Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.03.2017, Az.: 2 LC 4/15

Jobcenter; Telefonliste

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.03.2017
Aktenzeichen
2 LC 4/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54231
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 17.11.2014 - AZ: 10 A 7756/14

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes zwingen den Behörden (hier: Jobcenter) nicht eine bestimmte Binnenstruktur in der Weise auf, dass ihre Mitarbeiter an allen Arbeitsplätzen jederzeit fernmündlich erreichbar sein müssen.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 10. Kammer - vom 17. November 2014 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gesamten Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, der als Rechtsanwalt Verfahren auch im Tätigkeitsfeld des beklagten Jobcenters führt, begehrt die Herausgabe der aktuellen Diensttelefonliste des Beklagten.

Einen entsprechenden Antrag vom 27. März 2013 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 21. Oktober 2013 ab, da durch Bekanntgabe der Telefonliste erheblich in die Arbeitsfähigkeit der Behörde und in deren Interesse an einer ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung eingegriffen werde. Die Bundesagentur für Arbeit habe sich bewusst dafür entschieden, telefonische Kundenanfragen in Service-Centern und persönliche Vorsprachen über eine Eingangszone beantworten zu lassen. Eine Durchwahlnummer sei keine Garantie dafür, dass der Kläger eine Antwort auf seine Frage erhalte. Zudem seien ihm die Durchwahlnummern der Mitarbeiter der Rechtsbehelfsstelle und der Sachbearbeiter der Leistungsabteilung bekannt. Bei Vorliegen wichtiger Gründe könnten Kontaktdaten einzelner Mitarbeiter übermittelt werden.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Bescheid vom 11. März 2014 zurück, weil die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG mangels Einwilligung der Mitarbeiter vorzunehmende Abwägung zu Lasten des Klägers ausgehe.

Mit seiner dagegen gerichteten Klage hat der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 21.10.2013 in Form des Widerspruchsbescheids vom 11.03.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm eine aktuelle Diensttelefonliste mit den Namen der Bearbeiter der aktiven und passiven Leistung einschließlich der Widerspruchsabteilung und der Teamleitung zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, weil es sich um amtliche Informationen im Sinne des § 1 IFG handele und der Ausnahmetatbestand des § 3 Nr. 2 IFG nicht erfüllt sei. Danach bestehe ein Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden könne. Soweit das beklagte Jobcenter in diesem Zusammenhang darauf verwiesen habe, dass die Bekanntgabe der Diensttelefonnummern seiner Mitarbeiter erheblich in die Arbeitsfähigkeit der Behörde und in deren Interesse an einer ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung eingreife, überzeuge dies nicht. Unabhängig davon, dass zahlreiche andere Jobcenter die Durchwahlnummern ihrer Mitarbeiter bereits im Internet veröffentlicht hätten und eine Funktionsbeeinträchtigung offenbar nicht feststellen könnten, habe der Beklagte nicht konkret darlegen können, dass eine solche Beeinträchtigung durch den Kläger - der eine Veröffentlichung der Diensttelefonliste im Internet ausdrücklich ausgeschlossen habe - tatsächlich drohe. Eine solche Befürchtung sei bei einem Kläger, der - wie hier - Rechtsanwalt und damit Organ der Rechtspflege sei und der - bei einer angenommenen missbräuchlichen Nutzung der Liste - im Fall der Verletzung von Berufspflichten der Rechtsanwaltskammer gemeldet werden könne, nicht ohne weiteres begründbar. So sei dem Kläger bereits die Bekanntgabe einzelner Telefonnummern in Aussicht gestellt worden. Schließlich sei zu beachten, dass die telefonische Kommunikation mit dem Bürger Teil behördlicher Aufgabe sei. Es sei Ausdruck modernen staatlichen Selbstverständnisses, die telefonische Erreichbarkeit in beiden Richtungen unmittelbar sicherzustellen (wie VG Düsseldorf, Urt. vom 5. August 2014; VG Leipzig, Urteil vom 10. Januar 2013).

Der Beklagte könne den Zugang zur aktuellen Diensttelefonliste des Beklagten auch nicht im Hinblick auf § 5 Abs. 1 IFG verweigern, wonach der Zugang zu personenbezogenen Daten - hier der Bediensteten - nur gewährt werden dürfe, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiege oder der Dritte eingewilligt habe. Die auf der Diensttelefonliste des beklagten Jobcenters aufgeführten personenbezogenen Daten der Mitarbeiter mit Publikumsverkehr (einschließlich der Mitarbeiter der Widerspruchsstelle und der Teamleitung) fielen unter die Regelung des § 5 Abs. 4 IFG, weil der Begriff des „Bearbeiters“ nicht eng auszulegen sei. Auf die Einwilligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommt es daher nicht an.

Der Beklagte könne sich zudem nicht mit Erfolg darauf berufen, dass seine ständige telefonische Erreichbarkeit durch die Einführung eines Service-Centers gewährleistet sei und dadurch die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter störungsfrei arbeiten könnten. Das Anliegen, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Bearbeitung ihrer Aufgaben grundsätzlich ohne Unterbrechung durch Telefonate zu ermöglichen, stelle keinen gesetzlich geregelten Ausnahmetatbestand dar. Dass der Zugangsanspruch des Informationsfreiheitsgesetzes dem Beklagten einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand aufbürde und ihn vor organisatorische Herausforderungen stellen könne, sei Folge des gesetzgeberischen Willens (wie VG Düsseldorf, Urt. vom 5. August 2014).

Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung bezieht sich der Beklagte - nach ursprünglich ausführlicher Auseinandersetzung mit den Gründen des angegriffenen Urteils - nunmehr hauptsächlich auf die inzwischen ergangenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2016 (- 7 C 20.15, 7 C 23.15, 7 C 27.15 und 7 C 28.15 -) und meint, dass die im vorliegenden Fall aufgeworfenen Fragen hiermit geklärt seien. Dem Kläger stehe ferner kein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite, weil ihm die meisten der ihn interessierenden Durchwahlnummern ohnehin auf andere Weise bekannt würden. Schreiben der Rechtsbehelfsstelle enthielten die Durchwahlnummern der Bearbeiter stets; Mitarbeiter der Leistungsabteilung könnten selbst wählen, ob sie ihre eigene Durchwahlnummer oder die Nummer des Service-Centers angäben. Im Übrigen bleibe es dabei, dass das ständige Unterbrochenwerden während der eigentlichen Arbeit einen erheblichen Zeitverlust im Rahmen der effektiven Fallbearbeitung bedeute. Die bestehenden Kunden-/Callcenter seien gerade zur Maximierung des Services eingerichtet worden und seien erreichbar.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er weist auf seine berufliche Stellung als Rechtsanwalt hin und betont, dass er eine ihm überlassene Telefonliste nicht weitergeben würde. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung drohe daher nicht. Er verfüge seit Jahren über die Telefonliste des Jobcenters Kreis Höxter, ohne dass es hierdurch dort Betriebsstörungen gegeben hätte.

Unterbrechungen von laufenden Beratungsgesprächen und ähnlichen konzentrationsbedürftigen Vorgängen ließen sich im Übrigen leicht durch den Einsatz eines Anrufbeantworters oder die vorübergehende Einstellung des Telefons auf „besetzt“ vermeiden. Wie verschiedene Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter des Jobcenters Höxter bezeugen könnten, würden seine Anrufe dort nicht als störend empfunden, weil sie der Erzielung sachlicher Lösungen dienten. Die damit verbundenen Fragen seien durch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht abschließend geklärt, weil das Bundesverwaltungsgericht an Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz gebunden gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und begründet; der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Bereitstellung der begehrten Information, d.h. der aktuellen Telefonliste.

1. Entgegen der Auffassung des Beklagten stellt sich allerdings nicht die Frage, ob dem Kläger überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis zusteht. Die von ihm begehrten Informationen sind weder anderweitig verfügbar - etwa im Internet (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.10.2016 - 7 C 27.15 -, juris Rdnr. 10) - noch werden sie vom Beklagten selbst in einer dem Klagebegehren entsprechenden Umfang auf andere Weise bereitgestellt. Zwar gibt der Beklagte seine gegenwärtige Verwaltungspraxis so an, dass die in einzelnen Verfahren herausgegebenen Schreiben seiner Rechtsbehelfsstelle die jeweilige Durchwahlnummer aufweisen und die Schreiben der Sachbearbeiter wahlweise die Durchwahlnummer oder die Telefonnummer des Service-Centers. Damit werden indes nicht einmal die Anforderungen des § 5 Abs. 4 IFG vollständig erfüllt. Da die fraglichen Schreiben solche der „Bearbeiter“ im Sinne dieser Vorschrift sind (vgl. auch insoweit BVerwG, Urt. v. 20.10.2016 - 7 C 27.15 -), sind die darin angesprochenen personenbezogenen Daten (Name, Titel, akademischer Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung, Büroanschrift und -telekommunikationsnummer) regelmäßig im Briefkopf anzubringen. Mit Bürotelekommunikationsnummer ist in diesem Zusammenhang die Durchwahlnummer gemeint, nicht die Nummer eines Service-Centers; anderenfalls fehlte es an der Personenbezogenheit dieses Datentyps und er brauchte in Absatz 4 nicht aufgeführt zu werden. Mit anderen Worten entspricht die angegebene Handhabung schon für sich genommen nicht dem Gesetz. Hinzu kommt, dass der Beklagte - wie er in der mündlichen Verhandlung auf mehrfaches Nachfragen wiederholt bestätigt hat -, nicht bereit ist, Rechtsanwälten wie dem Kläger schon im Vorfeld eines konkreten Verwaltungsverfahrens die aktuellen Durchwahlnummern jedenfalls der Rechtsbehelfsstelle zu benennen. Unabhängig davon, wie dies angesichts der Rolle von Rechtsanwälten als Organ der Rechtspflege zu bewerten ist, bleibt sein „Angebot“ damit weit hinter dem Klagebegehren zurück. Von mangelndem Rechtsschutzbedürfnis kann unter diesen Umständen keine Rede sein.

2. Der Senat vermochte auf der gegenwärtig verfügbaren Tatsachengrundlage auch nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass der Beklagte hier eine nicht zu beanstandende Abwägung im Sinne des § 5 Abs. 1 IFG getroffen hat. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings nunmehr grundsätzlich geklärt, dass im Zusammenhang mit § 5 Abs. 4 IFG von einem engen Bearbeiterbegriff auszugehen ist und dass das Informationsinteresse auch eines Anwalts nicht ohne Weiteres das Geheimhaltungsinteresse derjenigen betroffenen Bediensteten überwiegt, die nicht zugleich Bearbeiter sind (Urt. v. 20.10.2016 - 7 C 27.15 -, juris Rdnrn. 19 ff.). Voraussetzung für eine gelungene Abwägung in Fällen dieser Art ist - unbeschadet der weiteren Frage, wie sich die jeweiligen Mehrheitsverhältnisse gewichten lassen und für welchen Zeitraum das Ergebnis der Befragung bei Personalfluktuation zugrunde zu legen ist - zumindest, dass hinsichtlich dieser Dritten überhaupt ein ordnungsgemäßes Beteiligungsverfahren nach § 8 IFG mit stattgefunden hat. Das trägt der Beklagte zwar vor, vermag dies jedoch nicht in einer Weise zu belegen, die eine Art. 19 Abs. 4 GG genügende gerichtliche Überprüfung ermöglicht. Er ist zunächst entgegen § 99 Abs. 1 VwGO im Schriftsatz vom 9. Mai 2014 ausdrücklich der Aufforderung des Verwaltungsgerichts nicht gefolgt, seiner schriftlichen Äußerung seine „vollständigen Vorgänge im Original, in zeitlicher Reihenfolge geheftet und mit Seitenzahlen versehen“ beizufügen. Auf erneuten Hinweis des Verwaltungsgerichts hat er mit Schriftsatz vom 18. Juni 2014 Vorgänge vorgelegt, welche in Bezug auf das Beteiligungsverfahren einen Vermerk vom 10. Juli 2013 folgenden Inhalts enthalten:

„Aktenzeichen: Herausgabe der aktuellen Telefonliste nach dem IFG

Es wurde eine Drittbeteiligung durchgeführt, alle Mitarbeiter sind aufgefordert worden, abzustimmen, ob sie mit der Weitergabe der dienstlichen Tel.-Nr. einverstanden sind. Die Mehrheit der Mitarbeiter hat sich gegen die Herausgabe entschieden.“

Dem Inhalt der Schriftsätze selbst lassen sich keine zusätzlichen Informationen entnehmen.

Auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung hat die Vertreterin des Beklagten erklärt, sie habe sich seit zwei Jahren nicht mehr mit den Unterlagen befasst; in der Klageakte des Prozessbevollmächtigten wurde allerdings ein weiteres DIN A 4-Blatt aufgefunden, welches die Zahl der abgegebenen Stimmen für die Varianten „Mit der Veröffentlichung meiner Daten bin ich NICHT einverstanden.“ (43 Stimmen) bzw. „Mit der Veröffentlichung meiner Daten bin ich einverstanden.“ (19 Stimmen) und „Enthaltung“ (27 Stimmen) aufweist. Nicht ersichtlich ist danach die genaue Formulierung der Fragestellung. Insbesondere wird nicht deutlich, ob das Beteiligungsverfahren die generelle Herausgabe der Telefonliste betraf oder spezifisch ihre Herausgabe an Anwälte.

Der Senat sieht von der danach an sich gebotenen weitere Sachverhaltsaufklärung ab, weil sich das Entscheidungsergebnis bereits auf die unter 3. genannten Gründe stützen lässt.

3. Im Ergebnis durchgreifend ist nämlich die Argumentation des Beklagten, der Anspruch auf Informationszugang zu den dienstlichen Telefonnummern ihrer Bediensteten sei nach § 3 Nr. 2 IFG ausgeschlossen, weil das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit - hier: die Funktionsfähigkeit und die effektive Aufgabenerfüllung staatlicher Einrichtungen - gefährde. Die grundsätzliche Tragfähigkeit dieses Gedankengangs ist vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 20. Oktober 2016 (- 7 C 20.15 -, juris) rechtsgrundsätzlich bestätigt worden; darauf wird Bezug genommen. Es hat allerdings die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht geprüft, weil es daran mangels Verfahrensrügen gebunden war. Es hat freilich als plausibel angesehen, dass sowohl die schriftliche Erledigung von Verwaltungsvorgängen als auch Beratungsgespräche mit persönlich anwesenden Kunden durch Anrufe erheblich beeinträchtigt werden, da diese zu einer Störung der Konzentration und dadurch zu einer Verminderung von Qualität und Quantität der Aufgabenerledigung führen.

Davon geht im Ergebnis auch der Senat aus und folgt damit den Bewertungen des Oberverwaltungsgerichts Münster (Urt. v. 16.6.2015 - 8 A 2429/14 -, DVBl. 2015, 1262) und des Verwaltungsgerichtshofs München (Urt. v. 5.8.2015 - 5 BV 15.160 -, BayVBl. 2016, 639). Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es insoweit auf die jeweilige Behördengröße nicht an, weil maßgeblich auf die möglichen Störungen am einzelnen Arbeitsplatz abzustellen ist.

Da das Berufungsverfahren insoweit trotz gerichtlicher Hinweise an die Beteiligten keine substantiellen neuen Erkenntnisse erbracht hat, ist zunächst als zwischen den Beteiligten an sich nicht streitig davon auszugehen, dass Arbeitsplätze der Jobcenter jedenfalls für diejenigen Zeiträume einer effektiven „Abschottung“ vor Störungen bedürfen, in denen Beratungsgespräche mit den Kunden geführt werden. Anrufer haben keinen Anspruch darauf, vorrangig vor Kunden behandelt zu werden, denen ein Gesprächstermin reserviert worden ist. Es wäre für diese Kunden unzumutbar, wenn die Mitarbeiter des Jobcenters bei jedem Anruf die laufende Beratung unterbrächen, die Akte des Anrufenden heraussuchten, sich mit deren Inhalt vertraut machten und auf das telefonisch vorgebrachte Anliegen reagierten. Das sieht auch der Kläger nicht anders.

Unterschiedlich bewertet wird von den Beteiligten an sich nur, ob die Beratungsgespräche auch auf andere Weise effektiv vor Störungen geschützt werden können als durch die Einschaltung eines Service-Centers, das den Sachbearbeitern offenbar jeweils durch ein elektronisches „Ticket“ Kenntnis von den aufgelaufenen Anrufen gibt. Insbesondere verweist der Kläger auf die Option der bloßen Nichtannahme von Anrufen, die dann auf dem vorhandenen Anrufbeantworter dokumentiert wären, so dass der Bearbeiter zu einem besser geeigneten Zeitpunkt zurückrufen könnte.

Der Senat bezweifelt zunächst nicht, dass die Einschaltung eines Service-Centers rationale Gründe für sich hat. Sie gewährleistet nicht nur die Störungsfreiheit der Beratungsgespräche, sondern das Service-Center kann - wenn der Service sachgemäß ausgestaltet ist - auch Funktionen einer herkömmlichen Telefonzentrale übernehmen, d.h. z.B. Auskünfte über Abwesenheiten und Vertretungen geben, die beim bloßen Einsatz eines Anrufbeantworters nicht ohne Weiteres verfügbar wären. Anhaltspunkte dafür, dass die Service-Center der Jobcenter - die in der Anfangszeit noch Optimierungsbedarf gehabt haben mögen - nicht die ihnen zugedachte Aufgabe erfüllen, sondern die Anrufer gleichsam entmutigen sollen, sind im weiteren Verlauf dieses Verfahrens nicht hervorgetreten.

Mit dem Einsatz des Service-Centers ist auch der vom Verwaltungsgericht unter Anknüpfung an die Rechtsprechung anderer Gerichte formulierten These, die telefonische Kommunikation mit dem Bürger sei Teil behördlicher Aufgabe und insoweit Ausdruck modernen staatlichen Selbstverständnisses, die telefonische Erreichbarkeit in beiden Richtungen unmittelbar sicherzustellen, bereits hinreichend Rechnung getragen. Soweit das Verwaltungsgericht - ebenfalls im Einklang mit anderen Verwaltungsgerichten - darüber hinaus gemeint hat, das Anliegen, dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Bearbeitung ihrer Aufgaben grundsätzlich ohne Unterbrechung durch Telefonate zu ermöglichen, stelle keinen gesetzlich geregelten Ausnahmetatbestand dar, und dass der Zugangsanspruch des Informationsfreiheitsgesetzes dem Beklagten einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand aufbürde und ihn vor organisatorische Herausforderungen stellen könne, sei Folge des gesetzgeberischen Willens, verfehlt dies den Bedeutungsgehalt der Funktionsfähigkeit und der effektiven Aufgabenerfüllung staatlicher Einrichtungen als Teil der öffentlichen Sicherheit. Das Informationsfreiheitsgesetz verpflichtet die Behörden nicht zur Einhaltung einer bestimmten Binnenstruktur, sondern setzt nur Maßstäbe für die Aufgabenerfüllung. Wie eine Behörde sich organisiert, steht - vorbehaltlich herkömmlicher gesetzlicher oder organisatorischer Vorgaben und der Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln - grundsätzlich zu ihrer eigenen Disposition. Sie kann angesichts der Vielgestaltigkeit der Funktionen und des Arbeitsumfelds ihrer Bediensteten nach rationalen Kriterien Bestimmungen darüber treffen, an welchem Arbeitsplatz Außenkommunikation zu betreiben ist (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 20.10.2016 - 7 C 27.15 -, juris Rdnr. 22). Sie kann ebenso bestimmen, dass bestimmte Arbeitsplätze oder Arbeitssituationen mehr oder weniger von laufenden Publikumskontakten freigehalten werden. Weder das Informationsfreiheitsrecht noch organisationswissenschaftliche Begründungszusammenhänge verleihen außenstehenden Dritten oder den Gerichten das Recht, den Behörden eine Binnenstruktur vorzugeben, die die jederzeitige fernmündliche Verfügbarkeit eines jeden Bediensteten umfasst, zumal zu Lasten der Interessen anwesender Kommunikationspartner. Da die strukturierte Kundenberatung Kernstück der Aufgabenerfüllung des Beklagten ist, haben die jeweiligen Kunden, die einen Termin für die Vorsprache erhalten haben, Anspruch darauf, dass sich der Sachbearbeiter ihrem Anliegen ohne zwischenzeitliche Befassung mit anderen Verfahren widmet.

Infolgedessen beantwortet sich auch die Frage nach der Funktionsfähigkeit und der effektiven Aufgabenerfüllung staatlicher Einrichtungen nicht nach den Vorstellungen informationssuchender Dritter über eine ihren Erwartungen entgegenkommende Behördenstruktur, sondern nach der konkreten Ausgestaltung der Arbeitsabläufe in der fraglichen Behörde, soweit diese grundsätzlich eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung gewährleisten. Hat die Behörde hier also mit Rücksicht auf die Störungsfreiheit der Beratungsgespräche für persönlich anwesende Kunden in Gestalt der Einschaltung eines Service-Centers Vorkehrungen getroffen, um die auflaufenden Anrufe aus den Beratungsgesprächen heraushalten zu können, ist dies von Rechts wegen hinzunehmen.

Der Umstand, dass bestimmte Bedienstete vergleichbarer Jobcenter die allgemeine Verfügbarkeit ihrer Durchwahlnummer gutheißen mögen, nötigt nicht zu weiterer Sachverhaltsaufklärung, weil es auf diese subjektive Sicht nicht ankommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.