Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 22.08.2002, Az.: 71 IN 65/01

Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens; Berücksichtigung der durch ein Nachlassinsolvenzverfahren ausgelösten Verfahrenskosten bei der Prüfung des Eröffnungsgrundes der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit; Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
22.08.2002
Aktenzeichen
71 IN 65/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 28686
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:2002:0822.71IN65.01.0A

Fundstellen

  • ZInsO 2002, 944-945
  • ZInsO 2002, 945-946 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die durch ein Nachlassinsolvenzverfahren ausgelösten Verfahrenskosten sind bei der Prüfung des Eröffnungsgrundes der Überschuldung (§19 InsO) und der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) nicht zu berücksichtigen.

  2. 2.

    Auch der Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) scheidet bei dieser Sachlage aus, da nicht der Nachlass für die Verfahrenskosten haftet, sondern infolge der Abweisung des Antrages als unbegründet der Antragsteller.

Tenor:

Der Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens wird auf kosten der Antragstellerin als unbegründet zurückgewiesen.

Wert: bis 600 EUR.

Hinweis: Verbundenes Verfahren

Verbundverfahren:
AG Göttingen - 22.08.2002 - AZ: 71 IN 66/01

Gründe

1

Am 03.07.2001 verstarb auf Grund eines Unfalles der Sohn der Antragstellerin im Verfahren 71 IN 65/01 und Bruder der Antragstellerin im Verfahren 71 IN 66/01. Jeweils mit Schreiben vom 5. Juli 2001 beantragten die Antragstellerinnen die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens. Angaben zu den Vermögensverhältnissen sind nicht gemacht. Mit Beschluss vom 09.07.2001 wurde über den Nachlass ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt eingesetzt und der zugleich als Sachverständiger mit der Begutachtung beauftragt, ob ein Insolvenzgrund vorliegt und wie hoch die voraussichtlichen Kosten des Verfahrens zu veranschlagen sind.

2

In dem Abschlussgutachten vom 07.08.2002 schlägt der Sachverständige vor, das Nachlassinsolvenzverfahren wegen Überschuldung zu eröffnen. Das Aktivvermögen des Nachlasses wird auf 10.459,75 EUR beziffert. Wesentlicher Teil des Aktivvermögens ist ein von einer Versicherungsgesellschaft nach längerem Streit um ihre Einstandspflicht ausgezahlter Betrag in Höhe von 10.226 EUR. Für eine weitere Lebensversicherungen ist lediglich ein Merkposten von 1 EUR angesetzt, da der Inhalt dieser Versicherung ausweislich des Gutachtens noch aufzuklären ist. Weiter besteht aus der Tätigkeit des Erblassers eine Stornoreserve in Höhe von 5.073,98 DM, die frühestens im April 2004 zur Auszahlung gelangt.

3

Das Passivvermögen wird beziffert auf 10.057,45 EUR. Unter Hinzurechnung von rund weiteren 3.000 EUR Kosten des Insolvenzantragsverfahrens kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, das Überschuldung vorliegt. Die zugleich mit dem Gutachten eingereichte Kostenrechnung weist für die Sachverständigentätigkeit eine Forderung in Höhe von 649, 77 EUR und für die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter einen Betrag in Höhe von 1.395,34 EUR aus.

4

Der Antrag ist als unbegründet zurückzuweisen.

5

Es kann dahinstehen, ob die Anträge vom 5. Juli 2001 auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zulässig waren, da sie keinerlei Angaben zum Vermögensstatus des Nachlasses enthalten. Auf Grund des Sachverständigengutachtens steht jedenfalls fest, dass die Anträge unbegründet sind. Es liegt keiner der in § 320 InsO aufgeführten Eröffnungsgründe vor.

6

Der Eröffnungsgrund der Überschuldung gem. § 19 InsO liegt nicht vor. Im vorliegenden Fall stehen den Aktiva in Höhe von 10.459,75 EUR Passiva in Höhe von 10.057,45 EUR gegenüber. Damit liegt eine Überschuldung nicht vor. Bereits entstandene oder im Verlaufe des Verfahrens noch entstehende Verfahrenskosten sind nicht hinzuzurechnen (Nerlich/Römermann/Mönning, InsO, § 19 Rz. 16; FK-InsO/Schmerbach § 19 Rz. 16).

7

Für die Beurteilung der Frage, ob Zahlungsunfähigkeit gem. § 17 InsO vorliegt, ist von den selben Grundsätzen auszugehen. Auch hier können die Verfahrenskosten nicht einbezogen werden.

8

Auch von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO kann nicht ausgegangen werden. Anhaltspunkte für bestehende, jedoch noch nicht fällige Forderungen sind nicht ersichtlich. Insbesondere fallen darunter nicht die durch das Nachlassinsolvenzverfahren verursachten Kosten. Dafür haftet nämlich nicht der Nachlass, sondern in Folge der Abweisung des Antrages als unbegründet die Antragstellerinnen. Dies folgt aus der zu beobachtenden Abgrenzung zwischen Nachlass- und Eigenschulden des Erben (FK-InsO/Schallenberg/Rafiqpoor § 325 Rz. 10).

9

Da der Antrag als unbegründet abgewiesen worden ist, hat jeweils die Antragstellerin gem. § 4 InsO i. V.m. § 91 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen (LG Bielefeld ZInsO 2000, 118[LG Bielefeld 09.12.1999 - 23 T 380/99]; FK-InsO/Schmerbach § 13 Rz. 51).

Streitwertbeschluss:

Wert: bis 600 EUR.

Die Wertfestsetzung folgt aus § 37 Abs. 2 GKG.

Schmerbach, Richter am Amtsgericht