Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 04.03.2002, Az.: 74 IN 60/02
Inanspruchnahme von Sicherungsrechten für angemeldete Forderungen an beweglichen Sachen oder Rechten ; Umfang der Rechte eines Insolvenzverwalter
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 04.03.2002
- Aktenzeichen
- 74 IN 60/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 28903
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2002:0304.74IN60.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 28 Abs. 2 InsO
- § 28 Abs. 3 InsO
- § 38 InsO
Fundstellen
- EWiR 2002, 443
- KTS 2003, 83 (amtl. Leitsatz)
- NZI 2002, 27
- Rpfleger 2002, 479
- ZInsO 2002, 292 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
- ZVI 2002, 80
Amtlicher Leitsatz
In analoger Anwendung des § 312 Abs. 2 InsO kann das schriftliche Verfahren auch in den Fällen angeordnet werden, die aufgrund der Neuregelung in § 304 InsO nicht mehr dem Verbraucherinsolvenzverfahren, sondern dem Regelinsolvenzverfahren unterfallen (wie vorliegend bei eingestellten Geschäftsbetrieb).
Gründe
Dem Schuldner wird die Verfügung über seiner gegenwärtiges Vermögen und das Vermögen, das während der Zeit des Verfahrens erlangt, verboten.
Die Verfügungsbefugnis geht auf den v.g. Insolvenzverwalter über.
Schuldbefreiende Leistungen können nach dem Eröffnungszeitpunkt nicht mehr an den Schuldner erfolgen. Wird gleichwohl an den Schuldner geleistet und gelangen die Leistungen nicht zur Masse, besteht die Gefahr einer nochmaligen Leistungsverpflichtung.
Die Gläubiger werden aufgefordert, Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) schriftlich in zwei Stücken unter Beifügung von Urkunden, Rechnungen und ggf. weiteren über die Forderungen bestehenden Unterlagen anzumelden bis zum 30.4.2002.
Dem Insolvenzverwalter ist auch mitzuteilen, ob und ggf. welche Sicherungsrechte für die angemeldeten Forderungen an beweglichen Sachen oder Rechten bestehen und in Anspruch genommen werden. Der Gegenstand, an dem das Sicherungsrecht beansprucht wird, die Art und der Entstehungsgrund des Sicherungsrechts sowie die gesicherte Forderung sind zu bezeichnen. Wer die Mitteilung schuldhaft unterlässt oder verzögert, haftet für den daraus entstehenden Schaden (§ 28 Abs. 2 InsO).
Personen, die Verpflichtungen gegenüber dem Schuldner haben, werden aufgefordert, nicht mehr an den Schuldner, sondern nur noch an den Insolvenzverwalter zu leisten (§ 28 Abs. 3 InsO).
Es wird in analoger Anwendung von § 312 Abs. 2 Satz 2 InsO für das Verfahren das schriftliche Verfahren angeordnet.
Am 17.5.2002 findet der Prüfungstermin im schriftlichen Verfahren statt, in dem die angemeldeten Forderungen geprüft werden.
Des Weiteren erfolgt Beschlussfassung über die evtl. Wahl eines anderen Insolvenzverwalters, die Einsetzung eines Gläubigerausschusses und die in den §§ 66, 100, 149, 160 InsO bezeichneten Angelegenheiten.
Der Insolvenzverwalter wird mit der Durchführung der Zustellungen beauftragt (§ 8 Abs. 3 InsO).
Durch die InsO wurden für das Verbraucherinsolvenzverfahren und sonstige Kleinverfahren diverse Verfahrenserleichterungen eingeführt. Nach § 312 Abs. 2 Satz 2 InsO kann das Insolvenzgericht anordnen, dass das gesamte Verfahren oder einzelne seiner Teile schriftlich durchgeführt wird.
Voraussetzung ist, dass die Vermögensverhältnisse des Schuldners zum einen überschaubar sind und andererseits die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering sind.
Diese Regelung des § 312 Abs. 2 Satz 2 InsO dient nach dem Bericht des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 12/3702, S. 193) vor allem der Verfahrensvereinfachung und der Entlastung der Gerichte. Wie das schriftliche Verfahren im Einzelnen aussehen soll und kann, ist nirgends geregelt.
Das Insolvenzgericht Göttingen hat bei Vorliegen dieser Voraussetzungen bisher einen schriftlichen Prüfungstermin bestimmt, in dem die angemeldeten Forderungen geprüft wurden gem. § 176 InsO.
Durch das InsOÄndG 2001 haben sich die Zuständigkeiten hinsichtlich der Zuordnung eines Schuldners zu einem Verbraucher- oder Regelinsolvenzverfahren verschoben.
In § 304 InsO sind nun Abgrenzungskriterien normiert, die dazu führen, dass eine Vielzahl von Schuldnern, die vor dem 1.12.2001 noch einem Verbraucherinsolvenzverfahren zuzuordnen gewesen wären, nunmehr ein Regelinsolvenzverfahren durchlaufen müssen.
Die Folge ist u.a., dass die Verfahrenserleichterungen des § 312 InsO für diese Schuldner keine Anwendung finden.
Es kann weder das schriftliche Verfahren angeordnet werden, noch findet nur der Prüfungstermin statt.
Für die Insolvenzgerichte wird es folglich eine Vielzahl von zusätzlichen, wenn auch kombinierten Berichts- und Prüfungsterminen geben.
Das mit der Einführung der InsO in § 312 InsO beabsichtigte Ziel der Entlastung der Gerichte ist durch das InsOÄndG 2001 somit hinfällig.
Das Gericht geht davon aus, dass es bei der Fassung des InsOÄndG 2001 vom Gesetzgeber schlichtweg vergessen wurde, den § 312 InsO weiterhin für bestimmte Schuldner, die nunmehr aufgrund der Neufassung des § 304 InsO einem Regelinsolvenzverfahren zugeordnet werden, gelten zu lassen.
Das Gericht wendet daher den § 312 Abs. 2 Satz 2 InsO dahingehend analog an, dass das schriftliche Verfahren und die Konzentration auf den Prüfungstermin auch für die Schuldner gilt, denen nur aufgrund der Neuregelung des § 304 InsO ein Verbraucherinsolvenzverfahren verwehrt bleibt, die jedoch nach § 304 a.F. InsO ursprünglich einem Verbraucherinsolvenzverfahren zuzuordnen gewesen wären.