Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 18.12.2002, Az.: 74 IK 107/01

Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen; Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe; Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
18.12.2002
Aktenzeichen
74 IK 107/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 28939
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:2002:1218.74IK107.01.0A

Fundstellen

  • NZI 2003, 106
  • ZInsO 2003, 41 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZVI (Beilage) 2004, 36 (amtl. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Nichtangabe eines Gläubigers erfüllt den objektiven Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO auch dann, wenn der Schuldner sich lediglich als Mitdarlehensnehmer für seinen Ehegatten verpflichtet hat und der Ehegatte die laufenden Ratenzahlungsverpflichtungen erbringt.

  2. 2.

    Weist der Schuldner auf die bestehende Verpflichtung jedoch an anderer Stelle (hier Prozesskostenhilfeantragsformular) hin, kann es an den subjektiven Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 6 (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) fehlen.

Gründe

1

Der anwaltlich vertretene Schuldner hat am 25.6.2001 Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt. Im Gläubigerverzeichnis sind neun Gläubiger mit einer Gesamtforderung von ca. 135.000 DM aufgeführt. Mit Beschl. v. 30.8.2001 ist dem Antragsteller PKH bewilligt und das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet worden. Mit Verfügung v. 6.9.2002 hat die Rechtspflegerin das schriftliche Verfahren angeordnet und u.a. festgesetzt, dass Einwendungen gegen den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung bis zum 28.10.2002 vorzubringen sind. Mit Schreiben v. 1.10.2002 hat die Versagungsantragsgläubigerin beantragt, dem Schuldner die beantragte Restschuldbefreiung gem. § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO zu versagen. Sie weist darauf hin, dass der Schuldner eine zusammen mit seiner Ehefrau eingegangene Kreditverpflichtung über einen Nettokreditbetrag von 44.000 DM aus dem Jahre 1998 nicht im Gläubigerverzeichnis aufgeführt hat. Der Schuldner beruft sich darauf, dass Darlehensnehmerin seine Ehefrau und er lediglich Mitdarlehensnehmer ist. Weiter bezahlt seine berufstätige Ehefrau pünktlich die bisher bis zum April 2003 zu erbringenden Raten. Ergänzend weist der Schuldner darauf hin, dass er in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Zusammenhang mit dem PKH-Antrag unter sonstigen Zahlungsverpflichtungen u.a. den bei der Versagungsantragsgläubigerin bestehenden Ratenkredit mit einer Restschuld von 13.000 DM aufführte mit der weiteren Angabe, dass der Ehegatte darauf monatlich 650 DM zahlt.

2

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

3

Auszugehen ist davon, dass die Versagungsantragsgläubigerin Insolvenzgläubigerin und damit antragsbefugt gem. § 290 InsO ist. Sie ist zwar im Gläubigerverzeichnis nicht aufgeführt, jedoch stand ihr zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens ein Anspruch gegen den Schuldner zu. Damit ist sie Insolvenzgläubigerin gem. § 38 InsO.

4

Der Antrag ist jedoch unbegründet. Zwar ist die Versagungsantragsgläubigerin nicht in dem gem. § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO a.F. vorgelegten Gläubigerverzeichnis enthalten, so dass der objektive Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO verwirklicht ist. Da die Forderung der Versagungsantragsgläubigerin nach den Angaben des Schuldners bei Antragstellung noch i.H.v. 13.000 DM valutierte, ist in Anbetracht der Höhe der Forderung zunächst von einem zumindest grob fahrlässigen Verhalten des Schuldners auszugehen. Auch ist nach der Rechtsprechung des LG Göttingen (Beschl. v. 4.6.2002 - 10 T 38/02 - ZInsO 2002, 733 = NZI 2002, 564) im Rahmen der subjektiven Voraussetzung des § 290 Abs. 1 Nr. 6 ein strenger Maßstab anzulegen. Anders als im dort entschiedenen Fall beruft sich der Schuldner jedoch nicht darauf, dass er eine Lohnabtretung vergessen habe. Vielmehr ist die Verbindlichkeit nur in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, nicht aber im Gläubigerverzeichnis aufgeführt. Dies erklärt der Schuldner damit, dass seine Ehefrau das Darlehen im Rahmen einer Umschuldung aufnahm, er lediglich als Mitdarlehensnehmer aufgeführt ist und die monatlichen Raten von seiner Ehefrau pünktlich gezahlt werden. Bei dieser Sachlage kann nicht von einem besonders schweren Verstoß gegen die objektiv erforderliche Sorgfalt ausgegangen werden. Das Verhalten des Schuldners stellt sich lediglich als normale Fahrlässigkeit dar.

5

Soweit sich die Versagungsantragsgläubigerin in ihrer ergänzenden Stellungnahme v. 11.12.2002 auf den Beschluss des AG Göttingen v. 13.11.2002 (74 IK 38/00 = ZInsO 2002, 1150) bezieht, folgt daraus nichts anderes. Im Verlaufe des Verfahrens ist die nachträgliche Angabe eines Gläubigers zwar grds. rechtlich unbeachtlich. Dies gilt jedoch nur, wenn die subjektiven Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 6 erfüllt sind (Leitsatz 2 des v.g. Beschlusses). Daran mangelt es hier.

6

Der Annahme einer lediglich einfachen Fahrlässigkeit steht auch nicht entgegen, dass der Schuldner bereits bei Antragstellung anwaltlich vertreten war. Zwar muss sich der Schuldner ein etwaiges Fehlverhalten seines Verfahrensbevollmächtigten und von deren Mitarbeitern zurechnen lassen (Beschl. v. 13.11.2002 - ZInsO 2002, 1150 Leitsatz 3). Bei der Frage, ob die subjektiven Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO vorliegen, ist nämlich auf den Horizont des Schuldners abzustellen. Einstehen muss er für ein unvollständiges Gläubigerverzeichnis, dessen Richtigkeit und Vollständigkeit er bei Antragstellung versichert hat, nur unter der weiteren Voraussetzung, dass sich sein Verhalten als vorsätzlich oder grob fahrlässig darstellt. Dies ist jedoch - wie bereits aufgezeigt - nicht der Fall.

7

Dahinstehen kann daher die weitere Frage, ob im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO eine Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung erforderlich ist (vgl. FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 54 i.V.m. Rn. 7). Weiter kann dahinstehen, ob sich in Anbetracht der laufenden Ratenzahlungen durch die Ehefrau des Schuldners der Versagungsantrag als rechtsmissbräuchlich darstellt, wie der Schuldnervertreter in seiner Stellungnahme v. 19.11.2002 ausgeführt hat.

8

Für die Ermessung des Gegenstandswertes hat das Insolvenzgericht die noch offene Restforderung der Versagungsantragsgläubigerin zugrundegelegt, berechnet vom Zeitpunkt der Einreichung des Antrages v. 1.10.2002 an.

9

Nach Rechtskraft des Beschlusses werden die Akten dem Rechtspfleger zur Ankündigung der Restschuldbefreiung vorgelegt werden (zur Zuständigkeit des Rechtspflegers vgl. AG Göttingen, ZInsO 2002, 784[AG Göttingen 25.07.2002 - 74 IK 23/01] = Rpfl. 2002, 648).