Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 21.02.2002, Az.: 74 IN 1/02

Übersendung von Prozessakten; Gewährung von Akteneinsicht bei auswärtigem Amtsgericht

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
21.02.2002
Aktenzeichen
74 IN 1/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 28685
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:2002:0221.74IN1.02.0A

Fundstellen

  • InVo 2002, 233-234
  • NZI 2002, 5
  • NZI 2002, 266
  • ZInsO 2002, 498-499 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZVI 2002, 80-81

Tenor:

Der Antrag der Antragsgegnerin vom 15.02.2002 auf Übersendung der Verfahrensakten in die Kanzlei Ihrer Verfahrensbevollmächtigten wird zurückgewiesen.

Gründe

1

Gegen die Antragsgegnerin, ein Mitglied der so genannten Göttinger Gruppe, war ein Insolvenzverfahren anhängig. Nach einem Anhörungstermines bestellte das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete einen allgemeinen Zustimmungsvorbehalt an. Nach Begleichung der Forderung durch die Antragsgegnerin nahm der Antragsteller den Antrag zurück.

2

Mit Anwaltsschriftsatz vom 23.02.2001 haben die in Berlin ansässigen Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin Akteneinsicht für drei Tage in Ihre Kanzlei beantragt. Das Insolvenzgericht hat die Akten an das Amtsgericht Schöneberg versandt, das die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 13.02.2002 davon informiert hat, dass die Akten bis zum 27.02.2002 eingesehen werde und die Mitnahme durch die übersendende Behörde nicht gestattet worden ist.

3

Mit Schriftsatz vom 15.02.2002 bitten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin um zeitnahe Mitteilung der Gründe, die eine Überlassung der Akten in Ihre Kanzlei entgegen gestanden haben. Weiter weise ich Sie darauf hin, dass sie das Nichtgestatten der Mitnahme als schikanös empfinden und bitten auch insoweit um Stellungnahme.

4

Ein Recht auf Übersendung der Prozessakten in Ihre Kanzlei steht den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin gemäß § 4 InsO i.V.m. 299 Abs. I ZPO nicht zu.

5

Grundsätzlich können die Parteien nur Einsicht in Akten auf der Geschäftsstelle beanspruchen. Ob Akten zur Einsichtnahme herausgegeben oder nach auswärts versandt werden, steht im Ermessen des Gerichtes. Eine Versendung nach auswärts erfolgt regelmäßig nur an das örtlich zuständige Amtsgericht zur Einsicht auf der dortigen Geschäftsstelle (Zöller/Greger, ZPO, § 299 Rz. 4 a). Im vorliegenden Fall hat das Insolvenzgericht seine Befugnis dahin ausgeübt, dass Akteneinsicht bei dem auswärtig zuständigen Amtsgericht auf der dortigen Geschäftsstelle genommen werden kann. Dies entspricht nicht nur der Praxis des Insolvenzgerichtes Göttingen, sondern auch der Praxis anderer Insolvenzgerichte, wie dem Insolvenzgericht Göttingen aus entsprechenden Aktenübersendungen anderer Insolvenzgerichte bekannt ist. In dem Formularanschreiben des Amtsgerichts Schöneberg ist zudem der Satz enthalten, dass die Mitnahme durch die übersendende Behörde nicht gestattet worden ist. Auch dies belegt, dass es sich bei der Gewährung der Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle des auswärtigen Amtsgerichtes um ein übliches Verfahren handelt.

6

Soweit sich die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin auf eine Entscheidung des OLG Hamm (ZIP 1990,1369) berufen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Das OLG Hamm bejaht zwar einen Anspruch auf Übersendung der Akten in die Kanzlei. Der Entscheidung lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass der beschwerdeführende Rechtsanwalt seinen Sitz außerhalb des Bezirkes des Amtsgerichtes -wie im vorliegenden Fall - hatte.

7

Ob ausnahmsweise eine Übersendung für einen auswärtigen Kanzleisitz in Betracht kommt, kann dahinstehen. Anhaltspunkte für eine mögliche Ausnahme sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Es handelt sich um einen überschaubaren Aktenvorgang. Er besteht im Wesentlichen aus dem Antragsschriftsatz der Antragstellers, der der Antragsgegnerin vor dem Anhörungstermin übersandt wurde, dem Protokoll des Anhörungstermines, dem Beschluss über die Anordnung der Sicherungsmaßnahmen, der Rücknahmeerklärung des Antragstellers und dem Aufhebungsbeschluss, sämtlichst an die Antragsgegnerin übersandt. Sofern der Durchschrift der Antragsschrift der Antragsgegnerin keine Anlagen beigefügt waren (was ohne die versandte Akte nicht sicher beurteilt werden kann), rechtfertigt dies keine Übersendung in die Kanzlei. Es handelt sich um Schriftverkehr zwischen den Parteien vor Stellung des Insolvenzantrages. Das Insolvenzgericht geht davon aus, dass die Antragsgegnerin in Anbetracht der Größe ihres Geschäftsbetriebes diese Unterlagen aufbewahrt hat.

8

Soweit die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin das Nichtgestatten der Mitnahme als schikanös empfinden und um Stellungnahme bitten, mögen Sie dem Insolvenzgericht mitteilen, auf Grund welcher rechtlichen Grundlage das Insolvenzgericht eine Stellungnahme abgeben soll.

Schmerbach, Richter am Amtsgericht