Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 15.08.2002, Az.: 74 IK 176/00
Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen; Anforderungen an einen Schuldenbereinigungsplan
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 15.08.2002
- Aktenzeichen
- 74 IK 176/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 28927
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2002:0815.74IK176.00.0A
Rechtsgrundlagen
- § 290 InsO
- § 302 Nr. 1 InsO
- § 305 Abs 1 Nr. 3 InsO
Fundstellen
- Rpfleger 2003, 40-41
- ZInsO 2002, 992-993 (Volltext mit amtl. LS)
- ZVI (Beilage) 2004, 35 (amtl. Leitsatz)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Gibt der Schuldner nicht an, dass er über ein geleastes Kraftfahrzeug verfügt und damit Einnahmen erzielt, ist vom Vorliegen des Versagungstatbestandes des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO auszugehen.
- 2.
Beruft sich der Schuldner darauf, dass er die Einnahmeansprüche an einen Dritten abgetreten habe und von diesem nur die Unkosten für das Fahrzeug erstattet bekomme, so ist es Aufgabe des Schuldners, dies dem Insolvenzgericht im Einzelnen zu erläutern und nachzuweisen. Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Schuldners.
Gründe
Der anwaltlich vertretene Schuldner hat am 22./23.11.2000 Antrag auf Durchführung des Insolvenzverfahrens gestellt. In dem beigefügten Vermögensverzeichnis wird das monatliche Einkommen mit 630 DM netto angegeben. Die Frage nach dem Vorhandensein eines Kraftfahrzeuges ist verneint. Das von dem Schuldner unterschriebene Vermögensverzeichnis trägt das Datum des 24.10.2000. Mit Anwaltsschriftsatz v. 27.10.2000 ließ der Schuldner mitteilen, dass neben der bereits angegebenen Lebensversicherung eine weitere Lebensversicherung existiert. Am 2.3.2001 ist das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und ihm PKH einschließlich der Vergütung des Treuhänders bewilligt worden.
Der Bericht des Treuhänders v. 5.4.2001 führt aus, dass der Schuldner über keinerlei Vermögen verfügt, er habe weder einen Pkw noch sonstige Vermögenswerte. Weiter teilte der Treuhänder mit, dass in Anbetracht der Unterhaltspflichten des Schuldners sein Verdienst als Auslieferungsfahrer i.H.v. durchschnittlich monatlich 2.100 DM pfändungsfrei ist. Im Schlussbericht v. 2.11.2001 führt der Treuhänder aus, dass er von einem Verzeichnis der Massegegenstände und einer Vermögensübersicht abgesehen hat, da der Schuldner keinerlei Vermögen besitzt.
Mit Beschl. v. 15.11.2001 hat der Rechtspfleger das schriftliche Verfahren angeordnet und u.a. die Gläubiger aufgefordert, Einwendungen gegen die beantragte Restschuldbefreiung bis zum 4.1.2002 vorzubringen. Die Gläubigerin Nr. 6 hat daraufhin mit bei Gericht am 3.12.2001 eingegangen Schreiben v. 29.11.2001 beantragt, die Restschuldbefreiung zu versagen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Schuldner habe einen Betrug dadurch begangen, dass er in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit Kraftstoff getankt und sodann den vereinbarten Lastschrifteinzügen widersprochen habe. Ferner seien die Angaben im Vermögensverzeichnis v. 24.10. 2000 falsch, da der Schuldner monatlich mehr als 630 DM verdiene. Zudem habe eine Mitarbeiterin eines Transportunternehmens in Kassel mitgeteilt, dass im September 2001 ein Scheck für Lohn an den Schuldner herausgegangen sei; diese Einkünfte habe der Schuldner gänzlich verschwiegen.
Der Schuldner hat mit Anwaltsschriftsatz beantragt, den Versagungsantrag zurückzuweisen. Hinsichtlich des nichtbezahlten Kraftstoffes vertritt er die Auffassung, es liege kein Versagungsgrund des § 290 InsO vor, die Gläubigerin müsse sich auf § 302 Nr. 1 InsO verweisen lassen. Bei Abgabe des Vermögensverzeichnisses am 24.10.2000 habe er keine falschen Angaben gemacht. Zu diesem Zeitpunkt sei er lediglich als Aushilfsfahrer beschäftigt und habe einen Lohn von 630 DM netto verdient. Die Tour für die Transportfirma in Kassel habe der Schuldner am 1.10.2000 an seinen Arbeitgeber abgetreten. Das Transportunternehmen in Kassel habe die Tour auf seinen Arbeitgeber nicht umschreiben wollen. Zahlungseingänge leite der Schuldner an seinen Arbeitgeber unmittelbar weiter und erziele hieraus kein eigenes zusätzliches Einkommen. Ausweislich der vom Schuldner in Ablichtung vorgelegten Abtretungserklärung v. 21.9.2000 erfolgte die Abtretung mit Wirkung v. 1.10.2000 "aus wirtschaftlichen Gründen".
Das Insolvenzgericht hat daraufhin den Arbeitgeber des Schuldners am 22.2.2002 als Zeugen vernommen. Er hat ausgesagt, der Schuldner sei zunächst als Springer auf 630 DM-Basis beschäftigt gewesen und seit ca. 14 Monaten fest angestellt. Die Tour vom Kasseler Transportunternehmen habe er, der Zeuge, übernehmen wollen. Damit sei das Kasseler Transportunternehmen jedoch nicht einverstanden gewesen, weil er schon sechs Touren für diese Firma fahre. Deshalb führe der Schuldner offiziell die Tour durch mit einem geleasten Kleintransporter, den er dem Zeugen zur Verfügung stelle. Der Zeuge oder einer seiner Fahrer führe die Tour durch. Der Schuldner erhalte das Geld vom Kasseler Transportunternehmen und überweise es zunächst in voller Höhe an den Zeugen, der an den Schuldner die Fahrzeugkosten, nämlich Steuer, Versicherung, Leasingraten, zurücküberweise.
Mit Verfügung v. 16.5.2002 hat das Insolvenzgericht dem Schuldner aufgegeben, darzulegen und durch Unterlagen zu belegen, welche Einnahmen er ab dem 1.10.2000 von dem Kasseler Transportunternehmen erhielt, ob und in welchem Umfang er sie an seinen Arbeitgeber weiterleitete, in welchem Umfang dieser Erstattungen leistete, welche Kosten für das Fahrzeug entstehen, in wessen Eigentum es steht, wer welche Raten an wen zahlt und in welchem zeitlichen Umfang monatlich das Leasingfahrzeug benutzt wird. Dem Schuldner ist mehrfach Fristverlängerung bewilligt worden, zuletzt bis zum 5.8.2002. Eine Stellungnahme ist nicht eingegangen.
Aufgrund des rechtzeitig und formgerecht gestellten Versagungsantrages ist dem Schuldner gem. § 290 Abs. 1 InsO die beantragte Restschuldbefreiung zu versagen. Es liegt der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO vor.
In dem gem. § 305 Abs 1 Nr. 3 InsO vorzulegenden Vermögensverzeichnis hat der Schuldner angegeben, dass er über kein Kraftfahrzeug verfüge. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben hat er unter Hinweis auf die Möglichkeit der Versagung der Restschuldbefreiung gem. § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO versichert. Tatsächlich hat der Schuldner aber einen Kleintransporter geleast, mit dem Fahrten durchgeführt und Einnahmen erzielt werden. Nach der vom Schuldner vorgelegten Abtretungserklärung v. 21.9.2000 ist die mit dem Leasingfahrzeug vorgenommene Tour zwar "aus wirtschaftlichen Gründen" zum 1.10.2000 an seinen Arbeitgeber abgetreten. In dem am 24.10.2000 unterzeichneten Vermögensverzeichnis wird das Fahrzeug jedoch nicht aufgeführt, von dem Kasseler Transportunternehmen vereinbarte Zahlungen werden nicht angegeben. Damit hat der Schuldner unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht. Dieses Verhalten des Schuldners muss als zumindestens grob fahrlässig bezeichnet werden. Zum einen ist zu bedenken, dass der Schuldner anwaltlich vertreten ist. Zum anderen kann sich der Schuldner nicht darauf berufen, dass es sich bei ihm nur um einen "durchlaufenden Posten" gehandelt habe, da er Zahlungseingänge direkt an seinen Arbeitgeber weiterleite und hieraus kein eigenes zusätzliches Einkommen erziele. Der Arbeitgeber des Schuldners hat zwar bekundet, der Schuldner überweise die Zahlungen des Kasseler Transportunternehmens in voller Höhe an ihn, lediglich die Fahrzeugkosten wie Steuer, Versicherung und Leasingraten würden an den Schuldner zurück überwiesen. Trotz der gerichtlichen Auflage im Schreiben v. 16.5.2002 hat der Schuldner diese Angaben jedoch nicht näher erläutert und durch Unterlagen belegt. Mangels näherer Angaben des Schuldners kann auch davon ausgegangen werden, dass durch seine falschen bzw. unrichtigen Angaben die Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger beeinträchtigt wurden und die sog. Wesentlichkeitsgrenze überschritten worden ist, sofern man sie für anwendbar hält (vgl. FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 7, 47 m.w.N. ; enger OLG Celle, ZVI 2002, 29, 31). Aufgabe des Schuldners wäre es gewesen, dem Gericht die angeforderte Sachaufklärung zu erteilen. Dies hat der Schuldner nicht getan, verbleibende Zweifel gehen zu seinen Lasten.
Dahinstehen kann bei dieser Sachlage die Frage, ob der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO auch dadurch erfüllt ist, dass der Schuldner sein Einkommen zu gering angab bzw. ob er verpflichtet war, die etwa im November/Dezember 2000 erfolgte Einkommenserhöhung dem Gericht mitzuteilen (vgl. dazu AG Oldenburg, ZInsO 2001, 1170[AG Oldenburg 28.11.2001 - 60 IK 21/99]).
Im Zusammenhang mit der Höhe des Einkommens bei Antragstellung muss nicht oben angesprochene Frage entschieden werden, ob der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO nur dann eingreift, wenn durch die unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben die Befriedigungsaussichten der Gläubiger benachteiligt wurden (was im vorliegenden Fall in Anbetracht der auch nach der Einkommenserhöhung bestehenden Unpfändbarkeit des Schuldners zu verneinen wäre).
Schließlich kann auch dahinstehen, ob das Verhalten des Schuldners im Zusammenhang mit den unbezahlten Tankrechnungen einen Versagungsgrund gem. § 290 Abs. 1 InsO darstellt.