppositionellen Gesinnung dienen, vom Tatbestand erfasst.

c) Auch soweit die entgegenstehende Rechtsprechung in diesem Zusammenhang berücksichtigt, dass die Berichtslage Fälle nennt, in denen Wehrdienstverweigerer lediglich verwarnt und anschließend in den Militärdienst geschickt werden, betrifft dieses - auch kapazitäts- und korruptionsbedingt - arbiträre Verhalten der syrischen Sicherheitskräfte zwar die bereits erörterte Frage nach der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungshandlung, vermag nach Auffassung des Gerichts jedoch aus o.g. Gründen nicht den Kausalzusammenhang zwischen der Zuschreibung einer oppositionellen Haltung und einer wie dargestellt beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungshandlung in Frage zu stellen. Dies gilt umso mehr in Anbetracht der Tatsache, dass Rückkehrer oftmals mit nur rudimentärer Grundausbildung an besonders gefährlichen Fronteinsätzen teilnehmen müssen. Dieser gezielte Einsatz von Wehrdienstverweigerern als „Kanonenfutter“ stellt ebenfalls eine an die politische Gesinnung anknüpfende Verfolgungshandlung im Sinne von § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3a AsylG dar (OVG Bautzen, Urt. vom 07.02.2018 – 5 A 1245/17.A –, juris, Rn. 35).

d) Gegen eine Verfolgungshandlung spricht auch nicht der von dem OVG Lüneburg herangezogene Gedanke, dass Personen, die nach Binnenvertreibung oder Flucht in einen der Nachbarstaaten – zumindest zwischenzeitlich - unbescholten zurückgekehrt sind. Diese Personen haben sich gerade weder über längere Zeit im (westlichen) Ausland aufgehalten, noch mussten sie ihre Rückkehr über die streng überwachten internationalen Flughäfen in den Machtzentren des Assad-Regimes organisieren. Anders als der Kläger haben sie durch die Reise auf dem – oftmals dünn besiedelten – Landweg zumindest zeitweise die Möglichkeit, dem Kontrollnetz der Sicherheitskräfte auszuweichen und Routen zu wählen, auf die Sicherheitskräfte geringeren Zugriff haben, sodass der diesbezügliche Hinweis des OVG Lüneburg (a.a.O., Rn. 48) mangels einer Vergleichbarkeit der Personengruppen nicht verfängt. So stellt auch das OVG Lüneburg selbst zuvor fest, dass die beobachtete Landeinreise keine Rückschlüsse auf eine Rückkehr über den Flughafen in Damaskus zulässt (a.a.O., Rn. 47). Gerade dort ist aber davon auszugehen, dass gezielt nach Wehrdienstverweigerern gefahndet wird (UNHCR, a.a.O., S. 42; IRB Canada, a.a.O., S. 6, 8; SFH, Syrien: Rückkehr, Auskunft der SFH-Länderanalyse vom 21.03.2017, S. 7, 8).

e) Auch der Umstand, dass die syrische Armee selbst grundsätzlich unabhängig von ethnischen, politischen und religiösen Hintergründen rekrutiert und bei der Einberufung kein Unterschied zwischen Unterstützern und Gegnern des Regimes gemacht wird (OVG Lüneburg, a.a.O., Rn. 86) führt zu keiner anderen Bewertung der hier zu beantwortenden Frage, da nicht die Einziehung zum Militär als maßgebliche Verfolgungshandlung zu betrachten ist, sondern die gegenüber Rückkehrern vorgenommenen Repressionen. Diese knüpfen aber wie gezeigt an die Merkmale einer sozial abgrenzbaren Gruppe an, der von dem Baath-Regime eine politische Haltung zugeschrieben wird.

f) Weiterhin kann der Rechtsprechung des OVG Lüneburg nicht in dem Argument gefolgt werden, dass auch den syrischen Behörden bei lebensnaher Betrachtung vor Augen stehen müsse, dass die Ausreise von Wehrpflichtigen in der Regel aus Angst vor den allgemeinen Folgen des Bürgerkrieges erfolgt und nicht aus Ablehnung der politischen Führung (OVG Lüneburg, a.a.O., Rn. 87). In Anbetracht der im höchsten Maße von Irrationalität geprägten schwerwiegenden Menschenrechtsverstöße gegen die eigene Bevölkerung zum bloßen Zweck des eigenen Machterhalts kann nicht angenommen werden, dass das Regime auf einer Realitätserkenntnis beruhend andernorts sein Verhalten an den Maßstäben der Vernunft und Realität ausrichtet (so auch VG Köln, Urt. vom 09.08. 2017 – 26 K 6740/16.A –, juris, Rn. 121; VG Münster, Urt. vom 08.03.2017 - 8a K 3540/16.A -, juris, Rn. 73; VGH Kassel, Urt. vom 06.06.2017 - 3 A 3040/16.A -, juris, Rn. 62).

Selbst wenn man dem syrischen Regime - gerade entgegen der durch sechs Jahre Bürgerkrieg geprägten lebensnahen Betrachtung - eine derartige Rationalität zubilligt, ändert dies nichts an der rechtlichen Bewertung, denn entgegen dieser Ratio praktizieren die Sicherheitskräfte wie gezeigt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Verhör- und Folterpraxis gegenüber Rückkehrern. Auch wenn diese Methode tatsächlich alleine auf eine Disziplinierung und Abschreckung von Wehrdienstpflichtigen bzw. auf die Aufrechterhaltung der militärischen Streitmacht abzielen sollte und nicht auf die Bekämpfung von politischen Gegnern, vermag das an der rechtlichen Beurteilung nichts zu verändern. Auch in diesem Fall folgen die Verfolgungshandlungen dem Schema einer zugeschriebenen politischen Gesinnung, womit faktisch eine hinreichende Anknüpfung an das zugeschriebene Verfolgungsmerkmal gegeben ist, weil es sich bei der Zuschreibung einer politischen Gesinnung zunächst um einen rein äußerlichen Kommunikationsvorgang handelt. Dass ein Verfolgungsakteur darüber hinaus auch selbst von dem Vorliegen des der verfolgten Gruppe zugeschriebenen Merkmals überzeugt sein muss, ist § 3 Abs. 2 AsylG hingegen nicht zu entnehmen.

g) Schließlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die nach den Erkenntnissen des Gerichtes praktizierte Verfolgung von Wehrdienstverweigerern in Syrien als reguläre strafrechtliche Ahndung von kriminellem Unrecht zu bewerten ist. Soweit das OVG Lüneburg (Beschluss vom 12.09.2017 – 2 LB 750/17 –, juris, Rn. 105) darauf abstellt, dass das nachhaltige Entgegentreten eines in einen Bürgerkrieg verwickelten Staates gegenüber einer massenhaften Wehrdienstentziehung kein Indiz für eine politische Tendenz ist und diesen Staat nicht von den meisten anderen der Welt unterscheidet, verkennt es die besonderen Begleitumstände der Maßnahmen gegen Wehrdienstverweigerer. Es muss davon ausgegangen werden, dass angesichts der faktischen Rechtlosigkeit von Personen in der Gewalt der syrischen Sicherheitskräfte und des Umstands, dass die syrische Führung letzteren freie Hand zu gesetzeswidrigem Handeln lässt, Wehrdienstentziehern nicht nur die gesetzmäßige Bestrafung droht, sondern auch extralegale Strafen zugefügt werden. Das ergibt sich vor allem daraus, dass Haft im Falle der Wehrdienstentziehung aus Sicht des syrischen Staates eine eher kontraproduktive Strafe ist, denn sie hindert, so lange sie andauert, die Verwertung der Wehrkraft des Betroffenen. Sollten für den Betroffenen die Haftbedingungen sogar gegenüber den Gefahren des Kriegseinsatzes vorzugswürdig sein, ginge von der Inhaftierung überhaupt keine abschreckende Wirkung im Hinblick auf Wehrdienstentziehung aus. Das alles legt es aus Sicht des syrischen Staates nahe, als abschreckende Strafe weniger auf Haft und mehr auf Körperstrafen, insbesondere Folter, oder auch auf strafweisen Einsatz in besonders gefährdeten Einheiten zu setzen. Daher wird Folter als beachtlich wahrscheinliche Reaktion auf Wehrdienstentziehung in der obergerichtlichen Rechtsprechung angenommen (OVG NRW, Urt. vom 04.05.2017 – 14 A 2023/16.A –, juris Rn. 40).

Vor diesem Hintergrund überzeugt auch der Standpunkt nicht, dass es aus Sicht des syrischen Staates Gründe für brutales Vorgehen gegen Wehrdienstentzieher ohne Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gibt, weil es die Wehrdienstentziehung als solche im Interesse der Aufrechterhaltung der militärischen Schlagkraft des syrischen Staates zu bekämpfen gilt (so aber OVG NRW, Urt. vom 04.05.2017 – 14 A 2023/16.A –, juris, Rn. 58). Dass der syrische Staat freilich auch das letztere Ziel verfolgt, schließt nicht aus, dass damit zugleich der Tatbestand in § 3 Abs. 1 AsylG verwirklicht wird. Zwar stellen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Bestrafungen wegen Kriegsdienstverweigerung, selbst wenn sie von weltanschaulich totalitären Staaten ausgehen, nicht schlechthin eine politische Verfolgung dar. Sie schlagen aber in derartige Maßnahmen um, wenn sie zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt werden, die durch die Maßnahmen gerade wegen ihrer Religion, ihrer politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen persönlichen Merkmals getroffen werden sollen. Die außergewöhnliche Härte einer drohenden Strafe gibt regelmäßig Anlass zur Prüfung ihrer Asylrelevanz, wenn in einem totalitären Staat ein geordnetes und berechenbares Gerichtsverfahren fehlt und Strafen willkürlich verhängt werden, weil ein derartiges evidentes Fehlen rechtsstaatlicher Grundsätze ein Indiz für eine hinter der Strafnorm stehende Verfolgung in einem asylerheblichen Merkmal sein kann (BVerwG, Urt. v. 25.06.1991 – 9 C 131/90 –, juris Rn. 19 = NVwZ 1992, 274, 275). Strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen sind aber auch dann Verfolgung wegen eines Merkmales im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG, wenn die zuständigen Behörden aus der Verwirklichung eines Straftatbestands auf eine Regimegegnerschaft der betroffenen Person schließen und die strafrechtliche Sanktion nicht nur der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern wie in Syrien zugleich auch der Bekämpfung von vermeintlichen politischen Gegnern dient. Dies reicht aus, um den Verfolgungsgrund als beitragenden Faktor für die begründete Furcht vor Verfolgung anzuerkennen. Nicht erforderlich ist in diesem Zusammenhang, dass der Verfolgungsgrund der einzige oder vorherrschende Grund für die Verfolgungshandlung sein muss (vgl. OVG Bautzen, Urt. vom 07.02.2018 – 5 A 1245/17.A –, juris, Rn. 39; VGH Kassel, Urt. vom 06.06.2017 – 3 A 3040/16,A -, juris, Rn. 58ff; UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz Nr. 10: Anträge auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus Gründen des Militärdienstes im Zusammenhang mit Artikel 1 (A) 2 des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, 3. Dezember 2013).

II.

Der Kläger kann sich darüber hinaus auf § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG berufen. Danach kann die Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, eine Verfolgungshandlung sein. § 3 Abs. 2 AsylG wiederum erfasst Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Ein Verbrechen gegen den Frieden wird definiert als Planung, Vorbereitung und Einleitung oder Durchführung eines Angriffskrieges oder eines Krieges unter Verletzung internationaler Verträge oder sonstiger Abkommen. Angesichts der Natur dieses Verbrechens kann es nur von Personen verübt werden, die eine hohe Stellung in der Machtstruktur innehaben und einen Staat oder ein staatenähnliches Gebilde vertreten. Verbrechen gegen die Menschlichkeit schließen Handlungen wie Völkermord, Mord, Vergewaltigung und Folter ein und sind dadurch charakterisiert, dass sie Teil eines groß angelegten oder systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung sein müssen. Kriegsverbrechen sind in einer Reihe von internationalen Vertragswerken definiert. Solche Verbrechen umfassen schwerwiegende Verstöße gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts, durch die Personen, die nicht oder nicht mehr an Feindseligkeiten beteiligt sind, geschützt und die eingesetzten Methoden und Mittel der Kriegsführung beschränkt werden sollen. Es ist anerkannt, dass vorsätzliche Tötung und Folterung von Zivilpersonen als Kriegsverbrechen zu qualifizieren sind (vgl. hierzu Schlussantrag der Generalanwältin im Verfahren C-472/13, juris, Shepherd, Rnr. 42 ff).

1. a) Es ist unbestritten, dass in Syrien alle Konfliktparteien schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts begehen (vgl. dazu z.B. HRC v. 10.3.2017, Human rights abuses and international humanitarian law violations in the Syrian Arab Republic, 21 July 2016 - 28 February 2017; vgl. auch BGH, Beschl. v. 11 8.2016 - AK 43/16 -, juris; OVG Lüneburg, Urt. vom 27.06.2017 – 2 LB 91/17 –, Rn. 91, juris; VG Sigmaringen, Urt. vom 24.12.2017 – A 4 K 5434/16 –, juris, Rn. 80; VG Freiburg, Urt. vom 01.02.2017 – A 4 K 2903/16 –, juris, Rn. 28; VG Magdeburg, Urt. vom 12.10.2016 – 9 A 175/16 -, juris).

b) Der Kläger ist als Militärdienstverweigerer im Sinne der Vorschrift anzusehen. Entgegen Teilen der Rechtsprechung (OVG Münster, Beschl. vom 19.12.2017 – 14 A 2644/17.A –, juris, Rn. 22; tendenziell auch OVG Lüneburg, Urt. vom 27.06.2017 – 2 LB 91/17 –, juris, Rn. 109) hält das Gericht es nicht für erforderlich, dass der Schutzsuchende in seinem Herkunftsstaat förmlich die Verweigerung des Dienstes erklärt haben muss. Das bloße Entziehen von der Wehrpflicht durch Flucht ins Ausland ist ausreichend, wenn das Recht des Herkunftsstaates keine rechtsförmige Kriegsdienstverweigerung kennt (so auch EuGH, Urt. vom 26.02.2015 – C-472/13 –, juris, Rn. 45) oder das Beschreiten des förmlichen Weges für den Kriegsdienstverweigerer mit der reellen Gefahr verbunden wäre, sich Verfolgungshandlungen auszusetzen. Angesichts der Tatsache, dass das syrische Wehrrecht keine Kriegsdienstverweigerung zulässt und, wie oben dargestellt, die syrischen Sicherheitskräfte auf den Verdacht der Opposition mit Verhaftungen und Folter reagieren, ist es unzumutbar von einem Wehrpflichtigen gleichwohl zu verlangen, dass er förmlich eine aussichtslose Verweigerung des Dienstes erklärt und damit Leib und Leben riskiert. Es erscheint schwer vorstellbar, dass der Gesetzgeber Schutzsuchenden ein derart selbstgefährdendes Verhalten abverlangen wollte. Die Annahme, dass in der Praxis ein Asylsuchender aus Syrien tatsächlich eine solche Anforderung erfüllen könnte, erscheint abwegig. Das Merkmal der „Verweigerung“ in § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG kann daher nur so auszulegen sein, dass auch die schlichte Flucht vor dem Militärdienst als „Verweigerung“ im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG zu verstehen ist,

c) Zwar ist dem OVG Lüneburg (Urt. vom 27.06.2017 – 2 LB 91/17 -, juris, Rn. 102ff) dahingehend zuzustimmen, dass es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. vom 26.02.2015 – C-472/13 –, „Shepherd“, juris) nicht schlechthin ausreichend ist, wenn „das Militär“ als solches Verbrechen im Sinne der Vorschrift begeht. Gleichzeitig beruht aber der Schluss des OVG Lüneburg, dass deshalb gefordert werden muss, dass der um Flüchtlingsschutz Nachsuchende mit hinreichender Plausibilität darlegen muss, dass gerade seine Militäreinheit Einsätze unter Umständen durchgeführt hat oder durchführen wird, die unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 AsylG fallen und dass er sich bei der Ausübung seiner Funktionen in hinreichend unmittelbarer Weise an solchen Handlungen beteiligen müsste, wobei logistische und sonstige Unterstützertätigkeiten ausreichend wären (OVG Lüneburg, a.a.O., Rn. 108), auf einem zu engen Verständnis des zitierten Urteils des EuGH. Eine so strenge Auslegung von § 3a Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist dogmatisch nicht zwingend und lässt der Norm in der Praxis keinen Anwendungsbereich.

Das maßgebliche Urteil des EuGH ist nach Überzeugung des Gerichtes so zu verstehen, dass den Kern der Entscheidung die Feststellung bildet, dass auch logistisches und unterstützendes Personal geschützt sein soll, solange nur bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheint, dass die Ausübung der Funktion eine für die Vorbereitung oder Durchführung von völkerrechtlichen Verbrechen unerlässliche Unterstützung leisten würde. Ob eine solche Plausibilität erreicht werden kann, richtet sich nach einer Tatsachenwürdigung, die auf den Indizien der bestehenden Situation beruht. Die hierbei relevanten Umstände umfassen sowohl die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Kriegsdienstverweigerers, als auch die mit dem Herkunftsland verbundenen relevanten Tatsachen. Bei dieser Würdigung ist zudem zu berücksichtigen, ob eine militärische Intervention aufgrund eines Mandats des Sicherheitsrats der Organisation der Vereinten Nationen oder auf der Grundlage eines Konsenses der internationalen Gemeinschaft stattfindet, und dass der oder die die Operationen durchführenden Staaten Kriegsverbrechen ahnden (EuGH, a.a.O., Urteilstenor unter 1., Spiegelstrich 1.-5.). Der EuGH führte hierzu weiter aus:

„Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/83 auch der Umstand von Bedeutung ist, dass der oder die die Operationen durchführenden Staaten Kriegsverbrechen ahnden. Dass es in der Rechtsordnung dieser Staaten Rechtsvorschriften gibt, die Kriegsverbrechen unter Strafe stellen, und Gerichte, die ihre tatsächliche Ahndung sicherstellen, lässt die These, dass ein Militärangehöriger eines dieser Staaten zur Begehung solcher Verbrechen gezwungen sein könnte, wenig plausibel erscheinen, und darf somit keinesfalls außer Acht gelassen werden. Folglich obliegt es daher demjenigen, der die Flüchtlingseigenschaft nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2004/83 zuerkannt bekommen möchte, mit hinreichender Plausibilität darzulegen, dass die Einheit, der er angehört, die Einsätze, mit denen sie betraut wurde, unter Umständen durchführt oder in der Vergangenheit durchgeführt hat, unter denen Handlungen der in dieser Bestimmung genannten Art mit hoher Wahrscheinlichkeit begangen werden oder wurden.“ (EuGH, Urt. vom 26.12.2015 – C-472/13 –, Rn. 43, juris)

Die Übertragung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall berücksichtigt nach Überzeugung des Gerichts die Unterschiede in den Umständen der Wehrdienstverweigerung in den beiden Konstellationen nicht genügend. Der Entscheidung des EuGH lag als Sachverhalt die Wehrdienstverweigerung eines Soldaten der US-Streitkräfte zugrunde, der 2007 im Irak eingesetzt werden sollte. Der Einsatz sollte im Rahmen des von Vereinigten Staaten und weiten Teilen der NATO geführten multinationalen Militäreinsatzes während der Besetzung des Iraks erfolgen. Der Einsatz war zu diesem Zeitpunkt durch die Resolutionen 1723 und 1790 von einem Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen gedeckt. Diese Umstände hat der EuGH berücksichtigt und erkannt, dass sie der Plausibilität der Behauptung des Kriegsdienstverweigerers, dass er an als Kriegsverbrechen einzustufenden Handlungen hinreichend unmittelbar beteiligt wäre, entgegenstehen. In dieser Konstellation des multinational eingehegten und von den Vereinten Nationen überwachten Militäreinsatzes kann davon ausgegangen werden, dass es jedenfalls nicht zu systematischen Verletzungen von humanitärem Völkerrecht kommt und den Asylantragsteller deshalb eine gesteigerte Substantiierungspflicht treffen, um diesen Plausibilitätsmangel zu überbrücken und geltend zu machen, dass er gleichwohl Kriegsverbrechen unter seiner Beteiligung zu befürchten hat. An diesem Punkt spielte eine entscheidende Rolle, dass der Kläger im vom EuGH entschiedenen Verfahren ebenfalls nicht konkret vortragen konnte, dass seine Einheit an besagten Verbrechen mit hoher Wahrscheinlichkeit beteiligt war oder sein wird. Gänzlich anders stellt sich im die Lage jedoch im vorliegenden Fall dar. Wie schon festgestellt begeht die syrische Armee seit über 6 Jahren – ebenso wie die anderen Bürgerkriegsparteien in Syrien – mit größter Wahrscheinlichkeit schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen gegen die Zivilbevölkerung unter Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht, darunter Hinrichtungen, physische wie psychische Folter, willkürliche Inhaftierungen, sexuelle Gewalt, der Einsatz schwerer Kriegswaffen in dicht besiedelten belagerten Städten, Zerstörung ziviler Infrastruktur, Unterbindung der Versorgung mit Lebensmittel und Medizin und der Einsatz von Fassbomben und chemischen Waffen (statt vieler UNHCR, Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic, 05.02.2015 - A/HRC/28/69). Der Bürgerkrieg forderte inzwischen wohl über 400.000 Todesopfer und vertrieb über 12,9 Millionen Menschen aus ihrer Heimat (HRW, World Report 2018, S. 525ff).

Diese Prämisse darf bei der Frage, ob plausible Gründe die Befürchtung nahelegen, dass ein Wehrpflichtiger der syrischen Armee an Verbrechen im Sinne von § 3 Abs. 2 AsylG beteiligt werden wird, nicht unberücksichtigt bleiben. Der EuGH hat ausdrücklich entschieden, dass die Gesamtwürdigung der Umstände vorzunehmen sei, bei denen Indizien aus dem individuellen Bereich des Kriegsdienstverweigerers und die „mit dem Herkunftsland verbundenen Tatsachen“ gleichbedeutend nebeneinanderstehen. Dieses Verhältnis missachtet die Rechtsprechung, die alleine darauf abstellt, ob der Schutzsuchende geltend machen kann, dass seine Einheit an derartigen Verbrechen beteiligt sein wird, weil somit lediglich Indizien aus dem persönlichen Bereich des Schutzsuchenden berücksichtigt und andere nach der Rechtsprechung des EuGH relevante Umstände außer Betracht gelassen werden.

Dies gilt umso mehr, weil § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG von „Verweigerung des Militärdienstes“ spricht und damit eben ausdrücklich nicht nur Deserteure erfasst, die aus dem aktiven Dienst fliehen, sondern auch Personen, die bereits im Vorfeld einer Einziehung den Militärdienst ablehnen. Diese Personengruppe wäre entgegen dem Wortlaut und Normzweck des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG praktisch schutzlos gestellt, wenn man einfordern würde, dass der Wehrdienstverweigerer plausibel darlegt, dass gerade seine künftige Militäreinheit an Verbrechen oder völkerrechtswidrigen Handlungen beteiligt sein wird. Es ist realistischerweise nicht zu erwarten, dass einem kürzlich einberufenen Wehrpflichtigen in der syrischen Armee im Vorfeld mitgeteilt wird, bei welcher Einheit er seinen Dienst zu verrichten haben wird und dass hieraus zugleich für ihn ersichtlich und nachweisbar ist, ob eine konkrete Beteiligung an Handlungen i.S. der Vorschrift plausibel erscheint, denn zwischen der Einberufung und dem Fronteinsatz vergehen oftmals nur wenige Tage. Diese Anforderung hätte daher zur Konsequenz, dass der Anwendungsbereich von § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG jedenfalls in der Praxis auf Deserteure beschränkt wäre, die im laufenden Einsatz erkennen, dass Handlungen i.S. der Vorschrift bevorstehen und hierauf sofort – unter Inkaufnahme der eigenen Hinrichtung (UNHCR, a.a.O., S. 42) - die Flucht ergreifen. Auch solange die Wehrpflicht in der Bundesrepublik noch galt, war den Wehrpflichtigen nicht im Vorfeld bekannt, in welcher Einheit sie ihren Dienst ableisten werden müssen. Im Übrigen werden Wehrpflichtige auch während ihres Dienstes regelmäßig in unterschiedlichen Einheiten und Einsätzen verwendet.

Mithin kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, welcher Einheit der Kläger, der in Syrien keine Möglichkeit hätte, den Militärdienst zu verweigern oder zivilen Ersatzdienst zu leisten, mutmaßlich nach seiner Rekrutierung zugeteilt würde und ob diese selbst unmittelbar an Kriegsverbrechen beteiligt wäre. Vielmehr ist es ausreichend, dass, wie bereits dargelegt, durch die syrische Armee wiederholt und systematisch Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen werden und der Kläger daher jedenfalls aufgrund der Massivität und Häufigkeit der von der syrischen Armee in unterschiedlichen Regionen Syriens begangenen völkerrechtswidrigen Handlungen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und unter Ausfüllung der geforderten Plausibilität damit rechnen muss, bei Ableistung seines Wehrdienstes, in welcher Einheit und durch welche konkrete Tätigkeit auch immer, durch sein Handeln jedenfalls die Begehung von Kriegsverbrechen anderer Einheiten zu unterstützen oder vorzubereiten (so auch VG Freiburg, Urt. vom 01.02.2017 – A 4 K 2903/16 –, juris, Rn. 30; VG Göttingen, Urt. vom 23.08.2017 – 3 A 546/17 –, juris, Rn. 23).

d) Aber auch wenn man dem Standpunkt des OVG Lüneburg folgt, ergibt sich angesichts der besonderen Umstände des hiesigen Einzelfalls keine andere Folge. Einerseits werden nach den Erkenntnissen des Gerichtes ehemalige Militärdienstverweigerer mit erhöhter Wahrscheinlichkeit an der Front eingesetzt und strenger kontrolliert als reguläre Wehrpflichtige (UNHCR, a.a.O., S. 40). Personen wie der Kläger laufen deshalb in besonderem Maße Gefahr, in einem Einsatz unmittelbar gegen die Zivilbevölkerung vorgehen zu müssen. Zudem ist der Kläger nach seinen Angaben beim Bundesamt während seiner Wehrdienstzeit zum Panzerfahrer ausgebildet worden, sodass hier besonders naheliegend erscheint, dass er im Falle einer erneuten Einziehung auch als solcher, insbesondere in den belagerten urbanen Gebieten, eingesetzt wird. Angesichts dieser voraussichtlichen Einsatzzwecke kann der Kläger nicht darauf verwiesen werden, dass er nicht hinreichend plausibel dargelegt habe, dass ein Einsatz unter Verletzung von Völkerrecht drohe.

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob neben diesen Voraussetzungen auch ein Verfolgungsgrund zu prüfen ist (vgl. zum Streitstand OVG Lüneburg, Urt. vom 27.06.2017 – 2 LB 91/17 –, juris, Rn. 96). Der Kläger kann sich jedenfalls beruhend auf den dargelegten Erwägungen auf einen Verfolgungsgrund berufen. Die Verweigerung des Militärdienstes knüpft an das zugeschriebene Verfolgungsmerkmal der politischen Überzeugung i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3b Abs. 2 Nr. 5 AsylG an. Denn ein Regime, das den Krieg unter Verletzung humanitärer Rechtsregeln führt, sieht im Verweigerer einen Oppositionellen, so dass die ihm drohende Strafverfolgung oder sonstige Bestrafung Verfolgung darstellt. Die politische Verfolgungstendenz ist hier darin zu sehen, dass zugleich eine politische Disziplinierung und Einschüchterung von politischen Gegnern bezweckt wird und dass Verweigerer seitens des syrischen Regimes als Verräter an der gemeinsamen Sache angesehen und deswegen menschenrechtswidrig behandelt werden (VG Sigmaringen, Urt. vom 31.01.2017 – A 3 K 4482/16 –, juris, Rn. 138; VG Göttingen, Urt. vom 23.08.2017 – 3 A 546/17 –, juris, Rn. 26; VG Magdeburg, Urt. vom 12.10.2016 - 9 A 175/16 - juris; VG Oldenburg, Urt. vom 18.11.2016 - 2 A 5162/16 – juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.