Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.09.2004, Az.: 13 ME 386/04

Angebot; Ausnahmebewilligung; Ausnahmetatbestand; Besuch; Bewertung; Einstellung; Erlaubnis; Geschwister; Grund; Härte; Niedersachsen; Pädagogik; Schulbesuch; Schulbezirk; Schule; Sprachenangebot; Zuweisung; Zuweisungsanspruch

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.09.2004
Aktenzeichen
13 ME 386/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50941
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 11.08.2004 - AZ: 6 B 1212/04

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Erlaubnis, eine Schule außerhalb des Schulbezirks besuchen zu dürfen, setzt das Vorliegen eng begrenzter Ausnahmetatbestände - unzumutbare Härte und pädagogische Gründe - voraus.

Der Umstand, dass Geschwistern bereits eine Ausnahmebewilligung erteilt worden ist, erfüllt diese Voraussetzungen grundsätzlich nicht.

Unbeachtlich ist auch, dass Eltern eine negative Einstellung zur zuständigen Schule besitzen und sie eine Ablehnung dadurch bei dem Schüler hervorrufen.

Ein besonderes schulisches Angebot ist nur dann beachtlich, wenn dessen Wahrnehmung hinreichend konkret erscheint.

Gründe

1

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit umfassender und überzeugender Begründung abgelehnt. Der Senat macht sich die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses zu eigen und sieht insoweit gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO von einer weiteren Darstellung der Gründe ab.

2

Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht. Die Auffassung der Antragsteller, das Verwaltungsgericht habe Ausführungen zu § 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 NSchG - pädagogische Gründe - in dem angefochtenen Beschluss unterlassen, trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr ausdrücklich festgestellt, dass solche Gründe nicht bestehen (Beschlussabdruck S. 3 und S. 6). Die Ausführungen, die das Verwaltungsgericht zur „unzumutbaren Härte“ (§ 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 NSchG) gemacht hat, lassen sich weitgehend (auch) unter dem Gesichtspunkt der „pädagogischen Gründe“ einordnen.

3

Insbesondere gilt dies für den von den Antragstellern in den Vordergrund gestellten Wunsch von D., dasselbe Gymnasium wie ihre beiden älteren Geschwister besuchen zu dürfen. Dieser Wunsch kann dem Begehren der Antragsteller nicht zum Erfolg verhelfen. In der Rechtsprechung des Senats ist es geklärt, dass der ausnahmsweise genehmigte Schulbesuch von Geschwistern nicht dazu führen muss, einem weiteren Geschwisterkind den Besuch dieser Schule ebenfalls ausnahmsweise zu gestatten (Senatsbeschluss vom 6.9.2000 - 13 M 3155/00 -; Seyderhelm/Nagel/ Brockmann, NSchG § 63 Anm. 5.2.2 m.w.N.). Im Übrigen weist die Antragsgegnerin dazu zutreffend darauf hin, dass im Falle der Antragsteller der Besuch unterschiedlicher Gymnasien durch die Geschwister von vornherein dadurch angelegt gewesen ist, dass dem Bruder von D., E., aus sozialen Gründen („Mobbing“) ausnahmsweise der Besuch des Domgymnasiums in Verden gestattet worden ist. Dass auch F., die ältere Schwester von D., das Domgymnasium besucht, erscheint ungewöhnlich, weil ihr Ausnahmeantrag im Sommer 2002 zunächst abgelehnt wurde und sie dagegen erfolglos ein Widerspruchsverfahren geführt hat. Offenbar aufgrund ihrer Anmeldung mit einer Wohnung im Flecken G. wurde sie - wie sich jetzt herausgestellt hat - am Domgymnasium Verden schließlich doch aufgenommen. Nach Mitteilung des Fleckens G. ist diese Nebenwohnung bereits am 6. November 2002 aufgegeben worden. Der künftige Besuch getrennter Schulen beruht hier also letztlich auf dem Verhalten der Antragsteller.

4

In der Beschwerdeschrift wird das bisherige Vorbringen ausdrücklich dahingehend erweitert, dass nicht nur der Antragsteller zu 2), sondern auch die Antragstellerin zu 1) eine negative Einstellung zur zuständigen Schule in Achim gewonnen hatten und auch D. die Einstellung ihrer Eltern zu dieser Schule teilt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht dazu aber ausgeführt, dass in einer allgemeinen, subjektiv negativen Bewertung, die durch andere vermittelt wird, eine besondere Ausnahmesituation, also weder eine unzumutbare Härte, noch anzuerkennende pädagogische Gründe gesehen werden können. Dies würde in der Tat letztlich zu einem Wahlrecht führen, das vom Gesetzgeber nach der Regelung des § 63 Abs. 3 NSchG aber fraglos nicht gewollt ist. Die Formulierungen der Nrn. 1 und 2 dieser Vorschrift sprechen vielmehr dafür, lediglich eng begrenzte Ausnahmetatbestände für den Besuch einer Schule außerhalb des Schulbezirks anzuerkennen, die der Senat hier nicht zu erkennen vermag.

5

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens haben die Antragsteller ferner auf die altsprachliche Ausrichtung des Verdener Domgymnasiums hingewiesen. Auch dieser Gesichtspunkt kann dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht zum Erfolg verhelfen. Zwar kann als pädagogischer Grund im Sinne des § 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 NSchG das besondere schulische Angebot grundsätzlich durchaus anerkannt werden. Namentlich das Angebot einer besonderen Fremdsprache kann die Annahme eines Ausnahmegrundes rechtfertigen. Im Falle der Tochter der Antragsteller D. liegen diese Voraussetzungen aber nicht vor.

6

Dies ergibt sich zum einen daraus, dass D. jetzt in den 6. Schuljahrgang eingetreten ist. Das Fach „Altgriechisch“ am Verdener Domgymnasium wird indessen erst ab der 8. Klasse angeboten. Ob sich D. und ihre Eltern in zwei Jahren zum Besuch des Altgriechischunterrichts entscheiden werden, erscheint beim derzeitigen Sachstand aber noch völlig offen. Zusätzlich zu einem Angebot müssen Gründe treten, die jeweils in der Person des Schülers oder der Schülerin liegen. Erst dann kann dies zu einer Anerkennung eines pädagogischen Grundes führen (Seyderhelm/Nagel/Brockmann aaO). Die Antragsteller verweisen lediglich auf das besondere sprachliche Angebot, ohne dass hinreichend konkret wäre, dass dieses künftig auch wahrgenommen werden soll, zumal im bisherigen Verfahren von einem Interesse am Unterricht in Altgriechisch nicht die Rede gewesen ist. Auch der Umstand, dass bestimmte Berufe das Graecum erfordern, wäre rechtlich unerheblich, weil gegenwärtig nicht ersichtlich ist, dass die Tochter der Antragsteller einen solchen Beruf ergreifen wird.

7

Schließlich erscheinen die Betreuungsmöglichkeiten für D. ebenfalls nicht von Bedeutung, da sie schon bisher die Schule in Achim besucht hat.