Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 17.01.2002, Az.: 74 IN 8/02
Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 17.01.2002
- Aktenzeichen
- 74 IN 8/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 28902
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2002:0117.74IN8.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4a InsO
- § 304 Abs. 2 InsO
Fundstellen
- NZI 2002, 38
- VuR 2002, 140
- ZInsO 2002, 147-148 (Volltext mit amtl. LS)
- ZVI 2002, 25
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit liegt vor, wenn ein Schuldner als Mitgesellschafter mehrerer GbR tätig ist, die Wohn- und Geschäftshäuser baut bzw. erwirbt.
- 2.
Nach Einstellung der Geschäftstätigkeit liegen bei Gesamtverbindlichkeiten von ca. 8,2 Mio. Euro, die grundbuchmäßig auf 6 Grundstücken in Höhe von ca. 7,5 Mio. Euro abgesichert sind, unüberschaubare Vermögensverhältnisse i.S.d. § 304 InsO; daher ist ein Regelinsolvenzverfahren durchzuführen.
Gründe
Mit der Beschwerde hat der Schuldner dargelegt, dass ihm das Guthaben auf dem Girokonto wegen einer Pfändung nicht zur freien Verfügung steht. Gleichwohl kann ihm keine Stundung nach § 4a InsO bewilligt werden. Eine Stundung kann danach nur bewilligt werden, wenn das Vermögen voraussichtlich nicht zur Kostendeckung ausreichen wird. Eine solche Prognose lässt sich jedenfalls z.Zt. nicht stellen. Nach dem Vermögensverzeichnis verfügt der Schuldner weiter über zwei Lebensversicherungen mit einem Wert von fast 47.000 Euro, die nach den bisherigen Erklärungen nicht gepfändet oder abgetreten sind. Gleiches gilt für die Ansprüche aus Arbeitseinkommen gegenüber der Firma ... i.H.v. knapp 34.000 Euro. Unklar ist des Weiteren, ob aus den Firmenbeteiligungen und dem Grundvermögen Erlöse zu erzielen sind, die die Verfahrenskosten abdecken.
Das Gericht sieht des Weiteren keinen Anlass, wieder in das Verbraucherinsolvenzverfahren zurückzukehren. Der Schuldner mag zwar früher auch angestellt gewesen sein, er ist jedoch als maßgeglicher Mitgesellschafter verschiedener GbR auch selbstständig tätig gewesen. Wie er selbst vorträgt, stammen seine wesentlichen Verbindlichkeiten aus dieser Tätigkeit. Da die Gesellschaften kein Kapitalgesellschaften sind, liegen keine bloßen Geldanlagen vor.
Schließlich kann dem Schuldner nicht in der Auslegung von § 304 InsO n.F. gefolgt werden. Ehemals Selbstständigen steht das Verbraucherinsolvenzverfahren nur offen, wenn ihre Vermögensverhältnisse überschaubar sind. Ob dies der Fall ist, entscheidet das Gericht in freier Überzeugung. Angesichts der verschiedenen Beteiligungen, des Grundvermögens und der Verpfändungen und Belastungen können die Vermögensverhältnisse des Schuldners nicht als überschaubar bezeichnet werden. § 304 Abs. 2 InsO verbietet es lediglich, bei mehr als 19 Gläubigern von einer Überschaubarkeit auszugehen.