Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 28.02.2002, Az.: 44 F 156/00 UG

Ausgestaltung der familienrechtlichen Regelung des Besuchsrechts eines Kindesvaters bezüglich der nach einer Scheidung bei der Kindesmutter untergebrachten Kinder; Voraussetzungen des Vorliegens der unbedingten Erforderlichkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers für minderjährige Kinder zur Wahrnehmung der Kindesinteressen

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
28.02.2002
Aktenzeichen
44 F 156/00 UG
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 32675
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:2002:0228.44F156.00UG.0A

Fundstelle

  • FamRZ 2003, 112-113 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Die Kinder ...

In der Familiensache
...
hat das Amts-Familiengericht Göttingen
durch
den Richter am Amtsgericht Schmitz
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Kindesvater ist berechtigt, die gemeinsamen Kinder ... und ... alle zwei Wochen in der Zeit von Freitag 17:00 Uhr bis Sonntag 17:00 Uhr zu sich zu nehmen.

  2. 2.

    Die Kindesmutter hat die Kinder jeweils zu Beginn des Besuchszeit ausgehbereit dem Kindesvater zu übergeben. Der Kindesvater hat die Kinder an der Wohnung der Mutter abzuholen und dort spätestens zum festgesetzten Ende der Besuchszeit der Mutter wieder zu übergeben.

  3. 3.

    Beide Elternteile habe eine in ihrer Person liegende Verhinderung spätestens am 3. Tage vor dem Besuchstag anzuzeigen. Das gleiche gilt für den Fall einer Verhinderung des Kindes bzw. der Kinder. Fällt ein Besuch aus, so tritt an dessen Stelle das folgende Wochenende.

  4. 4.

    Der Vater ist weiter berechtigt, die Kinder in der zweiten Hälfte der Sommerferien zwei Wochen zu sich zu nehmen und in den Ferien mit den Kindern zu verreisen.

  5. 5.

    Der Vater hat außerdem das Recht, mit den Kindern in den Osterferien jeweils eine Woche zusammen zu sein. Beide Elternteile sind insoweit verpflichtet, über die näheren Einzelheiten persönlich eine terminliche Absprache zu treffen.

  6. 6.

    Der Kindesvater verpflichtet sich, die Kinder nicht mit zu den Gottesdiensten oder sonstigen Zusammenkünften seiner Glaubensgemeinschaft bzw. zu Versammlungen mit Angehörigen dieser Glaubensgemeinschaft mitzunehmen, auch nicht zu bestimmten Anlässen oder an bestimmten Tagen.

  7. 7.

    Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine der vorgenannten Anordnungen wird beiden Elternteilen die Festsetzung eines Zwangsgeldes bis zu 25.000,00 EUR angedroht.

  8. 8.

    Zuwiderhandlungen können darüberhinaus den Ausschluss des Umgangsrechts oder die Entziehung des Personensorgerechts nach sich ziehen.

  9. 9.

    Die Gerichtskosten tragen beide Elternteile je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

  10. 10.

    Der Geschäftswert wird auf 2.500,00 EUR.

Gründe

1

Die Parteien haben im Juni 1990 die Ehe miteinander geschlossen. Aus der Ehe sind die beiden Kinder ... geb. am 21.05.1994 und ... geb. am 25.12.1996 hervorgegangen. Die Ehe der Parteien ist durch Urteil des Amts-Familiengerichts Göttingen (44 F 280/98) vom 14.07.1999 geschieden worden. Beide Kinder leben bei der Antragsgegnerin und Kindesmutter.

2

Der Kindesvater begehrt den Erlass einer gerichtlichen Umgangsregelung, wonach die Kinder an jedem zweiten Wochenende mit dem Vater zusammen sein können. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Antragsschrift Bezug genommen.

3

Das Gericht hat die Eltern und das Kind persönlich angehört sowie einen Bericht des Stadtjugendamtes Göttingen eingeholt.

4

Das Gericht hat davon abgesehen, den Kindern im vorliegenden Verfahren einen Verfahrenspfleger nach §50 FGG zu bestellen, da nach Auffassung des Gerichts die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind. Zum einen kann nicht festgestellt werden, dass die Bestellung eines Verfahrenspflegers für die minderjährigen Kinder zur Wahrnehmung der Kindesinteressen unbedingt erforderlich ist. Im anhängig gemachten Verfahren besteht kein Interessengegensatz zwischen den Kindern und den gesetzlichen Vertretern.

5

Darüberhinaus handelt es sich nicht um Verfahren nach den§§1666, 1666 a oder 1632 BGB. Letztlich weist das Gericht in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass es auf unabsehbare Zeit unmöglich ist, in Göttingen und Umgebung überhaupt einen Verfahrenspfleger zu gewinnen, da sämtliche bekannten Verfahrenspfleger seit langer Zeit überlastet sind und eine weitere Heranziehung aus diesem Grunde ablehnen.

6

Die Entscheidung beruht auf §1684 Abs. 3 BGB. Eine übereinstimmende Vereinbarung der Eltern über den Umgang des Vaters mit den Kindern konnte nicht erzielt werden. Das Gericht hat daher die Regelung getroffen, die unter Berücksichtigung des Zwecks des Umgangsrechts einerseits und der berechtigten Belange des betreuenden Elternteils andererseits nach den gesamten Verhältnissen dem Wohle der Kinder am Besten entspricht.

7

Einigkeit konnte zwischen den Eltern lediglich dahin erzielt werden, dass grundsätzlich dem Kindesvater ein Umgangsrecht eingeräumt werden muss, da beide Elternteile grundsätzlich in gleicher Weise und gleichem Umfang in der Lage sind, die Betreuung und Erziehung der Kinder vorzunehmen bzw. zu gewährleisten.

8

Ein Ausschluss des Umgangsrechts kann im vorliegenden Fall nicht ausgesprochen werden, da eine solche Entscheidung zum Wohl der Kinder nicht erforderlich ist. Die Mitgliedschaft des Kindesvaters und Antragstellers zur Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas kann für sich allein nicht als Gefährdung des Kindeswohles angesehen werden.

9

Entgegen der Auffassung der Kindesmutter kann zumindest zur Zeit und bis auf weiteres nicht nachvollzogen werden, dass die Religionszugehörigkeit des Kindesvaters zur Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas Einfluss auf die Entwicklung der Persönlichkeit der Kinder nimmt oder zu nehmen geeignet ist. Das Kindeswohl insoweit beeinträchtigende Faktoren und Umstände können nicht festgestellt werden. Insbesondere ist nicht dargelegt worden, dass der Kindesvater die Kinder etwa zu einer unreflektierten und intoleranten Haltung gegenüber anderen Glaubensrichtungen erzieht oder auf andere dem Kindeswohl widersprechende Weise in eine starke Abhängigkeit von seiner Glaubensgemeinschaft bringen wird oder will. Das Gericht geht sogar soweit, dass dem Kindesvater abzunehmen ist, dass er sowohl in der Vergangenheit sich stets bemüht hat und auch in der Zukunft bemühen wird, die Kinder im in Bezug auf seine Glaubensgemeinschaft nicht beeinflussen zu wollen. Der Kindesvater hat diese Absicht dadurch untermauert, dass er sich ausdrücklich bereit erklärt hat, die Kinder nicht mit zu den Gottesdiensten oder sonstigen Versammlungen der Zeugen Jehovas nehmen zu wollen. Diese ausdrückliche Bereitschaft des Kindesvaters zeigt, dass ihm in erster Linie daran gelegen ist, die persönlichen Beziehungen zu seinen Kindern nicht abreißen zu lassen.

10

Die Kindesmutter, die bis zur Scheidung der Ehe ebenfalls Angehörige der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas gewesen ist, wird ihre persönliche Einstellung in Bezug auf die Betreuung und Erziehung der Kinder darauf einstellen müssen, dass die Kinder einen Anspruch darauf haben, unabhängig von der Zugehörigkeit der Eltern zur jeweiligen Glaubensgemeinschaft weiterhin von beiden Elternteilen betreut und erzogen zu werden. Insbesondere ist die Kindesmutter verpflichtet, den Kindern das Gefühl zu vermitteln, dass die Besuche beim Kindesvater von ihr auch gewünscht werden.

11

Es ist für beide Kinder wichtig, am Leben des Vaters teilzunehmen, weshalb auch ein längerer Aufenthalt in den Ferien unumgänglich ist. Die Kindesmutter kann nicht für sich in Anspruch nehmen, dass der Kindesvater sich von der ursprünglich gleichen Glaubensgemeinschaft lossagen muss. Vielmehr ist ihr zuzumuten, dass sie die religiöse Einstellung ihres ehemaligen Ehepartners akzeptiert.

12

Der darüberhinaus von der Kindesmutter gestellte Antrag, den Kindesvater zu verpflichten, sich jeglicher religiöser Unterrichtung der Kinder zu enthalten, konnte nicht positiv beschieden werden. Dieser Antrag ist zu unbestimmt, da anderenfalls mit einer entsprechenden Auflage die Rechte und Pflichten des Kindesvaters in unzulässiger Weise eingeschränkt würden. Darüberhinaus ist dem Kindesvater durchaus darin beizupflichten, dass er in der Vergangenheit - in Bezug auf seine religiöse Einstellung - lediglich etwaige Frage der Kinder versucht hat zu beantworten.

13

Ein Umgang zwischen dem Kindesvater und den Kindern an den gesetzlichen Feiertagen zu Ostern und Weihnachten ist gerichtlicherseits nicht auszusprechen, da der Kindesvater diese Feiertage aufgrund seiner religiösen Überzeugung nicht feiert.

14

Die Nebenentscheidungen beruht auf den §§94 Abs. 3 Satz 2; 30 Abs. 2 KostO; 13 a Abs. 1 FGG.

Schmitz